Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VG 2270/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1954/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. April 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht wegen sexueller Missbrauchshandlungen ihres Vaters ab ihrem Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr.
Sie wurde am xx. xx 1971 geboren und wuchs im Elternhaus mit zwei Brüdern auf, die drei und fünf Jahre älter sind. Während diese gemeinsam ein Zimmer zur Verfügung hatten, schlief die Klägerin bei ihren Eltern. Diese trennten sich Ende der 1970er-Jahre. Ihr Vater verstarb im Frühjahr 1997 an einem Bronchialkarzinom. Die Klägerin besuchte nach der Haupt- eine Hauswirtschaftsschule, wo sie die Mittlere Reife erwarb. Eine Ausbildung zur Krankenschwester brach sie zunächst ab und war von 1990 an unter anderem als Produktionsmitarbeiterin in einem Nahrungsmittelunternehmen und als Kurierfahrerin tätig. Nachdem sie schließlich die Ausbildung zur Krankenschwester 1994 wieder aufgenommen und drei Jahre später beendet hatte, arbeitete sie, nach kurzer Arbeitslosigkeit, in diesem Beruf bei einem ambulanten Pflegedienst und in verschiedenen Dialysezentren, teilweise halbtags und ergänzend bei einem weiteren Arbeitgeber im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft. Bevor sie 2008 arbeitsunfähig erkrankte, weshalb sie sich beruflich neu orientierte, war sie in einem Unternehmen zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel tätig. Sie übernahm schließlich die Kinderbetreuung in einem Elterncafé. Im Juni 2010 machte sie sich, unterstützt durch einen von der Bundesagentur für Arbeit gewährten Existenzgründungszuschuss, selbstständig und betreute Kinder, Senioren und Tiere. Im Mai 2012 wurde ihr ärztlich über einen längeren Zeitraum hinweg eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Ab Juni 2014 übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Evangelischen Kirchengemeinde Ö. aus, Anfang 2015 übernahm sie zudem die Tätigkeit als Mesnerin. Sie bezog zwischenzeitlich Arbeitslosengeld II. Auf den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines Rechts auf Rente wegen voller Erwerbsminderung im Januar 2018 räumte ihr die Deutsche Rentenversicherung B. mit Bescheid vom 15. März 2018 diese Rechtsposition befristet vom 1. Januar 2018 bis 29. Februar 2020 in Höhe von monatlich 844,68 EUR ein. Das Landratsamt E. hatte bei ihr vorwiegend aufgrund psychischer Erkrankungen mit Bescheid vom 3. Juli 2013 den Grad der Behinderung mit 60 seit 10. Mai 2013 festgestellt.
Am 27. November 2012 hatte die Klägerin, welche damals noch in K. wohnte, beim Landratsamt K. die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht beantragt. Sie führte eine posttraumatische Belastungsstörung, eine rezidivierende depressive und dissoziative Störung, Panikattacken sowie eine Entleerungsstörung der Harnblase auf einen sexuellen Missbrauch an ihr als Säugling bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr durch ihren Vater K. B. zurück. Seit sie denken könne, selbst in ihrer frühen Kindheit, habe sie ständig mäßige bis sehr starke Kopfschmerzen und immer wieder Schwierigkeiten beim Wasserlassen gehabt. Der Harnverhalt habe sich bis ins Erwachsenenalter so sehr gesteigert, dass sie des Öfteren einen Einmalkatheter habe einsetzen müssen. Die täglichen Kopfschmerzen hätten bis zu einer Medikamentenabhängigkeit mit anschließendem Entzug geführt. Bei einem mangelnden Selbstvertrauen, Depressionen, Ängsten, Schwierigkeiten in Beziehungen und am Arbeitsplatz bis hin zum Mobbing sowie Abgrenzungsschwierigkeiten sei es zum Selbsthass und Suizidversuch gekommen. Sie habe sich dennoch durch Therapien, besonders aktuell durch eine Psychoanalyse, weiterentwickelt und zunehmend stabilisiert. Drei Monate nach der beruflichen Existenzgründung, als sie ungeahnte Fähigkeiten entwickelt und die Form von Arbeit gefunden habe, die sie richtig glücklich gemacht habe, sei sie zu einer Familienstreitigkeit auf der Straße hinzugekommen. Sie habe sich um die beteiligten Kinder und die verstörte Mutter gesorgt. Dieser Vorfall sei der Auslöser dafür gewesen, dass ihr das Kindheitstrauma in Form des sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater plötzlich in das Bewusstsein gekommen sei. Zuvor habe sie hiervon nichts gewusst. Auf der Traumastation für Frauen, die sexuelle Gewalt erlebten, in einer Klinik in B. sei ihr das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs erstmals so richtig bewusst geworden. Sämtliche Einschränkungen und gesundheitliche Beschwerden ergäben nun einen Sinn. Sie könne diese endlich zuordnen und verstehen. Die Handlungen hätten zu Hause und bei ihrer 1999 verstorbenen Oma stattgefunden, wo ihr Vater nach der Trennung von ihrer Mutter gelebt habe. Er sei ein Mensch gewesen, der mit Gewalt die Beine seiner Tochter auseinandergedrückt sowie schmerzhaft den Kopf immer wieder festgehalten und nach hinten gedrückt habe, um mit seinem Glied ihr Gesicht zu berühren. Immer wieder habe er mit ihr baden wollen, auch als sie schon bei ihrer Großmutter gelebt und pubertiert habe. Er habe ihr, selbst als sie schon fünfzehn Jahre alt gewesen sei, immer noch einen Kuss zum Abschied geben wollen. Er habe sie immer so umarmt, dass er rein zufällig ihre Brust oder ihren Po berührt habe. Von ihr habe er sich die Sexualität geholt, die ihm ihre Mutter verwehrt habe. Diese habe er ebenfalls zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Vor dem Wissen ihres Missbrauchs habe sie sich nie vorstellen können, wie ein Mann ein Baby missbrauchen könne. Heute müsse sie nur die Augen schließen, um daran zu denken. Dann sehe und spüre sie, wie sich ihr Vater in ihrem Gesicht seine Befriedigung hole und rieche das Sperma. Seit Mai 2012 sei sie krankgeschrieben, jedoch bereits zuvor, als sie keine Kunden mehr betreut habe, arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Sie habe sich im Beruf nicht abgrenzen können. Zudem habe sie den unaufhaltsamen Drang gehabt, helfen zu müssen. Schließlich sei ihr als Kind nicht geholfen worden, was sie niemandem zumuten wolle. Von einer Partnerschaft könne sie nur träumen. Bei dem letzten Versuch, eine Beziehung aufzubauen, habe sie einen massiven Flashback bekommen, als ihr Freund seine Hand auf ihr Gesäß gelegt habe. Ihr Vater habe durch den Alkohol zwei Gesichter gehabt. Die normale, väterliche Liebe habe er ihr auch gegeben. Vielleicht hasse sie ihn gerade deshalb nicht. Er sei immer für sie da gewesen, habe ihr geglaubt und sie bestärkt. Zudem sei er stolz auf sie gewesen und habe ihr vertraut. Doch es sei eben noch eine andere Seite vorhanden gewesen. Und dennoch wisse sie, dass er sie gerngehabt habe.
Die Klägerin legte eine Erklärung ihrer Mutter von Dezember 2012 vor, wonach sie vor etwa zwei Jahren zu ihr gekommen sei und von den sexuellen Übergriffen ihres geschiedenen Ehemannes erzählt habe. Ihre drei Kinder hätten immer ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater gehabt. Trotz seines Alkoholkonsums habe er sich um sie gekümmert und auch regelmäßig nach der Scheidung besucht. Er habe alle drei Kinder, später dann nur noch die Klägerin, zu gemeinsamen Unternehmungen, Feierlichkeiten oder Vereinsausflügen mitgenommen. Er sei ihnen gegenüber eher der Kumpeltyp gewesen und habe sich von ihnen "Bobby" nennen lassen. Die Klägerin habe ihr berichtet, dass er ihr noch etwas Wichtiges zu sagen gehabt, sie jedoch immer wieder vertröstet und das Gespräch verschoben habe. Mit dem heutigen Wissen vermute sie, er habe sich entschuldigen oder ihr sagen wollen, dass es ihm leidtue, ihr etwas Furchtbares angetan zu haben. Auffällig gewesen sei, dass ihre Tochter mindestens seit der Grund- und Hauptschulzeit immer mit der Blase Schwierigkeiten gehabt habe. Sie habe auch immer empfindlich auf fremde Gerüche wie Cremes oder Kosmetika reagiert. Die Erzieherin im Kindergarten habe sich auf Nachfrage daran erinnert, dass die Klägerin einmal sehr auffällig anders und abwesend reagiert habe. Sie habe die ihr gestellten Aufgaben oder das Spiel überhaupt nicht verstanden, was untypisch gewesen sei. Es falle ihr immer noch schwer zu glauben, dass ihr geschiedener Ehemann der Klägerin gegenüber sexuell übergriffig geworden sei. Allerdings müsse etwas gewesen sein, denn diese denke sich so etwas nicht aus.
Im Oktober 2013 konkretisierte die Klägerin, der sexuelle Missbrauch habe zwischen 1972 und etwa Mitte 1989 stattgefunden. Der Tathergang habe sich unter anderem bei der Fernsehserie "Ein Colt für alle Fälle" ereignet, die immer gegen 18 Uhr bei ihrer Oma gelaufen sei, bei der ihr Vater nach der Trennung von ihrer Mutter gewohnt habe. Das Abendessen habe sie währenddessen mit ihm auf der Couch eingenommen. Ihre Oma sei in der Küche geblieben. Ihr Vater sei immer in weißer oder hellblauer Unterwäsche neben ihr gesessen.
Der Verwaltungsträger zog medizinische Unterlagen bei. Dr. J., Arzt für Urologie, berichtete im Juli 2000, er habe die Klägerin seit 1992 wegen einer neurogenen Entleerungsstörung der atonischen Harnblase behandelt.
Dr. S., Leitender Arzt der Psychosomatik der S. in B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 19. Dezember 2000 bis 13. Februar 2001 eine depressive Episode mit einer Somatisierung bei einer depressiv akzentuierten Persönlichkeit, eine Migräne, ein statisch funktionelles Wirbelsäulensyndrom mit Myotendopathien der Schulter, des Nackens und im Bereich der Brustwirbelsäule sowie den Verdacht auf einen rezidivierenden psychogenen Harnverhalt bei einer atonischen Blase als Zustand nach einer Erweiterung der Uretra 1995. Sie leide seit 1992 besonders unter psychischem Stress und einem Harnverhalt. Seit ihrem Jugendalter leide sie an sehr starken Kopfschmerzen. Sie habe sie mit Seitenwechsel, pochend in der Qualität, mit Lichtscheu, wöchentlicher Übelkeit und bei der Periode beschrieben. Über ihre Eltern habe sie berichtet, diese hätten häufig gestritten, wobei ihre Mutter den Vater kritisiert habe, dass dieser zu großzügig mit Geld umgehe sowie ab und zu trinke. Ihre Mutter habe als Krankenschwester meist im Nachtdienst gearbeitet. Ihre Großmutter väterlicherseits, die in der Familie gelebt habe, habe sie teils miterzogen. In der Erziehung sei die Mutter streng und bestrafend gewesen. Es habe wenige Zärtlichkeitsangebote von ihr gegeben. Ihr Vater sei sehr freundlich, tolerant und großzügig gewesen. Nach dem Tod ihres Vaters 1997 sei ihr alles egal gewesen. Als größte Belastung in den letzten Jahren habe sie dessen Tod und denjenigen der Großmutter erlebt. Beiden trauere sie noch heute nach. Sie habe seit fünfeinhalb Jahren mit ihrem jetzigen Lebensgefährten zusammengelebt. Er spiele in der Freizeit gerne Musik und sei deswegen häufig unterwegs. Die Klägerin fühle sich dann immer sehr alleine gelassen. Die seit Anfang des Jahres bestehende Spannung habe sich etwas gelegt. Mit ihrer Mutter habe sie regelmäßig Kontakt. Diese sei in den letzten Jahren depressiv und sehr gläubig geworden. Behandelnde Ärzte seien Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, sowie Dr. N., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Aus der Biographie sei zu entnehmen, dass die Entwicklung der Persönlichkeit der Klägerin von einer wenig beschützenden Mutter und einem den Ausgleich gewährenden, ihr zugewandten Vater geprägt sei. Die Trennung der Eltern habe die erste Symptomatik als Ausdruck eines intrapsychischen Konfliktbewältigungsversuches ausgelöst. Unter diesen disponierenden Faktoren hätten in den letzten Jahren der Tod des Vaters und der Großmutter, die Konflikte am Arbeitsplatz sowie die drohende Trennung vom Partner eine Reaktivierung der früheren Konflikte bewirkt. Die psychische und physische Symptomatik seien hierdurch verstärkt worden.
Der spätere Leitende Arzt der Psychosomatik der S., Priv.-Doz. Dr. K., diagnostizierte nach dem zweiten stationären Aufenthalt der Klägerin vom 16. März bis 27. April 2004 unter anderem eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode (ICD-10 F33.0) und eine Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0). Ihre Beschwerden habe sie in einem engen Zusammenhang mit einer Konfliktsituation in der letzten Partnerschaft sowie der Trennung im Dezember 2003 gesehen. Sie habe im Frühjahr dieses Jahres heimlich eine Beziehung zum Ehemann einer befreundeten Arbeitskollegin begonnen. Zuletzt sei sie sehr enttäuscht gewesen, dass ihr dieser Partner einige Unwahrheiten geschildert habe. Als jüngstes Kind habe sie häufig das Bedürfnis nach Anerkennung und Zuwendung gehabt, durch den Erziehungsstil ihrer Mutter sei sie jedoch Frustrationen ausgesetzt gewesen. Einen gewissen Ausgleich habe sie in der liebevollen Beziehung zu ihrem Vater gefunden. Die Scheidung ihrer Eltern habe sie im Alter von zehn Jahren als emotionales Trauma erlebt. Danach sei es vermutlich zu einer Somatisierung des depressiven Zustandes gekommen, indem eine Migräne aufgetreten sei. Im Erwachsenenalter sei dieser frühe Konflikt durch wiederholte Enttäuschungen in den Partnerschaften mit überwiegend depressiver Symptomatik reaktiviert worden. Die aktuelle Entwicklung der Krankheitszeichen sei nach einer misslungenen Beziehung und wegen eines interpersonellen Konfliktes mit einem dadurch ausgelösten Verzicht an der letzten Arbeitsstelle aufgetreten.
Prof. Dr. D., Direktor des Instituts für Anästhesie des Städtischen Klinikums K., berichtete im April 2006, die Klägerin habe sich in der Ambulanz vorgestellt und über Kopfschmerzen geklagt, die seit dem vierzehnten oder fünfzehnten Lebensjahr bestünden. Sie habe einen deutlichen Zusammenhang mit ihrer Arbeitsbelastung gesehen und sei diesbezüglich in einer psychologischen Therapie.
Die systemische Familientherapeutin B. der Ehe-, Familien- und Partnerschaftsberatungsstelle in K. erwähnte im April 2008, sie habe die Klägerin zwischen Juni 2007 und März 2008 an insgesamt 19 Terminen beraten. Es habe sich gezeigt, dass eine mindestens wöchentliche Psychotherapie indiziert sei. Eine Erschöpfungsdepression habe vorgelegen, welche sich im Laufe der zehn Monate deutlich verstärkt habe, begleitet von einem zunehmenden sozialen Rückzug, einer subjektiv wahrgenommenen Perspektivlosigkeit in alle Richtungen und dem dringenden Wunsch nach Ruhe. Eine suizidale Tendenz sei erkannt worden. Nicht zuletzt hätten Nervenzusammenbrüche Anfang 2008 auch während der beruflichen Tätigkeit die Zuspitzung der labilen psychischen Verfassung signalisiert, sodass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme dringend geboten gewesen sei.
Dr. K., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie der F. Klinik D., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 20. Mai bis 22. August 2008 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode (ICD-10 F33.2), eine somatoforme autonome Funktionsstörung im Urogenitalsystem und eine Störung der Sexualität (ICD-10 F45.34) sowie eine Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.8). Bei der Aufnahme habe sie erwähnt, nach dreijähriger Partnerschaft stehe eine Trennung von dem achtzehn Jahre älteren verheirateten Mann ins Haus. Dessen Ehefrau habe sich, nachdem sie von der Beziehung erfahren habe, umgebracht. Sie habe deshalb große Schuldgefühle. Der Grund, weshalb sie als Fötus nicht abgetrieben worden sei, sei angeblich das extrem religiöse Über-Ich der Mutter gewesen. Ihre Brüder seien immer erfolgreicher und angesehener gewesen als sie. Schon in der Hauptschule habe sie sich als Außenseiterin gefühlt. Sie habe nie Freundinnen gehabt und sei immer zu Hause bei ihrer Mutter gewesen. Selbst in ihrem Beruf als Krankenschwester habe sie kein besseres Selbstwertgefühl entwickeln können. Sie sei häufig gemobbt worden. Das Angebot, die Stationsführung zu übernehmen, habe sie abgelehnt. Die Kollegin, welche den Job übernommen habe, habe sie dann heftig beneidet. Die Klägerin sei ganzheitlich nach einem multimethodalen und -professionellen Konzept behandelt worden. Dieses habe sich aus mehrmals wöchentlich stattfindenden psychodynamisch orientierten Einzel- und Gruppentherapien, autogenem Training, der Muskelrelaxation nach Jacobsen, einer Atem- und Musiktherapie nach Grof, Einzel- und Gruppenhypnosen, Tranceübungen, einer Kreativtherapie sowie Gymnastik zusammengesetzt. Die Behandlung habe sich insofern schwierig gestaltet, als die Klägerin zum Ausagieren geneigt und ihre inneren Konflikte in die Außenwelt projiziert habe, um dort nach Schuldigen zu suchen. Bei der vertieften Betrachtung der Anamnese sei schnell sichtbar geworden, wie sehr sie im Zuge einer Konfliktlösung gegensätzliche Reaktionen in Szene gesetzt habe. So sei sie in der Tanz- und Ausdruckstherapie gleich zu Beginn ausgestiegen und habe sich wie ein Häufchen Elend an den Rand des Raumes gesetzt. Am Ende der Stunde habe sie erkennen lassen, dass sie dringend Liebe und Anerkennung von der Tanztherapeutin benötige und habe diese sofort für sich alleine vereinnahmen wollen. Ihre verschiedenen Ich-Zustände kollidierten erheblich mit der Wirklichkeit. Solche inkonsistenten Verhaltensmuster hinderten sie häufig daran, stabile zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Suizidgedanken seien aufgetaucht, jedoch ihrer Hündin zuliebe nicht weiterverfolgt worden. Im weiteren therapeutischen Verlauf sei es immer öfter gelungen, dass traumatisierte Selbst zu versöhnen. Es habe eine große Sehnsucht bestanden, endlich wertgeschätzt zu werden und sich anlehnen zu dürfen. Es sei der Wunsch nach Autonomie aufgekommen.
Die Dipl.-Psychologin S. führte im September 2011 aus, die Klägerin habe sich erstmals im Januar 2008 bei ihr vorgestellt. Nach probatorischen Gesprächen sei die Indikation für eine analytische Psychotherapie als Langzeitmaßnahme gestellt worden. Trotz im Sommer 2010 aufkommender Erinnerungen an lebensgeschichtliche traumatische Belastungen, etwa die sexuelle Gewalt durch ihren Vater in der frühesten Kindheit, mit Intrusionen, Flashbacks und massiven depressiven Einbrüchen, habe die Klägerin die Anforderungen ihres Alltags gut zu bewältigen vermocht. Die deutliche Verschlechterung des psychischen Zustandes während der Sommerferien im August 2011, die eindeutig mit den auslösenden traumatisierenden Belastungen und mit den aktuellen Reaktionen der Familienmitglieder zusammenhingen, habe in ihr den Wunsch eines Klinikaufenthaltes aufkommen lassen, der notwendig gewesen sei. Diagnostiziert habe sie den Zustand nach einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine rezidivierende mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F33.11). Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. äußerte im Juni 2012, die Klägerin sei seit Februar 2004 in ihrer psychiatrischen Behandlung. Es bestünden eine posttraumatische Belastungsstörung sowie rezidivierende schwere depressive Episoden und Angstzustände. Seit 2008 sei sie in einer analytischen Behandlung. Außerdem sei eine Hypnotherapie in der F. Klinik D. erfolgt.
Priv.-Doz. Dr. L., Chefarzt der Traumatherapie der W. Klinik in B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 19. September bis 31. Oktober 2012 eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1), eine somatoforme autonome Funktionsstörung (ICD-10 F45.3) und eine Entleerungsstörung der Harnblase (ICD-10 N39.8). Die Klägerin sei wegen Flashbacks nach Bewusstwerden eines Kindheitstraumas zur stationären Rehabilitation gekommen. Sie sei seit 2008 in einer zweiwöchigen psychoanalytischen Behandlung, stationäre Aufenthalte seien 2001, 2004 und 2008 erfolgt. Sie habe Erfahrung mit einer Hypno- und Gruppentherapie gemacht sowie zudem an einem Workshop für Bonding teilgenommen. Mit ihrem heutigen Wissen über Träume habe sie die bisherigen Therapien eher als oberflächlich wahrgenommen. Alle beziehungsweise die meisten Beschwerden hätten indirekt mit dem Trauma zu tun. Im achtzehnten Lebensjahr sei sie bei ihrer Mutter ausgezogen und bei ihrem damaligen Freund untergekommen. Diese sei sehr streng gewesen und habe ihr nicht vertraut. Als sie die Abschlussprüfung der Ausbildung zur Krankenschwester abgelegt habe, sei ihr Vater wegen eines Bronchialkarzinoms im Krankenhaus auf derselben Station gewesen, auf der sie gearbeitet habe. Sie habe ihn bis zu seinem Tod gepflegt. Nachdem sie sich vor zwei Jahren als Krankenschwester in der Betreuung von Kindern, Senioren und Tieren selbstständig gemacht habe, sei es ihr zum ersten Mal in ihrem Leben bessergegangen. In dieser Zeit seien die Erinnerungen an die zurückliegenden Traumatisierungen durch ihren Vater in der frühen Kindheit zutage getreten.
Die B., bei der die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich versichert war, teilte im Januar 2013 mit, Aufzeichnungen über Vorerkrankungen vor 2002 lägen nicht mehr vor.
Das Landratsamt E. lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht mit Bescheid vom 2. September 2013 ab. Der von ihr angeschuldigte sexuelle Missbrauch durch ihren Vater sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, woraufhin die Dipl.-Psychologin B. mit der Erstattung eines aussagepsychologischen Gutachtens beauftragt wurde. Nach ihrer Exploration am 13. Mai 2014 führte sie, auch unter Auswertung von Tagebuchauszügen, aus, bei ihr sei von einer Persönlichkeit auszugehen, die für autosuggestive Einflüsse überdurchschnittlich anfällig sei, wodurch die Suggestionshypothese Unterstützung erfahre. Hinsichtlich der Täuschungskompetenzen sei anzuführen, dass die Klägerin in variantenreichem Sex erfahren sei, auch wenn kaum positive sexuelle Erfahrungen berichtet würden. Insofern könnte sie die vorgetragenen und für die Begutachtung relevanten Inhalte problemlos erfinden. Gegen die Täuschungshypothese spreche, dass den Anknüpfungsgrundlagen zufolge kein Hinweis für eine Aggravation oder Simulation zu entnehmen sei. Aus ihren eigenen Erhebungen seien ebenfalls keine bedeutsamen Hinweise dafür abzuleiten, die Klägerin habe bewusst getäuscht. Zusammengefasst sei vorliegend die Plausibilität des Vergessens und Erinnerns nicht gegeben. Die Qualitätsmängel der Angaben seien mit einer erlebnisbegründeten Aussage nicht vereinbar.
Die Klägerin habe angeführt, ihre jahrelangen Kopfschmerzen seien währen einer Rehabilitationsmaßnahme 2000/2001 mit der Psyche in Verbindung gebracht worden. Bei Angaben zum fraglichen Geschehen und solchen, die Bezug dazu haben könnten, sei sie aus dem Kontakt gegangen, habe den Blick auf einen imaginären Punkt gerichtet und um eine Unterbrechung gebeten, etwa als sie erwähnt habe, ihr Vater habe sie aufgefordert, den Latz der Skihose im Restaurant auszuziehen. Die Angaben zum begutachtungsrelevanten Geschehen habe sie sehr leise, nur stockend und mit längeren Pausen vorgetragen. Sobald das Gespräch sich anderen Themen zugewandt habe, habe sie sich wieder offener gezeigt. Ihre Oma habe nur wenige Straßen entfernt gewohnt und sei über Nacht bei ihnen geblieben, wenn die Mutter gearbeitet habe. Als kleines Kind habe sie bei den Eltern geschlafen. Sie habe ein Klappbett gehabt, das im Schrank habe verstaut werden können. An Kuschelzeiten mit ihrer Mutter könne sie sich nicht erinnern. Demgegenüber habe sie mit ihrem Vater und ihrer Großmutter auf der Couch gekuschelt. Die Oma habe gut kochen können und sich viel mit ihr und ihren Brüdern beschäftigt. Als ihr Vater bei ihr gewohnt habe, seien sie ganz oft zu ihr gegangen und hätten dort übernachtet. Bei ihr sei es ein zweites Zuhause gewesen. Als ihre Brüder älter gewesen seien, sei sie immer allein bei der Großmutter gewesen. Wegen ihres Ekels verbrauche sie heute eine Unmenge an Desinfektionsmitteln. Seit ihrer Kindheit habe sie starke Kopfschmerzen. Sie halte weder Kinder- oder Katzengeschrei noch Vogelgezwitscher aus. Was sie damit assoziiere, könne sie nicht sagen. Sie könne jedenfalls nicht helfen, was sie nicht ertrage. Als Jugendliche habe sie das Funken als Hobby gehabt, bei dem sie mit etwa achtzehn Jahren ihren ersten Freund kennengelernt habe, zu dem sie später gezogen sei. Eine weitere Beziehung sei in die Brüche gegangen, nachdem ihr Partner, mit dem sie zusammengewohnt habe, während ihres stationären Aufenthaltes für eine Rehabilitationsmaßnahme fremdgegangen sei. Sie habe nie Sex mit Männern gewollt, obgleich sie ältere Männer magisch anziehe. Mit ihrem ersten Freund habe es Probleme mit der Sexualität gegeben. Sie habe es nicht gewollt und sich gesträubt. Daran sei die Beziehung gescheitert. Gestört habe ihn auch, dass sie sich nicht fraulich kleide. Das Bedürfnis nach Sexualität habe sie nur bei dem Mann einer Arbeitskollegin verspürt, wenn auch selten. Sie habe so gut wie nie Lust auf Sex. Der eigentliche Geschlechtsakt sei oft schmerzhaft für sie. Richtig zusammengelebt habe sie nur mit ihrem ersten Freund. Aktuell habe sie keinen Partner. Ihr Wunsch sei es gewesen, eine Familie mit zwei Jungen zu haben. Töchter habe sie nicht gewollt. Sie ekele sich, wenn Mädchen sich schminkten und schön anzögen. Obwohl sie in der Hauptschule sehr gut gewesen sei, habe sie zu Beginn der Ausbildung als Krankenschwester nichts mehr kapiert und sei sowohl abgewertet als auch ausgenutzt worden. Letztlich habe sie versucht, sich die Finger zu brechen, indem sie sich ein Schränkchen hierauf habe fallen lassen, um nicht mehr hin zu müssen. Ihren Vater habe sie nicht pflegen können, weder allgemein noch im Intimbereich. Bei dem Aufenthalt in der W. Klinik habe sie sich einer Hypnotherapie unterzogen. Währenddessen habe sie das ein oder andere Mal dissoziiert und sei nur schwer zu sich gekommen. Zu dieser Zeit habe sie eine heftige Beziehung gehabt, wiederum mit einem verheirateten Mann, was sie allerdings anfangs nicht gewusst habe. Ihr Ding seien die Natur und Tiere. Sie halte jedoch eine bestimmte Art von Vogelgezwitscher oder wenn Tiere sich stritten nicht aus. Bei Kindern und Hunden finde sie es eklig, wenn diese sabberten oder sich anschlabberten. Wenn sie jemandem von der Familienstreiterei erzählt habe, in die sie 2010 geraten sei, habe sie furchtbar angefangen zu weinen, was eigentlich unangemessen sei. Ihr damalige Coach und dessen Kollege, die sie im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit öfter aufgesucht habe, habe sie gefragt, ob das wirklich alles sei oder hinter ihrem Weinen und ihrer Angst, ihre Adresse anzugeben, nicht etwas Anderes stecke. Dieser Satz sei ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Daraufhin habe sie wissen wollen, was früher wirklich geschehen sei. Es seien Bilder, Gefühle, Gerüche und Szenenfetzen aufgetreten, welche sie im ersten Moment auf Misshandlungen ihrer strengen Mutter zurückgeführt habe. Das sei es aber nicht gewesen, sondern weil sich ihr Vater an ihr befriedigt habe. Die Klägerin habe sich nur an Fetzen erinnert, nicht an konkrete Zeiträume. Sie wisse jedoch, dass er sie angesprochen habe, sie solle doch knackigere Sachen anziehen und ihre Brust zeigen. Sie habe Szenen, wo er sich mit seinem Glied in ihrem Gesicht befriedige. Als sie noch ein Baby gewesen sei, habe er dieses in ihren Mund gesteckt. Heute wisse sie, dass es nach Sperma geschmeckt habe. Es habe sich "daheim" abgespielt, auf dem Sofa bei der Oma. Die sexuellen Übergriffe hätten sich mit Sicherheit in ihrem Alter von sieben und acht sowie mit zwölf und vierzehn Jahren ereignet. Sie wisse, dass der Penis im Schaum in der Badewanne hin und her , weiter wolle sie aus Angst, was passiere, nicht gehen. Sie könne weder eine komplette Szene beschreiben noch sie einem Ort oder Alter zuordnen. Dass vaginaler Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, schließe sie aus einer Szene, in der die Worte "Ich bin drin in meinem Kind." gefallen seien. Hierin habe sie einen Bezug auf ihre Scheide gesehen. Zudem habe sie schon im Kindergarten ein Brennen beim Wasserlassen verspürt. Oralverkehr habe sie nur mit ihrem ersten Freund gehabt. Der habe alles ausprobiert, oben, unten und hinten. Das habe sie geekelt. Ihr späterer verheirateter Freund habe das auch gewollt, was sie abgelehnt habe, weil es bei ihr einen Würgereiz auslöse. Mit einem Psychotherapeuten habe sie besprochen, dass sie das Gefühl, ihr müsse als Kind etwas Schlimmes passiert sein, was sie als Last empfinde, loswerden wolle. Als dann die Bilder hochgekommen seien, habe sie verstanden, dass nicht ihre Mutter etwas gemacht habe, sondern ihr Vater. Sie habe einen unglaublichen Frieden in sich gehabt. Im weiteren Verlauf, in ruhigen Minuten und bei bestimmter Musik, seien weitere Dinge dazu gekommen. Ihr sei das gemeinsame Bad eingefallen. Ob und was in der Badewanne geschehen sei, könne sie nicht sicher sagen. Die aufgekommenen Bilder habe sie in einem Tagebuch beschrieben. Als Auslöser der Erinnerungen habe die Klägerin den Familienstreit auf der Straße 2010 genannt. In der F. Klinik D. seien eventuell im Unbewussten Dinge angetippt worden, die dann an die Oberfläche gelangt seien. In den Tagebuchaufzeichnungen sei im Mai 2010 vermerkt, dass sich die Klägerin gefragt habe, ob ihre Belastungen aus dem Versuch ihrer Mutter resultierten, sie abzutreiben. Drei Monate später habe sie notiert, als Indikator für eine potentielle Täterfigur sehe sie die Erregungen und Bewegungen ihres Beckenbodens an, wenn sie an eine bestimmte Person denke. Sie habe überlegt, ob ihre Brüder ihr dies angetan haben könnten, den Gedanken jedoch in Anbetracht ihres Alters verworfen. Bekannte habe sie ebenfalls in Betracht gezogen. Schließlich habe sie festgehalten, rein vom Sachlichen beziehungsweise von den Umständen her müsse es "Bobby" gewesen sein. Er sei mit ihr alleine gewesen, auch im Schlafzimmer.
Daraufhin wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 zurückgewiesen.
Die Klägerin erhob deswegen Klage beim Sozialgericht K. (SG), welche mit dem Aktenzeichen S 8 VG 4165/14 geführt wurde. Nachdem es das Prozesskostenhilfegesuch mit Beschluss vom 19. Februar 2016 abgelehnt und das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) im Verfahren L 6 VG 1258/16 B die Beschwerde mit Beschluss vom 13. April 2016 zurückgewiesen hatte, wurde die Klage im Juli 2016 zurückgenommen.
Die Deutsche Rentenversicherung B. hatte ein erstmals geltend gemachtes Recht der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente bereits mit Bescheid vom 29. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2015 abgelehnt. Im Klageverfahren S 5 R 719/15 beim SG wurde Dr. S., Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, als sachverständige Zeugin schriftlich gehört. Die Klägerin habe berichtet, sie sei 2014 von K. nach Ö. gezogen. Sie fühle sich dort sehr wohl und sei sozial gut integriert.
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie M. wurde vom SG mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 5. Oktober 2015 diagnostizierte er eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine rezidivierende depressive Erkrankung, derzeit remittiert (ICD-10 F33.4). Die posttraumatische Belastungsstörung habe bei ihr lediglich Einfluss auf das qualitative, nicht hingegen auf das quantitative Leistungsbild. Die Klägerin sei mit dem Personenkraftwagen alleine zur Untersuchung nach N. a. d. W. gekommen. Im Rahmen der Anamnese habe sie angeführt, sich derzeit freuen und lachen zu können. Sie befinde sich eher in einer stabilen Phase. Der Antrieb sei morgens beim Aufstehen noch schwierig und am Vormittag besser. Am Nachmittag werde sie müde und lege sich hin. Dr. S. sehe sie seit zwei Jahren alle sechs bis acht Wochen zu einem fünfzehn- bis zwanzigminütigen Gespräch. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. habe sie erstmals 2001 oder im Folgejahr kontaktiert. In einer Psychotherapie sei sie ebenfalls seit dieser Zeit. Mittlerweile habe sie vier abgeschlossen, die letzte sei eine traumaspezifische gewesen. Seit 2011 greife sie auf Sertralin, 100 mg (1-0-0) zurück. Hierunter seien die traumaspezifischen Merkmale wie die Flashbacks, aber auch die dissoziativen Zustände, deutlich besser geworden. Eine Tätigkeit in einem medizinischen Beruf könne sie sich nicht mehr vorstellen. Sie wolle nicht mehr mit kranken Menschen arbeiten und ertrage auch die Körperflüssigkeiten nicht weiter. Die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit komme derzeit nicht infrage, weil sie ihren älteren Hund nicht alleine lassen wolle. Bis 2010 habe sei keine Erinnerungen an die Traumatisierungen gehabt. Danach habe sie spezielle Gerüche und Gefühle sowie Schmerzen an ihrem Körper wahrgenommen. Sie habe vermutet, dass ihr Vater sie als Baby und zu der Zeit, als sie einen Kindergarten besucht habe, regelmäßig sexuell missbraucht habe. Ihre letzte Partnerschaft sei 2010 zu Ende gegangen. Sie habe über mehrere Jahre hinweg eine Beziehung zu einem Mann unterhalten, sich seit 2005 aber immer wieder von ihm getrennt. Es sei ihr schon immer schwergefallen, in einer Partnerschaft sexuelle Handlungen zu vollziehen. Sie habe derzeit in einer 60 m² großen Wohnung mit Garten zur Miete gewohnt. Als Hobbys habe sie ihren Hund, die Gartenarbeit und den Kirchenchor angeführt. Sie habe einen Freundeskreis und gerne Kontakt mit Tieren. Über ein Jahr hinweg habe sie über den sozialpsychiatrischen Dienst eine Hilfe für den Haushalt in Anspruch genommen. Diesen versorge sie nun seit geraumer Zeit wieder selbst. Nach dem Mittagessen lege sie sich manchmal hin, ansonsten helfe sie gerne in der Nachbarschaft aus. Abends kümmere sie sich um ihre privaten Angelegenheiten, schaue fern und gehe gegen 22 Uhr schlafen. Am Wochenende sei sie oft für sich, habe aber auch Kontakt zu ihrer Familie und der Nachbarschaft.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. E., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, eine weitere Expertise. Nach ihrer ambulanten Untersuchung am 17. Februar 2016 erhob sie eine posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelgradige depressive Episode. Entgegen der Auffassung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie M. ging sie zudem von einem quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen aus. Im Rahmen der Anamnese habe die Klägerin ihre Mutter als streng und leistungsbezogen beschrieben. Sie habe das Gefühl gehabt, dieser nie genügen zu können. Lob und emotionale Zuwendung habe sie immer vermisst. Zu ihrem Vater habe ein sehr gutes Verhältnis bestanden. Dieser sei zwar fordernd gewesen, sei ihr jedoch auch mit viel Wertschätzung gegenübergetreten. Wenn er Alkohol getrunken habe, habe sie sich jedoch geweigert, mit ihm engeren Kontakt zu haben. Der sexuelle Missbrauch habe durch ihn stattgefunden, was sie seit 2010 wisse. Zuvor habe sie diese Idee weit von sich gewiesen. Sie sei in ihrem Leben mehrfach umgezogen, weil sie sich in den jeweiligen Wohnungen nicht mehr wohl gefühlt habe. Es habe Situationen gegeben, die ihren psychischen Zustand deutlich verschlechterten. Nachdem sie viele Jahre in der Großstadt gelebt habe, wohne sie nun in einer ländlichen Umgebung. Sie fühle sich jetzt endlich angenommen und in Sicherheit. Weiterhin sei sie jedoch nicht in der Lage, in einer fremden Umgebung eine Toilette oder ein Bad zu nutzen. Bevor sie in eine Wohnung eingezogen sei, habe sie immer beides vollständig renovieren lassen, wenn es sich nicht um einen Neubau gehandelt habe. Selbst in ihrem eigenen Bad könne sie oft die sanitären Anlagen nicht berühren. Sie trage zu jeder Jahreszeit sowohl lange und weite als auch bevorzugt männliche Kleidung. Sie habe sich als Frau nie akzeptieren können. Ihren Körper könne sie kaum berühren und fühle einen Ekel, wenn sie ihn ansehe oder sich schminken wolle. Sehr große Ängste träten auf, wenn sie betrunkene Personen antreffe sowie Zigarettenrauch oder Alkoholgeruch wahrnehme. Kindergeschrei und Tierlaute beunruhigten sie sehr stark. Sie reagiere mit Panik, Schweißausbrüchen und einer starken inneren Anspannung. Es komme in ihr das Gefühl auf, sofort helfen zu müssen, selbst wenn sie sehe, dass es sich um eine unproblematische Situation handele. In den letzten Jahren seien tagsüber mehrfach dissoziative Symptome aufgetreten, woraufhin sie sich plötzlich nicht mehr habe bewegen können. Erstmals 2001 habe sie sich in ambulante und stationäre psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen begeben.
Das SG wies die Klage im Verfahren S 5 R 719/15 mit Urteil vom 2. Mai 2016 ab. Die Klägerin sei in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht gemindert. Sie sei gesundheitlich in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Es bestehe weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Einschränkung der Wegefähigkeit.
Am 19. Januar 2017 beantragte die Klägerin beim Landratsamt E. die Überprüfung des Verwaltungsaktes vom 2. September 2013 im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das Begehren lehnte der Verwaltungsträger mit Bescheid vom 31. Januar 2017 ab. Die Klägerin habe keine neuen Gesichtspunkte oder rechtserhebliche Tatsachen vorgebracht, welche nicht schon bei Erlass der ursprünglichen Entscheidung bekannt gewesen seien. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2017 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 6. Juli 2017 Klage beim SG erhoben, welches das zudem erhobene Prozesskostenhilfegesuch mit Beschluss vom 12. September 2017 abgelehnt hat. Das LSG hat im Verfahren L 6 VG 4071/17 B die Beschwerde mit Beschluss vom 19. Januar 2018 zurückgewiesen. Dem SG hat die Klägerin die Stellungnahme der Dipl.-Psychologin V., psychologische Psychotherapeutin, von September 2017 vorgelegt, wonach sie diese wie auch die zuvor behandelnden Therapeutinnen als glaubwürdigt erlebten. Das Phänomen, dass traumatisch-bedrohliche Erinnerungen lange Zeit dem Bewusstsein verborgen bleiben könnten, sei in der traumatherapeutischen Arbeit nicht ungewöhnlich und komme im Zusammenhang mit früheren Traumatisierungen wie einem sexuellen Missbrauch gehäuft vor. In der Psychotherapie gehe es allerdings anders als vor Gericht nicht darum, konkrete Beweise dafür zu erbringen, Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden zu sein, sondern um die Stabilisierung der meist sehr verzweifelten Frauen und die Aufarbeitung des Traumas. Das Gutachten der Dipl.-Psychologin B. erscheine ihr ziemlich einseitig. Die Darstellung der Glaubwürdigkeit der Klägerin werde ihrer Situation und ihrem Erleben nicht gerecht.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. April 2018 abgewiesen. Aus den von der Klägerin im Überprüfungs- und Gerichtsverfahren eingereichten Bescheinigungen der Personen, die sie therapierten oder ärztliche behandelten, ergebe sich nicht, dass auf der Primärebene der geltend gemachte sexuelle Missbrauch nunmehr glaubhaft sei. Zum einen fehle diesen Personen die eigene Möglichkeit der Wahrnehmung. Zum anderen könne der Missbrauch nicht aus gestellten Diagnosen abgeleitet werden. Allein die gute Möglichkeit, dass ein frühkindlicher Missbrauch zu derartigen Krankheitsbildern führe, reiche nicht aus, den Nachweis als geführt anzusehen. Insbesondere sei ein Realitätsbezug der Missbräuche deshalb nicht hinreichend glaubhaft, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben bis Ende 2010 keine Erinnerungen an die Angriffe durch ihren Vater gehabt habe, sondern diese sich erst später durch eine familiäre Auseinandersetzung und im Zuge einer Therapie entwickelt hätten. Gegen eine erlebnisbasierte Wahrnehmung sprächen die Genese der Erinnerungen der Klägerin und das Fehlen konkreter Angaben zum Kerngeschehen, obwohl die Angriffe bis in das Erwachsenenalter angedauert haben sollen. Überdies fehle es für die ersten Lebensjahre in Ermangelung einer entsprechenden Ausprägung des autobiographischen Gedächtnisses an einem Erinnerungsvermögen.
Gegen die den Bevollmächtigten der Klägerin am 30. April 2018 zugestellte Entscheidung hat diese am 30. Mai 2018 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Schlussfolgerungen der Personen, die sie ärztlich und therapeutisch behandelten, insbesondere Dr. S. und die Dipl.-Psychologin S., stünden in einem diametralen Gegensatz zur Auffassung der Dipl.-Psychologin B ... Es sei typisch, dass während einer Psychotherapie der Zugang zu verdrängten Erinnerungen an frühere traumatische Erlebnisse stattfinde. Die Dipl.-Psychologin V. sei zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund des von ihr eingesetzten Auswertungsblattes eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung erwiesen sei. Bezogen auf das Urogenitalsystem liege eine somatoforme autonome Funktionsstörung vor, die zu den behaupteten traumatischen Erlebnissen passe. Zudem seien über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren hinweg mehrere Harnwegsinfekte und Vaginalmykosen in erheblichem Umfang diagnostiziert worden. Mehrere Therapeuten hätten unabhängig voneinander eine kausale Verbindung zwischen den feststehenden Beschwerden und den von ihr mitgeteilten sexuellen Missbräuchen bestätigt. Nach dem abgemilderten Beweismaßstab der Glaubhaftmachung ihrer Angaben seien die rechtswidrigen tätlichen Angriffe belegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 25. April 2018 und den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2017 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 2. September 2013 zurückzunehmen, und ihn zu verurteilen, ihr wegen der sexuellen Missbrauchshandlungen durch ihren Vater K. B. ab dem Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab 1. Januar 2013 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, ihr Begehren sei nicht begründet.
Zuletzt hat die Klägerin die Bescheinigung von Dr. S. vom 29. Januar 2019 vorgelegt, wonach der von der Dipl.-Psychologin B. festgestellte fehlende Realitätsbezug der Erinnerungen an den Missbrauch nicht unwidersprochen bleiben könne. Eine Rückfrage bei den direkt involvierten Psychotherapeuten in Bezug auf Erlebnisinhalte sei sinnvoll und für eine abschließende Beurteilung unerlässlich. Die Ergotherapeutin B. hat berichtet, die Klägerin seit dem 10. Januar 2019 zu behandeln. Sie sei in vorgegebenen Rollen in ihrem Auftreten angemessen, wirke aufgeschlossen und scheine Nähe und Distanz regulieren zu können. Sobald sie jedoch, wie in der Konzentrativen Bewegungstherapie methodisch angewendet, zu Experimentiervorschlägen ohne bestimmte Rollen- oder Verhaltensvorstellung aufgefordert werde, verliere sie ihre innere Orientierung und ihren Halt. Sie gerate in eine Starre, scheine von Angst überflutet zu sein und sei nicht im Stande, sich mit ihr gemeinsam im Raum zu bewegen. Dauere dieser Zustand zu lange an, könne sie sich nur durch Flucht und indem sie kaltes Wasser über ihre Hände laufen lasse regulieren. Das Verhalten der Klägerin spreche für einen erlebten und nicht eingebildeten oder suggerierten Missbrauch, was sie von zahlreichen anderen Behandlungen in ähnlicher Form kenne. Dr. W., Ärztlicher Leiter der Psychiatrischen Tagesklinik P., hat nach dem teilstationären Aufenthalt der Klägerin vom 10. September bis 23. November 2018 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F33.2), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt (ICD-10 F42.2) sowie Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen (ICD-10 F50.4) diagnostiziert. Es sei eine sexualisierte Traumatisierung von Seiten ihres Vaters erfolgt. 2010 sei sie retraumatisiert worden, als sie einen Familienstreit auf der Straße mitbekommen habe, bei dem eine Frau bedroht worden sei. Zusätzlich irritiert worden sei sie vor eineinhalb Jahren durch einen Einbruch in ihre Wohnung, welcher ihr vorbestehendes überhöhtes Kontrollbedürfnis bestätigt habe. Schon immer betreibe sie einen Waschzwang und sei sehr penibel. Früher habe sie unter Fressattacken mit einem willkürlichen Erbrechen gelitten. Vor etwa zehn Jahren habe sie vermehrt Alkohol konsumiert. Entzugserscheinungen habe sie damals keine erlitten. 2001 habe sie einen Suizidversuch mit Medikamenten unternommen, den sie als Hilferuf eingeordnet habe. Das ambulant betreute Einzelwohnen, welches früher schon einmal eingerichtet gewesen sei, bestünde seit über einem Jahr. Eine gesetzliche Betreuung wegen des hohen Unterstützungsbedarfs in Bezug auf die Finanzen sei angeregt worden. Die Klägerin sei inhaltlich von seinem sehr negativen und verunsicherten Selbstbild mit Selbstbeschuldigungen, starker Scham, Ekel, einer ausgeprägten Grübelneigung, einer Dominanz von Gewalt-, Demütigungs-, Vernachlässigungs- und Mangelerfahrungen in ihrer früheren Biografie sowie von Grenzüberschreitungen beherrscht gewesen. Ein sicherer Anhalt von paranoiden Auslenkungen und Sinnestäuschungen habe nicht bestanden. Der Verdacht auf Wahrnehmungsstörungen mit einer Neigung zu Dissoziationen und Flashbacks mit einer Überflutung von Körpererinnerungen sei aufgekommen. Die Klägerin habe ein unscharfes Zeitraster für kurzfristige Gedächtnisinhalte gehabt und sei zeitweise unkonzentriert gewesen. Grund für die teilstationäre Aufnahme sei eine im ambulanten Rahmen therapieresistente schwere depressive Episode der bekannten rezidivierenden depressiven Störung in Komorbidität einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Zwangsstörung gewesen. Im Vordergrund der Symptomatik hätten dabei eine niedergedrückte Stimmung, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, Scham, ein Ekelgefühl, Grübeln, Schlafstörungen mit Albträumen sowie einer Neigung zu Dissoziationen gestanden. Erst nach Einführung von interpersonellen Aspekten in die therapeutische Arbeit sei es der Klägerin gelungen, aus der Verstrickung der Dynamik der erlebten Traumata herauszufinden. Die anhaltende depressive Gestimmtheit sei in den Hintergrund getreten, der Antrieb habe sich tendenziell gebessert. Bis zuletzt habe jedoch eine Neigung zu depressiven Reaktionen bei psychosozialen Belastungen und eine hohe soziale Sensibilität persistiert. Aufgrund der hohen Vulnerabilität für depressive Einbrüche sei die Fortführung der ambulanten Psychotherapie notwendig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, einschließlich der SG-Akte S 5 R 719/15 und der LSG-Akten L 6 VG 1258/16 und L 6 VG 4071/17 B, sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (2 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 25. April 2018, mit dem die als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 56 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin sinngemäß unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2017 (§ 95 SGG) die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 2. September 2013 und seine Verurteilung zur Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen sexueller Missbrauchshandlungen ihres Vaters ab ihrem Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr verfolgte, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für die Klagearten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/S., Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 21. Februar 2019 stattfand.
Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtenversorgung unter Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 2. September 2013. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Grundlage für die beanspruchte Rücknahme des Bescheides vom 2. September 2013 und Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Beschädigtenversorgung ist § 44 Abs. 1 SGB X. Soweit sich nach Satz 1 dieser Norm im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht, wenn er auf Angaben beruht, die Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht haben.
Ziel von § 44 Abs. 1 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten Letzterer aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 16/96 R -, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, haben Betroffene einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes, selbst unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28. Januar 1981 - 9 RV 29/80 -, BSGE 51, 139 (141)). Haben Betroffene schon mehrmals einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt, darf die Verwaltung ein erneutes Begehren nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen (Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VG 5048/15 -, juris, Rz. 51). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und Antragstellende bescheiden (BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 24/05 R -, BSGE 97, 54 (57)). Dem ist der Beklagte hinreichend nachgekommen. Die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind vorliegend indes nicht erfüllt. Der Beklagte wandte bei Erlass des Bescheides vom 2. September 2013 weder das Recht unrichtig an noch ging er von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30, der denjenigen von 25 einschließt. Liegt der GdS darunter besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Für einen Anspruch der Klägerin auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)):
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach §&8201;31 Abs.&8201;2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen Menschen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.).
In Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 176, § 176a StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffes noch weiter verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Es ist allein entscheidend, dass die Begehensweise, also eine sexuelle Handlung, eine Straftat war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 28 m. w. N.). Auch der "gewaltlose" sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sein (BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 4/93 -, BSGE 77, 7, (8 f.) und - 9 RVg 7/93 -, BSGE 77, 11 (13)). Diese erweiternde Auslegung des Begriffes des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten.
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Jul 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 17).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung wegen der behaupteten sexuellen Missbrauchshandlungen durch ihren Vater. Nicht erwiesen ist, dass es einen solchen tätlichen Angriff gegeben hat. Vorliegend bedarf es des Vollbeweises eines schädigenden Vorganges und nicht lediglich seines Glaubhafterscheinens.
Nach § 15 Satz 1 KOVVfG sind die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden der Antragstellenden oder ihrer Hinterbliebenen verlorengegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 -, BSGE 65, 123 (125)). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen etwa, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 383 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als solche Zeugen anzusehen. Denn die Beweisnot des Opfers, auf die sich § 15 Satz 1 KOVVfG bezieht, ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn Angreifende unerkannt geblieben oder flüchtig sind (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris, Rz. 41 m. w. N.). Ob Entsprechendes bezogen auf eine für die Tatbegehung in Betracht kommende Person gilt, die eine schädigende Handlung bestreitet, und die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG damit auch zur Anwendung gelangt, wenn sich die Aussagen des Opfers und des den behaupteten schädigenden Vorgang bestreitenden vermeintlichen Täters gegenüberstehen sowie Tatzeugen nicht vorhanden sind (BSG, a. a. O.), ist zweifelhaft (Bayerisches LSG, Urteil vom 30. April 2015 - L 15 VG 24/09 -, juris, Rz. 61; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/16 -, juris, Rz. 72 f.). Es kann jedoch offenbleiben, ob § 15 Satz 1 KOVVfG in dieser Konstellation heranzuziehen ist, da der Vater der Klägerin sich zum Tatvorwurf nie äußerte und im März 1997 verstarb. Tatzeugen ließen sich nicht ermitteln. Die Mutter der Klägerin, die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren Ende 2012 bekundete, jene sei 2010 zu ihr gekommen und habe von den sexuellen Übergriffen erzählt, wie auch die Personen, welche die Klägerin therapierten oder ärztliche behandelten, sind demgegenüber Zeuginnen und Zeugen vom Hörensagen. Diese sollen Angaben bekunden, die ihnen eine Person zu einem bestimmten Geschehen gemacht hat, ohne dass sie dieses wie Tatzeugen selbst wahrgenommen haben.
Der Anwendungsbereich des § 15 Satz 1 KOVVfG ist im Falle der Klägerin indes nicht eröffnet, da sie zu den behaupteten schädigenden Vorgängen, also mit solchen im Zusammenhang stehenden Tatsachen, aus eigener Erinnerung keine näheren Angaben machen kann (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2006 - B 9a VS 1/05 R -, juris, Rz. 24; Bayerisches LSG, Urteil vom 12. April 2016 - L 15 VU 2/13 -, juris, Rz. 40; Urteile des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VG 2096/13 -, juris, Rz. 42, vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 85 und vom 3. August 2017 - L 6 VU 4630/16 -, juris, Rz. 48). Ausweislich des im Wege des Sachverständigenbeweises verwerteten Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie M. aus dem Verfahren S 5 R 719/15 beim SG (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a ZPO) hatte die Klägerin, wie sie ihm gegenüber im Herbst 2015 angab, bis 2010 keine Erinnerungen an die angeführten sexuellen Missbrauchshandlungen ihres Vaters. Seit dieser Zeit nimmt sie spezielle Gerüche und Gefühle sowie Schmerzen am ganzen Körper wahr, weshalb sie lediglich vermutet, ihr Vater missbrauchte sie als Baby und zu der Zeit, als sie einen Kindergarten besuchte, regelmäßig sexuell. Erinnerungen an die ersten drei Lebensjahre vertragen sich indes in der Regel nicht mit der Leistung des autobiografischen Gedächtnisses (sog. "infantile Amnesie", Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 87 m. w. N.), da bis dahin eine entwicklungsbedingte Aussageuntüchtigkeit vorliegt. Ausgeschlossen ist daher, dass sich die Klägerin daran erinnern kann, ihr Vater habe ihr, als sie ein Baby gewesen sei, sein Glied in den Mund gesteckt. Die Dipl.-Psychologin V. legte für die gegenteilige Auffassung zwar einen Auszug des Buches "Tagkind-Nachtkind, Das Trauma sexueller Gewalt" von Marilyn Van Derbur, einer Schriftstellerin und Motivationssprecherin, vor, was den Senat allerdings bereits mangels ihrer Sachkunde nicht überzeugte. Gegen den Realitätsbezug spricht zudem, dass sie die von ihr wahrgenommenen Bilder, Gefühle, Gerüche und "Szenenfetzen" zunächst den Misshandlungen ihrer strengen Mutter zuordnete, nachdem sie nach der 2010 miterlebten Familienstreitigkeit von ihrem Coach und dessen Kollegen, die sie im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit aufgesucht hatte, gefragt wurde, ob hinter ihrem Weinen und ihrer Angst, ihre Adresse anzugeben, nicht etwas Anderes stecke, was der Senat dem im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dipl.-Psychologin B. entnimmt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO). Nach ihren Tagebuchaufzeichnungen, welche diese auswertete, hatte sie ihre Mutter schließlich wegen der beabsichtigten Abtreibung, an der sie nur ihr extrem religiöses Über-Ich hinderte, wie die Klägerin gegenüber Dr. K. kundtat, in Erwägung gezogen. Anschließend überlegte sie, ausgehend von den Erregungen und Bewegungen ihres Beckenbodens beim Gedanken an eine potentielle Täterfigur als Indikator, ob ihre beiden Brüder die sexuellen Missbrauchshandlungen vorgenommen hatten, verwarf den Gedanken allerdings ob ihres Alters. Nachdem sie noch Bekannte in Betracht gezogen hatte, schloss sie zuletzt aus den Umständen auf ihren Vater, etwa, weil er mit ihr im Schlafzimmer alleine war. Damit führte die Klägerin als erlebtes Geschehen an, was ihr naheliegend erschien, nicht aber was ihrer Erinnerung entstammt. Das von ihr angenommene Ausmaß des sexuellen Missbrauchs wurde durch die stationäre Behandlung in der Abteilung Traumatherapie der W. Klinik, welche die Klägerin als Traumastation für Frauen, die sexuelle Gewalt erlebten, bezeichnete, generiert.
Auf nicht bewusst Erlebtes deutet weiter die ernsthafte Möglichkeit suggestiver Einflüsse hin, insbesondere bei intensiven Gesprächen, Befragungen und Nachforschungen durch andere Autoritätspersonen mit entsprechenden Voreinstellungen und Erwartungen (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014, Rz. 324). Dabei besteht mitunter das Bedürfnis, die massiven psychischen und körperlichen Beschwerden, welche über die Jahre hinweg aufgetreten sind, erklären zu können (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. August 2015 - L 4 VG 5/13 -, juris, Rz. 28). Die vermeintliche Gedächtnisleistung der Klägerin entwickelte sich nach einer in der F. Klinik D. durchgeführten Hypnotherapie, die unter anderem das vorhandene Wissen über die Wirkung von Trance und Suggestion nutzt, sowie nach einer 2008 begonnenen analytischen Psychotherapie als Langzeitmaßname bei der Dipl.-Psychologin S ... Durch diese therapeutischen Maßnahmen fokussierte sich die Klägerin auf die hierbei aufgestellte Mutmaßung, dass ihr Vater einen sexuellen Missbrauch an ihr beging. Die währenddessen unterbreiteten Deutungsangebote stellten dabei die aktive Komponente der Suggestion dar (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rz. 27). Die vorgenommene Abwendung von der äußeren Realität und das Horchen nach innen können über ein nicht auf eine Kommunikation ausgerichtet erscheinendes Verhalten hinaus sogar zu einem dissoziativen führen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rz. 31), wie es die Klägerin beschrieb, vermögen indes keinen weiteren Aufschluss zu bewusst Erlebtem zu erbringen. Den Senat überzeugte es nicht, dass die Ergotherapeutin B. aus dem Verhalten der Klägerin bei einer Konzentrativen Bewegungstherapie zwischen einem stattgehabten und nicht erlebten oder suggerierten sexuellen Missbrauch unterscheiden kann. Hierfür fehlt ihr die Sachkunde.
Die Schilderung der als Gewalttaten geschilderten Geschehnisse blieb ferner detailarm (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 11. Juli 2018 - L 20 VG 30/17 -, juris, Rz. 47). Selbst bei der Begutachtung durch die Dipl.-Psychologin B. im Mai 2014 vermochte sie als spezifischen Ort nur das Sofa bei ihrer Großmutter anzuführen. Ob und was in der Badewanne geschah, konnte sie demgegenüber nicht einmal sicher umschreiben. Zur sicheren Tatzeit gab sie ihr Alter zwischen sieben und acht sowie zwölf und vierzehn Jahre an, ohne allerdings einen konkreten Zeitpunkt nennen zu können. Sie erwähnte zwar die Fernsehserie "Ein Colt für alle Fälle", räumte aber schließlich ein, weder eine komplette Szene eines Tatherganges beschreiben noch ihn einer Lokalität oder einem Alter zuordnen zu können.
Da bei der Klägerin keine gedächtnisphysiologischen Einschränkungen vorliegen, liegt es darüber hinaus fern, von einer Amnesie bis nahezu zum vierzigsten Lebensjahr auszugehen. Hiermit setzt sich Prof. V. im Vorwort des Buches "Trauma und die Folgen" der Psychologischen Psychotherapeutin H., welches die Dipl.-Psychologin V. auszugsweise übersandte, nicht auseinander. Darin beschreibt er lediglich, dass Personen, welche zu viel von ihrem Trauma erleben, es häufig auf sensomotorische und emotionale Weise noch einmal wahrnehmen. Eine generelle Aussage trifft er zudem nicht. Demgegenüber legte die Dipl.-Psychologin B. überzeugend dar, dass das von der Klägerin vorgetragene Vergessen und Erinnern nicht plausibel ist. Die Qualitätsmängel ihrer Aussagen sind mit einem Erlebnisbezug nicht vereinbar. Soweit sich die Klägerin auf die Dipl.-Psychologin V. stützt, wonach diese und andere Therapeutinnen sie als glaubwürdig erlebten und das Gutachten der Dipl.-Psychologin B. ihnen einseitig erschien, ohne ihr gerecht zu werden, wird verkannt, dass die Glaubwürdigkeit einer Person eine andere Kategorie der richterlichen Beweiswürdigung darstellt als die Glaubhaftigkeit einer Aussage. Die Dipl.-Psychologin V. räumte davon abgesehen selbst ein, dass es in der Psychotherapie anders als vor Gericht nicht darum geht, konkrete Beweise dafür zu erbringen, Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden zu sein, sondern um die Stabilisierung der meist sehr verzweifelten Frauen und die Aufarbeitung des Traumas.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat in Bezug auf den zu fordernden Vollbeweis für den schädigenden Vorgang nicht zu der vollen Überzeugung gelangt, dass der Vater der Klägerin an ihr vom Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr sexuelle Missbrauchshandlungen vornahm. Sie kann sich an sexuelle Missbrauchshandlungen nicht erwiesenermaßen erinnern. Ihr 1997 verstorbener Vater, den sie nicht anzeigte, weshalb keine staatlichen Ermittlungen durchgeführt wurden, auf deren Erhebungen hätte zurückgegriffen werden können, äußerte sich hierzu nie. Tatzeuginnen oder -zeugen sind nicht vorhanden. Die Mutter der Klägerin und ihre beiden älteren Brüder, die bis zur Trennung der Eltern Ende der 1970er-Jahre in einem Haushalt lebten, haben kein Tatgeschehen mitbekommen. Die Großmutter väterlicherseits, bei der sich anschließend ebenfalls die Taten abgespielt haben sollen, verstarb 1999. Die Mutter der Klägerin führte zwar an, eine Erzieherin im Kindergarten habe sich auf Nachfrage daran erinnert, dass diese einmal sehr auffällig anders und abwesend reagiert habe. Sie habe die ihr gestellten Aufgaben oder das Spiel überhaupt nicht verstanden, was untypisch gewesen sei. Ein Rückschluss auf die behaupteten Einwirkungen lässt sich hieraus indes nicht entnehmen. Sexuelle Missbrauchshandlungen in der Kinder- und Jugendzeit lassen sich ferner nicht aus insbesondere psychischen Erkrankungen wie einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10-GM-2019 F43.1), einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10-GM-2019 F33.-), welche unter anderem die Sachverständigen M. und Dr. E. sowie Dr. K., Priv.-Doz. Dr. L., die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. diagnostizierten, und deren Therapienotwendigkeit ableiten (vgl. Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 92 m. w. N.), schon gar nicht in Bezug auf eine spezifische Person als möglichen Täter (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. September 2011 - L 10 VG 26/07 -, juris, Rz. 31). Gleiches gilt in Bezug auf die von der Klägerin angeführte somatoforme autonome Funktionsstörung des Urogenitalsystems (ICD-10-GM-2019 F45.34) und die Entleerungsstörung der Harnblase (ICD-10-GM-2019 N39.8), welche Dr. K., Priv.-Doz. Dr. L. und Dr. J. erhoben, sowie die von ihr dargestellten Harnwegsinfekte und Vaginalmykosen, zumal der ungeschützte Geschlechtsverkehr jeweils nur eine mögliche Ursache Letzterer ist (vgl. Sökeland/Schulze/Rübben, Urologie, 12. Aufl. 2001, S. 179; Feige/Rempen/Würfel/Jawny/Caffier, Frauenheilkunde, 2. Aufl. 2001, S. 29). Eine Befragung der die Klägerin behandelnden Personen war nicht geboten, wie Dr. S. anregte. Zu berücksichtigten ist deren therapeutischer Ansatz, bei dem ganz anders als bei einer forensischen Erhebung ein Vertrauensverhältnis zur Probandin aufgebaut werden muss, demzufolge deren Angaben in der Regel nicht kritisch in Frage gestellt werden (Urteil des Senats vom 25. August 2016 - L 6 VG 3508/12 -, juris, Rz. 69 und vom 22. September 2016 - L 6 VG 381/15 -, juris, Rz. 38 m. w. N.).
Endlich kommt nach ihren biografischen Erlebnissen eine andere Ursache für ihre insbesondere psychischen Erkrankungen in Betracht. Dr. S. führte nach der stationären Behandlung von Mitte Dezember 2000 bis Mitte Februar 2001 schlüssig aus, dass die Entwicklung der Persönlichkeit der Klägerin von einer wenig beschützenden Mutter und einem den Ausgleich gewährenden, ihr zugewandten Vater geprägt wurde. Selbst noch gegenüber der Sachverständigen Dr. E. umschrieb sie ihn im Februar 2016 als zwar fordernden Menschen, der ihr jedoch auch mit viel Wertschätzung gegenübertrat. Die Trennung der Eltern Ender 1970er-Jahre löste die erste Symptomatik als Ausdruck eines intrapsychischen Konfliktbewältigungsversuches aus. Unter diesen disponierenden Faktoren bewirkten der Tod des Vaters und der Großmutter, die Konflikte am Arbeitsplatz sowie die drohende Trennung vom Partner eine Reaktivierung der früheren Konflikte. Die psychische und physische Symptomatik wurden hierdurch verstärkt. Diese wird dadurch untermauert, dass die Klägerin ihre Beschwerden während des zweiten stationären Aufenthaltes in der Psychosomatik der S. im Frühjahr 2004 in einem engen Zusammenhang mit einer Konfliktsituation in der letzten Partnerschaft und der Trennung im Dezember 2003 sah, was der Senat dem Bericht von Priv.-Doz. Dr. K. entnimmt. Ihre Kopfschmerzen führte sie 2006, also noch unabhängig von suggestiven Einflüssen, gegenüber Prof. Dr. D. auf ihre Arbeitsbelastung zurück, weswegen sie sich in eine psychologische Therapie begab. Nicht zuletzt signalisierten die Nervenzusammenbrüche 2008 auch während der beruflichen Tätigkeit die Zuspitzung der labilen Verfassung, sodass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme dringend geboten war, wie die systemische Familientherapeutin B. im April 2008 herausstellte. Diese erfolgte im Folgemonat in der F. Klinik D ... Zuletzt ordnete Dr. W. die depressiven Einbrüche unspezifisch der hohen Vulnerabilität der Klägerin zu.
Für eine Beschädigtengrundrente wie auch sonstige Versorgungsleistungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 9 Abs. 1 BVG) fehlt es daher bereits an einem tätlichen Angriff des Vaters der Klägerin als jeweilige Anspruchsvoraussetzung, ohne dass es noch auf eine gesundheitliche Schädigung und deren gesundheitliche oder wirtschaftliche Folgen ankommt. Dahinstehen kann damit auch, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 OEG vorliegen, wonach Leistungen versagt werden können, wenn Geschädigte es unterlassen haben, das ihnen Mögliche zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur Verfolgung des Täters beizutragen, insbesondere unverzüglich Anzeige bei einer für die Strafverfolgung zuständigen Behörde zu erstatten. Ohnehin dürfte es sich hierbei um eine bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auf der Rechtsfolgenseite Ermessen eröffnende Norm (§ 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I) handeln, welche den zuständigen Verwaltungsträger ermächtigt, "Leistungen" unabhängig davon zu versagen, ob ein Anspruch nach dem sonstigen materiellen Recht hierauf besteht. Eine solche Regelung hat die Ausgangsbehörde mit dem Bescheid vom 2. September 2013 indes nicht getroffen, weshalb keine von den Sozialgerichten insoweit überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorläge.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht wegen sexueller Missbrauchshandlungen ihres Vaters ab ihrem Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr.
Sie wurde am xx. xx 1971 geboren und wuchs im Elternhaus mit zwei Brüdern auf, die drei und fünf Jahre älter sind. Während diese gemeinsam ein Zimmer zur Verfügung hatten, schlief die Klägerin bei ihren Eltern. Diese trennten sich Ende der 1970er-Jahre. Ihr Vater verstarb im Frühjahr 1997 an einem Bronchialkarzinom. Die Klägerin besuchte nach der Haupt- eine Hauswirtschaftsschule, wo sie die Mittlere Reife erwarb. Eine Ausbildung zur Krankenschwester brach sie zunächst ab und war von 1990 an unter anderem als Produktionsmitarbeiterin in einem Nahrungsmittelunternehmen und als Kurierfahrerin tätig. Nachdem sie schließlich die Ausbildung zur Krankenschwester 1994 wieder aufgenommen und drei Jahre später beendet hatte, arbeitete sie, nach kurzer Arbeitslosigkeit, in diesem Beruf bei einem ambulanten Pflegedienst und in verschiedenen Dialysezentren, teilweise halbtags und ergänzend bei einem weiteren Arbeitgeber im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft. Bevor sie 2008 arbeitsunfähig erkrankte, weshalb sie sich beruflich neu orientierte, war sie in einem Unternehmen zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel tätig. Sie übernahm schließlich die Kinderbetreuung in einem Elterncafé. Im Juni 2010 machte sie sich, unterstützt durch einen von der Bundesagentur für Arbeit gewährten Existenzgründungszuschuss, selbstständig und betreute Kinder, Senioren und Tiere. Im Mai 2012 wurde ihr ärztlich über einen längeren Zeitraum hinweg eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Ab Juni 2014 übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Evangelischen Kirchengemeinde Ö. aus, Anfang 2015 übernahm sie zudem die Tätigkeit als Mesnerin. Sie bezog zwischenzeitlich Arbeitslosengeld II. Auf den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines Rechts auf Rente wegen voller Erwerbsminderung im Januar 2018 räumte ihr die Deutsche Rentenversicherung B. mit Bescheid vom 15. März 2018 diese Rechtsposition befristet vom 1. Januar 2018 bis 29. Februar 2020 in Höhe von monatlich 844,68 EUR ein. Das Landratsamt E. hatte bei ihr vorwiegend aufgrund psychischer Erkrankungen mit Bescheid vom 3. Juli 2013 den Grad der Behinderung mit 60 seit 10. Mai 2013 festgestellt.
Am 27. November 2012 hatte die Klägerin, welche damals noch in K. wohnte, beim Landratsamt K. die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht beantragt. Sie führte eine posttraumatische Belastungsstörung, eine rezidivierende depressive und dissoziative Störung, Panikattacken sowie eine Entleerungsstörung der Harnblase auf einen sexuellen Missbrauch an ihr als Säugling bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr durch ihren Vater K. B. zurück. Seit sie denken könne, selbst in ihrer frühen Kindheit, habe sie ständig mäßige bis sehr starke Kopfschmerzen und immer wieder Schwierigkeiten beim Wasserlassen gehabt. Der Harnverhalt habe sich bis ins Erwachsenenalter so sehr gesteigert, dass sie des Öfteren einen Einmalkatheter habe einsetzen müssen. Die täglichen Kopfschmerzen hätten bis zu einer Medikamentenabhängigkeit mit anschließendem Entzug geführt. Bei einem mangelnden Selbstvertrauen, Depressionen, Ängsten, Schwierigkeiten in Beziehungen und am Arbeitsplatz bis hin zum Mobbing sowie Abgrenzungsschwierigkeiten sei es zum Selbsthass und Suizidversuch gekommen. Sie habe sich dennoch durch Therapien, besonders aktuell durch eine Psychoanalyse, weiterentwickelt und zunehmend stabilisiert. Drei Monate nach der beruflichen Existenzgründung, als sie ungeahnte Fähigkeiten entwickelt und die Form von Arbeit gefunden habe, die sie richtig glücklich gemacht habe, sei sie zu einer Familienstreitigkeit auf der Straße hinzugekommen. Sie habe sich um die beteiligten Kinder und die verstörte Mutter gesorgt. Dieser Vorfall sei der Auslöser dafür gewesen, dass ihr das Kindheitstrauma in Form des sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater plötzlich in das Bewusstsein gekommen sei. Zuvor habe sie hiervon nichts gewusst. Auf der Traumastation für Frauen, die sexuelle Gewalt erlebten, in einer Klinik in B. sei ihr das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs erstmals so richtig bewusst geworden. Sämtliche Einschränkungen und gesundheitliche Beschwerden ergäben nun einen Sinn. Sie könne diese endlich zuordnen und verstehen. Die Handlungen hätten zu Hause und bei ihrer 1999 verstorbenen Oma stattgefunden, wo ihr Vater nach der Trennung von ihrer Mutter gelebt habe. Er sei ein Mensch gewesen, der mit Gewalt die Beine seiner Tochter auseinandergedrückt sowie schmerzhaft den Kopf immer wieder festgehalten und nach hinten gedrückt habe, um mit seinem Glied ihr Gesicht zu berühren. Immer wieder habe er mit ihr baden wollen, auch als sie schon bei ihrer Großmutter gelebt und pubertiert habe. Er habe ihr, selbst als sie schon fünfzehn Jahre alt gewesen sei, immer noch einen Kuss zum Abschied geben wollen. Er habe sie immer so umarmt, dass er rein zufällig ihre Brust oder ihren Po berührt habe. Von ihr habe er sich die Sexualität geholt, die ihm ihre Mutter verwehrt habe. Diese habe er ebenfalls zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Vor dem Wissen ihres Missbrauchs habe sie sich nie vorstellen können, wie ein Mann ein Baby missbrauchen könne. Heute müsse sie nur die Augen schließen, um daran zu denken. Dann sehe und spüre sie, wie sich ihr Vater in ihrem Gesicht seine Befriedigung hole und rieche das Sperma. Seit Mai 2012 sei sie krankgeschrieben, jedoch bereits zuvor, als sie keine Kunden mehr betreut habe, arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Sie habe sich im Beruf nicht abgrenzen können. Zudem habe sie den unaufhaltsamen Drang gehabt, helfen zu müssen. Schließlich sei ihr als Kind nicht geholfen worden, was sie niemandem zumuten wolle. Von einer Partnerschaft könne sie nur träumen. Bei dem letzten Versuch, eine Beziehung aufzubauen, habe sie einen massiven Flashback bekommen, als ihr Freund seine Hand auf ihr Gesäß gelegt habe. Ihr Vater habe durch den Alkohol zwei Gesichter gehabt. Die normale, väterliche Liebe habe er ihr auch gegeben. Vielleicht hasse sie ihn gerade deshalb nicht. Er sei immer für sie da gewesen, habe ihr geglaubt und sie bestärkt. Zudem sei er stolz auf sie gewesen und habe ihr vertraut. Doch es sei eben noch eine andere Seite vorhanden gewesen. Und dennoch wisse sie, dass er sie gerngehabt habe.
Die Klägerin legte eine Erklärung ihrer Mutter von Dezember 2012 vor, wonach sie vor etwa zwei Jahren zu ihr gekommen sei und von den sexuellen Übergriffen ihres geschiedenen Ehemannes erzählt habe. Ihre drei Kinder hätten immer ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater gehabt. Trotz seines Alkoholkonsums habe er sich um sie gekümmert und auch regelmäßig nach der Scheidung besucht. Er habe alle drei Kinder, später dann nur noch die Klägerin, zu gemeinsamen Unternehmungen, Feierlichkeiten oder Vereinsausflügen mitgenommen. Er sei ihnen gegenüber eher der Kumpeltyp gewesen und habe sich von ihnen "Bobby" nennen lassen. Die Klägerin habe ihr berichtet, dass er ihr noch etwas Wichtiges zu sagen gehabt, sie jedoch immer wieder vertröstet und das Gespräch verschoben habe. Mit dem heutigen Wissen vermute sie, er habe sich entschuldigen oder ihr sagen wollen, dass es ihm leidtue, ihr etwas Furchtbares angetan zu haben. Auffällig gewesen sei, dass ihre Tochter mindestens seit der Grund- und Hauptschulzeit immer mit der Blase Schwierigkeiten gehabt habe. Sie habe auch immer empfindlich auf fremde Gerüche wie Cremes oder Kosmetika reagiert. Die Erzieherin im Kindergarten habe sich auf Nachfrage daran erinnert, dass die Klägerin einmal sehr auffällig anders und abwesend reagiert habe. Sie habe die ihr gestellten Aufgaben oder das Spiel überhaupt nicht verstanden, was untypisch gewesen sei. Es falle ihr immer noch schwer zu glauben, dass ihr geschiedener Ehemann der Klägerin gegenüber sexuell übergriffig geworden sei. Allerdings müsse etwas gewesen sein, denn diese denke sich so etwas nicht aus.
Im Oktober 2013 konkretisierte die Klägerin, der sexuelle Missbrauch habe zwischen 1972 und etwa Mitte 1989 stattgefunden. Der Tathergang habe sich unter anderem bei der Fernsehserie "Ein Colt für alle Fälle" ereignet, die immer gegen 18 Uhr bei ihrer Oma gelaufen sei, bei der ihr Vater nach der Trennung von ihrer Mutter gewohnt habe. Das Abendessen habe sie währenddessen mit ihm auf der Couch eingenommen. Ihre Oma sei in der Küche geblieben. Ihr Vater sei immer in weißer oder hellblauer Unterwäsche neben ihr gesessen.
Der Verwaltungsträger zog medizinische Unterlagen bei. Dr. J., Arzt für Urologie, berichtete im Juli 2000, er habe die Klägerin seit 1992 wegen einer neurogenen Entleerungsstörung der atonischen Harnblase behandelt.
Dr. S., Leitender Arzt der Psychosomatik der S. in B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 19. Dezember 2000 bis 13. Februar 2001 eine depressive Episode mit einer Somatisierung bei einer depressiv akzentuierten Persönlichkeit, eine Migräne, ein statisch funktionelles Wirbelsäulensyndrom mit Myotendopathien der Schulter, des Nackens und im Bereich der Brustwirbelsäule sowie den Verdacht auf einen rezidivierenden psychogenen Harnverhalt bei einer atonischen Blase als Zustand nach einer Erweiterung der Uretra 1995. Sie leide seit 1992 besonders unter psychischem Stress und einem Harnverhalt. Seit ihrem Jugendalter leide sie an sehr starken Kopfschmerzen. Sie habe sie mit Seitenwechsel, pochend in der Qualität, mit Lichtscheu, wöchentlicher Übelkeit und bei der Periode beschrieben. Über ihre Eltern habe sie berichtet, diese hätten häufig gestritten, wobei ihre Mutter den Vater kritisiert habe, dass dieser zu großzügig mit Geld umgehe sowie ab und zu trinke. Ihre Mutter habe als Krankenschwester meist im Nachtdienst gearbeitet. Ihre Großmutter väterlicherseits, die in der Familie gelebt habe, habe sie teils miterzogen. In der Erziehung sei die Mutter streng und bestrafend gewesen. Es habe wenige Zärtlichkeitsangebote von ihr gegeben. Ihr Vater sei sehr freundlich, tolerant und großzügig gewesen. Nach dem Tod ihres Vaters 1997 sei ihr alles egal gewesen. Als größte Belastung in den letzten Jahren habe sie dessen Tod und denjenigen der Großmutter erlebt. Beiden trauere sie noch heute nach. Sie habe seit fünfeinhalb Jahren mit ihrem jetzigen Lebensgefährten zusammengelebt. Er spiele in der Freizeit gerne Musik und sei deswegen häufig unterwegs. Die Klägerin fühle sich dann immer sehr alleine gelassen. Die seit Anfang des Jahres bestehende Spannung habe sich etwas gelegt. Mit ihrer Mutter habe sie regelmäßig Kontakt. Diese sei in den letzten Jahren depressiv und sehr gläubig geworden. Behandelnde Ärzte seien Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, sowie Dr. N., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Aus der Biographie sei zu entnehmen, dass die Entwicklung der Persönlichkeit der Klägerin von einer wenig beschützenden Mutter und einem den Ausgleich gewährenden, ihr zugewandten Vater geprägt sei. Die Trennung der Eltern habe die erste Symptomatik als Ausdruck eines intrapsychischen Konfliktbewältigungsversuches ausgelöst. Unter diesen disponierenden Faktoren hätten in den letzten Jahren der Tod des Vaters und der Großmutter, die Konflikte am Arbeitsplatz sowie die drohende Trennung vom Partner eine Reaktivierung der früheren Konflikte bewirkt. Die psychische und physische Symptomatik seien hierdurch verstärkt worden.
Der spätere Leitende Arzt der Psychosomatik der S., Priv.-Doz. Dr. K., diagnostizierte nach dem zweiten stationären Aufenthalt der Klägerin vom 16. März bis 27. April 2004 unter anderem eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode (ICD-10 F33.0) und eine Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0). Ihre Beschwerden habe sie in einem engen Zusammenhang mit einer Konfliktsituation in der letzten Partnerschaft sowie der Trennung im Dezember 2003 gesehen. Sie habe im Frühjahr dieses Jahres heimlich eine Beziehung zum Ehemann einer befreundeten Arbeitskollegin begonnen. Zuletzt sei sie sehr enttäuscht gewesen, dass ihr dieser Partner einige Unwahrheiten geschildert habe. Als jüngstes Kind habe sie häufig das Bedürfnis nach Anerkennung und Zuwendung gehabt, durch den Erziehungsstil ihrer Mutter sei sie jedoch Frustrationen ausgesetzt gewesen. Einen gewissen Ausgleich habe sie in der liebevollen Beziehung zu ihrem Vater gefunden. Die Scheidung ihrer Eltern habe sie im Alter von zehn Jahren als emotionales Trauma erlebt. Danach sei es vermutlich zu einer Somatisierung des depressiven Zustandes gekommen, indem eine Migräne aufgetreten sei. Im Erwachsenenalter sei dieser frühe Konflikt durch wiederholte Enttäuschungen in den Partnerschaften mit überwiegend depressiver Symptomatik reaktiviert worden. Die aktuelle Entwicklung der Krankheitszeichen sei nach einer misslungenen Beziehung und wegen eines interpersonellen Konfliktes mit einem dadurch ausgelösten Verzicht an der letzten Arbeitsstelle aufgetreten.
Prof. Dr. D., Direktor des Instituts für Anästhesie des Städtischen Klinikums K., berichtete im April 2006, die Klägerin habe sich in der Ambulanz vorgestellt und über Kopfschmerzen geklagt, die seit dem vierzehnten oder fünfzehnten Lebensjahr bestünden. Sie habe einen deutlichen Zusammenhang mit ihrer Arbeitsbelastung gesehen und sei diesbezüglich in einer psychologischen Therapie.
Die systemische Familientherapeutin B. der Ehe-, Familien- und Partnerschaftsberatungsstelle in K. erwähnte im April 2008, sie habe die Klägerin zwischen Juni 2007 und März 2008 an insgesamt 19 Terminen beraten. Es habe sich gezeigt, dass eine mindestens wöchentliche Psychotherapie indiziert sei. Eine Erschöpfungsdepression habe vorgelegen, welche sich im Laufe der zehn Monate deutlich verstärkt habe, begleitet von einem zunehmenden sozialen Rückzug, einer subjektiv wahrgenommenen Perspektivlosigkeit in alle Richtungen und dem dringenden Wunsch nach Ruhe. Eine suizidale Tendenz sei erkannt worden. Nicht zuletzt hätten Nervenzusammenbrüche Anfang 2008 auch während der beruflichen Tätigkeit die Zuspitzung der labilen psychischen Verfassung signalisiert, sodass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme dringend geboten gewesen sei.
Dr. K., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie der F. Klinik D., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 20. Mai bis 22. August 2008 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode (ICD-10 F33.2), eine somatoforme autonome Funktionsstörung im Urogenitalsystem und eine Störung der Sexualität (ICD-10 F45.34) sowie eine Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.8). Bei der Aufnahme habe sie erwähnt, nach dreijähriger Partnerschaft stehe eine Trennung von dem achtzehn Jahre älteren verheirateten Mann ins Haus. Dessen Ehefrau habe sich, nachdem sie von der Beziehung erfahren habe, umgebracht. Sie habe deshalb große Schuldgefühle. Der Grund, weshalb sie als Fötus nicht abgetrieben worden sei, sei angeblich das extrem religiöse Über-Ich der Mutter gewesen. Ihre Brüder seien immer erfolgreicher und angesehener gewesen als sie. Schon in der Hauptschule habe sie sich als Außenseiterin gefühlt. Sie habe nie Freundinnen gehabt und sei immer zu Hause bei ihrer Mutter gewesen. Selbst in ihrem Beruf als Krankenschwester habe sie kein besseres Selbstwertgefühl entwickeln können. Sie sei häufig gemobbt worden. Das Angebot, die Stationsführung zu übernehmen, habe sie abgelehnt. Die Kollegin, welche den Job übernommen habe, habe sie dann heftig beneidet. Die Klägerin sei ganzheitlich nach einem multimethodalen und -professionellen Konzept behandelt worden. Dieses habe sich aus mehrmals wöchentlich stattfindenden psychodynamisch orientierten Einzel- und Gruppentherapien, autogenem Training, der Muskelrelaxation nach Jacobsen, einer Atem- und Musiktherapie nach Grof, Einzel- und Gruppenhypnosen, Tranceübungen, einer Kreativtherapie sowie Gymnastik zusammengesetzt. Die Behandlung habe sich insofern schwierig gestaltet, als die Klägerin zum Ausagieren geneigt und ihre inneren Konflikte in die Außenwelt projiziert habe, um dort nach Schuldigen zu suchen. Bei der vertieften Betrachtung der Anamnese sei schnell sichtbar geworden, wie sehr sie im Zuge einer Konfliktlösung gegensätzliche Reaktionen in Szene gesetzt habe. So sei sie in der Tanz- und Ausdruckstherapie gleich zu Beginn ausgestiegen und habe sich wie ein Häufchen Elend an den Rand des Raumes gesetzt. Am Ende der Stunde habe sie erkennen lassen, dass sie dringend Liebe und Anerkennung von der Tanztherapeutin benötige und habe diese sofort für sich alleine vereinnahmen wollen. Ihre verschiedenen Ich-Zustände kollidierten erheblich mit der Wirklichkeit. Solche inkonsistenten Verhaltensmuster hinderten sie häufig daran, stabile zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Suizidgedanken seien aufgetaucht, jedoch ihrer Hündin zuliebe nicht weiterverfolgt worden. Im weiteren therapeutischen Verlauf sei es immer öfter gelungen, dass traumatisierte Selbst zu versöhnen. Es habe eine große Sehnsucht bestanden, endlich wertgeschätzt zu werden und sich anlehnen zu dürfen. Es sei der Wunsch nach Autonomie aufgekommen.
Die Dipl.-Psychologin S. führte im September 2011 aus, die Klägerin habe sich erstmals im Januar 2008 bei ihr vorgestellt. Nach probatorischen Gesprächen sei die Indikation für eine analytische Psychotherapie als Langzeitmaßnahme gestellt worden. Trotz im Sommer 2010 aufkommender Erinnerungen an lebensgeschichtliche traumatische Belastungen, etwa die sexuelle Gewalt durch ihren Vater in der frühesten Kindheit, mit Intrusionen, Flashbacks und massiven depressiven Einbrüchen, habe die Klägerin die Anforderungen ihres Alltags gut zu bewältigen vermocht. Die deutliche Verschlechterung des psychischen Zustandes während der Sommerferien im August 2011, die eindeutig mit den auslösenden traumatisierenden Belastungen und mit den aktuellen Reaktionen der Familienmitglieder zusammenhingen, habe in ihr den Wunsch eines Klinikaufenthaltes aufkommen lassen, der notwendig gewesen sei. Diagnostiziert habe sie den Zustand nach einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine rezidivierende mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F33.11). Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. äußerte im Juni 2012, die Klägerin sei seit Februar 2004 in ihrer psychiatrischen Behandlung. Es bestünden eine posttraumatische Belastungsstörung sowie rezidivierende schwere depressive Episoden und Angstzustände. Seit 2008 sei sie in einer analytischen Behandlung. Außerdem sei eine Hypnotherapie in der F. Klinik D. erfolgt.
Priv.-Doz. Dr. L., Chefarzt der Traumatherapie der W. Klinik in B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 19. September bis 31. Oktober 2012 eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1), eine somatoforme autonome Funktionsstörung (ICD-10 F45.3) und eine Entleerungsstörung der Harnblase (ICD-10 N39.8). Die Klägerin sei wegen Flashbacks nach Bewusstwerden eines Kindheitstraumas zur stationären Rehabilitation gekommen. Sie sei seit 2008 in einer zweiwöchigen psychoanalytischen Behandlung, stationäre Aufenthalte seien 2001, 2004 und 2008 erfolgt. Sie habe Erfahrung mit einer Hypno- und Gruppentherapie gemacht sowie zudem an einem Workshop für Bonding teilgenommen. Mit ihrem heutigen Wissen über Träume habe sie die bisherigen Therapien eher als oberflächlich wahrgenommen. Alle beziehungsweise die meisten Beschwerden hätten indirekt mit dem Trauma zu tun. Im achtzehnten Lebensjahr sei sie bei ihrer Mutter ausgezogen und bei ihrem damaligen Freund untergekommen. Diese sei sehr streng gewesen und habe ihr nicht vertraut. Als sie die Abschlussprüfung der Ausbildung zur Krankenschwester abgelegt habe, sei ihr Vater wegen eines Bronchialkarzinoms im Krankenhaus auf derselben Station gewesen, auf der sie gearbeitet habe. Sie habe ihn bis zu seinem Tod gepflegt. Nachdem sie sich vor zwei Jahren als Krankenschwester in der Betreuung von Kindern, Senioren und Tieren selbstständig gemacht habe, sei es ihr zum ersten Mal in ihrem Leben bessergegangen. In dieser Zeit seien die Erinnerungen an die zurückliegenden Traumatisierungen durch ihren Vater in der frühen Kindheit zutage getreten.
Die B., bei der die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich versichert war, teilte im Januar 2013 mit, Aufzeichnungen über Vorerkrankungen vor 2002 lägen nicht mehr vor.
Das Landratsamt E. lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht mit Bescheid vom 2. September 2013 ab. Der von ihr angeschuldigte sexuelle Missbrauch durch ihren Vater sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, woraufhin die Dipl.-Psychologin B. mit der Erstattung eines aussagepsychologischen Gutachtens beauftragt wurde. Nach ihrer Exploration am 13. Mai 2014 führte sie, auch unter Auswertung von Tagebuchauszügen, aus, bei ihr sei von einer Persönlichkeit auszugehen, die für autosuggestive Einflüsse überdurchschnittlich anfällig sei, wodurch die Suggestionshypothese Unterstützung erfahre. Hinsichtlich der Täuschungskompetenzen sei anzuführen, dass die Klägerin in variantenreichem Sex erfahren sei, auch wenn kaum positive sexuelle Erfahrungen berichtet würden. Insofern könnte sie die vorgetragenen und für die Begutachtung relevanten Inhalte problemlos erfinden. Gegen die Täuschungshypothese spreche, dass den Anknüpfungsgrundlagen zufolge kein Hinweis für eine Aggravation oder Simulation zu entnehmen sei. Aus ihren eigenen Erhebungen seien ebenfalls keine bedeutsamen Hinweise dafür abzuleiten, die Klägerin habe bewusst getäuscht. Zusammengefasst sei vorliegend die Plausibilität des Vergessens und Erinnerns nicht gegeben. Die Qualitätsmängel der Angaben seien mit einer erlebnisbegründeten Aussage nicht vereinbar.
Die Klägerin habe angeführt, ihre jahrelangen Kopfschmerzen seien währen einer Rehabilitationsmaßnahme 2000/2001 mit der Psyche in Verbindung gebracht worden. Bei Angaben zum fraglichen Geschehen und solchen, die Bezug dazu haben könnten, sei sie aus dem Kontakt gegangen, habe den Blick auf einen imaginären Punkt gerichtet und um eine Unterbrechung gebeten, etwa als sie erwähnt habe, ihr Vater habe sie aufgefordert, den Latz der Skihose im Restaurant auszuziehen. Die Angaben zum begutachtungsrelevanten Geschehen habe sie sehr leise, nur stockend und mit längeren Pausen vorgetragen. Sobald das Gespräch sich anderen Themen zugewandt habe, habe sie sich wieder offener gezeigt. Ihre Oma habe nur wenige Straßen entfernt gewohnt und sei über Nacht bei ihnen geblieben, wenn die Mutter gearbeitet habe. Als kleines Kind habe sie bei den Eltern geschlafen. Sie habe ein Klappbett gehabt, das im Schrank habe verstaut werden können. An Kuschelzeiten mit ihrer Mutter könne sie sich nicht erinnern. Demgegenüber habe sie mit ihrem Vater und ihrer Großmutter auf der Couch gekuschelt. Die Oma habe gut kochen können und sich viel mit ihr und ihren Brüdern beschäftigt. Als ihr Vater bei ihr gewohnt habe, seien sie ganz oft zu ihr gegangen und hätten dort übernachtet. Bei ihr sei es ein zweites Zuhause gewesen. Als ihre Brüder älter gewesen seien, sei sie immer allein bei der Großmutter gewesen. Wegen ihres Ekels verbrauche sie heute eine Unmenge an Desinfektionsmitteln. Seit ihrer Kindheit habe sie starke Kopfschmerzen. Sie halte weder Kinder- oder Katzengeschrei noch Vogelgezwitscher aus. Was sie damit assoziiere, könne sie nicht sagen. Sie könne jedenfalls nicht helfen, was sie nicht ertrage. Als Jugendliche habe sie das Funken als Hobby gehabt, bei dem sie mit etwa achtzehn Jahren ihren ersten Freund kennengelernt habe, zu dem sie später gezogen sei. Eine weitere Beziehung sei in die Brüche gegangen, nachdem ihr Partner, mit dem sie zusammengewohnt habe, während ihres stationären Aufenthaltes für eine Rehabilitationsmaßnahme fremdgegangen sei. Sie habe nie Sex mit Männern gewollt, obgleich sie ältere Männer magisch anziehe. Mit ihrem ersten Freund habe es Probleme mit der Sexualität gegeben. Sie habe es nicht gewollt und sich gesträubt. Daran sei die Beziehung gescheitert. Gestört habe ihn auch, dass sie sich nicht fraulich kleide. Das Bedürfnis nach Sexualität habe sie nur bei dem Mann einer Arbeitskollegin verspürt, wenn auch selten. Sie habe so gut wie nie Lust auf Sex. Der eigentliche Geschlechtsakt sei oft schmerzhaft für sie. Richtig zusammengelebt habe sie nur mit ihrem ersten Freund. Aktuell habe sie keinen Partner. Ihr Wunsch sei es gewesen, eine Familie mit zwei Jungen zu haben. Töchter habe sie nicht gewollt. Sie ekele sich, wenn Mädchen sich schminkten und schön anzögen. Obwohl sie in der Hauptschule sehr gut gewesen sei, habe sie zu Beginn der Ausbildung als Krankenschwester nichts mehr kapiert und sei sowohl abgewertet als auch ausgenutzt worden. Letztlich habe sie versucht, sich die Finger zu brechen, indem sie sich ein Schränkchen hierauf habe fallen lassen, um nicht mehr hin zu müssen. Ihren Vater habe sie nicht pflegen können, weder allgemein noch im Intimbereich. Bei dem Aufenthalt in der W. Klinik habe sie sich einer Hypnotherapie unterzogen. Währenddessen habe sie das ein oder andere Mal dissoziiert und sei nur schwer zu sich gekommen. Zu dieser Zeit habe sie eine heftige Beziehung gehabt, wiederum mit einem verheirateten Mann, was sie allerdings anfangs nicht gewusst habe. Ihr Ding seien die Natur und Tiere. Sie halte jedoch eine bestimmte Art von Vogelgezwitscher oder wenn Tiere sich stritten nicht aus. Bei Kindern und Hunden finde sie es eklig, wenn diese sabberten oder sich anschlabberten. Wenn sie jemandem von der Familienstreiterei erzählt habe, in die sie 2010 geraten sei, habe sie furchtbar angefangen zu weinen, was eigentlich unangemessen sei. Ihr damalige Coach und dessen Kollege, die sie im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit öfter aufgesucht habe, habe sie gefragt, ob das wirklich alles sei oder hinter ihrem Weinen und ihrer Angst, ihre Adresse anzugeben, nicht etwas Anderes stecke. Dieser Satz sei ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Daraufhin habe sie wissen wollen, was früher wirklich geschehen sei. Es seien Bilder, Gefühle, Gerüche und Szenenfetzen aufgetreten, welche sie im ersten Moment auf Misshandlungen ihrer strengen Mutter zurückgeführt habe. Das sei es aber nicht gewesen, sondern weil sich ihr Vater an ihr befriedigt habe. Die Klägerin habe sich nur an Fetzen erinnert, nicht an konkrete Zeiträume. Sie wisse jedoch, dass er sie angesprochen habe, sie solle doch knackigere Sachen anziehen und ihre Brust zeigen. Sie habe Szenen, wo er sich mit seinem Glied in ihrem Gesicht befriedige. Als sie noch ein Baby gewesen sei, habe er dieses in ihren Mund gesteckt. Heute wisse sie, dass es nach Sperma geschmeckt habe. Es habe sich "daheim" abgespielt, auf dem Sofa bei der Oma. Die sexuellen Übergriffe hätten sich mit Sicherheit in ihrem Alter von sieben und acht sowie mit zwölf und vierzehn Jahren ereignet. Sie wisse, dass der Penis im Schaum in der Badewanne hin und her , weiter wolle sie aus Angst, was passiere, nicht gehen. Sie könne weder eine komplette Szene beschreiben noch sie einem Ort oder Alter zuordnen. Dass vaginaler Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, schließe sie aus einer Szene, in der die Worte "Ich bin drin in meinem Kind." gefallen seien. Hierin habe sie einen Bezug auf ihre Scheide gesehen. Zudem habe sie schon im Kindergarten ein Brennen beim Wasserlassen verspürt. Oralverkehr habe sie nur mit ihrem ersten Freund gehabt. Der habe alles ausprobiert, oben, unten und hinten. Das habe sie geekelt. Ihr späterer verheirateter Freund habe das auch gewollt, was sie abgelehnt habe, weil es bei ihr einen Würgereiz auslöse. Mit einem Psychotherapeuten habe sie besprochen, dass sie das Gefühl, ihr müsse als Kind etwas Schlimmes passiert sein, was sie als Last empfinde, loswerden wolle. Als dann die Bilder hochgekommen seien, habe sie verstanden, dass nicht ihre Mutter etwas gemacht habe, sondern ihr Vater. Sie habe einen unglaublichen Frieden in sich gehabt. Im weiteren Verlauf, in ruhigen Minuten und bei bestimmter Musik, seien weitere Dinge dazu gekommen. Ihr sei das gemeinsame Bad eingefallen. Ob und was in der Badewanne geschehen sei, könne sie nicht sicher sagen. Die aufgekommenen Bilder habe sie in einem Tagebuch beschrieben. Als Auslöser der Erinnerungen habe die Klägerin den Familienstreit auf der Straße 2010 genannt. In der F. Klinik D. seien eventuell im Unbewussten Dinge angetippt worden, die dann an die Oberfläche gelangt seien. In den Tagebuchaufzeichnungen sei im Mai 2010 vermerkt, dass sich die Klägerin gefragt habe, ob ihre Belastungen aus dem Versuch ihrer Mutter resultierten, sie abzutreiben. Drei Monate später habe sie notiert, als Indikator für eine potentielle Täterfigur sehe sie die Erregungen und Bewegungen ihres Beckenbodens an, wenn sie an eine bestimmte Person denke. Sie habe überlegt, ob ihre Brüder ihr dies angetan haben könnten, den Gedanken jedoch in Anbetracht ihres Alters verworfen. Bekannte habe sie ebenfalls in Betracht gezogen. Schließlich habe sie festgehalten, rein vom Sachlichen beziehungsweise von den Umständen her müsse es "Bobby" gewesen sein. Er sei mit ihr alleine gewesen, auch im Schlafzimmer.
Daraufhin wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 zurückgewiesen.
Die Klägerin erhob deswegen Klage beim Sozialgericht K. (SG), welche mit dem Aktenzeichen S 8 VG 4165/14 geführt wurde. Nachdem es das Prozesskostenhilfegesuch mit Beschluss vom 19. Februar 2016 abgelehnt und das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) im Verfahren L 6 VG 1258/16 B die Beschwerde mit Beschluss vom 13. April 2016 zurückgewiesen hatte, wurde die Klage im Juli 2016 zurückgenommen.
Die Deutsche Rentenversicherung B. hatte ein erstmals geltend gemachtes Recht der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente bereits mit Bescheid vom 29. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2015 abgelehnt. Im Klageverfahren S 5 R 719/15 beim SG wurde Dr. S., Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, als sachverständige Zeugin schriftlich gehört. Die Klägerin habe berichtet, sie sei 2014 von K. nach Ö. gezogen. Sie fühle sich dort sehr wohl und sei sozial gut integriert.
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie M. wurde vom SG mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 5. Oktober 2015 diagnostizierte er eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine rezidivierende depressive Erkrankung, derzeit remittiert (ICD-10 F33.4). Die posttraumatische Belastungsstörung habe bei ihr lediglich Einfluss auf das qualitative, nicht hingegen auf das quantitative Leistungsbild. Die Klägerin sei mit dem Personenkraftwagen alleine zur Untersuchung nach N. a. d. W. gekommen. Im Rahmen der Anamnese habe sie angeführt, sich derzeit freuen und lachen zu können. Sie befinde sich eher in einer stabilen Phase. Der Antrieb sei morgens beim Aufstehen noch schwierig und am Vormittag besser. Am Nachmittag werde sie müde und lege sich hin. Dr. S. sehe sie seit zwei Jahren alle sechs bis acht Wochen zu einem fünfzehn- bis zwanzigminütigen Gespräch. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. habe sie erstmals 2001 oder im Folgejahr kontaktiert. In einer Psychotherapie sei sie ebenfalls seit dieser Zeit. Mittlerweile habe sie vier abgeschlossen, die letzte sei eine traumaspezifische gewesen. Seit 2011 greife sie auf Sertralin, 100 mg (1-0-0) zurück. Hierunter seien die traumaspezifischen Merkmale wie die Flashbacks, aber auch die dissoziativen Zustände, deutlich besser geworden. Eine Tätigkeit in einem medizinischen Beruf könne sie sich nicht mehr vorstellen. Sie wolle nicht mehr mit kranken Menschen arbeiten und ertrage auch die Körperflüssigkeiten nicht weiter. Die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit komme derzeit nicht infrage, weil sie ihren älteren Hund nicht alleine lassen wolle. Bis 2010 habe sei keine Erinnerungen an die Traumatisierungen gehabt. Danach habe sie spezielle Gerüche und Gefühle sowie Schmerzen an ihrem Körper wahrgenommen. Sie habe vermutet, dass ihr Vater sie als Baby und zu der Zeit, als sie einen Kindergarten besucht habe, regelmäßig sexuell missbraucht habe. Ihre letzte Partnerschaft sei 2010 zu Ende gegangen. Sie habe über mehrere Jahre hinweg eine Beziehung zu einem Mann unterhalten, sich seit 2005 aber immer wieder von ihm getrennt. Es sei ihr schon immer schwergefallen, in einer Partnerschaft sexuelle Handlungen zu vollziehen. Sie habe derzeit in einer 60 m² großen Wohnung mit Garten zur Miete gewohnt. Als Hobbys habe sie ihren Hund, die Gartenarbeit und den Kirchenchor angeführt. Sie habe einen Freundeskreis und gerne Kontakt mit Tieren. Über ein Jahr hinweg habe sie über den sozialpsychiatrischen Dienst eine Hilfe für den Haushalt in Anspruch genommen. Diesen versorge sie nun seit geraumer Zeit wieder selbst. Nach dem Mittagessen lege sie sich manchmal hin, ansonsten helfe sie gerne in der Nachbarschaft aus. Abends kümmere sie sich um ihre privaten Angelegenheiten, schaue fern und gehe gegen 22 Uhr schlafen. Am Wochenende sei sie oft für sich, habe aber auch Kontakt zu ihrer Familie und der Nachbarschaft.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. E., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, eine weitere Expertise. Nach ihrer ambulanten Untersuchung am 17. Februar 2016 erhob sie eine posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelgradige depressive Episode. Entgegen der Auffassung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie M. ging sie zudem von einem quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen aus. Im Rahmen der Anamnese habe die Klägerin ihre Mutter als streng und leistungsbezogen beschrieben. Sie habe das Gefühl gehabt, dieser nie genügen zu können. Lob und emotionale Zuwendung habe sie immer vermisst. Zu ihrem Vater habe ein sehr gutes Verhältnis bestanden. Dieser sei zwar fordernd gewesen, sei ihr jedoch auch mit viel Wertschätzung gegenübergetreten. Wenn er Alkohol getrunken habe, habe sie sich jedoch geweigert, mit ihm engeren Kontakt zu haben. Der sexuelle Missbrauch habe durch ihn stattgefunden, was sie seit 2010 wisse. Zuvor habe sie diese Idee weit von sich gewiesen. Sie sei in ihrem Leben mehrfach umgezogen, weil sie sich in den jeweiligen Wohnungen nicht mehr wohl gefühlt habe. Es habe Situationen gegeben, die ihren psychischen Zustand deutlich verschlechterten. Nachdem sie viele Jahre in der Großstadt gelebt habe, wohne sie nun in einer ländlichen Umgebung. Sie fühle sich jetzt endlich angenommen und in Sicherheit. Weiterhin sei sie jedoch nicht in der Lage, in einer fremden Umgebung eine Toilette oder ein Bad zu nutzen. Bevor sie in eine Wohnung eingezogen sei, habe sie immer beides vollständig renovieren lassen, wenn es sich nicht um einen Neubau gehandelt habe. Selbst in ihrem eigenen Bad könne sie oft die sanitären Anlagen nicht berühren. Sie trage zu jeder Jahreszeit sowohl lange und weite als auch bevorzugt männliche Kleidung. Sie habe sich als Frau nie akzeptieren können. Ihren Körper könne sie kaum berühren und fühle einen Ekel, wenn sie ihn ansehe oder sich schminken wolle. Sehr große Ängste träten auf, wenn sie betrunkene Personen antreffe sowie Zigarettenrauch oder Alkoholgeruch wahrnehme. Kindergeschrei und Tierlaute beunruhigten sie sehr stark. Sie reagiere mit Panik, Schweißausbrüchen und einer starken inneren Anspannung. Es komme in ihr das Gefühl auf, sofort helfen zu müssen, selbst wenn sie sehe, dass es sich um eine unproblematische Situation handele. In den letzten Jahren seien tagsüber mehrfach dissoziative Symptome aufgetreten, woraufhin sie sich plötzlich nicht mehr habe bewegen können. Erstmals 2001 habe sie sich in ambulante und stationäre psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen begeben.
Das SG wies die Klage im Verfahren S 5 R 719/15 mit Urteil vom 2. Mai 2016 ab. Die Klägerin sei in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht gemindert. Sie sei gesundheitlich in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Es bestehe weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Einschränkung der Wegefähigkeit.
Am 19. Januar 2017 beantragte die Klägerin beim Landratsamt E. die Überprüfung des Verwaltungsaktes vom 2. September 2013 im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das Begehren lehnte der Verwaltungsträger mit Bescheid vom 31. Januar 2017 ab. Die Klägerin habe keine neuen Gesichtspunkte oder rechtserhebliche Tatsachen vorgebracht, welche nicht schon bei Erlass der ursprünglichen Entscheidung bekannt gewesen seien. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2017 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 6. Juli 2017 Klage beim SG erhoben, welches das zudem erhobene Prozesskostenhilfegesuch mit Beschluss vom 12. September 2017 abgelehnt hat. Das LSG hat im Verfahren L 6 VG 4071/17 B die Beschwerde mit Beschluss vom 19. Januar 2018 zurückgewiesen. Dem SG hat die Klägerin die Stellungnahme der Dipl.-Psychologin V., psychologische Psychotherapeutin, von September 2017 vorgelegt, wonach sie diese wie auch die zuvor behandelnden Therapeutinnen als glaubwürdigt erlebten. Das Phänomen, dass traumatisch-bedrohliche Erinnerungen lange Zeit dem Bewusstsein verborgen bleiben könnten, sei in der traumatherapeutischen Arbeit nicht ungewöhnlich und komme im Zusammenhang mit früheren Traumatisierungen wie einem sexuellen Missbrauch gehäuft vor. In der Psychotherapie gehe es allerdings anders als vor Gericht nicht darum, konkrete Beweise dafür zu erbringen, Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden zu sein, sondern um die Stabilisierung der meist sehr verzweifelten Frauen und die Aufarbeitung des Traumas. Das Gutachten der Dipl.-Psychologin B. erscheine ihr ziemlich einseitig. Die Darstellung der Glaubwürdigkeit der Klägerin werde ihrer Situation und ihrem Erleben nicht gerecht.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. April 2018 abgewiesen. Aus den von der Klägerin im Überprüfungs- und Gerichtsverfahren eingereichten Bescheinigungen der Personen, die sie therapierten oder ärztliche behandelten, ergebe sich nicht, dass auf der Primärebene der geltend gemachte sexuelle Missbrauch nunmehr glaubhaft sei. Zum einen fehle diesen Personen die eigene Möglichkeit der Wahrnehmung. Zum anderen könne der Missbrauch nicht aus gestellten Diagnosen abgeleitet werden. Allein die gute Möglichkeit, dass ein frühkindlicher Missbrauch zu derartigen Krankheitsbildern führe, reiche nicht aus, den Nachweis als geführt anzusehen. Insbesondere sei ein Realitätsbezug der Missbräuche deshalb nicht hinreichend glaubhaft, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben bis Ende 2010 keine Erinnerungen an die Angriffe durch ihren Vater gehabt habe, sondern diese sich erst später durch eine familiäre Auseinandersetzung und im Zuge einer Therapie entwickelt hätten. Gegen eine erlebnisbasierte Wahrnehmung sprächen die Genese der Erinnerungen der Klägerin und das Fehlen konkreter Angaben zum Kerngeschehen, obwohl die Angriffe bis in das Erwachsenenalter angedauert haben sollen. Überdies fehle es für die ersten Lebensjahre in Ermangelung einer entsprechenden Ausprägung des autobiographischen Gedächtnisses an einem Erinnerungsvermögen.
Gegen die den Bevollmächtigten der Klägerin am 30. April 2018 zugestellte Entscheidung hat diese am 30. Mai 2018 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Schlussfolgerungen der Personen, die sie ärztlich und therapeutisch behandelten, insbesondere Dr. S. und die Dipl.-Psychologin S., stünden in einem diametralen Gegensatz zur Auffassung der Dipl.-Psychologin B ... Es sei typisch, dass während einer Psychotherapie der Zugang zu verdrängten Erinnerungen an frühere traumatische Erlebnisse stattfinde. Die Dipl.-Psychologin V. sei zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund des von ihr eingesetzten Auswertungsblattes eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung erwiesen sei. Bezogen auf das Urogenitalsystem liege eine somatoforme autonome Funktionsstörung vor, die zu den behaupteten traumatischen Erlebnissen passe. Zudem seien über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren hinweg mehrere Harnwegsinfekte und Vaginalmykosen in erheblichem Umfang diagnostiziert worden. Mehrere Therapeuten hätten unabhängig voneinander eine kausale Verbindung zwischen den feststehenden Beschwerden und den von ihr mitgeteilten sexuellen Missbräuchen bestätigt. Nach dem abgemilderten Beweismaßstab der Glaubhaftmachung ihrer Angaben seien die rechtswidrigen tätlichen Angriffe belegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 25. April 2018 und den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2017 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 2. September 2013 zurückzunehmen, und ihn zu verurteilen, ihr wegen der sexuellen Missbrauchshandlungen durch ihren Vater K. B. ab dem Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab 1. Januar 2013 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, ihr Begehren sei nicht begründet.
Zuletzt hat die Klägerin die Bescheinigung von Dr. S. vom 29. Januar 2019 vorgelegt, wonach der von der Dipl.-Psychologin B. festgestellte fehlende Realitätsbezug der Erinnerungen an den Missbrauch nicht unwidersprochen bleiben könne. Eine Rückfrage bei den direkt involvierten Psychotherapeuten in Bezug auf Erlebnisinhalte sei sinnvoll und für eine abschließende Beurteilung unerlässlich. Die Ergotherapeutin B. hat berichtet, die Klägerin seit dem 10. Januar 2019 zu behandeln. Sie sei in vorgegebenen Rollen in ihrem Auftreten angemessen, wirke aufgeschlossen und scheine Nähe und Distanz regulieren zu können. Sobald sie jedoch, wie in der Konzentrativen Bewegungstherapie methodisch angewendet, zu Experimentiervorschlägen ohne bestimmte Rollen- oder Verhaltensvorstellung aufgefordert werde, verliere sie ihre innere Orientierung und ihren Halt. Sie gerate in eine Starre, scheine von Angst überflutet zu sein und sei nicht im Stande, sich mit ihr gemeinsam im Raum zu bewegen. Dauere dieser Zustand zu lange an, könne sie sich nur durch Flucht und indem sie kaltes Wasser über ihre Hände laufen lasse regulieren. Das Verhalten der Klägerin spreche für einen erlebten und nicht eingebildeten oder suggerierten Missbrauch, was sie von zahlreichen anderen Behandlungen in ähnlicher Form kenne. Dr. W., Ärztlicher Leiter der Psychiatrischen Tagesklinik P., hat nach dem teilstationären Aufenthalt der Klägerin vom 10. September bis 23. November 2018 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F33.2), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt (ICD-10 F42.2) sowie Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen (ICD-10 F50.4) diagnostiziert. Es sei eine sexualisierte Traumatisierung von Seiten ihres Vaters erfolgt. 2010 sei sie retraumatisiert worden, als sie einen Familienstreit auf der Straße mitbekommen habe, bei dem eine Frau bedroht worden sei. Zusätzlich irritiert worden sei sie vor eineinhalb Jahren durch einen Einbruch in ihre Wohnung, welcher ihr vorbestehendes überhöhtes Kontrollbedürfnis bestätigt habe. Schon immer betreibe sie einen Waschzwang und sei sehr penibel. Früher habe sie unter Fressattacken mit einem willkürlichen Erbrechen gelitten. Vor etwa zehn Jahren habe sie vermehrt Alkohol konsumiert. Entzugserscheinungen habe sie damals keine erlitten. 2001 habe sie einen Suizidversuch mit Medikamenten unternommen, den sie als Hilferuf eingeordnet habe. Das ambulant betreute Einzelwohnen, welches früher schon einmal eingerichtet gewesen sei, bestünde seit über einem Jahr. Eine gesetzliche Betreuung wegen des hohen Unterstützungsbedarfs in Bezug auf die Finanzen sei angeregt worden. Die Klägerin sei inhaltlich von seinem sehr negativen und verunsicherten Selbstbild mit Selbstbeschuldigungen, starker Scham, Ekel, einer ausgeprägten Grübelneigung, einer Dominanz von Gewalt-, Demütigungs-, Vernachlässigungs- und Mangelerfahrungen in ihrer früheren Biografie sowie von Grenzüberschreitungen beherrscht gewesen. Ein sicherer Anhalt von paranoiden Auslenkungen und Sinnestäuschungen habe nicht bestanden. Der Verdacht auf Wahrnehmungsstörungen mit einer Neigung zu Dissoziationen und Flashbacks mit einer Überflutung von Körpererinnerungen sei aufgekommen. Die Klägerin habe ein unscharfes Zeitraster für kurzfristige Gedächtnisinhalte gehabt und sei zeitweise unkonzentriert gewesen. Grund für die teilstationäre Aufnahme sei eine im ambulanten Rahmen therapieresistente schwere depressive Episode der bekannten rezidivierenden depressiven Störung in Komorbidität einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Zwangsstörung gewesen. Im Vordergrund der Symptomatik hätten dabei eine niedergedrückte Stimmung, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, Scham, ein Ekelgefühl, Grübeln, Schlafstörungen mit Albträumen sowie einer Neigung zu Dissoziationen gestanden. Erst nach Einführung von interpersonellen Aspekten in die therapeutische Arbeit sei es der Klägerin gelungen, aus der Verstrickung der Dynamik der erlebten Traumata herauszufinden. Die anhaltende depressive Gestimmtheit sei in den Hintergrund getreten, der Antrieb habe sich tendenziell gebessert. Bis zuletzt habe jedoch eine Neigung zu depressiven Reaktionen bei psychosozialen Belastungen und eine hohe soziale Sensibilität persistiert. Aufgrund der hohen Vulnerabilität für depressive Einbrüche sei die Fortführung der ambulanten Psychotherapie notwendig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, einschließlich der SG-Akte S 5 R 719/15 und der LSG-Akten L 6 VG 1258/16 und L 6 VG 4071/17 B, sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (2 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 25. April 2018, mit dem die als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 56 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin sinngemäß unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2017 (§ 95 SGG) die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 2. September 2013 und seine Verurteilung zur Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen sexueller Missbrauchshandlungen ihres Vaters ab ihrem Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr verfolgte, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für die Klagearten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/S., Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 21. Februar 2019 stattfand.
Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtenversorgung unter Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 2. September 2013. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Grundlage für die beanspruchte Rücknahme des Bescheides vom 2. September 2013 und Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Beschädigtenversorgung ist § 44 Abs. 1 SGB X. Soweit sich nach Satz 1 dieser Norm im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht, wenn er auf Angaben beruht, die Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht haben.
Ziel von § 44 Abs. 1 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten Letzterer aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 16/96 R -, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, haben Betroffene einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes, selbst unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28. Januar 1981 - 9 RV 29/80 -, BSGE 51, 139 (141)). Haben Betroffene schon mehrmals einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt, darf die Verwaltung ein erneutes Begehren nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen (Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VG 5048/15 -, juris, Rz. 51). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und Antragstellende bescheiden (BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 24/05 R -, BSGE 97, 54 (57)). Dem ist der Beklagte hinreichend nachgekommen. Die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind vorliegend indes nicht erfüllt. Der Beklagte wandte bei Erlass des Bescheides vom 2. September 2013 weder das Recht unrichtig an noch ging er von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30, der denjenigen von 25 einschließt. Liegt der GdS darunter besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Für einen Anspruch der Klägerin auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)):
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach §&8201;31 Abs.&8201;2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen Menschen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.).
In Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 176, § 176a StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffes noch weiter verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Es ist allein entscheidend, dass die Begehensweise, also eine sexuelle Handlung, eine Straftat war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 28 m. w. N.). Auch der "gewaltlose" sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sein (BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 4/93 -, BSGE 77, 7, (8 f.) und - 9 RVg 7/93 -, BSGE 77, 11 (13)). Diese erweiternde Auslegung des Begriffes des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten.
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Jul 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 17).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung wegen der behaupteten sexuellen Missbrauchshandlungen durch ihren Vater. Nicht erwiesen ist, dass es einen solchen tätlichen Angriff gegeben hat. Vorliegend bedarf es des Vollbeweises eines schädigenden Vorganges und nicht lediglich seines Glaubhafterscheinens.
Nach § 15 Satz 1 KOVVfG sind die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden der Antragstellenden oder ihrer Hinterbliebenen verlorengegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 -, BSGE 65, 123 (125)). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen etwa, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 383 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als solche Zeugen anzusehen. Denn die Beweisnot des Opfers, auf die sich § 15 Satz 1 KOVVfG bezieht, ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn Angreifende unerkannt geblieben oder flüchtig sind (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris, Rz. 41 m. w. N.). Ob Entsprechendes bezogen auf eine für die Tatbegehung in Betracht kommende Person gilt, die eine schädigende Handlung bestreitet, und die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG damit auch zur Anwendung gelangt, wenn sich die Aussagen des Opfers und des den behaupteten schädigenden Vorgang bestreitenden vermeintlichen Täters gegenüberstehen sowie Tatzeugen nicht vorhanden sind (BSG, a. a. O.), ist zweifelhaft (Bayerisches LSG, Urteil vom 30. April 2015 - L 15 VG 24/09 -, juris, Rz. 61; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/16 -, juris, Rz. 72 f.). Es kann jedoch offenbleiben, ob § 15 Satz 1 KOVVfG in dieser Konstellation heranzuziehen ist, da der Vater der Klägerin sich zum Tatvorwurf nie äußerte und im März 1997 verstarb. Tatzeugen ließen sich nicht ermitteln. Die Mutter der Klägerin, die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren Ende 2012 bekundete, jene sei 2010 zu ihr gekommen und habe von den sexuellen Übergriffen erzählt, wie auch die Personen, welche die Klägerin therapierten oder ärztliche behandelten, sind demgegenüber Zeuginnen und Zeugen vom Hörensagen. Diese sollen Angaben bekunden, die ihnen eine Person zu einem bestimmten Geschehen gemacht hat, ohne dass sie dieses wie Tatzeugen selbst wahrgenommen haben.
Der Anwendungsbereich des § 15 Satz 1 KOVVfG ist im Falle der Klägerin indes nicht eröffnet, da sie zu den behaupteten schädigenden Vorgängen, also mit solchen im Zusammenhang stehenden Tatsachen, aus eigener Erinnerung keine näheren Angaben machen kann (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2006 - B 9a VS 1/05 R -, juris, Rz. 24; Bayerisches LSG, Urteil vom 12. April 2016 - L 15 VU 2/13 -, juris, Rz. 40; Urteile des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VG 2096/13 -, juris, Rz. 42, vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 85 und vom 3. August 2017 - L 6 VU 4630/16 -, juris, Rz. 48). Ausweislich des im Wege des Sachverständigenbeweises verwerteten Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie M. aus dem Verfahren S 5 R 719/15 beim SG (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a ZPO) hatte die Klägerin, wie sie ihm gegenüber im Herbst 2015 angab, bis 2010 keine Erinnerungen an die angeführten sexuellen Missbrauchshandlungen ihres Vaters. Seit dieser Zeit nimmt sie spezielle Gerüche und Gefühle sowie Schmerzen am ganzen Körper wahr, weshalb sie lediglich vermutet, ihr Vater missbrauchte sie als Baby und zu der Zeit, als sie einen Kindergarten besuchte, regelmäßig sexuell. Erinnerungen an die ersten drei Lebensjahre vertragen sich indes in der Regel nicht mit der Leistung des autobiografischen Gedächtnisses (sog. "infantile Amnesie", Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 87 m. w. N.), da bis dahin eine entwicklungsbedingte Aussageuntüchtigkeit vorliegt. Ausgeschlossen ist daher, dass sich die Klägerin daran erinnern kann, ihr Vater habe ihr, als sie ein Baby gewesen sei, sein Glied in den Mund gesteckt. Die Dipl.-Psychologin V. legte für die gegenteilige Auffassung zwar einen Auszug des Buches "Tagkind-Nachtkind, Das Trauma sexueller Gewalt" von Marilyn Van Derbur, einer Schriftstellerin und Motivationssprecherin, vor, was den Senat allerdings bereits mangels ihrer Sachkunde nicht überzeugte. Gegen den Realitätsbezug spricht zudem, dass sie die von ihr wahrgenommenen Bilder, Gefühle, Gerüche und "Szenenfetzen" zunächst den Misshandlungen ihrer strengen Mutter zuordnete, nachdem sie nach der 2010 miterlebten Familienstreitigkeit von ihrem Coach und dessen Kollegen, die sie im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit aufgesucht hatte, gefragt wurde, ob hinter ihrem Weinen und ihrer Angst, ihre Adresse anzugeben, nicht etwas Anderes stecke, was der Senat dem im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dipl.-Psychologin B. entnimmt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO). Nach ihren Tagebuchaufzeichnungen, welche diese auswertete, hatte sie ihre Mutter schließlich wegen der beabsichtigten Abtreibung, an der sie nur ihr extrem religiöses Über-Ich hinderte, wie die Klägerin gegenüber Dr. K. kundtat, in Erwägung gezogen. Anschließend überlegte sie, ausgehend von den Erregungen und Bewegungen ihres Beckenbodens beim Gedanken an eine potentielle Täterfigur als Indikator, ob ihre beiden Brüder die sexuellen Missbrauchshandlungen vorgenommen hatten, verwarf den Gedanken allerdings ob ihres Alters. Nachdem sie noch Bekannte in Betracht gezogen hatte, schloss sie zuletzt aus den Umständen auf ihren Vater, etwa, weil er mit ihr im Schlafzimmer alleine war. Damit führte die Klägerin als erlebtes Geschehen an, was ihr naheliegend erschien, nicht aber was ihrer Erinnerung entstammt. Das von ihr angenommene Ausmaß des sexuellen Missbrauchs wurde durch die stationäre Behandlung in der Abteilung Traumatherapie der W. Klinik, welche die Klägerin als Traumastation für Frauen, die sexuelle Gewalt erlebten, bezeichnete, generiert.
Auf nicht bewusst Erlebtes deutet weiter die ernsthafte Möglichkeit suggestiver Einflüsse hin, insbesondere bei intensiven Gesprächen, Befragungen und Nachforschungen durch andere Autoritätspersonen mit entsprechenden Voreinstellungen und Erwartungen (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014, Rz. 324). Dabei besteht mitunter das Bedürfnis, die massiven psychischen und körperlichen Beschwerden, welche über die Jahre hinweg aufgetreten sind, erklären zu können (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. August 2015 - L 4 VG 5/13 -, juris, Rz. 28). Die vermeintliche Gedächtnisleistung der Klägerin entwickelte sich nach einer in der F. Klinik D. durchgeführten Hypnotherapie, die unter anderem das vorhandene Wissen über die Wirkung von Trance und Suggestion nutzt, sowie nach einer 2008 begonnenen analytischen Psychotherapie als Langzeitmaßname bei der Dipl.-Psychologin S ... Durch diese therapeutischen Maßnahmen fokussierte sich die Klägerin auf die hierbei aufgestellte Mutmaßung, dass ihr Vater einen sexuellen Missbrauch an ihr beging. Die währenddessen unterbreiteten Deutungsangebote stellten dabei die aktive Komponente der Suggestion dar (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rz. 27). Die vorgenommene Abwendung von der äußeren Realität und das Horchen nach innen können über ein nicht auf eine Kommunikation ausgerichtet erscheinendes Verhalten hinaus sogar zu einem dissoziativen führen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rz. 31), wie es die Klägerin beschrieb, vermögen indes keinen weiteren Aufschluss zu bewusst Erlebtem zu erbringen. Den Senat überzeugte es nicht, dass die Ergotherapeutin B. aus dem Verhalten der Klägerin bei einer Konzentrativen Bewegungstherapie zwischen einem stattgehabten und nicht erlebten oder suggerierten sexuellen Missbrauch unterscheiden kann. Hierfür fehlt ihr die Sachkunde.
Die Schilderung der als Gewalttaten geschilderten Geschehnisse blieb ferner detailarm (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 11. Juli 2018 - L 20 VG 30/17 -, juris, Rz. 47). Selbst bei der Begutachtung durch die Dipl.-Psychologin B. im Mai 2014 vermochte sie als spezifischen Ort nur das Sofa bei ihrer Großmutter anzuführen. Ob und was in der Badewanne geschah, konnte sie demgegenüber nicht einmal sicher umschreiben. Zur sicheren Tatzeit gab sie ihr Alter zwischen sieben und acht sowie zwölf und vierzehn Jahre an, ohne allerdings einen konkreten Zeitpunkt nennen zu können. Sie erwähnte zwar die Fernsehserie "Ein Colt für alle Fälle", räumte aber schließlich ein, weder eine komplette Szene eines Tatherganges beschreiben noch ihn einer Lokalität oder einem Alter zuordnen zu können.
Da bei der Klägerin keine gedächtnisphysiologischen Einschränkungen vorliegen, liegt es darüber hinaus fern, von einer Amnesie bis nahezu zum vierzigsten Lebensjahr auszugehen. Hiermit setzt sich Prof. V. im Vorwort des Buches "Trauma und die Folgen" der Psychologischen Psychotherapeutin H., welches die Dipl.-Psychologin V. auszugsweise übersandte, nicht auseinander. Darin beschreibt er lediglich, dass Personen, welche zu viel von ihrem Trauma erleben, es häufig auf sensomotorische und emotionale Weise noch einmal wahrnehmen. Eine generelle Aussage trifft er zudem nicht. Demgegenüber legte die Dipl.-Psychologin B. überzeugend dar, dass das von der Klägerin vorgetragene Vergessen und Erinnern nicht plausibel ist. Die Qualitätsmängel ihrer Aussagen sind mit einem Erlebnisbezug nicht vereinbar. Soweit sich die Klägerin auf die Dipl.-Psychologin V. stützt, wonach diese und andere Therapeutinnen sie als glaubwürdig erlebten und das Gutachten der Dipl.-Psychologin B. ihnen einseitig erschien, ohne ihr gerecht zu werden, wird verkannt, dass die Glaubwürdigkeit einer Person eine andere Kategorie der richterlichen Beweiswürdigung darstellt als die Glaubhaftigkeit einer Aussage. Die Dipl.-Psychologin V. räumte davon abgesehen selbst ein, dass es in der Psychotherapie anders als vor Gericht nicht darum geht, konkrete Beweise dafür zu erbringen, Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden zu sein, sondern um die Stabilisierung der meist sehr verzweifelten Frauen und die Aufarbeitung des Traumas.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat in Bezug auf den zu fordernden Vollbeweis für den schädigenden Vorgang nicht zu der vollen Überzeugung gelangt, dass der Vater der Klägerin an ihr vom Säuglingsalter bis zum achtzehnten Lebensjahr sexuelle Missbrauchshandlungen vornahm. Sie kann sich an sexuelle Missbrauchshandlungen nicht erwiesenermaßen erinnern. Ihr 1997 verstorbener Vater, den sie nicht anzeigte, weshalb keine staatlichen Ermittlungen durchgeführt wurden, auf deren Erhebungen hätte zurückgegriffen werden können, äußerte sich hierzu nie. Tatzeuginnen oder -zeugen sind nicht vorhanden. Die Mutter der Klägerin und ihre beiden älteren Brüder, die bis zur Trennung der Eltern Ende der 1970er-Jahre in einem Haushalt lebten, haben kein Tatgeschehen mitbekommen. Die Großmutter väterlicherseits, bei der sich anschließend ebenfalls die Taten abgespielt haben sollen, verstarb 1999. Die Mutter der Klägerin führte zwar an, eine Erzieherin im Kindergarten habe sich auf Nachfrage daran erinnert, dass diese einmal sehr auffällig anders und abwesend reagiert habe. Sie habe die ihr gestellten Aufgaben oder das Spiel überhaupt nicht verstanden, was untypisch gewesen sei. Ein Rückschluss auf die behaupteten Einwirkungen lässt sich hieraus indes nicht entnehmen. Sexuelle Missbrauchshandlungen in der Kinder- und Jugendzeit lassen sich ferner nicht aus insbesondere psychischen Erkrankungen wie einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10-GM-2019 F43.1), einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10-GM-2019 F33.-), welche unter anderem die Sachverständigen M. und Dr. E. sowie Dr. K., Priv.-Doz. Dr. L., die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. diagnostizierten, und deren Therapienotwendigkeit ableiten (vgl. Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 92 m. w. N.), schon gar nicht in Bezug auf eine spezifische Person als möglichen Täter (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. September 2011 - L 10 VG 26/07 -, juris, Rz. 31). Gleiches gilt in Bezug auf die von der Klägerin angeführte somatoforme autonome Funktionsstörung des Urogenitalsystems (ICD-10-GM-2019 F45.34) und die Entleerungsstörung der Harnblase (ICD-10-GM-2019 N39.8), welche Dr. K., Priv.-Doz. Dr. L. und Dr. J. erhoben, sowie die von ihr dargestellten Harnwegsinfekte und Vaginalmykosen, zumal der ungeschützte Geschlechtsverkehr jeweils nur eine mögliche Ursache Letzterer ist (vgl. Sökeland/Schulze/Rübben, Urologie, 12. Aufl. 2001, S. 179; Feige/Rempen/Würfel/Jawny/Caffier, Frauenheilkunde, 2. Aufl. 2001, S. 29). Eine Befragung der die Klägerin behandelnden Personen war nicht geboten, wie Dr. S. anregte. Zu berücksichtigten ist deren therapeutischer Ansatz, bei dem ganz anders als bei einer forensischen Erhebung ein Vertrauensverhältnis zur Probandin aufgebaut werden muss, demzufolge deren Angaben in der Regel nicht kritisch in Frage gestellt werden (Urteil des Senats vom 25. August 2016 - L 6 VG 3508/12 -, juris, Rz. 69 und vom 22. September 2016 - L 6 VG 381/15 -, juris, Rz. 38 m. w. N.).
Endlich kommt nach ihren biografischen Erlebnissen eine andere Ursache für ihre insbesondere psychischen Erkrankungen in Betracht. Dr. S. führte nach der stationären Behandlung von Mitte Dezember 2000 bis Mitte Februar 2001 schlüssig aus, dass die Entwicklung der Persönlichkeit der Klägerin von einer wenig beschützenden Mutter und einem den Ausgleich gewährenden, ihr zugewandten Vater geprägt wurde. Selbst noch gegenüber der Sachverständigen Dr. E. umschrieb sie ihn im Februar 2016 als zwar fordernden Menschen, der ihr jedoch auch mit viel Wertschätzung gegenübertrat. Die Trennung der Eltern Ender 1970er-Jahre löste die erste Symptomatik als Ausdruck eines intrapsychischen Konfliktbewältigungsversuches aus. Unter diesen disponierenden Faktoren bewirkten der Tod des Vaters und der Großmutter, die Konflikte am Arbeitsplatz sowie die drohende Trennung vom Partner eine Reaktivierung der früheren Konflikte. Die psychische und physische Symptomatik wurden hierdurch verstärkt. Diese wird dadurch untermauert, dass die Klägerin ihre Beschwerden während des zweiten stationären Aufenthaltes in der Psychosomatik der S. im Frühjahr 2004 in einem engen Zusammenhang mit einer Konfliktsituation in der letzten Partnerschaft und der Trennung im Dezember 2003 sah, was der Senat dem Bericht von Priv.-Doz. Dr. K. entnimmt. Ihre Kopfschmerzen führte sie 2006, also noch unabhängig von suggestiven Einflüssen, gegenüber Prof. Dr. D. auf ihre Arbeitsbelastung zurück, weswegen sie sich in eine psychologische Therapie begab. Nicht zuletzt signalisierten die Nervenzusammenbrüche 2008 auch während der beruflichen Tätigkeit die Zuspitzung der labilen Verfassung, sodass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme dringend geboten war, wie die systemische Familientherapeutin B. im April 2008 herausstellte. Diese erfolgte im Folgemonat in der F. Klinik D ... Zuletzt ordnete Dr. W. die depressiven Einbrüche unspezifisch der hohen Vulnerabilität der Klägerin zu.
Für eine Beschädigtengrundrente wie auch sonstige Versorgungsleistungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 9 Abs. 1 BVG) fehlt es daher bereits an einem tätlichen Angriff des Vaters der Klägerin als jeweilige Anspruchsvoraussetzung, ohne dass es noch auf eine gesundheitliche Schädigung und deren gesundheitliche oder wirtschaftliche Folgen ankommt. Dahinstehen kann damit auch, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 OEG vorliegen, wonach Leistungen versagt werden können, wenn Geschädigte es unterlassen haben, das ihnen Mögliche zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur Verfolgung des Täters beizutragen, insbesondere unverzüglich Anzeige bei einer für die Strafverfolgung zuständigen Behörde zu erstatten. Ohnehin dürfte es sich hierbei um eine bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auf der Rechtsfolgenseite Ermessen eröffnende Norm (§ 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I) handeln, welche den zuständigen Verwaltungsträger ermächtigt, "Leistungen" unabhängig davon zu versagen, ob ein Anspruch nach dem sonstigen materiellen Recht hierauf besteht. Eine solche Regelung hat die Ausgangsbehörde mit dem Bescheid vom 2. September 2013 indes nicht getroffen, weshalb keine von den Sozialgerichten insoweit überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorläge.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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