Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 1976/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2630/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung weiterhin die Zuerkennung (behördliche Feststellung) eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 und damit der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
Die Klägerin ist im Jahre 1955 geboren, deutsche Staatsbürgerin und wohnt im Inland. Sie ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und wohnt mit ihrem Ehemann, der nach ihren Angaben an Depressionen und einer Alkoholkrankheit leidet, in gemeinsamer Wohnung. Sie hatte eine Lehre als Einzelhandelskauffrau abgeschlossen und ist zurzeit als Maschinenbedienerin (Schweißerin) in einem Autozulieferbetrieb in Vollzeit berufstätigt. Sie betreibt regelmäßig Sport, nämlich einmal wöchentlich Gymnastik und Schwimmen.
Bereits im April 2011 war bei der Klägerin eine Synkope aufgetreten, es war der Verdacht auf ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom geäußert worden. Nach zunehmender Befundverschlechterung war im August 2011 eine hochgradige Aortenklappenstenose mit Operationsindikation festgestellt worden. Noch im selben Monat wurde ein Aortenklappenersatz mit Doppelflügelprothese Größe 23 mm durchgeführt (vgl. Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik S. in I. vom 27. September 2011). Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 einen GdB von 40 ab dem 16. November 2011 fest. Er berücksichtigte dabei neben einer künstlichen Herzklappe mit Antikoagulationsbehandlung (Teil-GdB 30) auch eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (20) und eine Funktionsbehinderung durch Fußfehlform (10). Den damaligen Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2012 zurück.
Am 8. Februar 2016 stellte die Klägerin Antrag auf Neufeststellung. Sie leide zusätzlich an einem Asthma bronchiale und einer Arthrose nunmehr auch in den Schultergelenken. Sie legte den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik S. in S. vom 7. Dezember 2015 vor, aus dem sie als arbeitsfähig entlassen wurde. Danach bestanden eine mittelgradige Funktionseinschränkung der Knie bei Valgus-Gon¬arthrose rechts mehr als links, ein myostatisches HWS-Syndrom (Halswirbelsäule), ein Z.n. (Zustand nach) Aortenklappenersatz 2011 bei Aortenklappeninsuffizienz, eine arterielle Hypertonie, ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, ein gemischtförmiges Asthma bronchiale und eine Adipositas per magna. Die Streckung/Beugung beider Knie war mit je 0/0/115° eingeschränkt, es bestanden kein Erguss und keine Überwärmung, aber ein retropatellares Reiben. Die Klägerin war fahrradergometrisch bis 75 W belastbar, bei der Lungen-funktionsprüfung waren die Vitalkapazität mit 108 % und die Einsekundenkapazität mit 109 % der Sollwerte nicht eingeschränkt. Das Körpergewicht wurde mit 99 kg bei einer Größe von 164 cm angegeben. Ferner gelangte der Befundbericht von Dr. H. vom 14. Januar 2016 zur Akte, danach lag die ergometrische Belastbarkeit bei bis zu 100 W für eine Minute. Der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten wertete die Unterlagen aus und sah keine Veränderungen gegenüber dem früheren Bescheid. Für die Funktionsbehinderung der Schultern und die Lungenfunktionseinschränkung sei kein GdB von wenigstens 10 zu vergeben, der Bluthochdruck und die ergometrische Einschränkung seien von dem Teil-GdB von 30 für die künstliche Herzklappe erfasst. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 13. April 2016 ab.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Ihr Blutdruck werde wegen der Herzklappe niedrig gehalten, weswegen ihr oft schwindlig sei. Bei Erkältungen müsse sie sofort Antibiotika nehmen. Sie leide auch an Schmerzen wegen der 16 cm langen Operationsnarbe. Ferner beständen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule (Hyperlordose, Halswirbel, LWS), der Schultern, der Zehen und der Hände. Wegen des Asthmas müsse sie ständig ein Spray mit sich führen, das sie während der Arbeit drei- bis viermal benutze. Neue oder ergänzende ärztliche Befundberichte wurden nicht vorgelegt. Daraufhin erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016.
Hiergegen hat die Klägerin am 22. Juni 2016 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie hat das Attest des Orthopäden D. vom 24. August 2016 vorgelegt (Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, Baastrup-Syndrom, rez. Blockierungen, Osteopenie).
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeuginnen und Zeugen vernommen. Auf die Aussagen des Augenarztes Dr. F. vom 27. September 2016 (Alterssichtigkeit, Ausschluss Glaukom, Visus sc 1,0/1,0, keine Behinderung), von Herrn D. vom 5. Oktober 2016 (Klopf- und Druckschmerz am lumbosakralen Übergang, Schober’sches Zeichen 10:13 cm, Wirbelsäulen- und Beckengeradestand, keine Paresen oder Hypästhesien, keine Re-flexdifferenzen, Vorlaufphänomen und Spine-Test positiv, variable Beinlängendifferenz, La-sègue’sches Zeichen negativ, Extremitäten frei, Muskelhartspann paravertebral bds., Flexion/Ex-tension beider Hüften 100/0/0° und Innen-/Außenrotation 30/0/10°, kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz), der Internistin Dr. K. vom 11. Oktober 2016 (aktivierte Kniegelenksarthrose rechts, LWS-Syndrom, phobischer Schwindel, Dranginkontinenz, kompensierte Herzinsuffizienz), des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 9. November 2016 (phobischer Schwankschwindel mit überwindbarem Vermeidungsverhalten) und vom 25. Juli 2017 (unverändert, Angststörung), des Gynäkologen Dr. D. vom 7. November 2016 (rezidivierendes Einnässen beim Husten oder Niesen, starker Harndrang, die begonnene Medikation sollte eine Besserung erreichen), der Internistin Dr. B. vom 16. Januar 2017 (Z.n. Aortenklappenersatz mit zuletzt guter Funktion, leichte arterielle Hypertonie, Adipositas [102 kg bei 164 cm]), des Pneumologen S. vom 30. März 2017 (gemischtförmiges Asthma bronchiale leichteren Ausmaßes bei normaler Lungenfunktion [Vitalkapazität VC 114 %, Einsekundenkapazität FEV1 107 % des Solls], Therapie: Meiden feuchter Räume, Milbensensibilisierung) und der Gynäkologin Dr. H. vom 19. Juli 2017 (Stressinkontinenz 1. bis 2. Grades, Urge-Inkontinenz, mittlere Beschwerden, Therapie durch Biofeedback und Elektrostimulation) wird Bezug genommen.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 18. Juni 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf Grund der eingeholten Unterlagen und der Zeugenaussagen sei von Teil-GdB-Werten von 30 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf und von 20 für den Rumpf auszugehen. Für die Beine sei ein Teil-GdB von 10 angemessen, nachdem die Beweglichkeit der Kniegelenke nur auf 115/0/0° eingeschränkt sei. Ebenso führten die Störungen in den Funktionssystemen Atmung und Psyche sowie die Harninkontinenz zu Teil-GdB-Werten von je 10. Die Adipositas bedinge aus Rechtsgründen keinen GdB. Die Einschränkung der Sehfähigkeit sei altersentsprechend. Der Beklagte habe daher den Gesamt-GdB zutreffend mit 40 gebildet.
Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 26. Juni 2018 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 24. Juli 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Wegen der laufenden Antikoagulantien-Behandlung sei der Z.n. Aortenklappenersatz höher als mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Behauptung des Pneumologen S., die Herzfunktion sei regelgerecht, sei nicht durch Untersuchungen bei Belastung belegt. Die Annahme von Dr. B., die Aortenklappe funktioniere gut und es gebe keine Auswirkungen auf den Alltag, berücksichtige nicht, dass auch ohne Leistungsbeeinträchtigungen bei alltäglicher Belastung ein höherer GdB in Betracht komme. Die Klägerin behauptet, sie sei schnell müde, spüre ständigen Druck, dürfe nicht schwer heben, es bestehe die Gefahr plötzlichen Schwindels und Umkippens. Gegen die Bewertung der Beeinträchtigungen am Rumpf mit einem GdB von 20 beständen keine Einwände, jedoch habe das SG die Schäden an den Kniegelenken zu Unrecht nur mit einem GdB von 10 bewertet; bereits der Beklagte habe insoweit einen GdB von 20 anerkannt. Letztlich trägt die Klägerin vor, es bestehe mindestens eine Harninkontinenz Grad 2, die mit einem GdB von mindestens 20 zu bewerten sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Juni 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 13. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 21. Dezember 2011 bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 8. Februar 2016 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen. Er wendet ein, er habe die Funktionsbeeinträchtigungen sowohl der Wirbelsäule als auch der unteren Gliedmaßen bislang zu hoch bewertet, hinsichtlich der Kniegelenke habe dies auch das SG berücksichtigt.
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2018 trägt die Klägerin vor, bei ihr bestehe auch eine nunmehr gesicherte Schlaf-Apnoe, weswegen sie ständig ein Atemtherapiegerät verwenden müsse. Hierzu legt sie den Bericht der Fachklinik I., Dr. H., vom 28. September 2018 vor. Danach wurde bei der stationären Untersuchung im Schlaflabor vom 26. bis 28. September 2018 ein mäßiggradiges, in Bezug auf den REM-Schlaf schwergradiges Schlaf-Apnoe-Syndrom mit nächtlichen Hyperkapnien gesichert, daneben bestehe ein Asthma bronchiale, angewandt werde eine aPAP-Therapie mit 7 bis 1 mbar. Bei der Untersuchung seien keine Zyanosen oder Dyspnoen aufgefallen, die Herzaktion sei regelmäßig, der Blutdruck betrage 145/95 mmHg.
Der Beklagte hat hierzu unter Vorlage der Versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18. Oktober 2018 vorgetragen, es könne nunmehr zwar auch eine Schlaf-Apnoe mit einem GdB von 20 anerkannt werden, wobei der bisherige Teil-GdB von 10 für das Asthma und die Allergie hierzu zu subsumieren sei. Entgegen der Einstufung durch das SG könne auch für die unteren Gliedmaßen weiterhin ein GdB von 20 angenommen werden, der allerdings weitreichend sei. Aus den danach anzunehmenden Teil-GdB-Werten von 30 für die Herzklappe, 20 für die unteren Gliedmaßen und 20 für die Schlaf-Apnoe sei allerdings weiterhin nur ein GdB von 40 zu bilden.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört. Sie hat vorgetragen, sie benutze das Beatmungsgerät regelmäßig, aber eine Besserung habe sich bislang nicht eingestellt. Es sei eine zweite künstliche Herzklappe im Gespräch, die allerdings noch nicht eingesetzt sei. Die Klägerin hat ferner ausgeführt, es gebe Hinweise darauf, dass ihre Atembeschwerden durch eine berufliche Belastung verursacht seien. Ferner sei in der Rehabilitation zur Sprache gekommen, dass sie als Kind von ihrem Vater unter Mitwissen ihrer Mutter sexuell missbraucht worden sei. Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 22. November 2018 Bezug genommen.
Die Klägerin hat den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums S. in S. vom 24. Januar 2018 zur Akte nachgereicht. Dort waren ein gemischtförmiges Asthma bronchiale, eine Adipositas (104,4 kg bei 164 cm), ein Aortenklappenersatz, eine depressive bzw. Angststörung (codiert mit F41.2 ICD-10 GM), ein degeneratives LWS-Syndrom und eine Varus-Gon¬arthrose links ohne stärkere Einschränkung diagnostiziert worden. Die Beugung/Streckung der Kniegelenke beträgt hiernach 140/0/0° rechts und 110/0/0° links, es wurden kein Erguss, keine Überwärmung und kein retropatellares Reiben festgestellt, der Bandapparat war stabil. Für den Rumpf wurden ein FBA (Finger-Boden-Abstand) von 15 cm, eine Seitneigung im Stehen von 25/0/25° und eine Rumpfrotation im Stehen von 30/0/30° gemessen. Die HWS war vollkommen frei. Der Bericht erwähnt eine Lungenfunktionsuntersuchung am 13. November 2016 (FEV1 96 %, FEV1/VC 83 % der Sollwerte), während des Aufenthalts in der Rehabilitation wurde die Sauerstoffsättigung des Blutes mit 96 % gemessen. Der kardiopulmonale Befund wird als unauffällig beschrieben. Bei einer Spiro-Ergometrie am 9. Januar 2018 war die Klägerin bis 88 W belastbar, der Abbruch erfolgte bei allgemeiner Schwäche ohne Atembeschwerden. Die Leistungsfähigkeit wurde als insgesamt leicht eingeschränkt und kardial limitiert beschrieben. Bei der Entlassung hatte sich der psychovegetative Zustand etwas stabilisiert.
In dem Erörterungstermin am 22. November 2018 haben sich beide Beteiligte mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich beide Beteiligte mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung der Klägerin ist nach § 143 SGG statthaft und war nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da keine Leistungen, sondern behördliche Feststellungen in Streit stehen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie die Klägerin form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG).
Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen. Der Klägerin steht gegen den - passivlegitimierten - Beklagten kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 zu. Danach erweisen sich die angegriffenen Bescheide als rechtmäßig.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht weist der Senat darauf hin, dass sich die gerichtliche Nachprüfung im Rahmen einer Leistungsklage, zu der auch die hier erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG gehört, nach der Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Tatsacheninstanz richtet (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34). Im Falle eines Urteils ohne mündliche Verhandlung ist dies der Tag der Entscheidung, mithin der 21. Februar 2019.
Wegen dieses Grundsatzes sind der Entscheidung des Senats in rechtlicher Hinsicht die neuen Vorschriften des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu Grunde zu legen, die durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt worden sind. Auf tatsächlicher Ebene berücksichtigt der Senat ferner weitere Behinderungen oder sonstige Gesundheitsschäden, auch wenn diese während des Verfahrens erst entstanden sein sollten. Dies gilt insbesondere für die nunmehr geltend gemachte Hörminderung und die Veränderungen im Bereich der Kniegelenke.
Nach § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX n.F. stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Die Einzelheiten und die konkreten Vorgaben zur Ermittlung des GdB sind dabei auf Grund der Regelungen des § 153 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG), der Anlage zu § 2 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), zu bestimmen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris, Rz. 10). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.
Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird (Urteil des Senats vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 29 ff.).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht unterliegt der Anspruch der Klägerin den zusätzlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil der Beklagte bei ihr schon vor dem hier streitigen Antrag - mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 - einen GdB festgestellt hatte. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Bei der Feststellung eines GdB - wie hier durch den Bescheid vom 15. Dezember 2009 - handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. Urteil des Senats vom 24. Oktober 2013 – L 6 SB 5459/11 –, Juris, Rz. 25).
Bei der Klägerin bedingt das Funktionssystem Herz-Kreislauf einen GdB von 30.
Dies folgt zunächst aus Teil B Nr. 9.1.2 VG. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist der GdB bei Herzklappenprothesen nicht niedriger als mit 30 zu bewerten. Dieser Wert schließt kraft ausdrücklicher Regelung die Behandlung mit Antikoagulantien ein. Bei der Klägerin wurde im Jahre 2011 eine Aortenklappe eingesetzt, die entsprechend therapiert wird.
Im Übrigen ist auch bei operativen und anderen therapeutischen Eingriffen am Herzen der GdB von den bleibenden Leistungsbeeinträchtigungen abhängig (Satz 1). Die verbliebenen Leistungsbeeinträchtigungen erhöhen den GdB jedoch nicht. Unter Einbeziehung der Vorschriften in Teil B Nr. 9.1.1 VG kommt eine Erhöhung des GdB von 30 erst in Betracht, wenn eine Einschränkung der Herzleistung mit einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (forsches Gehen, mittelschwere körperliche Arbeit, Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 75 W über wenigstens 2 min) vorliegt. In diesem Falle wäre für die Einschränkung der Herzleistung allein ein GdB von wenigstens 20 zu vergeben. Eine Einschränkung der Herzleistung mit keiner wesentlichen Leistungsbeeinträchtigung, die allein nur zu einem GdB von 0 bis 10 führen würde, kann dagegen den GdB für den Herzklappenersatz nicht erhöhen. Bei der Klägerin ist nur eine Einschränkung der Herzleistung mit allenfalls geringfügigen Einschränkungen zu verzeichnen. Bereits Dr. B. hat in ihrer Aussage vom 16. Januar 2017 ausgeführt, dass die Herzklappe gut funktioniert und der Alltag der Klägerin nicht beeinträchtigt ist. Der Pneumologe S. hat in seiner Aussage vom 30. März 2017 eine regelgerechte Herzfunktion bescheinigt. Diese gute Funktion wird durch den aktuellen Bericht des Reha-Zentrums S. vom 24. Januar 2018 bestätigt. Auch dort wurde der kardiopulmonale Befund als unauffällig beschrieben. Ein Ruhe-EKG war weitgehend unauffällig. Bei einer Spiro-Ergometrie am 9. Januar 2018 konnte die Klägerin über 75 W hinaus belastet werden, nämlich bis 88 W, und der Abbruch beruhte auf allgemeiner Schwäche, während pathologische Messwerte nicht aufgetreten waren. Dem entspricht es, wenn die Ärzte in der Rehabilitation die "kardiale Limitation" als "leicht" beschrieben haben.
Der Bluthochdruck der Klägerin ist medikamentös gut eingestellt, bei der Rehabilitation in S. wurde ein normgerechter Wert von 140/73 mmHg gemessen. Daher kann der GdB für Herz und Kreislauf nicht nach Teil B Nr. 9.3 erhöht werden.
Im Funktionssystem Atmung ist von einem GdB von 20 auszugehen. Dieser beruht zunächst auf der Schlaf-Apnoe, die entsprechend den Vorgaben bei Teil B Nr. 8.7 VG in einem Schlaflabor nachgewiesen worden ist (Bericht der Fachklinik I. vom 28. September 2018) und eine nasale Überdruckbeatmung notwendig macht (aPAP-Therapie). Diese Beatmungsbehandlung ist auch durchführbar, die Klägerin hat bei ihrer Anhörung am 22. November 2018 mitgeteilt, dass sie die Maske regelmäßig verwendet. Ein höherer GdB als 20 für die Atmung ergibt sich nicht auf Grund des Asthmas, an dem die Klägerin außerdem leidet. Zunächst liegt bei ihr keine Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne von Teil B Nr. 8.3 VG vor. Die statischen (z.B. VC) und dynamischen (z.B. FEV1) Messwerte bei den Lungenfunktionsprüfungen waren durchgehend nicht oder nicht nennenswert erniedrigt, insbesondere nicht um bis zu 1/3 der Sollwerte, wie es die VG vorschreiben. Die insoweit jüngste Messung bei Herrn S. am 30. März 2017 hatte eine VC von 114 % und eine FEV1 von 107 % der Sollwerte ergeben. Auch das Asthma selbst ist nach den Vorgaben bei Teil B Nr. 8.5 VG allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten, der den GdB von 20 wegen der Schlaf-Apnoe nicht erhöht. Es liegt allenfalls eine Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) oder leichten Anfällen vor. Der behandelnde Pneumologe S. hat in seiner Aussage vom 30. März 2017 ein gemischtförmiges Asthma bronchiale leichteren Ausmaßes angegeben. Auch die Klägerin selbst hat nicht von häufigeren Anfällen berichtet. So hat sie während der Rehabilitation in S. nur auf eine Allergie gegen Hausstaub (Milben) und Tierhaare verwiesen. Auch ihre Annahme, ihre Atemprobleme könnten auf Einwirkungen an ihrem Arbeitsplatz zurückzuführen sein, hat sich nicht bestätigt. Die Ärzte in der Klinik S. haben vielmehr ausgeführt, die Klägerin sei auch für ihre letzte Berufstätigkeit weiterhin leistungsfähig.
Anders als das SG ist für den Senat im Funktionssystem Rumpf kein - weiterer - GdB von 20 anzunehmen, sondern nur ein solcher von 10.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist ein GdB von 20 erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) in einem Wirbelsäulenabschnitt anzunehmen.
Bei der Klägerin liegen solche mittelgradigen Funktionseinbußen in keinem Abschnitt vor. Bereits die Messwerte in dem Rehabilitationsbericht der Klinik S. vom 7. Dezember 2015 hatten auch für die Halswirbelsäule nur leichtgradige Bewegungseinschränkungen ergeben. Nur die Vor- und Rückneigung mit 40/0/20° (Normwerte 50-70/0/40-50°) und die Seitneigung mit 20/0/20° (30-40/0/30-40°) waren leicht eingeschränkt, aber noch nicht um wenigstens ein Drittel, wie es für eine mittelgradige Einschränkung zu fordern ist. Die HWS-Rotation war mit 70/0/70° sogar normgerecht. Auch an der LWS, wo bei der Klägerin bildgebend festgestellte Degenerationen vorliegen, war die Funktionalität damals nicht erheblich eingeschränkt. Es bestand kein Druck- oder Funktionsschmerz, kein sensomotorisches Defizit und die Entfaltbarkeit war mit einem Schober’schen Zeichen von 10:13 cm (Normwerte 10:15 bzw. 10:14 cm) noch gering eingeschränkt. Dieser Zustand hat sich im weiteren Verlauf auch nicht verschlechtert. In dem aktuellen Rehabilitationsbericht vom 24. Januar 2018 war die HWS nunmehr sogar frei beweglich, es bestand weiterhin kein Druck- oder Funktionsschmerz und kein sensomotorisches Defizit. Auch an der LWS konnten weiterhin keine mittelgradigen Einbußen festgestellt werden. Nur die Seitneigung des Rumpfes war mit 25/0/25° (Normwert 30/0/30°) leicht eingeschränkt, während die Rumpfrotation mit 30/0/30° noch regelgerecht war (30-50/0/30-50°). Der FBA war mit 15 cm für die Klägerin nicht überaus groß.
Auch an den unteren Gliedmaßen ist kein GdB von 20 oder mehr festzustellen. Nach Teil B Nr. 18.14 VG kommt für die Kniegelenke ein GdB von 20 erst bei muskulär unvollständig kompensierbarer Lockerung des Kniebandapparats, bei einer Einschränkung der Beugung/Streckung bis 0/0/90° beid- bzw. 0/30/90° einseitig sowie bei ausgeprägten Knorpelschäden (Chondromalazie Grad II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen in Betracht. Bei der Klägerin liegt keine dieser Fallgruppen vor. In der Rehabilitation in der Klinik S. 2017/2018 wurde der Bandapparat als stabil beschrieben, die Beugung/Streckung lag rechts bei 140/0/0° und links bei 110/0/0°, und es konnten kein Erguss, keine Überwärmung und nicht einmal eine Krepitation festgestellt werden. Auch die Senk-Spreizfüße, die bei der Klägerin vorliegen, führen nicht zu einem GdB von 20 oder mehr. Ein solcher GdB setzt nach Teil B Nr. 18.14 VG eine statische Auswirkung stärkeren Grades voraus, die bei der Klägerin nicht vorliegt.
Gegen die Bewertung der psychischen Erkrankung mit einem GdB von 10 durch das SG hat die Klägerin im Berufungsverfahren nichts eingewandt. Sie trifft auch zu. Nach Teil B Nr. 3.7 VG kommt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen ein GdB von 0 bis 20 bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen in Betracht, ein GdB von 30 oder 40 setzt eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit voraus. Bei der Klägerin liegen nur geringfügige psychovegetative Störungen vor. Bereits der behandelnde Psychiater Dr. H. hat eine Angsterkrankung angenommen und in seiner Aussage vom 9. November 2016 als leicht eingestuft. Auch nach dem Rehabilitationsbericht der Klinik S. vom 24. Januar 2018 war der psychische Befund unauffällig, die Klägerin klagte insoweit über eine besondere Belastung durch die Krebserkrankung einer Tochter, berichtete aber auch von einem stabilen und unterstützenden sozialen Umfeld. An konkreten Beeinträchtigungen hat sie aber lediglich auf Ein- und Durchschlafstörungen hingewiesen, die im Übrigen auch der - damals noch nicht diagnostizierten - Schlaf-Apnoe anzuschuldigen sein konnten. Auch die Diagnose, die in der Klinik gestellt wurde (F41.2 ICD-10 GM: "Angst und depressive Störung, gemischt), spricht für eine geringfügige Beeinträchtigung, insbesondere liegt keine depressive Erkrankung (F32.-, F33.- ICD-10 GM) vor. Der Senat berücksichtigt auch, dass sich der psychovegetative Erschöpfungszustand bei der Entlassung aus der Rehabilitation gebessert hatte.
Die Harninkontinenz der Klägerin letztlich ist mit einem GdB von 10 zu bewerten. Nach Teil B Nr. 12.2.4 VG kommt ein GdB von 20 erst bei einem Harnabgang tags und nachts im Sinne einer Stressinkontinenz Grad II bis III in Betracht. Die Gynäkologin Dr. H. hat in ihrer Zeugenaussage vom 19. Juli 2017 nur eine Stressinkontinenz 1. bis 2. Grades angenommen, und dies nur auf Grund einer einmaligen Untersuchung. Auch der Bericht des Gynäkologen Dr. D. vom 7. November 2016 spricht nur von rezidivierendem Einnässen beim Husten oder Niesen, also nur bei Belastungen im Sinne einer Stressinkontinenz Grad 1. Dass daneben ein starker Harndrang besteht und die Klägerin auf die Nähe einer Toilette angewiesen ist, ist für die Bewertung unerheblich, da es sich dabei nicht um eine Inkontinenz handelt.
Aus den danach relevanten Teil-GdB-Werten (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee VG) von 30 für das System Herz-Kreislauf und 20 für die Atmung ist kein höherer Gesamt-GdB als 40 zu bilden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung weiterhin die Zuerkennung (behördliche Feststellung) eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 und damit der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
Die Klägerin ist im Jahre 1955 geboren, deutsche Staatsbürgerin und wohnt im Inland. Sie ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und wohnt mit ihrem Ehemann, der nach ihren Angaben an Depressionen und einer Alkoholkrankheit leidet, in gemeinsamer Wohnung. Sie hatte eine Lehre als Einzelhandelskauffrau abgeschlossen und ist zurzeit als Maschinenbedienerin (Schweißerin) in einem Autozulieferbetrieb in Vollzeit berufstätigt. Sie betreibt regelmäßig Sport, nämlich einmal wöchentlich Gymnastik und Schwimmen.
Bereits im April 2011 war bei der Klägerin eine Synkope aufgetreten, es war der Verdacht auf ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom geäußert worden. Nach zunehmender Befundverschlechterung war im August 2011 eine hochgradige Aortenklappenstenose mit Operationsindikation festgestellt worden. Noch im selben Monat wurde ein Aortenklappenersatz mit Doppelflügelprothese Größe 23 mm durchgeführt (vgl. Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik S. in I. vom 27. September 2011). Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 einen GdB von 40 ab dem 16. November 2011 fest. Er berücksichtigte dabei neben einer künstlichen Herzklappe mit Antikoagulationsbehandlung (Teil-GdB 30) auch eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (20) und eine Funktionsbehinderung durch Fußfehlform (10). Den damaligen Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2012 zurück.
Am 8. Februar 2016 stellte die Klägerin Antrag auf Neufeststellung. Sie leide zusätzlich an einem Asthma bronchiale und einer Arthrose nunmehr auch in den Schultergelenken. Sie legte den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik S. in S. vom 7. Dezember 2015 vor, aus dem sie als arbeitsfähig entlassen wurde. Danach bestanden eine mittelgradige Funktionseinschränkung der Knie bei Valgus-Gon¬arthrose rechts mehr als links, ein myostatisches HWS-Syndrom (Halswirbelsäule), ein Z.n. (Zustand nach) Aortenklappenersatz 2011 bei Aortenklappeninsuffizienz, eine arterielle Hypertonie, ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, ein gemischtförmiges Asthma bronchiale und eine Adipositas per magna. Die Streckung/Beugung beider Knie war mit je 0/0/115° eingeschränkt, es bestanden kein Erguss und keine Überwärmung, aber ein retropatellares Reiben. Die Klägerin war fahrradergometrisch bis 75 W belastbar, bei der Lungen-funktionsprüfung waren die Vitalkapazität mit 108 % und die Einsekundenkapazität mit 109 % der Sollwerte nicht eingeschränkt. Das Körpergewicht wurde mit 99 kg bei einer Größe von 164 cm angegeben. Ferner gelangte der Befundbericht von Dr. H. vom 14. Januar 2016 zur Akte, danach lag die ergometrische Belastbarkeit bei bis zu 100 W für eine Minute. Der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten wertete die Unterlagen aus und sah keine Veränderungen gegenüber dem früheren Bescheid. Für die Funktionsbehinderung der Schultern und die Lungenfunktionseinschränkung sei kein GdB von wenigstens 10 zu vergeben, der Bluthochdruck und die ergometrische Einschränkung seien von dem Teil-GdB von 30 für die künstliche Herzklappe erfasst. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 13. April 2016 ab.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Ihr Blutdruck werde wegen der Herzklappe niedrig gehalten, weswegen ihr oft schwindlig sei. Bei Erkältungen müsse sie sofort Antibiotika nehmen. Sie leide auch an Schmerzen wegen der 16 cm langen Operationsnarbe. Ferner beständen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule (Hyperlordose, Halswirbel, LWS), der Schultern, der Zehen und der Hände. Wegen des Asthmas müsse sie ständig ein Spray mit sich führen, das sie während der Arbeit drei- bis viermal benutze. Neue oder ergänzende ärztliche Befundberichte wurden nicht vorgelegt. Daraufhin erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016.
Hiergegen hat die Klägerin am 22. Juni 2016 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie hat das Attest des Orthopäden D. vom 24. August 2016 vorgelegt (Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, Baastrup-Syndrom, rez. Blockierungen, Osteopenie).
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeuginnen und Zeugen vernommen. Auf die Aussagen des Augenarztes Dr. F. vom 27. September 2016 (Alterssichtigkeit, Ausschluss Glaukom, Visus sc 1,0/1,0, keine Behinderung), von Herrn D. vom 5. Oktober 2016 (Klopf- und Druckschmerz am lumbosakralen Übergang, Schober’sches Zeichen 10:13 cm, Wirbelsäulen- und Beckengeradestand, keine Paresen oder Hypästhesien, keine Re-flexdifferenzen, Vorlaufphänomen und Spine-Test positiv, variable Beinlängendifferenz, La-sègue’sches Zeichen negativ, Extremitäten frei, Muskelhartspann paravertebral bds., Flexion/Ex-tension beider Hüften 100/0/0° und Innen-/Außenrotation 30/0/10°, kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz), der Internistin Dr. K. vom 11. Oktober 2016 (aktivierte Kniegelenksarthrose rechts, LWS-Syndrom, phobischer Schwindel, Dranginkontinenz, kompensierte Herzinsuffizienz), des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 9. November 2016 (phobischer Schwankschwindel mit überwindbarem Vermeidungsverhalten) und vom 25. Juli 2017 (unverändert, Angststörung), des Gynäkologen Dr. D. vom 7. November 2016 (rezidivierendes Einnässen beim Husten oder Niesen, starker Harndrang, die begonnene Medikation sollte eine Besserung erreichen), der Internistin Dr. B. vom 16. Januar 2017 (Z.n. Aortenklappenersatz mit zuletzt guter Funktion, leichte arterielle Hypertonie, Adipositas [102 kg bei 164 cm]), des Pneumologen S. vom 30. März 2017 (gemischtförmiges Asthma bronchiale leichteren Ausmaßes bei normaler Lungenfunktion [Vitalkapazität VC 114 %, Einsekundenkapazität FEV1 107 % des Solls], Therapie: Meiden feuchter Räume, Milbensensibilisierung) und der Gynäkologin Dr. H. vom 19. Juli 2017 (Stressinkontinenz 1. bis 2. Grades, Urge-Inkontinenz, mittlere Beschwerden, Therapie durch Biofeedback und Elektrostimulation) wird Bezug genommen.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 18. Juni 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf Grund der eingeholten Unterlagen und der Zeugenaussagen sei von Teil-GdB-Werten von 30 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf und von 20 für den Rumpf auszugehen. Für die Beine sei ein Teil-GdB von 10 angemessen, nachdem die Beweglichkeit der Kniegelenke nur auf 115/0/0° eingeschränkt sei. Ebenso führten die Störungen in den Funktionssystemen Atmung und Psyche sowie die Harninkontinenz zu Teil-GdB-Werten von je 10. Die Adipositas bedinge aus Rechtsgründen keinen GdB. Die Einschränkung der Sehfähigkeit sei altersentsprechend. Der Beklagte habe daher den Gesamt-GdB zutreffend mit 40 gebildet.
Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 26. Juni 2018 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 24. Juli 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Wegen der laufenden Antikoagulantien-Behandlung sei der Z.n. Aortenklappenersatz höher als mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Behauptung des Pneumologen S., die Herzfunktion sei regelgerecht, sei nicht durch Untersuchungen bei Belastung belegt. Die Annahme von Dr. B., die Aortenklappe funktioniere gut und es gebe keine Auswirkungen auf den Alltag, berücksichtige nicht, dass auch ohne Leistungsbeeinträchtigungen bei alltäglicher Belastung ein höherer GdB in Betracht komme. Die Klägerin behauptet, sie sei schnell müde, spüre ständigen Druck, dürfe nicht schwer heben, es bestehe die Gefahr plötzlichen Schwindels und Umkippens. Gegen die Bewertung der Beeinträchtigungen am Rumpf mit einem GdB von 20 beständen keine Einwände, jedoch habe das SG die Schäden an den Kniegelenken zu Unrecht nur mit einem GdB von 10 bewertet; bereits der Beklagte habe insoweit einen GdB von 20 anerkannt. Letztlich trägt die Klägerin vor, es bestehe mindestens eine Harninkontinenz Grad 2, die mit einem GdB von mindestens 20 zu bewerten sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Juni 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 13. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 21. Dezember 2011 bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 8. Februar 2016 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen. Er wendet ein, er habe die Funktionsbeeinträchtigungen sowohl der Wirbelsäule als auch der unteren Gliedmaßen bislang zu hoch bewertet, hinsichtlich der Kniegelenke habe dies auch das SG berücksichtigt.
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2018 trägt die Klägerin vor, bei ihr bestehe auch eine nunmehr gesicherte Schlaf-Apnoe, weswegen sie ständig ein Atemtherapiegerät verwenden müsse. Hierzu legt sie den Bericht der Fachklinik I., Dr. H., vom 28. September 2018 vor. Danach wurde bei der stationären Untersuchung im Schlaflabor vom 26. bis 28. September 2018 ein mäßiggradiges, in Bezug auf den REM-Schlaf schwergradiges Schlaf-Apnoe-Syndrom mit nächtlichen Hyperkapnien gesichert, daneben bestehe ein Asthma bronchiale, angewandt werde eine aPAP-Therapie mit 7 bis 1 mbar. Bei der Untersuchung seien keine Zyanosen oder Dyspnoen aufgefallen, die Herzaktion sei regelmäßig, der Blutdruck betrage 145/95 mmHg.
Der Beklagte hat hierzu unter Vorlage der Versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18. Oktober 2018 vorgetragen, es könne nunmehr zwar auch eine Schlaf-Apnoe mit einem GdB von 20 anerkannt werden, wobei der bisherige Teil-GdB von 10 für das Asthma und die Allergie hierzu zu subsumieren sei. Entgegen der Einstufung durch das SG könne auch für die unteren Gliedmaßen weiterhin ein GdB von 20 angenommen werden, der allerdings weitreichend sei. Aus den danach anzunehmenden Teil-GdB-Werten von 30 für die Herzklappe, 20 für die unteren Gliedmaßen und 20 für die Schlaf-Apnoe sei allerdings weiterhin nur ein GdB von 40 zu bilden.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört. Sie hat vorgetragen, sie benutze das Beatmungsgerät regelmäßig, aber eine Besserung habe sich bislang nicht eingestellt. Es sei eine zweite künstliche Herzklappe im Gespräch, die allerdings noch nicht eingesetzt sei. Die Klägerin hat ferner ausgeführt, es gebe Hinweise darauf, dass ihre Atembeschwerden durch eine berufliche Belastung verursacht seien. Ferner sei in der Rehabilitation zur Sprache gekommen, dass sie als Kind von ihrem Vater unter Mitwissen ihrer Mutter sexuell missbraucht worden sei. Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 22. November 2018 Bezug genommen.
Die Klägerin hat den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums S. in S. vom 24. Januar 2018 zur Akte nachgereicht. Dort waren ein gemischtförmiges Asthma bronchiale, eine Adipositas (104,4 kg bei 164 cm), ein Aortenklappenersatz, eine depressive bzw. Angststörung (codiert mit F41.2 ICD-10 GM), ein degeneratives LWS-Syndrom und eine Varus-Gon¬arthrose links ohne stärkere Einschränkung diagnostiziert worden. Die Beugung/Streckung der Kniegelenke beträgt hiernach 140/0/0° rechts und 110/0/0° links, es wurden kein Erguss, keine Überwärmung und kein retropatellares Reiben festgestellt, der Bandapparat war stabil. Für den Rumpf wurden ein FBA (Finger-Boden-Abstand) von 15 cm, eine Seitneigung im Stehen von 25/0/25° und eine Rumpfrotation im Stehen von 30/0/30° gemessen. Die HWS war vollkommen frei. Der Bericht erwähnt eine Lungenfunktionsuntersuchung am 13. November 2016 (FEV1 96 %, FEV1/VC 83 % der Sollwerte), während des Aufenthalts in der Rehabilitation wurde die Sauerstoffsättigung des Blutes mit 96 % gemessen. Der kardiopulmonale Befund wird als unauffällig beschrieben. Bei einer Spiro-Ergometrie am 9. Januar 2018 war die Klägerin bis 88 W belastbar, der Abbruch erfolgte bei allgemeiner Schwäche ohne Atembeschwerden. Die Leistungsfähigkeit wurde als insgesamt leicht eingeschränkt und kardial limitiert beschrieben. Bei der Entlassung hatte sich der psychovegetative Zustand etwas stabilisiert.
In dem Erörterungstermin am 22. November 2018 haben sich beide Beteiligte mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich beide Beteiligte mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung der Klägerin ist nach § 143 SGG statthaft und war nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da keine Leistungen, sondern behördliche Feststellungen in Streit stehen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie die Klägerin form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG).
Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen. Der Klägerin steht gegen den - passivlegitimierten - Beklagten kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 zu. Danach erweisen sich die angegriffenen Bescheide als rechtmäßig.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht weist der Senat darauf hin, dass sich die gerichtliche Nachprüfung im Rahmen einer Leistungsklage, zu der auch die hier erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG gehört, nach der Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Tatsacheninstanz richtet (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34). Im Falle eines Urteils ohne mündliche Verhandlung ist dies der Tag der Entscheidung, mithin der 21. Februar 2019.
Wegen dieses Grundsatzes sind der Entscheidung des Senats in rechtlicher Hinsicht die neuen Vorschriften des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu Grunde zu legen, die durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt worden sind. Auf tatsächlicher Ebene berücksichtigt der Senat ferner weitere Behinderungen oder sonstige Gesundheitsschäden, auch wenn diese während des Verfahrens erst entstanden sein sollten. Dies gilt insbesondere für die nunmehr geltend gemachte Hörminderung und die Veränderungen im Bereich der Kniegelenke.
Nach § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX n.F. stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Die Einzelheiten und die konkreten Vorgaben zur Ermittlung des GdB sind dabei auf Grund der Regelungen des § 153 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG), der Anlage zu § 2 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), zu bestimmen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris, Rz. 10). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.
Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird (Urteil des Senats vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 29 ff.).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht unterliegt der Anspruch der Klägerin den zusätzlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil der Beklagte bei ihr schon vor dem hier streitigen Antrag - mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 - einen GdB festgestellt hatte. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Bei der Feststellung eines GdB - wie hier durch den Bescheid vom 15. Dezember 2009 - handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. Urteil des Senats vom 24. Oktober 2013 – L 6 SB 5459/11 –, Juris, Rz. 25).
Bei der Klägerin bedingt das Funktionssystem Herz-Kreislauf einen GdB von 30.
Dies folgt zunächst aus Teil B Nr. 9.1.2 VG. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist der GdB bei Herzklappenprothesen nicht niedriger als mit 30 zu bewerten. Dieser Wert schließt kraft ausdrücklicher Regelung die Behandlung mit Antikoagulantien ein. Bei der Klägerin wurde im Jahre 2011 eine Aortenklappe eingesetzt, die entsprechend therapiert wird.
Im Übrigen ist auch bei operativen und anderen therapeutischen Eingriffen am Herzen der GdB von den bleibenden Leistungsbeeinträchtigungen abhängig (Satz 1). Die verbliebenen Leistungsbeeinträchtigungen erhöhen den GdB jedoch nicht. Unter Einbeziehung der Vorschriften in Teil B Nr. 9.1.1 VG kommt eine Erhöhung des GdB von 30 erst in Betracht, wenn eine Einschränkung der Herzleistung mit einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (forsches Gehen, mittelschwere körperliche Arbeit, Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 75 W über wenigstens 2 min) vorliegt. In diesem Falle wäre für die Einschränkung der Herzleistung allein ein GdB von wenigstens 20 zu vergeben. Eine Einschränkung der Herzleistung mit keiner wesentlichen Leistungsbeeinträchtigung, die allein nur zu einem GdB von 0 bis 10 führen würde, kann dagegen den GdB für den Herzklappenersatz nicht erhöhen. Bei der Klägerin ist nur eine Einschränkung der Herzleistung mit allenfalls geringfügigen Einschränkungen zu verzeichnen. Bereits Dr. B. hat in ihrer Aussage vom 16. Januar 2017 ausgeführt, dass die Herzklappe gut funktioniert und der Alltag der Klägerin nicht beeinträchtigt ist. Der Pneumologe S. hat in seiner Aussage vom 30. März 2017 eine regelgerechte Herzfunktion bescheinigt. Diese gute Funktion wird durch den aktuellen Bericht des Reha-Zentrums S. vom 24. Januar 2018 bestätigt. Auch dort wurde der kardiopulmonale Befund als unauffällig beschrieben. Ein Ruhe-EKG war weitgehend unauffällig. Bei einer Spiro-Ergometrie am 9. Januar 2018 konnte die Klägerin über 75 W hinaus belastet werden, nämlich bis 88 W, und der Abbruch beruhte auf allgemeiner Schwäche, während pathologische Messwerte nicht aufgetreten waren. Dem entspricht es, wenn die Ärzte in der Rehabilitation die "kardiale Limitation" als "leicht" beschrieben haben.
Der Bluthochdruck der Klägerin ist medikamentös gut eingestellt, bei der Rehabilitation in S. wurde ein normgerechter Wert von 140/73 mmHg gemessen. Daher kann der GdB für Herz und Kreislauf nicht nach Teil B Nr. 9.3 erhöht werden.
Im Funktionssystem Atmung ist von einem GdB von 20 auszugehen. Dieser beruht zunächst auf der Schlaf-Apnoe, die entsprechend den Vorgaben bei Teil B Nr. 8.7 VG in einem Schlaflabor nachgewiesen worden ist (Bericht der Fachklinik I. vom 28. September 2018) und eine nasale Überdruckbeatmung notwendig macht (aPAP-Therapie). Diese Beatmungsbehandlung ist auch durchführbar, die Klägerin hat bei ihrer Anhörung am 22. November 2018 mitgeteilt, dass sie die Maske regelmäßig verwendet. Ein höherer GdB als 20 für die Atmung ergibt sich nicht auf Grund des Asthmas, an dem die Klägerin außerdem leidet. Zunächst liegt bei ihr keine Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne von Teil B Nr. 8.3 VG vor. Die statischen (z.B. VC) und dynamischen (z.B. FEV1) Messwerte bei den Lungenfunktionsprüfungen waren durchgehend nicht oder nicht nennenswert erniedrigt, insbesondere nicht um bis zu 1/3 der Sollwerte, wie es die VG vorschreiben. Die insoweit jüngste Messung bei Herrn S. am 30. März 2017 hatte eine VC von 114 % und eine FEV1 von 107 % der Sollwerte ergeben. Auch das Asthma selbst ist nach den Vorgaben bei Teil B Nr. 8.5 VG allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten, der den GdB von 20 wegen der Schlaf-Apnoe nicht erhöht. Es liegt allenfalls eine Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) oder leichten Anfällen vor. Der behandelnde Pneumologe S. hat in seiner Aussage vom 30. März 2017 ein gemischtförmiges Asthma bronchiale leichteren Ausmaßes angegeben. Auch die Klägerin selbst hat nicht von häufigeren Anfällen berichtet. So hat sie während der Rehabilitation in S. nur auf eine Allergie gegen Hausstaub (Milben) und Tierhaare verwiesen. Auch ihre Annahme, ihre Atemprobleme könnten auf Einwirkungen an ihrem Arbeitsplatz zurückzuführen sein, hat sich nicht bestätigt. Die Ärzte in der Klinik S. haben vielmehr ausgeführt, die Klägerin sei auch für ihre letzte Berufstätigkeit weiterhin leistungsfähig.
Anders als das SG ist für den Senat im Funktionssystem Rumpf kein - weiterer - GdB von 20 anzunehmen, sondern nur ein solcher von 10.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist ein GdB von 20 erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) in einem Wirbelsäulenabschnitt anzunehmen.
Bei der Klägerin liegen solche mittelgradigen Funktionseinbußen in keinem Abschnitt vor. Bereits die Messwerte in dem Rehabilitationsbericht der Klinik S. vom 7. Dezember 2015 hatten auch für die Halswirbelsäule nur leichtgradige Bewegungseinschränkungen ergeben. Nur die Vor- und Rückneigung mit 40/0/20° (Normwerte 50-70/0/40-50°) und die Seitneigung mit 20/0/20° (30-40/0/30-40°) waren leicht eingeschränkt, aber noch nicht um wenigstens ein Drittel, wie es für eine mittelgradige Einschränkung zu fordern ist. Die HWS-Rotation war mit 70/0/70° sogar normgerecht. Auch an der LWS, wo bei der Klägerin bildgebend festgestellte Degenerationen vorliegen, war die Funktionalität damals nicht erheblich eingeschränkt. Es bestand kein Druck- oder Funktionsschmerz, kein sensomotorisches Defizit und die Entfaltbarkeit war mit einem Schober’schen Zeichen von 10:13 cm (Normwerte 10:15 bzw. 10:14 cm) noch gering eingeschränkt. Dieser Zustand hat sich im weiteren Verlauf auch nicht verschlechtert. In dem aktuellen Rehabilitationsbericht vom 24. Januar 2018 war die HWS nunmehr sogar frei beweglich, es bestand weiterhin kein Druck- oder Funktionsschmerz und kein sensomotorisches Defizit. Auch an der LWS konnten weiterhin keine mittelgradigen Einbußen festgestellt werden. Nur die Seitneigung des Rumpfes war mit 25/0/25° (Normwert 30/0/30°) leicht eingeschränkt, während die Rumpfrotation mit 30/0/30° noch regelgerecht war (30-50/0/30-50°). Der FBA war mit 15 cm für die Klägerin nicht überaus groß.
Auch an den unteren Gliedmaßen ist kein GdB von 20 oder mehr festzustellen. Nach Teil B Nr. 18.14 VG kommt für die Kniegelenke ein GdB von 20 erst bei muskulär unvollständig kompensierbarer Lockerung des Kniebandapparats, bei einer Einschränkung der Beugung/Streckung bis 0/0/90° beid- bzw. 0/30/90° einseitig sowie bei ausgeprägten Knorpelschäden (Chondromalazie Grad II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen in Betracht. Bei der Klägerin liegt keine dieser Fallgruppen vor. In der Rehabilitation in der Klinik S. 2017/2018 wurde der Bandapparat als stabil beschrieben, die Beugung/Streckung lag rechts bei 140/0/0° und links bei 110/0/0°, und es konnten kein Erguss, keine Überwärmung und nicht einmal eine Krepitation festgestellt werden. Auch die Senk-Spreizfüße, die bei der Klägerin vorliegen, führen nicht zu einem GdB von 20 oder mehr. Ein solcher GdB setzt nach Teil B Nr. 18.14 VG eine statische Auswirkung stärkeren Grades voraus, die bei der Klägerin nicht vorliegt.
Gegen die Bewertung der psychischen Erkrankung mit einem GdB von 10 durch das SG hat die Klägerin im Berufungsverfahren nichts eingewandt. Sie trifft auch zu. Nach Teil B Nr. 3.7 VG kommt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen ein GdB von 0 bis 20 bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen in Betracht, ein GdB von 30 oder 40 setzt eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit voraus. Bei der Klägerin liegen nur geringfügige psychovegetative Störungen vor. Bereits der behandelnde Psychiater Dr. H. hat eine Angsterkrankung angenommen und in seiner Aussage vom 9. November 2016 als leicht eingestuft. Auch nach dem Rehabilitationsbericht der Klinik S. vom 24. Januar 2018 war der psychische Befund unauffällig, die Klägerin klagte insoweit über eine besondere Belastung durch die Krebserkrankung einer Tochter, berichtete aber auch von einem stabilen und unterstützenden sozialen Umfeld. An konkreten Beeinträchtigungen hat sie aber lediglich auf Ein- und Durchschlafstörungen hingewiesen, die im Übrigen auch der - damals noch nicht diagnostizierten - Schlaf-Apnoe anzuschuldigen sein konnten. Auch die Diagnose, die in der Klinik gestellt wurde (F41.2 ICD-10 GM: "Angst und depressive Störung, gemischt), spricht für eine geringfügige Beeinträchtigung, insbesondere liegt keine depressive Erkrankung (F32.-, F33.- ICD-10 GM) vor. Der Senat berücksichtigt auch, dass sich der psychovegetative Erschöpfungszustand bei der Entlassung aus der Rehabilitation gebessert hatte.
Die Harninkontinenz der Klägerin letztlich ist mit einem GdB von 10 zu bewerten. Nach Teil B Nr. 12.2.4 VG kommt ein GdB von 20 erst bei einem Harnabgang tags und nachts im Sinne einer Stressinkontinenz Grad II bis III in Betracht. Die Gynäkologin Dr. H. hat in ihrer Zeugenaussage vom 19. Juli 2017 nur eine Stressinkontinenz 1. bis 2. Grades angenommen, und dies nur auf Grund einer einmaligen Untersuchung. Auch der Bericht des Gynäkologen Dr. D. vom 7. November 2016 spricht nur von rezidivierendem Einnässen beim Husten oder Niesen, also nur bei Belastungen im Sinne einer Stressinkontinenz Grad 1. Dass daneben ein starker Harndrang besteht und die Klägerin auf die Nähe einer Toilette angewiesen ist, ist für die Bewertung unerheblich, da es sich dabei nicht um eine Inkontinenz handelt.
Aus den danach relevanten Teil-GdB-Werten (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee VG) von 30 für das System Herz-Kreislauf und 20 für die Atmung ist kein höherer Gesamt-GdB als 40 zu bilden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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