S 2 KA 1196/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 1196/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 29/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 30.03.2016, ausgefertigt als Bescheid vom 12.04.2016, wird der Beklagte verur-teilt, die Anstellung der Frau B N1, Fachärztin für Herzchirurgie, geb. 00.00.1972, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stun-den (Anrechnungsfaktor 1,0) in dem Medizinischen Versorgungs-zentrum der Klägerin zu genehmigen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Erteilung einer Anstellungsgenehmigung für eine Fachärztin für Herzchirurgie.

Die Klägerin ist Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), welches mit Wirkung vom 01.10.2015 zur vertragsärztlichen Versorgung in N2 zugelassen wurde. Am 20.07.2015 stellte die Klägerin den Antrag, Frau B N1, geb.00.00.1972, Fachärztin für Herzchirurgie, mit einer wöchentlichen Arbeits-zeit von 32 Stunden (Anrechnungsfaktor 1,0) anzustellen. Durchgreifenden Be-denken gegen die Zulassungsfähigkeit eines Facharztes für Herzchirurgie be-stünden nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe durch Urteil vom 02.09.2009 - B 6 KA 35/08 R - in einem Verfahren, welches den hiesigen Zu-lassungsbezirk betroffen habe, der Tatsacheninstanz aufgegeben, die Frage der Zulassungsfähigkeit im Einzelfall zu klären. Gerade im hiesigen Zulas-sungsbezirk sei zu berücksichtigen, dass es bereits 2 niedergelassene Herzchi-rurgen (N3 L und S1 C1 X1) und einen ermächtigten Herzchirurgen (S2 E), ge-be. Dadurch habe sich der Zulassungsausschuss rechtlich gebunden. Für das Fachgebiet der Herzchirurgie beständen zurzeit keine Zulassungsbeschränkun-gen. Zwar unterliege die Fachgruppe der Chirurgen der Bedarfsplanung und es seien insofern auch Zulassungsbeschränkungen angeordnet, allerdings gehör-ten die Herzchirurgen nicht nur weiterbildungsrechtlich, sondern auch planungs-rechtlich nicht zur Gruppe der Chirurgen, so dass die Zulassungsbeschränkun-gen für sie nicht gelten würden.

Dem trat die Beigeladene zu 7) entgegen. Vor dem Hintergrund der noch beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) anhängigen Klageverfah-ren L 11 KA 74/09 ZVW und L 11 KA 75/09 ZVW vertrete sie die Auffassung, Fachärzte für Herzchirurgie seien nicht zulassungsfähig. L und S1 C1 seien bisher nicht bestandskräftig zugelassen, die Ermächtigung von R2 sei lediglich bis zum 31.12.2012 zu konsiliarischen Beratung erfolgt.

Mit Beschluss vom 05.11.2015 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag der Klägerin ab. Er schließe sich der Stellungnahme der Beigeladenen zu 7) an.

Diesem Beschluss widersprach die Klägerin insbesondere unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 02.09.2009 - B 6 KA 35/08 R -.

Mit Beschluss vom 30.03.2016, ausgefertigt als Bescheid am 12.04.2016, wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Die Anstellung von Frau N1 sei rechtlich nicht möglich, weil sie nicht zulassungsfähig nach § 95 Abs. 2 Abs. 3 SGB V und § 31 a Ärzte-ZV sei. Der Beklagte habe für das im ärztlichen Weiterbil-dungsrecht umschriebene Fachgebiet der Herzchirurgie keinen relevanten Tä-tigkeitsbereich für eine ambulante vertragsärztliche Versorgung gesehen. Die Teilnahmeverpflichtung an der vertragsärztlichen Tätigkeit habe nämlich zur Folge, dass der Arzt die wesentlichen Leistungen seines Fachgebietes auch tatsächlich anbieten und erbringen müsse. Das sei vorliegend nicht der Fall. In-sofern folge der Beklagte den Ausführungen des Gutachters X2, Universitäts-klinikum C, der in seinem Gutachten vom 27.01.2014, erstattet in den Verfah-ren L 11 KA 74/09 ZVW und L 11 KA 75/09 ZVW, ergänzt in der mündlichen Verhandlung am 20.01.2016, zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Leis-tungen, die einer ambulanten Versorgung aus dem Fachgebiet Herzchirurgie zugängig seien, nicht allein von Herzchirurgen durchführbar seien. Sie würden derzeit im Regelfall von Allgemeinchirurgen und Kardiologen erbracht. Es exis-tierten keine ausschließlich von Herzchirurgen ambulant erbringbaren Leistun-gen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens habe das LSG NRW in seiner Ent-scheidung vom 20.01.2016 den ursprünglichen Beschluss des Beklagten vom 06.07.2005, mit dem zwei Herzchirurgen zur ambulanten Versorgung zugelas-sen gewesen worden seien, aufgehoben. Der Beklagte habe keine Veranlas-sung, von dieser Entscheidung abzuweichen, zumal das LSG die Revision nicht zugelassen habe. Das Vorbringen der Klägerin, schon aus Gleichheitsgründen müsse Frau N1 angestellt werden, treffe nach diesem Urteil nicht zu. Aus der Ermächtigung von Dr. S2 lasse sich ebenfalls nichts zugunsten von Frau N1 ableiten, weil dessen Ermächtigung ausgelaufen sei.

Hiergegen richtet sich die am 28.04.2016 erhobene Klage.

Das Gericht hat ein Gutachten des Kommissarischen Klinikdirektors der Universitätsklinik für Herzchirurgie am Klinikum P, K F, vom 25.04.2018 eingeholt. Auf die Beweisfragen und den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Gutachter sei in Auseinandersetzung mit dem Gutachten von X2 zu dem Ergebnis gekommen, dass es zahlreiche sowohl fachlich als auch wirtschaftlich bedeutende Leistungen und Tätigkeiten gebe, die ihrem Wesen nach zum Fachgebiet der Herzchirurgie gehörten, die voll-ständig, überwiegend oder zumindest zu einem erheblichen Teil ambulant er-bracht werden könnten und die nach dem EBM abrechenbar seien. Der Gut-achter stelle insbesondere klar, dass für die vertragsärztliche Tätigkeit eines Herzchirurgen nicht nur auf (ambulante) Operationen abgestellt werden könne, sondern das Spektrum an ambulant erbringbaren Leistungen auch im Fachbe-reich Herzchirurgie weit darüber hinausgehe und für die Praxis von erheblicher Bedeutung sein könne bzw. mit Blick auf herzchirurgische Ambulanzen de facto auch schon von erheblicher Bedeutung sei.

Aber auch bereits die ambulant durchführbaren herzchirurgischen Operationen, namentlich die in der Praxis häufigen Implantationen und der Austausch von Herzschrittmachern und Defibrillatoren, bildeten eine mehr als hinreichende fachliche und wirtschaftliche Grundlage für die Zulassungsfähigkeit der Herzchi-rurgie zur vertragsärztlichen Versorgung. Nach den klinischen Erfahrungen des Gutachters würden Schrittmacheroperationen derzeit in 25 - 30 % der Fälle ambulant durchgeführt und im Gutachten mit beispielhaften Zahlen für das Jahr 2016 auch konkret beziffert.

Nach dem Urteil des BSG vom 02.09.2009 - B 6 KA 35/08 R - sei nicht erfor-derlich, dass ein überwiegender Teil der zur Facharztgruppe gehörenden Leis-tungen bzw. der Kernbereich der zur Facharztgruppe gehörenden Leistungen ambulant erbracht werden könne oder es sich um "ausschließliche Leistungen dieses Fachgebietes" handele. Zwischen praktisch allen unterschiedlichen ärzt-lichen Fachrichtungen gebe es ganz erhebliche Überschneidungen des jeweils fachgerecht erbringbaren Leistungsspektrums. Diese Überschneidungen seien im Hinblick auf Kardiologen und Herzchirurgen zweifellos sehr groß. Das gleiche Phänomen betreffe allerdings auch andere Facharztgruppen. So könne sich der Patient im Falle einer Bluthochdruckerkrankung an einen Allgemeinmediziner, einen Kardiologen oder Internisten wenden. Im Fall einer Thrombose könne ein Gefäßchirurg ebenso behandelnder Arzt sein wie ein Angiologe bzw. Kardiologe oder Internist.

Die vom Gutachter dargestellten ambulant erbringbaren herzchirurgischen Leis-tungen seien nach dem geltenden EBM auch abrechenbar. Unerheblich für die Zulassungsfähigkeit von Herzchirurgen sei, dass diese Leistungen nach dem geltenden EBM nicht ausdrücklich nur von Herzchirurgen abrechenbar seien. Der EBM folge dem Zulassungsrecht und nicht umgekehrt. Solange eine Fach-arztgruppe (wie bisher die Herzchirurgen) nicht zur vertragsärztlichen Versor-gung zugelassen werde, existierten für diese Facharztgruppe im EBM selbst-verständlich noch keine oder kaum explizit vorgesehene Gebührenordnungspo-sitionen. Entsprechend fordere auch das BSG nicht, dass sämtliche Leistungen, die von der Facharztgruppe ambulant erbracht werden könnten, nach dem EBM bereits explizit für die Facharztgruppe der Herzchirurgen abrechenbar sei-en. Es komme wesentlich darauf an, ob ein Herzchirurg fachlich geeignet und in der Lage sei, Leistungen abzurechnen, für die bereits Gebührenordnungspositi-onen im EBM bestünden. Das sei hier im Hinblick auf alle im Gutachten ge-nannten Leistungen der Fall.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 30.03.2016, aus-gefertigt als Bescheid vom 12.04.2016, den Beklagten zu verurteilen, die Anstellung der Frau B N13, Fachärztin für Herzchirurgie, geb. 12.07.1972, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden (An-rechnungsfaktor 1,0) in dem Medizinischen Versorgungszentrum der Klägerin zu genehmigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seinen Bescheid und hält das Gutachten nicht für schlüssig, weil ärztliche Tatsachen mit eigenen juristischen Wertungen des Gutachters, die zu ziehen Aufgabe des Gerichtes seien, vermengt würden und der mitunter polemisch argumentierende Gutachter Feststellungen vornehme, die von einem die Grenzen eines ärztlichen Gutachtens überschreitenden Vorverständnis geprägt seien.

Die von dem Gutachter gestellte Frage, wie es möglich sein solle, dass "aus-drücklich von Herzchirurgen erbringbare Leistungen" aus dem EBM-Katalog dargestellt werden sollten, wenn Herzchirurgen bisher das Erbringen dieser Leistungen verwehrt worden sei, verkenne völlig, dass der Gemeinsame Bun-desausschuss für die Arztgruppe der Herzchirurgen EBM-Ziffern in den Katalog für von einem Herzchirurgen erbringbare Leistungen beschließen und aufneh-men könne. Das sei aber bisher nicht geschehen. Dementsprechend räume der Gutachter ein, dass zahlreiche Leistungen, welche von Herzchirurgen in ambu-lanter Form erbracht werden könnten, an den verschiedenen Stellen des Kata-loges und in den unterschiedlichen Fachrichtungen abgebildet seien. Aus diesen Feststellungen des Gutachters sei zu folgern, dass es einer besonderen Zulas-sung von ambulant tätigen Herzchirurgen nicht bedürfe, weil die Patienten be-reits durch die Ärzte anderer Fachgruppen ausreichend versorgt seien. Damit werde im Ergebnis das Gutachten X2 bestätigt. Möglicherweise sei auch der vom Gericht formulierte Gutachterauftrag nicht zielführend gewesen und es hätte deswegen bei dem Gutachten X2 und des-sen Ergebnissen sowie beim Urteil des LSG NRW in Sachen L 11 KA 75/09 ZVW bleiben können. Darin heiße es:

"Nach den Ausführungen des Sachverständigen X2 beschäftigt sich die Herz-chirurgie im Wesentlichen mit der Erkennung und operativen Behandlung von Erkrankungen, Verletzungen und angeborenen Fehlbildungen am Herzen und den großen Gefäßen. Die Kerngebiete der Herzchirurgie sind dabei Eingriffe unter Einsatz der Herzlungenmaschine, der extrakorporalen Zirkulation bzw. Eingriffe in die Koronararterien, bei denen in ausgewählten Fällen auf die Herz-lungenmaschine verzichtet werden kann, die aber allesamt nicht ambulant zu erbringen sind, sondern nur im Rahmen einer stationären Behandlung durchge-führt werden können. Demgegenüber können nach den Feststellungen des Sachverständigen X2 Herzchirurgen, ungeachtet dass sie sachgerecht Ru-heelektrokardiogramme anfertigen und beurteilen, Echokardiographien und So-nographien der Thoraxorgane durchführen können und auch in der Lage sind, alle prä- und postoperativen Beratungsgespräche zur Indikationsstellung, mittel- und langfristigen postoperativen Weiterbehandlung und Prognose durchzufüh-ren, von den innerhalb des Gebiets der Herzchirurgie zu erbringenden operati-ven Leistungen bei geeigneter Indikation und Patientenauswahl grundsätzlich ambulant Eingriffe bei Schrittmacher- und Defibrillatoroperationen, Eingriffe zur Nachbehandlung sekundär heilender oberflächlicher Wunden, Narbenkorrektu-ren, Entfernung Osteosynthese Material nach medianer Längssternotomie, Eingriffe zur Korrektur am oberflächlichen Venensystem nach Bypassoperatio-nen mit Splenektomie erbringen. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Leis-tungen, die auch Herzchirurgen erbringen dürfen, aber nicht um solche, die in der Regel nur von Ärzten für Herzchirurgie angeboten werden und allenfalls in Ausnahmefällen von Allgemeinchirurgen oder Kardiologen. Von den ambulant erbringbaren Leistungen, die im EBM (vgl. Kapitel 31.2.7) unter "Definierte ope-rative Eingriffe der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie" unter dem Begriff ‘Kar-diochirurgischer Eingriff’ unterteilt nach OP- und Zeitkategorie erfasst sind, steht nach im Übrigen einhelliger Beurteilung aller Beteiligten, die sich in dem Rechtsstreit geäußert haben, ganz im Vordergrund der die Schrittmacher- und Defibrillatorenchirurgie betreffenden Eingriffsblock.

Bereits dies zugrunde gelegt, stellen die ambulant möglichen Leistungen gerade aufgrund ihres eingeschränkten Leistungsinhalts, aber auch von ihrer Bedeu-tung insbesondere im Vergleich gegenüber den Operationen am Herzen mit oder ohne Herzlungenmaschine, nur einen geringen bzw. untergeordneten An-teil an dem Herzchirurgen möglichen Leistungsspektrums dar."

Schlussendlich stelle F die juristisch zu stellende Frage, dass es nach seiner Vorstellung juristisch wenig Sinn mache, die ambulante Tätigkeit bei Herzchi-rurgen nach rein wirtschaftlichen Kriterien zu beantworten. Vorsorglich werde der Antrag gestellt, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob ambulant erbrachte herzchirurgische Leistungen wirtschaftlich tragfähig sein könnten.

Die Beigeladene zu 7) beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es handele sich hier nicht um ein nachvollziehbares und nachprüfbares Gutachten mit Aussagen eines neutralen Fachmannes. Das Gutachten erwecke vielmehr den Anschein, dass durch dieses Instrument das erkennende Gericht von der Zulassungsfähigkeit von Herzchirurgen überzeugt werden solle. Aus Gründen der Rechtssicherheit dürfe dem Gutachten daher nicht gefolgt werden. Der Gutachter habe insgesamt nicht durch Zahlen und andere konkrete Fakten die Zulassungsfähigkeit von Herzchirurgen belegen können, vielmehr anschau-lich dargestellt, dass die gesamten Leistungen allesamt von Ärzten aus anderen Fachgebieten, beispielsweise aus der Kardiologie, erbracht würden. Letztlich enthalte das Gutachten keine tatsächlichen Veränderungen zu dem Gutachten des X2 und dem Urteil des LSG NRW vom 20.01.2016 in den Verfahren L 11 KA 74/09 ZVW und L 11 KA 75/09 ZVW.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Klageanträge.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialge-richtsgesetzes (SGG), da dieser rechtswidrig ist. Rechtsfehlerhaft hat es der Beklagte abgelehnt, eine Anstellungsgenehmigung für Frau N1 als Fachärztin für Herzchirurgie zu erteilen.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Anstellungsgenehmigung nach § 95 Abs. 2 Satz 7 und 8 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversi-cherung (SGB V). Danach bedarf die Anstellung eines Arztes in einem zugelas-senen MVZ der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind; [ ...]. Die Verweisung auf (die Voraussetzungen von) Satz 5 hat zur Folge, dass der an-zustellende Arzt in das Arztregister nach Satz 3 eingetragen sein muss. Das erfolgt (nach Satz 3) auf Antrag des Arztes "nach Erfüllung der Voraussetzun-gen nach § 95a" SGB V.

Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Frau N1 ist approbiert, weiterge-bildete Fachärztin für Herzchirurgie und im Arztregister eingetragen.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 02.09.2009 - B 6 KA 35/08 R [Rn. 23]) ist für die Zulassungsfähigkeit einer Arztgruppe maßgeblich, ob der Gegenstand des Fachgebietes, in dem der betreffende Arzt seine Weiterbildung abgeschlossen hat, überhaupt Bestandteil der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ist. Wenn sich - wie etwa möglicherweise bei der Herz- und der Viszeralchirurgie - ergeben sollte, dass einzelne ärztliche Leistungen, die den Ärzten dieses Fachgebiets berufsrechtlich zugewiesen oder sogar vorbehalten sind, Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, während andere Untersuchungs- und Behandlungsverfahren aus diesem Fachgebiet nur im Rahmen einer stationären Behandlung durchgeführt werden können, ist die Abgrenzung der zulassungsfähigen von den nicht zulassungsfähigen Arztgruppen nach dem Verhältnis dieser Anteile zueinander vorzunehmen. Soweit die deutlich überwiegende Zahl von fachgebietsbezogenen Behandlungen nicht Bestandteil der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ist, für die allein die Zulassung nach § 95 Abs 2. i.V.m. Abs. 3 SGB V Bedeutung hat, ist die Zulassungsfähigkeit der entsprechenden Arztgruppe zu verneinen. Es widerspräche der Systematik des Zulassungsrechts, Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, die nur einen ganz kleinen Teil der Leistungen des Fachgebiets, für das sie weitergebildet sind, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung anbieten bzw. erbringen können.

Nach Ansicht der Kammer ist mehr als nur ein ganz kleiner Teil herzchirurgischer Leistungen ambulant erbringbar.

In seinem Gutachten vom 27.01.2014 in den Berufungsrechtsstreiten L 11 KA 74/09 ZVW und L 11 KA 75/09 ZVW hat X2 ausgeführt, in Zusammenschau der Weiterbildungsinhalte könnten von Herzchirurgen zweifelsohne sowohl im Rah-men der Basisdiagnostik als auch in der Nachbehandlung nach durchgeführten Herzoperationen sachgerecht Ruhe-Elektrokardiogramme angefertigt und beur-teilt werden. Selbiges gelte für die Basisdiagnostik durch Echokardiographie und Sonographie der Thoraxorgane. Der im Gebiet Herzchirurgie weitergebilde-te Arzt sei darüber hinaus in der Lage, alle prä- und postoperativen Beratungs-gespräche zur Indikationsstellung, mittel- und langfristigen postoperativen Wei-terbehandlung und Prognose durchzuführen. Dazu zählten gleichermaßen rou-tinemäßig oder notfallmäßig erforderliche Schrittmacherkontrollen und -Programmierungen. Die folgenden innerhalb des Gebiets der Herzchirurgie er-brachten operativen Leistungen seien bei geeigneter Indikation und Patienten-auswahl im Prinzip ambulant durchführbar:

Eingriffe bei Schrittmacher- und Defibrillator Operationen Eingriffe zur Nachbehandlung sekundär heilender oberflächlicher Wunden Narbenkorrekturen Entfernung von Osteosynthesematerials (Drahtcerclagen) nach medianer Längssternotomie Eingriffe zur Korrektur am oberflächlichen Venensystem nach Bypassoperati-onen mit Saphenektomie.

Der Sachverständige F geht in seinem Gutachten vom 25.04.2018 zusammen-fassend davon aus, dass der größte Teil der im Fachgebiet Herzchirurgie zuzu-rechnenden Operationen mit Eröffnung des Thorax und komplexer intensivme-dizinischer und kardioanästhesiologischer Betreuung des Patienten nicht einer ambulanten Therapie zugänglich sei. Gleichwohl sieht auch er ein breites Spektrum der ambulanten Herzchirurgie. So würden in erster Linie die Implan-tation von Herzschrittmachern und Defibrillatoren sowie deren Sondenkorrektur und der Wechsel der Aggregate bei Batterieerschöpfung genannt. Diese Eingrif-fe erfolgten bereits jetzt vorwiegend unter Lokalanästhesie und häufig unter ambulanten Bedingungen (oftmals in den herzchirurgischen und kardiologischen Kliniken). Diese ambulanten operativen Eingriffe seien unter den Gebührenposi-tionen 31211 bis 31215 im Kapitel 2.13 "Operationen am Herzen" im EBM - Arztgruppe Chirurgie - abgebildet.

Eine regelmäßige Kontrolle und Programmierung von Schrittmacher- und Defi-brillator-Systemen könne für qualifizierte Herzchirurgen ebenfalls eine ambulant erbringbare Leistung werden. Die Implantation und Explantation von Eventre-cordern sei ebenfalls ein der Herzschrittmacherchirurgie naheliegendes Teilge-biet der ambulanten Herzchirurgie. Nach dortiger klinischer Erfahrung werde die Indikation zur Eventrecorder-Implantation von den Kardiologen zwar nicht in er-heblichem Maße, aber in stets wiederkehrenden stabilen Zahlen gestellt.

Die präoperative und postoperative Betreuung herzchirurgischer Patienten (In-dikationsfindung, Risikoerwägung, präoperative OP-Vorbereitung und erforderli-che Diagnostik, Aufklärung über alternative Methoden, postoperative Nachsor-ge und Wundbetreuung) sei ein Teilgebiet der ambulanten Versorgung herzchi-rurgischer Patienten, für den er einen erheblichen Bedarf sehe.

Zur operativen Nachsorge von herzchirurgischen Patienten könne auch eine physiologische Funktionsdiagnostik gehören. Hierzu zählten EKG-Aufzeichnungen (auch unter Belastung), eine Echokardiographie transthorakal und auch transoesophageal, die Dopplersonographie, ergospirometrische und spirographische Untersuchungen, eine Langzeitblutdruckmessung und eine in der Zahl nicht zu überschauende Labordiagnostik. Alle diese Leistungen seien im EBM-Katalog dargestellt und könnten ambulant erbracht und abgerechnet werden.

Weitere Gegenstände ambulanter herzchirurgischer Betreuung seien eine Un-terstützung der Patienten bei der Planung einer Anschlussheilbehandlung, Hilfe bei der Kommunikation mit den Krankenkassen (komplexe AntragsteIlung) oder auch bei der Klärung in Fällen, wenn Patienten mit Ihrer Behandlung unzufrie-den seien und eventuell einen Behandlungsfehler vermutet werde, die postope-rative Wundversorgung, eine eventuell erforderliche Narbenkorrektur, kleinere thoraxchirurgische Eingriffe (wie z.B. Cerclagenentfernung), eine Betreuung kri-tischer Wunden durch Anwendung der VAC-Therapie (regelmäßige Verbands-wechsel, Sichtung und Beachtung mikrobiologischer Befunde sowie der resisto-grammgerechten Antibiotikatherapie), die Betreuung von Patienten mit Zustand nach Herztransplantation (qualifizierte Überwachung der Dauermedikation, rechtzeitige Erkennung von Abstoßungsreaktionen, Koordination der Behand-lung der zahlreichen Nebenwirkungen oder auch eine psychosomatische Be-treuung dieser Patienten) in Koordination mit den Transplantationszentren, die ambulante Betreuung von herzchirurgischen Patienten mit mechanischen Un-terstützungssystemen ("Assist-Patienten" oder "Kunstherzen"). Eine ganz spe-zielle Patientengruppe - deren Zahl allerdings ebenfalls permanent zunehme - seien die Patienten mit angeborenen Herzfehlern im Erwachsenenalter sowie die Marfan-Syndrom-Patienten.

Die ambulant erbringbaren herzchirurgischen Leistungen seien quantitativ und qualitativ von zentraler Bedeutung. Ergänzend zum chirurgischen Bereich des Fachgebietes in den zentralen Kliniken könne die ambulante Tätigkeit mit Indi-kationsstellung, OP-Vorbereitung und Diagnostik, begleitende Betreuung bei der OP und eine strukturierte Nachsorge zu einer nachhaltigen Qualitätsverbesse-rung führen. Hinzu kämen dann noch die ambulant möglichen Operationen, die Schrittmachertherapie und die weiteren - oben aufgeführten - Versorgungsbe-reiche.

Quantitativ führt der Gutachter aus, laut Qualitätsreport 2016 der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) hätten im Jahr 2016 insgesamt 77.293 Herzschrittmacher-Implantationen an 1111 Kranken-häusern stattgefunden. Nur etwa 25.000 dieser Eingriffe seien durch Herzchi-rurgen in herzchirurgischen Kliniken erfolgt. In welcher Quote dies im Rahmen ambulanter Eingriffe erfolge, gehe aus den hier aufgeführten Datensätzen nicht hervor. Nach seinen klinischen Erfahrungen liege der Anteil an ambulanten Schrittmacheroperationen bei 25 - 30%. Zu den 77.293 Erstimplantationen kä-men 18.578 Aggregatwechsel und 11.879 Systemrevisionen, was insgesamt 107.750 Operationen mache. Angenommen, dass hiervon 25% der Operatio-nen ambulant durchführbar seien, ergebe dies ein Potential von 27.000 ambu-lant erbringbaren Operationen. Darüber hinaus würden die Patienten immer äl-ter und damit Herzrhythmusstörungen immer häufiger, so dass die Zahlen hier noch weiter ansteigen sollten.

Die Kammer ist sich bewusst, dass der Gutachter F mitunter polemisch argu-mentiert, eigene juristische Ansichten und Wertungen einstreut und zuweilen Feststellungen trifft, die von einem gewissen Vorverständnis geprägt sind. Gleichwohl hatte die Kammer keine Bedenken anzunehmen, dass seine Er-kenntnisse zu den ambulant erbringbaren herzchirurgischen Leistungen und zur Schätzung der Größenordnung der ambulant erbringbaren Operationen in der Sache selbst zutreffend sind. Diese Erkenntnisse unterscheiden sich - auf der Sachebene - im Ergebnis letztlich auch nicht grundlegend von denjenigen im Gutachten des X2 vom 27.01.2014.

Auch der Vortrag von Frau N1 in der mündlichen Verhandlung am 30.01.2019 hat die Kammer davon überzeugt, dass die Implantation von Herzschrittma-chern, CRT-Systemen (kardiale Resynchronisationstherapie) und Defibrillatoren (AICD- automatischer implantierbarer Cardioverter-Defibrillator), die Sondenkor-rektur und der Wechsel der Aggregate bei Batterieerschöpfung lege artis in nennenswertem Umfang ambulant vorgenommen werden können.

Dem entspricht auch, dass die gesetzlichen Ersatzkassen DAK Gesundheit und Techniker Krankenkasse die ambulante Implantation von Herzschrittmachern und ICD-Systemen sowie teilweise auch von Herzmonitoren im Rahmen von Integrierten Versorgungsverträgen (IV-Verträgen) anbieten. Die AOK Nordost hat mit den Oberhavel-Kliniken Oranienburg einen Vertrag zur ambulanten Ver-sorgung mit Herzschrittmachern und Herzkathetern geschlossen. Auf der Website: "https://www.kardionetzwerk.de/Expertendatenbank" veröffentlicht das Kardionetzwerk e.V. Berlin zudem eine größere Anzahl niedergelassener Arzt-praxen, die ambulant Herzschrittmacher, ICD und Ereignisrekorder implantie-ren.

Bei gesamthafter Bewertung geht die Kammer daher davon aus, dass ein mehr als nur ganz kleiner Teil herzchirurgischer Leistungen ambulant erbringbar ist. Naturgemäß werden diese Leistungen im niedergelassenen Bereich von Chirur-gen und Kardiologen erbracht, da Herzchirurgen nach bisheriger Rechtslage nicht zulassungsfähig waren. Im stationären Bereich werden gerade Herz-schrittmacher-, ICD- und Ereignisrekorder-Implantationen aber durchaus in herzchirurgischen Kliniken und nicht in Kliniken für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie oder Kliniken für Kardiologie erbracht, wie eine stichprobenwei-se Sichtung im Internet belegt (z.B. Rhön-Klinikum Bad Neustadt, https://www.campus-nes.de/behandlungsangebot/unsere-kliniken/kardio-chir- urgie.html). Zutreffend weisen der Beklagte und die Beigeladene zu 7) in die-sem Zusammenhang zwar darauf hin, dass es sich bei den ambulant erbringba-ren herzchirurgischen Leistungen nicht um solche handelt, die in der Regel nur von Ärzten für Herzchirurgie angeboten werden und allenfalls in Ausnahmefäl-len von Allgemeinchirurgen oder Kardiologen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) dürfen jedoch die für herz-chirurgische Leistungen weiterbildungsrechtlich qualifizierten Ärzte für Herzchi-rurgie auch im ambulanten Bereich nicht von der Erbringung solcher Leistungen ausgeschlossen werden.

Nicht entscheidungserheblich ist vorliegend die Frage, ob ambulant erbrachte herzchirurgische Leistungen wirtschaftlich tragfähig sein können. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Vertragsarztpraxis fordert das BSG für eine Sonderbedarfszulassung (z.B. Urteil vom 08.12.2010 - B 6 KA 36/09 R - [Rn. 37]; vgl. zu Herzchirurgen Urteil vom 02.09.2009 - B 6 KA 36/08 R - [Rn. 33]). Hier geht es jedoch (lediglich) um eine Anstellungsgenehmigung in einem MVZ und nicht um die Gründung einer eigenen Vertragsarztpraxis. Erst bei einer ggf. späteren Umwandlung der Anstellung von Frau N1 in eine Zulassung (§ 95 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Abs. 9b, § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V) wird der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Tragfähigkeit herzchirurgischer Tätigkeit Bedeutung entfalten.

Sofern schließlich die Besorgnis bestehen sollte, dass Frau N1 sich nicht auf die Erbringung herzchirurgischer Leistungen beschränken sollte, sondern (fachfremd) darüber hinaus Leistungen von Chirurgen oder Kardiologen erbringen sollte, für die der Planungsbereich gesperrt ist, wird die Beigeladene zu 7) berechtigt und verpflichtet sein, solche Leistungen sachlich-rechnerisch zu berichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.2018 - B 6 KA 47/17 R -). Dabei wird aber zu berücksichtigen sein, dass eine trennscharfe Abgrenzung der Fachgebiete nicht ohne weiteres möglich ist, da sich die Inhalte der Fachgebiete teilweise erheblich überschneiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 2, 162 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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