Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 2095/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3548/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 90.
Sie wurde 1982 geboren und wuchs als älteste von drei Töchtern im Elternhaus auf. Mit ihrem Ehemann, den sie 2004 heiratete, und mittlerweile sechs Katzen wohnt sie in einer Wohnung im ersten Stock zur Miete. Die Allgemeine Hochschulreife erlangte sie mit dem Notendurchschnitt 1,7. Das Studium der Rechtswissenschaften brach sie nach wenigen Wochen ab. Anschließend folgten verschiedene Praktika. 2004 nahm sie das Studium "Soziale Arbeit" auf, welches sie nach vier Jahren abbrach. 2008 arbeitete sie in einem Reisebüro, was ihr jedoch nach kurzer Zeit zu anstrengend war. Sie begann als freiberufliche Texterin mit eigenständiger Auftragssuche über Textplattformen im Internet zu arbeiten. 2013 erkrankte sie dauerhaft arbeitsunfähig.
Dr. v. W., Chefarzt der Akut- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin der H. Klink B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. Oktober bis 9. Dezember 2008 eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typ (ICD-10 F60.30), eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9), eine Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr mit einem Body-Mass-Index von 40 kg/m² und mehr (ICD-10 E66.02), spezifische und isolierte Phobien (ICD-10 F40.2), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), einen nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ II, ohne Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (ICD-10 E11.90), eine substituierte Hypothyreose (ICD-10 E03.9) sowie eine Distorsion im rechten Sprunggelenk mit einer Außenbandläsion (ICD-10 S93.6). Die Klägerin habe viele Ängste, etwa vor Hunden, Spritzen, Wasser und Höhe. Sie könne nicht alleine sein, insbesondere nicht ohne eine andere Person schlafen, und habe große Angst, verlassen zu werden. Es seien große Schwierigkeiten beim Kontakt mit ihren Eltern und Schwiegereltern aufgetreten. Letztere lehnten sie als nicht zur Familie passend ab. Sie habe die Verbindung zu ihnen abgebrochen. Ihre Eltern verstünden ihre Probleme nicht. Ihre Mutter habe nicht akzeptiert, dass sie eine Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch nehme. Ihr Vater habe während ihrer Kindheit viel Gewalt an ihr ausgelebt. Er habe sie geprügelt bis sie am Boden gelegen habe und selbst dann noch auf sie eingetreten. Ihre Mutter habe dies mitbekommen, aber nicht reagiert. Ihr Vater finde sein damaliges Verhalten selbst aus heutiger Sicht normal und berechtigt. Ihre Eltern hätten sich bis auf das Blut gestritten, aber dennoch geliebt. Die Klägerin habe angeführt, sich täglich bis zu acht Stunden in Internetforen aufzuhalten oder stundenlang zu telefonieren, wenn sie alleine zu Hause sei. Wenn jemand anwesend sei, könne sie ohne Weiteres hierauf verzichten. Ihren Ehemann, ein in Vollzeit berufstätiger Anwendungsentwickler, habe sie mit achtzehn Jahren kennengelernt. Er sei der erste Partner, der ihr an Intelligenz und Allgemeinbildung nicht nachstehe. Ihre jüngste Schwester leide an einer Bulimie und einer Borderline-Störung. Bis zum zwanzigsten Lebensjahr sei die Klägerin wegen einer spastischen Bronchitis häufig lungenfachärztlich behandelt worden. Später habe sich der Zustand gebessert. An aktuellen Beschwerden habe sie Knieschmerzen beidseits bei längerem Gehen und einen zeitweise auftretenden Tinnitus beklagt. Bei einer Körpergröße von 1,62 m habe das Gewicht 126,2 kg und damit der Body-Mass-Index 49,3 kg/m² betragen. Die Nagelhaut sei an fast allen Fingern lädiert gewesen. Diskrete Narben nach einem Beißen hätten sich an den Mittelhänden gezeigt. In ihren bisherigen Beziehungen habe sie sich in einer abhängigen Position befunden. Es hätten strukturelle Defizite in den Bereichen Selbststeuerung, Abwehr, Kommunikation, Bindung, Selbst- und Objektwahrnehmung sowie Konfliktbereitschaft vorgelegen. Die Klägerin sei in eine spezielle, auf die Behandlung von Menschen mit einer ich-strukturellen Störung ausgerichtete Therapiegruppe aufgenommen worden. Darin sei sie schnell zur Außenseiterin geworden. Über ihren inneren Groll, der sich immer wieder in Impulsausbrüchen entladen habe, habe sie starken Einfluss auf die Gruppe ausgeübt. Sie habe sich schnell infrage gestellt und bedroht gefühlt, weshalb sie mit einer entsprechenden Kränkbarkeit und verbalen Attacken reagiert habe. Die Klägerin habe in kleinen Schritten korrigierende Neuerfahrungen mithilfe der Begegnungsmöglichkeiten in einer therapeutischen Kleingruppe sowie mit Patientinnen und Patienten machen können. Dieser Prozess habe ihr geholfen, ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung zu verbessern sowie positive Beziehungserfahrungen zu machen. Sie sei arbeitsfähig entlassen worden und habe eine Ausbildung zur Reisekauffrau beginnen wollen, was ihr großer Traum sei. Am 1. Dezember 2008 sei sie beim Frühsport wegen Schneeglätte ausgerutscht und habe sich eine Distorsion des rechten Sprunggelenkes mit einer fibulären Bandläsion zugezogen. Sie sei mit elastischen Salbenverbänden und einer Aircast-Orthese, die sie für sechs Wochen im Halbschuh tragen solle, versorgt worden.
Nach dem weiteren stationären Aufenthalt in dieser Klinik vom 20. Oktober bis 19. November 2013 diagnostizierte Dr. Z., mittlerweile Chefarzt, über die bislang angenommenen Krankheiten hinaus eine Myopie beiderseits und den Zustand nach einer Mehrfachlaserung (ICD-10 H52.1), ein trockenes Auge (ICD-10 H04.1), eine Hashimoto-Thyreoiditis (ICD-10 E06.3), einen Bruxismus (ICD-10 F45.8) sowie einen Vitamin-D-Mangel (ICD-10 E55.9). Im Aufnahmegespräch habe die Klägerin erwähnt, wieder sehr große Probleme mit ihrem Essverhalten zu haben. Von 2011 bis zum Folgejahr sei sie über Weight Watchers in der Lage gewesen, bis zu 30 kg abzunehmen. Seither habe sie jedoch wieder trotz häufiger Ernährungsberatung weit über dieses Gewicht hinaus zugenommen. Sie esse sehr viel Süßes. Oft fühle sie sich depressiv und antriebslos. Sie könne sich wenig konzentrieren. Daher falle ihr die berufliche Tätigkeit als Texterin über das Internet sehr schwer. Auslöser für ihre Stimmungstiefs seien, nachdem sie ihr Ehemann darauf aufmerksam gemacht habe, die Kontakte zur Mutter. Zum Vater habe sie ihn abgebrochen, aktuell auch zur Mutter, seitdem gehe es ihr viel besser. Der Kontakt der Geschwister untereinander sei spärlich bis gar nicht vorhanden. In der Familie habe sie die Rolle des schwarzen Schafes, gleichwohl die der Intelligentesten, wenn auch ohne praktische Fähigkeiten, gehabt. Sie sei ein sehr impulsives und explosives Kind gewesen. Mit anderen Personen habe sie oft Streit gehabt. Sie sei jedoch auch verträumt und fantasievoll gewesen, würde sehr viel lügen. Insgesamt fühle sie sich sehr schnell überfordert, schaffe täglich in der Regel nicht mehr als maximal drei bis vier Stunden zu arbeiten, einschließlich der Haushaltsführung. Sozial habe sie sich sehr zurückgezogen, obwohl sie alleine nichts machen könne. Die Wohnung, in der sie mit ihrem Ehemann und vier Katzen lebe, verlasse sie kaum. Um zu Hause eine Geräuschkulisse zu haben, laufe den ganzen Tag der Fernseher. Aufgrund der Adipositas habe sie Probleme mit den Gelenken, insbesondere schmerzten die Knie.
Dr. E., Assistenzärztin in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in M., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin am 20. und 21. Januar 2014 eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10 F60.31), eine Panikattacke (ICD-10 F41.0) und eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9). Sie habe über Schwierigkeiten in der Strukturierung des Tages berichtet. Gegen 11 Uhr stehe sie auf. Ihr gelinge jedoch nur eine Sache am Tag zu erledigen, etwa einen Korb Wäsche zusammenzulegen. Ihr Ehemann erledige den Haushalt und das Einkaufen. Sie habe Ein- und Durchschlafstörungen. Gegen 23 Uhr gehe sie ins Bett, schlafe aber erst nach zwei bis drei Stunden ein. Sie habe Spannungszustände, die sie über das Essen, vor allen Dingen Süßigkeiten, reguliere. Sie esse fast den ganzen Tag, wobei das Sättigungsgefühl fehle und sie sehr schnell Nahrung zu sich nehme. Sie habe Angst vor dem Alleinsein. Wenn sie über ihren kleinen, festen Freundeskreis hinaus Bekanntschaften schließe, komme es schnell zu Streit und sie werde als zu anstrengend erlebt. Kritik werte sie als Angriff. In Stresssituationen habe sie Flashbacks von den Gewalterfahrungen in der Kindheit und von der Vergewaltigung durch ihren früheren Freund.
Dr. L., Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, äußerte nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 26. Juni 2014, sie habe eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1), eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10 F60.31), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0), eine Panikstörung [episodisch paroxysmale Angst] (ICD-10 F41.0), eine generalisierte Angststörung (ICD-10 F41.1), Essattacken nicht organischen Ursprungs (ICD-10 F50.4), eine Adipositas permagna (ICD-10 E66.89), einen atypischen Gesichtsschmerz (ICD-10 G50.1), einen nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ II ohne Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (ICD-10 E11.90) sowie eine Hypothyreose (ICD-10 E03.9) diagnostiziert. Die Klägerin habe sich erstmalig vorgestellt und über eine seit zwei Jahren zunehmende depressive Symptomatik berichtet. In dieser Zeit habe sie 50 kg an Gewicht zugenommen. Anamnestisch hätten sich viele Hinweise auf eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ergeben. Hierfür habe vor allem die Hyperaktivität und Impulsivität im Kindesalter gesprochen. Eine entsprechende Testung in der ADHS-Ambulanz im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in M. sei bereits 2010 erfolgt. Trotz erfüllter Kriterien sei hingegen von der Diagnosestellung wegen der Komorbidität einer Borderline-Störung zunächst Abstand genommen worden. Gegebenenfalls sei es jedoch sinnvoll, im weiteren Verlauf eine entsprechende Medikation in die Wege zu leiten. Die Klägerin habe berichtet, nach wie vor durch ein ausgeprägtes Defizit bei der Strukturierung des Tages beeinträchtigt zu sein. Möglicherweise werde im weiteren Verlauf eine stundenweise berufliche Tätigkeit möglich sein. Sie habe Fluoxetin, 10 mg (1-0-0-0) verordnet, mit dem Ziel, die Dosis auf 20 mg zu erhöhen. Eine Verhaltenstherapie halte sie für erforderlich.
Dr. M., Fachärztin für Innere Medizin, hatte im Juli 2014 berichtet, die Klägerin leide an einem Borderline-Syndrom sowie einer Persönlichkeits- und Essstörung. Ihre soziale Integration sei erschwert beziehungsweise kaum möglich. Es bestehe eine massive Angststörung mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität und einer Gewichtszunahme. Die 1,62 m große Klägerin habe ein aktuelles Körpergewicht von 145 kg. Der Diabetes mellitus habe sich verschlechtert. Der HbA1c-Wert sei aktuell mit 7,8 mmol/l bestimmt worden. Die medikamentöse Behandlung sei intensiviert worden. Eine Diät sei nicht erfolgversprechend. Eine spastische Bronchitis beziehungsweise ein Infektasthma sei gering ausgeprägt. Eine Trigeminusneuropathie führe zu Schmerzen im Bereich des Kiefers und der Augenhöhle.
Das Landratsamt R. hatte zuletzt mit Bescheid vom 6. März 2014 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 den GdB mit 80 seit 22. Januar 2014 festgestellt. Dem lag die Einschätzung der Versorgungsärztin A. von August 2014 zugrunde, wonach eine seelische Störung und eine Essstörung einen Einzel-GdB von 70 sowie eine Trigeminusneuralgie beidseits einen Einzel-GdB von 20 zur Folge hätten. Ein Diabetes mellitus, ein Bronchialasthma und eine Unterfunktion der Schilddrüse erreichten jeweils keinen Einzel-GdB von mindestens 10.
Anlässlich des vom Landratsamt R. nahezu zwei Jahre später eingeleiteten Verfahrens zur Überprüfung des GdB beantragte die Klägerin am 16. August 2016 dessen Neufeststellung sowie die Anerkennung der Voraussetzungen des Merkzeichens "G".
Nachdem vom Verwaltungsträger medizinische Befundunterlagen beigezogen wurden, bewertete die Versorgungsärztin Dr. L. im November 2016 die seelische Störung mit Essstörung mit einem Einzel-GdB von 30 sowie die Trigeminusneuralgie beidseitig mit einem Einzel-GdB von 20, woraus ein Gesamt-GdB von 40 resultiere. Eine Adipositas permagna und eine Funktionsbehinderung des Kniegelenkes erreichten jeweils nur einen Einzel-GdB von 10. Ein Diabetes mellitus, eine Erkrankung der Schilddrüse und ein Wirbelsäulensyndrom seien jeweils für den GdB nicht relevant. Die Klägerin sei in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Daraufhin hörte der Verwaltungsträger die Klägerin mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 dazu an, der GdB betrage nur noch 40.
Die Klägerin trug ergänzend vor, woraufhin von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. der Bericht von Januar 2017 beigezogen wurde, wonach in vielen Bereichen Einschränkungen bestünden. Es fehlten soziale Kompetenzen. Zudem habe sie Ängste vor Menschenmengen, spezifische isolierte Phobien gegen Höhe und Hunde sowie eine geringe Konfliktfähigkeit, welche zu einer starken sozialen Isolation geführt habe. Wegen der massiven Ängste verlasse sie äußerst selten das Haus allein. Dies habe zu Komplikationen geführt, vor allem in Bezug auf eine adäquate Behandlung. Die Teilnahme an Schulungen wegen des Diabetes mellitus bei massiver Adipositas, welche meistens in Gruppen stattfänden, sei nicht möglich. Bei der Klägerin lägen schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vor. Seit vielen Jahren gelinge keine berufliche Integration. Aufgrund der emotionalen Instabilität liege eine ausgeprägte Stimmungslabilität vor, welche von Impulsdurchbrüchen begleitet sei. Die Klägerin befinde sich aktuell in einer ambulanten Psychotherapie.
Dr. S. ging in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Februar 2017 von einer seelischen Störung und einer Essstörung aus, die mit einem Einzel-GdB von 70 zu bewerten seien. Eine Trigeminusneuralgie beidseitig habe wie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, eine Funktionsstörung durch eine Fußfehlform und eine Adipositas permagna einen Einzel-GdB von 20 zur Folge, woraus ein Gesamt-GdB von 80 resultiere. In ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei die Klägerin hingegen nicht erheblich beeinträchtigt.
Daraufhin lehnte das Landratsamt R. mit Bescheid vom 8. März 2017 den Antrag auf Neufeststellung des GdB ab. Die Anerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" wurde ebenfalls versagt. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium S. mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2017 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. Juli 2017 Klage beim Sozialgericht M. (SG) erhoben, welches Dr. M., die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. sowie Dr. S., Facharzt für Orthopädie, schriftlich als sachverständige Zeuginnen und sachkundigen Zeugen befragt hat, welche im September 2017 und im Folgemonat geantwortet haben.
Dr. M. hat ausgeführt, sie habe die Klägerin zuletzt Mitte September 2017 behandelt. Zunehmende Schmerzen in der Wirbelsäule, den Kniegelenken und beiden Füßen erschwerten ihr das Gehen und Treppensteigen. Die psychiatrischen Auffälligkeiten hätten sich im Rahmen der medikamentösen Behandlung stabilisiert. Insgesamt habe sich jedoch eine schwere Anpassungsstörung gezeigt. Die Möglichkeit einer Resozialisierung bestehe nicht. Die Klägerin komme nur im häuslichen Umfeld zurecht. Daneben liege ein metabolisches Syndrom mit einem Diabetes mellitus Typ II und eine Hashimoto-Thyreoiditis vor. Infolge der chronischen Schmerzen und der Funktionseinschränkungen durch die Arthrose in den Kniegelenken sei die Gehfähigkeit eingeschränkt.
Von Dr. M. ist der Bericht von Dr. W., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, von Dezember 2015 übersandt worden, wonach sich die Klägerin unter Methylphenidat, 80 mg täglich relativ ausgeglichen gefühlt habe. Sie sei konzentriert und könne ihre Tätigkeit als Reiseberaterin ausüben. Die Beziehung zu ihrem Partner habe sich mit der Medikation gebessert.
Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. hat kundgetan, sie habe die Klägerin zuletzt im Juli 2017 behandelt. Die Stimmung sei teilweise niedergeschlagen und der Antrieb zeitweise deutlich vermindert gewesen. Essen sei zur Emotionsregulation benutzt worden, wobei mit der Medikation von Medikinet eine Stabilisierung habe erzielt werden können. Die Klägerin habe zudem gehäufte soziale sowie spezifische Ängste in Bezug auf Hunde, Höhe und Wasser bei einer insgesamt erhöhten Reizbarkeit und Impulsivität beschrieben. Es hätten Einschränkungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation bestanden. Sie habe über ein kleines, aber sozial stabiles Netzwerk verfügt. Sie sei nicht gruppenfähig, fühle sich dort sehr unwohl, sodass sie an einer erforderlichen Schulung wegen des Diabetes mellitus nicht habe teilnehmen können. Es falle ihr ebenfalls schwer, einer regelmäßigen, beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Tagesstrukturierung die nach wie vor schlecht. Aufgrund der Antriebsstörung könne sie etwa zwei Stunden am Stück das Bad putzen. Zusätzlich habe sie Schmerzen aufgrund einer Kniegelenksarthrose, links mehr als rechts, sodass sie kaum 100 m bis zur Bushaltestelle schaffe. Die Klägerin sei im Affekt reduziert schwingungsfähig und die Libido reduziert gewesen. Zur Spannungsreduktion sei deutlich vermehrt Nahrung zugeführt worden. Es habe ein sozialer Rückzug bestanden. Medikamentös sei mit Medikinet, 40 mg (1-1-0) eine bessere Emotionsregulation und eine Abnahme der Essattacken bei einer gleichzeitigen deutlichen Gewichtsreduktion gelungen, was sich sicherlich aktuell günstig auf die Diabeteserkrankung und die Einschränkung der Mobilität auswirke. Nach der abgeschlossenen Langzeitpsychotherapie im Juli 2017 sei ebenfalls eine deutliche Gewichtsreduktion benannt worden. Eine Konfrontation mit den Ängsten sei erfolgt. Es hätten sich bessere Kompetenzen zur Problemlösung und eine Konfliktfähigkeit eingestellt. Insgesamt sei die Klägerin jedoch deutlich eingeschränkt geblieben. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei der GdB versorgungsärztlich zutreffend bewertet worden. Es lägen keine fokalen oder sonstigen schweren Defizite im Sinne von Paresen oder Sensibilitätsstörungen vor. Eine Gewichtsabnahme wirke sich bezüglich der Mobilität sicherlich positiv aus. Aktuell sei es der Klägerin gelungen, sich alle drei Tage sportlich zu betätigen.
Von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. ist der Bericht der Dipl.-Psychologin J. von Juli 2017 vorgelegt worden, wonach sie sich nunmehr regelmäßig mit ihren Ängsten konfrontiere, etwa alleine Tagesreisen unternehme und wiederholt alleine im Urlaub gewesen sei. Zwischenmenschlich könne sie sich mehr in andere Menschen hineinversetzen. Sie könne Konflikte besser aushalten und klären. Eine vollständige Arbeitsfähigkeit sei jedoch nicht absehbar. Die Klägerin habe ihre Erfüllung darin gefunden, mehreren Katzen ein Zuhause zu geben. Deren Pflege strukturiere ihren Tag und stärke ihr Selbstvertrauen. Sie verfüge über ein kleines, aber stabiles soziales Netzwerk. Von der Medikation mit Medikinet habe sie deutlich profitieren können. Nach eigenen Angaben könne sie seitdem deutlich besser ihren Tag planen und durchführen, früher aufstehen sowie ihre Aufgaben besser bewältigen.
Dr. S. hat geäußert, er habe die Klägerin zuletzt im September 2017 behandelt. Im linken Knie sei eine Krepitation festgestellt worden. Die Durchblutung sei unauffällig und die Sensibilität vorhanden gewesen. Motorische Ausfälle seien keine aufgetreten. Kurze Gehstrecken seien der Klägerin mehrfach täglich bis 200 m möglich.
Die Dipl.-Psychologin J. hat auf Anforderung des SG im August 2017 über die ambulante Psychotherapie berichtet. Die Klägerin sei zur Behandlung einer Essstörung mit Gewichtsschwankungen in Form einer Binge-Eating-Störung bei einer Adipositas Grad III mit einem Body-Mass-Index von mehr als 60 kg/m² im Juli 2015 und eines Diabetes mellitus gekommen. Sie sei glücklich verheiratet. In der Woche verbringe sie mit bis zu 40 Stunden am Computer und mitunter 100 Stunden vor dem Fernseher viel Zeit zu Hause. Auffällig gewesen seien impulsiv gefärbte interpersonelle Konflikte mit ihrem Ehemann, den ihr verbliebenen wenigen Freunden und wiederholt mit ihr als Therapeutin selbst. Stationäre Behandlungen seien zuvor wegen Streitigkeiten mit therapierenden Personen sowie Mitpatientinnen und -patienten abgebrochen worden. Seit November 2015 habe es einen längeren Zwist mit einer niedergelassenen Ärztin für Psychiatrie gegeben, wobei selbst die Kassenärztliche Vereinigung einbezogen gewesen sei. Während der Therapie habe sie wiederholt die sie behandelnden Ärztinnen und Ärzte für Psychiatrie und Innere Medizin gewechselt, weil sie sich unverstanden gefühlt habe. Der Versuch, sich in das Berufsleben zu integrieren, sei mehrfach gescheitert. Die Klägerin habe zum einen große Schwierigkeiten in der Strukturierung des Tagesablaufes aufgewiesen. Sie sei erst gegen Mittag aufgestanden. Eine Vielzahl an Ängsten habe sie daran gehindert, die Wohnung zu verlassen. Zum anderen sei es bei zwei Arbeitsversuchen in einem Reisebüro zu interpersonellen Konflikten gekommen, woraufhin die Tätigkeit abgebrochen worden sei. Ein Fernstudium Tourismus habe sie bis heute nicht abgeschlossen. In diesem Zusammenhang habe ein Wechsel der Ausbildungsstätte stattgefunden, weil sich die Klägerin wiederholt über die Bewertung ihrer Tests beschwert habe, obwohl sie beinahe alle Punkte erzielt habe. Sie sei sich ihrer ausgeprägten interaktionellen Schwierigkeiten bewusst. Kritik werte sie schnell als Ablehnung ihrer Person und neige zu impulsivem Verhalten. Mit der Gabe von Medikinet sei es zu einer Verbesserung der Symptomatik der diagnostizierten ADHS gekommen. Die Klägerin habe zunehmend Erfolgserlebnisse für sich verbuchen, also ihren Tag besser strukturieren, sich mehr konzentrieren, ihr Gewicht stabil reduzieren und sich mit ihren Ängsten konfrontieren können. Sie gehe derzeit regelmäßig in ein Fitnessstudio, könne Freundschaften stabiler aufrechterhalten und übernehme Verantwortung für ihre Haustiere. Die Therapie sei in beidseitigem Einvernehmen beendet worden, weil es der Klägerin zunehmend gelungen sei, Krisen alleine zu bewältigen und sich nicht mehr verunsichern zu lassen. Die Stimmung habe sich bis auf gelegentlichen Schwankungen stabil gezeigt. Zwischenmenschliche Konflikte habe sie besser lösen können.
Dr. S., Facharzt für Orthopädie, ist vom SG zum Sachverständigen bestellt worden. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hat, den Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen zu können, ist er von seinen Pflichten entbunden worden. Im Mai 2018 hat sie erklärt, die Klage in Bezug auf die Anerkennung der orthopädischen Beschwerden bei der Feststellung des GdB und der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" zurückzunehmen.
Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. von März 2018 erklärt, der von ihm festgestellte Gesamt-GdB von 80 sei nach den durchgeführten Ermittlungen des SG sogar überhöht. Die gehörten Ärztinnen und Ärzte hätten eine beidseitige Trigeminusneuralgie nicht bestätigt. Nach der Auskunft der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. sei 2017 lediglich eine quartalsweise Vorstellung erfolgt. Nach dem psychopathologischen Befund sei die Klägerin zwar im Affekt reduziert schwingungsfähig gewesen. Eine Wahn- oder Ich-Störung habe jedoch nicht vorgelegen. An Sinnestäuschungen leide sie nicht. Medikamentös sei eine bessere Regulation der Emotionen gelungen. Eine Langzeitpsychotherapie sei Mitte 2017 erfolgreich abgeschlossen worden. Zwar sei der Hinweis erfolgt, dass weiterhin eine deutliche Einschränkung bestehe. Hieraus lasse sich aber kein höherer Einzel-GdB als bisher angenommen begründen, zumal auch die Trigeminusaffektion nicht mehr bestehe. Angegeben worden sei eine Strukturierung des Tagesablaufs infolge der Pflege mehrerer Katzen bei einem vorhandenen, wenn auch kleinen sozialen Netzwerk. Die Stimmung sei als stabil beschrieben worden. Infolge der Medikation könne die Klägerin deutlich besser ihren Tag planen und durchführen. Danach sei ein Einzel-GdB von 70 nicht einmal mehr begründbar. Dieser entspreche demgegenüber der Ausschöpfung des Korridors einer schweren Störung bei mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, was insbesondere unter Hinweis auf die durchgeführte Psychotherapie bei der Dipl.-Psychologin J. nicht mehr leidensgerecht erscheine. Der die Klägerin früher behandelnde Arzt Dr. W. habe im Dezember 2015 ausgeführt, sie habe eine Tätigkeit als Reiseberaterin ausüben können. Zudem habe sich die partnerschaftliche Problematik gebessert. Die Dipl.-Psychologin J. habe ferner beschrieben, dass sie Tagesreisen unternehme und wiederholt alleine im Urlaub gewesen sei, was bereits eine dauerhaft durchgehende schwere Störung als fraglich erscheinen lasse. Die Abbildung eines Einzel-GdB von 70 sei anhand der nervenärztlichen Befundberichte daher nicht nachvollziehbar.
Nachdem das SG einen Termin zur mündlichen Verhandlung im April 2018 anberaumt hat, ist von der Klägerin die Verlegung unter anderem mit dem Hinweis auf einen zweitägigen Aufenthalt mit ihrem Ehemann in einem Hotel bei F. beantragt worden. Seine Familie habe ihm zu seinem Geburtstag die Übernachtung geschenkt. Es habe eine Auszeit mit ihr sein sollen.
Das SG hat die Klage schließlich nach der mündlichen Verhandlung am 25. September 2018, bei der die Klägerin nicht anwesend gewesen ist, durch Urteil, in dem der wesentliche Inhalt des beigezogenen Berichts der Dipl.-Psychologin J. von August 2017 wiedergegeben worden ist, abgewiesen. Ein höherer Gesamt-GdB als 80 lasse sich nicht begründen, wie auch Dr. R. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme schlüssig aufgezeigt habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 4. Oktober 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dem SG seien inhaltliche und sachliche Fehler unterlaufen, die ihr zum Nachteil gereichten. Ihren Antrag, die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. wegen mehrfacher Verletzung der Wahrheitspflicht als Beweismittel und Prozessgegenstand auszuschließen, habe das SG nicht beschieden. Der Bericht der Dipl.-Psychologin J. sei nicht verwertbar. Er sei ihr nie vorgelegt worden sowie zudem über ein Jahr nach der angeblichen Erstellung und eineinhalb Jahre nach der letzten Sitzung auch inhaltlich veraltet. Die darin angesprochenen Erfolge habe sie ohne eine Therapie nicht beibehalten können. Mittlerweile bestünden keine sozialen Kontakte mehr. Ihre Ehe sei instabil. Sie sei nicht mehr in der Lage, ohne ihren Ehemann das Haus zu verlassen. Ohne ihn könne sie sich nicht um ihre Angelegenheiten kümmern, was auch ihre Hausärztin bekräftigt habe. Dem SG sei nicht bewusst gewesen, dass Katzen sehr eigenständige Tiere seien, die weniger Pflege und Zuwendung benötigten als etwa ein Hund. Bei der Versorgung fielen täglich zweimal ihre Fütterung, die Reinigung der Katzentoiletten sowie im gewissen Rahmen spielen und kuscheln an. Einen Großteil dieser Tätigkeiten übernehme ihr Ehemann, weil sie aus psychischen Gründen dazu oftmals nicht in der Lage sei. Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. habe in ihrer Auskunft die Termine bei ihr, nicht aber die Kontakte mit der Praxis festgehalten. Aufgrund der von ihr als Auszeit beschriebenen Hotelübernachtung mit ihrem Ehemann könne nicht darauf geschlossen werden, dass ihre Ehe nicht mehr mit Konflikten belastet sei. Jeder Ehetherapeut rate Paaren in Krisensituationen dazu, ihre Lage nach Möglichkeit in Ruhe zu besprechen. Das SG sei ferner zu Unrecht von einem dem Bescheid von September 2014 zugrunde liegenden untherapierten gesundheitlichen Zustand ausgegangen. Bei der Komplexität ihrer psychischen Störung spiele es keine Rolle, ob sich ihre dauerhaft hohen Anspannungszustände und gewissen Ängste verbessert hätten. Diese Fortschritte seien zu gering, als das nunmehr ein altersgerechter Zustand angenommen werden könne. Bei ihr lägen schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 25. September 2018 und den Bescheid vom 8. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2017 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihr unter Abänderung des Bescheides vom 6. März 2014 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2014 den Grad der Behinderung mit mindestens 90 festzustellen, hilfsweise ihre seelischen Erkrankungen als schwergradige soziale Anpassungsstörungen einzustufen und mit einem Einzel-Grad der Behinderung von mindestens 80 zu bewerten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, ihr Begehren sei nicht begründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin, deren persönliches Erscheinen der Senat nach Ausübung richterlichen Ermessens nicht für notwendig erachtete, aufgrund der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2019 über ihre Berufung entscheiden, da ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Mit der Terminsmitteilung wurde sie darüber unterrichtet, dass im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Ihre Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nach dem noch aufrechterhaltenen Klagebegehren das Urteil des SG vom 25. September 2018, soweit mit ihm die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin sinngemäß unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2017 (§ 95 SGG) die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung des GdB mit mindestens 90 unter Abänderung des Bescheides vom 19. September 2014 sowie hilfsweise die Einstufung ihrer seelischen Erkrankungen als schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten und Bewertung mit einem Einzel-GdB von mindestens 80 verfolgte, abgewiesen wurde. Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für diese Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 21. Februar 2019 stattfand.
Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage unbegründet. Die angefochtene und ihrem Begehren entgegenstehende Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), da sie keinen Anspruch auf Feststellung des GdB mit mindestens 90 hat.
Rechtsgrundlage für die verfolgte behördliche Anerkennung des GdB in dieser Höhe ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
Bei dem Abhilfebescheid vom 19. September 2014, womit der GdB mit 80 ab 22. Januar 2014 festgestellt wurde, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist indes keine wesentliche Änderung eingetreten. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin sind bis aktuell mit keinem höheren Gesamt-GdB als 80 anzuerkennen, wie vom Beklagten bereits vorgenommen wurde.
Ihr Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Von dieser Ermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 (177 f.)). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass für die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin nach Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014, insbesondere seit dem Antrag auf Neufeststellung des GdB vom 16. August 2016, kein höherer GdB als 80 anzuerkennen ist. Bei der Klägerin ist gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses dieser Verwaltungsentscheidung keine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Zu einer Verschlechterung der tatsächlichen - gesundheitlichen - Verhältnisse kam es ebenfalls nicht.
Dr. L. diagnostizierte im Juni 2014 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10-GM-2019 F33.1), eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10-GM-2019 F60.31), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2019 F43.1), eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10-GM-2019 F90.0), eine Panikstörung [episodisch paroxysmale Angst] (ICD-10-GM-2019 F41.0), eine generalisierte Angststörung (ICD-10-GM-2019 F41.1) sowie Essattacken nicht organischen Ursprungs, also nach der verschlüsselten ICD-10 F50.4 solche bei anderen psychischen Störungen, weswegen die Klägerin durch ein ausgeprägtes Defizit bei der Strukturierung ihres Tages beeinträchtigt war, wie sie ihr gegenüber berichtete. Dies steht in Einklang mit der Einlassung der Klägerin gegenüber Dr. E. fünf Monate zuvor, wonach sie Identisches erwähnte. Sie stand gegen 11 Uhr auf. Ihr gelang es, nur eine Sache am Tag zu erledigen, etwa einen Korb Wäsche zusammenzulegen. Ihr berufstätiger Ehemann erledigte im Wesentlichen den Haushalt und das Einkaufen. Im Herbst 2013 konnte sie sich wenig konzentrieren, wie sie Dr. Z. gegenüber angab. Sie fühlte sich oft depressiv und antriebslos sowie schnell überfordert. Ihr gelang es in der Regel nicht, mehr als maximal drei bis vier Stunden zu arbeiten, einschließlich der Haushaltsführung. Schon damals zog sie sich sozial sehr zurück und verließ die Wohnung kaum. Sie hielt sich bis zu 40 Stunden in der Woche am Computer auf. Fernsehen schaute sie in diesem Zeitraum mitunter 100 Stunden. Bereits Anfang 2014 hatte sie einen nur kleinen, festen Freundeskreis, wie Dr. E. festhielt. Die sachverständige Zeugin Dr. M. erhob Mitte 2014, dass ihre soziale Integration erschwert beziehungsweise kaum möglich war, was auf strukturelle Defizite in den Bereichen Selbststeuerung, Abwehr, Kommunikation, Bindung, Selbst- und Objektwahrnehmung sowie Konfliktbereitschaft zurückgeführt wurde, was Dr. v. W. bereits im Herbst 2008 feststellte. Es bestand eine massive Angststörung mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität, wie Dr. M. schlüssig aufzeigte. Die Klägerin war zudem schon seit 2013 arbeitsunfähig erkrankt.
Die auf die psychiatrischen Erkrankungen zurückzuführenden Funktionsbehinderungen nach Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 sind keinesfalls schlechter geworden. Die sachverständige Zeugin H., auf deren Kontaktfrequenz es dem Senat nicht ankam, erhob zwar Mitte 2017, dass sie Klägerin im Affekt reduziert schwingungsfähig und ihre Libido reduziert war. Zudem war ihre Stimmung teilweise niedergeschlagen und der Antrieb zeitweise deutlich vermindert. Trotz der weiterhin bestehenden gehäuften sozialen und spezifischen Ängste in Bezug etwa auf Hunde, Höhe und Wasser, wie sie Dr. v. W. ergänzt um Spritzen bereits im Herbst 2008 festgestellt hatte, bei einer insgesamt erhöhten Reizbarkeit und Impulsivität sowie der Einschränkungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation verfügte die Klägerin allerdings weiterhin über ein zwar kleines, aber stabiles soziales Netzwerk. Mit Medikinet wurde eine bessere Regulierung der Emotionen erreicht. Es zeigten sich bessere Kompetenzen zur Problemlösung und eine Konfliktfähigkeit. Am Ende der langfristigen ambulanten Psychotherapie im Juli 2017 konfrontierte sie sich regelmäßig mit ihren Ängsten, unternahm etwa alleine Tagesreisen und war wiederholt ohne begleitende Person im Urlaub, was der Senat dem Bericht der Dipl.-Psychologin J. von Juli 2017 entnimmt, welcher dem SG von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. übersandt und der Klägerin ausweislich des hierüber erstellten Aktenvermerkes mit gerichtlichem Schreiben vom 6. November 2017 zugeleitet wurde. Er wurde im Monat der Beendigung der ambulanten Psychotherapie erstellt, weshalb es fernliegt, ihn als veraltet anzusehen, wie die Klägerin meint. Zwischenmenschlich konnte sie sich mehr in andere Menschen hineinversetzen sowie Konflikte besser aushalten und klären. Die Klägerin fand ihre Erfüllung darin, mehreren Katzen ein Zuhause zu geben, was sie nach dem zweiten stationären Aufenthalt in der Akut- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin der H. Klink B. sogar von vier auf sechs Tiere ausweitete. Deren Pflege strukturierte ihren Tag und stärkte ihr Selbstvertrauen. Dem steht nicht entgegen, wie sie zuletzt vortrug, dass Katzen eigenständige Tiere sind und ihr Ehemann, der im Übrigen eine vollzeitige berufliche Tätigkeit als Anwendungsentwickler ausübt, einen Großteil ihrer Versorgung übernimmt. Von der Medikation mit Medikinet profitierte sie deutlich. Nach ihren eigenen Angaben konnte sie seitdem deutlich besser ihren Tag planen und durchführen, früher aufstehen sowie ihre Aufgaben besser bewältigen, was sogar auf eine Besserung des Gesundheitszustandes hindeutet. Es überzeugte den Senat nicht, wie die Klägerin im Berufungsverfahren vortrug, dass diese Erfolge nach Beendigung der langfristigen ambulanten Psychotherapie bei der Dipl.-Psychologin J. nicht anhielten. Denn die sachverständige Zeugin Dr. M. stellte nach ihrer Behandlung Mitte September 2017 fest, dass sich die psychiatrischen Auffälligkeiten im Rahmen der medikamentösen Behandlung, also sogar unabhängig dieser therapeutischen Maßnahme, mit dem Wirkstoff Methylphenidat stabilisierten. Gegenüber Dr. W. hatte die Klägerin schon Ende 2015 angeführt, sich damit ausgeglichen zu fühlen und sich konzentrieren zu können. Selbst die Beziehung zu ihrem Ehemann besserte sich hierdurch. Die Klägerin beschrieb ihre Ehe zuletzt zwar als instabil, gleichzeitig will sie aber ohne ihren Lebenspartner weder das Haus verlassen noch sich um ihre Angelegenheiten kümmern können. Im April 2018 suchte sie zudem um Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung unter anderem mit dem Hinweis auf einen zweitägigen Aufenthalt mit ihrem Ehemann in einem Hotel bei F. nach, was ein Geburtstagsgeschenk seiner Familie für ihn war, aber gleichzeitig ihnen eine Auszeit bereiten sollte. Dies stellt nicht nur einen Widerspruch dar, sondern unterstreicht, dass sie es oft mit der Wahrheit nicht genau nimmt, wie sie Dr. Z. preisgab. Ihm gegenüber beschrieb sie, dass sie sehr viel lügt. Die medizinische Einschätzung der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H., wonach sie in Bezug auf die durch die psychiatrischen Erkrankungen bedingten Funktionsstörungen derselben Auffassung war wie die Versorgungsärztin Dr. S. in ihrer Stellungnahme von Februar 2017, wonach insoweit kein höherer Einzel-GdB als 70 begründbar ist, untermauert, dass es zu keiner wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kam.
In Bezug auf bei Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 vorhandene Erkrankungen oder später neu aufgetretene Gesundheitsstörungen haben sich die tatsächlichen Verhältnisse ebenfalls nicht geändert.
Die unter anderem von Dr. L. diagnostiziere Adipositas permagna (ICD-10-GM-2019 E66.89) verschlechterte sich hinsichtlich der Folge- und Begleitschäden, insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- oder Bewegungsapparat, sowie der besonderen funktionellen Auswirkungen (vgl. VG, Teil B, Nr. 15.3) nicht. Knieschmerzen beidseits bei längerem Gehen beklagte die Klägerin bereits 2008, wie Dr. v. W. festhielt. Aufgrund ihrer Adipositas traten die Probleme mit den Gelenken auf, wie Dr. Z. erhob. Gegenüber der sachverständigen Zeugen H. beklagte sie zwar Mitte 2017, wegen der Schmerzen aufgrund einer Kniegelenksarthrose, links mehr als rechts, kaum 100 m bis zur Bushaltestelle zurücklegen zu können. Der sachverständige Zeuge Dr. S. schätzte demgegenüber im Herbst dieses Jahres bei einer wahrgenommenen Krepitation nachvollziehbar die mögliche Gehstrecke mit täglich mehrfach 200 m nachvollziehbar ein, zumal die Durchblutung und die Sensibilität vorhanden waren. Zudem traten keine motorischen Ausfälle auf. Außer zunehmenden Schmerzen in der Wirbelsäule und beiden Füßen, welche Dr. M. beschrieb, wurden keine damit verbundenen Funktionsbehinderungen objektiviert. Die während des ersten stationären Aufenthaltes in der Akut- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin der H. Klink B. erlittene Distorsion des rechten Sprunggelenkes mit einer fibulären Bandläsion wurde mit elastischen Salbenverbänden und einer Aircast-Orthese, die sie für sechs Wochen im Halbschuh tragen sollte, versorgt. Folgebeschwerden führte die Klägerin danach bei keiner ärztlichen Untersuchung an. Gegen eine spätere nennenswerte Beeinträchtigung wegen der Wirbelsäule oder Beine spricht zudem, dass sie sich Mitte 2017 immerhin alle drei Tage sportlich betätigte, vorwiegend in einem Fitnessstudio, wie die sachverständige Zeugin H. Mitte 2017 und die Dipl.-Psychologin J. in ihrem Bericht von August 2017 aufzeigten. Letzterer wurde insoweit im angefochtenen Urteil des SG inhaltlich wiedergegeben. Den Wahrheitsgehalt stellte die Klägerin anders als in Bezug auf zahlreiche andere Daten nicht in Abrede. Trotz ihrer im erstinstanzlichen Verfahren erfolgten prozessualen Erklärung, die Klage in Bezug auf die Anerkennung der orthopädischen Beschwerden bei der Feststellung des GdB zurückzunehmen, war hierauf einzugehen. Denn es handelt sich insoweit nicht um einen teilbaren Streitgegenstand, was sich daraus ergibt, dass die Träger der Versorgungsverwaltung gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur ermächtigt sind, eine - unbenannte - Behinderung und den Gesamt-GdB festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, BSGE 82, 176 (177 f.); Oppermann, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 69 SGB IX, Rz. 10), nicht aber einen Einzel-GdB für bestimmte Erkrankungen oder ein medizinisches Fachgebiet.
Aufgrund des von Dr. M. nach wie vor festgestellten nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ II ohne Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (ICD-10-GM-2019 E11.90) ist nach Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 keine Verschlechterung belegt. Der HbA1c-Wert von 7,8 mmol/l wurde bereits Mitte 2014 erhoben. Ohnehin wurde ihm mit einer Intensivierung der medikamentösen Behandlung begegnet, wie die behandelnde Hausärztin kundtat.
Die Hypothyreose (ICD-10-GM-2019 E03.9) beziehungsweise Hashimoto-Thyreoiditis (ICD-10-GM-2019 E06.3), welche Dr. v. W., Dr. L. und Dr. Z. aufführten, wird substituiert, wobei bei Funktionsstörungen der Schilddrüse wegen ihrer guten Behandelbarkeit anhaltende Beeinträchtigungen in der Regel ohnehin nicht zu erwarten sind (VG, Teil B, Nr. 15.6).
Die Trigeminusneuropathie führte bereits Mitte 2014 zu Schmerzen im Bereich des Kiefers und der Augenhöhle, wie Dr. M. darlegte. Dr. L. diagnostizierte im Juni 2014 insoweit einen atypischen Gesichtsschmerz (ICD-10-GM-2019 G50.1). Weitergehende Beeinträchtigungen wurden bis aktuell nicht festgestellt. Die sachverständige Zeugin H. erkannte insbesondere Mitte 2017 keine fokalen oder anderweitigen schweren Defizite im Sinne von Paresen oder Sensibilitätsstörungen.
Eine spastische Bronchitis beziehungsweine ein Infektasthma war bereits Mitte 2014 nur noch gering ausgeprägt, wie Dr. M. erhob. Eine eingetretene Verschlechterung führte die Klägerin in Bezug darauf genauso wenig an, wie wegen einer Myopie beiderseits und des Zustandes nach einer Mehrfachlaserung (ICD-10-GM-2019 H52.1), einem trockenen Auge (ICD-10-GM-2019 H04.1) sowie eines Bruxismus (ICD-10-GM-2019 F45.8). Diese Gesundheitsstörungen hielt Dr. Z. fest.
Mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse besteht damit kein Anspruch auf Neufeststellung des GdB, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beklagte bei Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 zu Recht eine Einordnung der psychiatrischen Erkrankungen als schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 einen GdB-Rahmen von 50 bis 70 eröffnen, vornahm.
Der Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die behördliche Einstufung ihrer seelischen Erkrankungen als schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten und deren Bewertung mit einem Einzel-GdB von mindestens 80 begehrte, ist unzulässig, weshalb ihn der Senat ablehnte. Es handelt sich hierbei mangels Statthaftigkeit um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage, welche nur ausnahmsweise zulässig ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Ein korrespondierender prozessualer Anspruch hierauf besteht von vornherein nicht, was sich, wie aufgezeigt, ebenfalls daraus ergibt, dass die Träger der Versorgungsverwaltung gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur ermächtigt sind, eine - unbenannte - Behinderung und den Gesamt-GdB, nicht aber ein bestimmtes Ausmaß von Funktionsbeeinträchtigungen und einen Einzel-GdB für bestimmte Erkrankungen.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, ohne dass es auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. von März 2018 ankam, die ein qualifiziertes Beteiligtenvorbringen des Beklagten darstellte (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - B 5 R 45/16 B -, juris, Rz. 19).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 90.
Sie wurde 1982 geboren und wuchs als älteste von drei Töchtern im Elternhaus auf. Mit ihrem Ehemann, den sie 2004 heiratete, und mittlerweile sechs Katzen wohnt sie in einer Wohnung im ersten Stock zur Miete. Die Allgemeine Hochschulreife erlangte sie mit dem Notendurchschnitt 1,7. Das Studium der Rechtswissenschaften brach sie nach wenigen Wochen ab. Anschließend folgten verschiedene Praktika. 2004 nahm sie das Studium "Soziale Arbeit" auf, welches sie nach vier Jahren abbrach. 2008 arbeitete sie in einem Reisebüro, was ihr jedoch nach kurzer Zeit zu anstrengend war. Sie begann als freiberufliche Texterin mit eigenständiger Auftragssuche über Textplattformen im Internet zu arbeiten. 2013 erkrankte sie dauerhaft arbeitsunfähig.
Dr. v. W., Chefarzt der Akut- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin der H. Klink B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. Oktober bis 9. Dezember 2008 eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typ (ICD-10 F60.30), eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9), eine Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr mit einem Body-Mass-Index von 40 kg/m² und mehr (ICD-10 E66.02), spezifische und isolierte Phobien (ICD-10 F40.2), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), einen nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ II, ohne Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (ICD-10 E11.90), eine substituierte Hypothyreose (ICD-10 E03.9) sowie eine Distorsion im rechten Sprunggelenk mit einer Außenbandläsion (ICD-10 S93.6). Die Klägerin habe viele Ängste, etwa vor Hunden, Spritzen, Wasser und Höhe. Sie könne nicht alleine sein, insbesondere nicht ohne eine andere Person schlafen, und habe große Angst, verlassen zu werden. Es seien große Schwierigkeiten beim Kontakt mit ihren Eltern und Schwiegereltern aufgetreten. Letztere lehnten sie als nicht zur Familie passend ab. Sie habe die Verbindung zu ihnen abgebrochen. Ihre Eltern verstünden ihre Probleme nicht. Ihre Mutter habe nicht akzeptiert, dass sie eine Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch nehme. Ihr Vater habe während ihrer Kindheit viel Gewalt an ihr ausgelebt. Er habe sie geprügelt bis sie am Boden gelegen habe und selbst dann noch auf sie eingetreten. Ihre Mutter habe dies mitbekommen, aber nicht reagiert. Ihr Vater finde sein damaliges Verhalten selbst aus heutiger Sicht normal und berechtigt. Ihre Eltern hätten sich bis auf das Blut gestritten, aber dennoch geliebt. Die Klägerin habe angeführt, sich täglich bis zu acht Stunden in Internetforen aufzuhalten oder stundenlang zu telefonieren, wenn sie alleine zu Hause sei. Wenn jemand anwesend sei, könne sie ohne Weiteres hierauf verzichten. Ihren Ehemann, ein in Vollzeit berufstätiger Anwendungsentwickler, habe sie mit achtzehn Jahren kennengelernt. Er sei der erste Partner, der ihr an Intelligenz und Allgemeinbildung nicht nachstehe. Ihre jüngste Schwester leide an einer Bulimie und einer Borderline-Störung. Bis zum zwanzigsten Lebensjahr sei die Klägerin wegen einer spastischen Bronchitis häufig lungenfachärztlich behandelt worden. Später habe sich der Zustand gebessert. An aktuellen Beschwerden habe sie Knieschmerzen beidseits bei längerem Gehen und einen zeitweise auftretenden Tinnitus beklagt. Bei einer Körpergröße von 1,62 m habe das Gewicht 126,2 kg und damit der Body-Mass-Index 49,3 kg/m² betragen. Die Nagelhaut sei an fast allen Fingern lädiert gewesen. Diskrete Narben nach einem Beißen hätten sich an den Mittelhänden gezeigt. In ihren bisherigen Beziehungen habe sie sich in einer abhängigen Position befunden. Es hätten strukturelle Defizite in den Bereichen Selbststeuerung, Abwehr, Kommunikation, Bindung, Selbst- und Objektwahrnehmung sowie Konfliktbereitschaft vorgelegen. Die Klägerin sei in eine spezielle, auf die Behandlung von Menschen mit einer ich-strukturellen Störung ausgerichtete Therapiegruppe aufgenommen worden. Darin sei sie schnell zur Außenseiterin geworden. Über ihren inneren Groll, der sich immer wieder in Impulsausbrüchen entladen habe, habe sie starken Einfluss auf die Gruppe ausgeübt. Sie habe sich schnell infrage gestellt und bedroht gefühlt, weshalb sie mit einer entsprechenden Kränkbarkeit und verbalen Attacken reagiert habe. Die Klägerin habe in kleinen Schritten korrigierende Neuerfahrungen mithilfe der Begegnungsmöglichkeiten in einer therapeutischen Kleingruppe sowie mit Patientinnen und Patienten machen können. Dieser Prozess habe ihr geholfen, ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung zu verbessern sowie positive Beziehungserfahrungen zu machen. Sie sei arbeitsfähig entlassen worden und habe eine Ausbildung zur Reisekauffrau beginnen wollen, was ihr großer Traum sei. Am 1. Dezember 2008 sei sie beim Frühsport wegen Schneeglätte ausgerutscht und habe sich eine Distorsion des rechten Sprunggelenkes mit einer fibulären Bandläsion zugezogen. Sie sei mit elastischen Salbenverbänden und einer Aircast-Orthese, die sie für sechs Wochen im Halbschuh tragen solle, versorgt worden.
Nach dem weiteren stationären Aufenthalt in dieser Klinik vom 20. Oktober bis 19. November 2013 diagnostizierte Dr. Z., mittlerweile Chefarzt, über die bislang angenommenen Krankheiten hinaus eine Myopie beiderseits und den Zustand nach einer Mehrfachlaserung (ICD-10 H52.1), ein trockenes Auge (ICD-10 H04.1), eine Hashimoto-Thyreoiditis (ICD-10 E06.3), einen Bruxismus (ICD-10 F45.8) sowie einen Vitamin-D-Mangel (ICD-10 E55.9). Im Aufnahmegespräch habe die Klägerin erwähnt, wieder sehr große Probleme mit ihrem Essverhalten zu haben. Von 2011 bis zum Folgejahr sei sie über Weight Watchers in der Lage gewesen, bis zu 30 kg abzunehmen. Seither habe sie jedoch wieder trotz häufiger Ernährungsberatung weit über dieses Gewicht hinaus zugenommen. Sie esse sehr viel Süßes. Oft fühle sie sich depressiv und antriebslos. Sie könne sich wenig konzentrieren. Daher falle ihr die berufliche Tätigkeit als Texterin über das Internet sehr schwer. Auslöser für ihre Stimmungstiefs seien, nachdem sie ihr Ehemann darauf aufmerksam gemacht habe, die Kontakte zur Mutter. Zum Vater habe sie ihn abgebrochen, aktuell auch zur Mutter, seitdem gehe es ihr viel besser. Der Kontakt der Geschwister untereinander sei spärlich bis gar nicht vorhanden. In der Familie habe sie die Rolle des schwarzen Schafes, gleichwohl die der Intelligentesten, wenn auch ohne praktische Fähigkeiten, gehabt. Sie sei ein sehr impulsives und explosives Kind gewesen. Mit anderen Personen habe sie oft Streit gehabt. Sie sei jedoch auch verträumt und fantasievoll gewesen, würde sehr viel lügen. Insgesamt fühle sie sich sehr schnell überfordert, schaffe täglich in der Regel nicht mehr als maximal drei bis vier Stunden zu arbeiten, einschließlich der Haushaltsführung. Sozial habe sie sich sehr zurückgezogen, obwohl sie alleine nichts machen könne. Die Wohnung, in der sie mit ihrem Ehemann und vier Katzen lebe, verlasse sie kaum. Um zu Hause eine Geräuschkulisse zu haben, laufe den ganzen Tag der Fernseher. Aufgrund der Adipositas habe sie Probleme mit den Gelenken, insbesondere schmerzten die Knie.
Dr. E., Assistenzärztin in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in M., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin am 20. und 21. Januar 2014 eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10 F60.31), eine Panikattacke (ICD-10 F41.0) und eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9). Sie habe über Schwierigkeiten in der Strukturierung des Tages berichtet. Gegen 11 Uhr stehe sie auf. Ihr gelinge jedoch nur eine Sache am Tag zu erledigen, etwa einen Korb Wäsche zusammenzulegen. Ihr Ehemann erledige den Haushalt und das Einkaufen. Sie habe Ein- und Durchschlafstörungen. Gegen 23 Uhr gehe sie ins Bett, schlafe aber erst nach zwei bis drei Stunden ein. Sie habe Spannungszustände, die sie über das Essen, vor allen Dingen Süßigkeiten, reguliere. Sie esse fast den ganzen Tag, wobei das Sättigungsgefühl fehle und sie sehr schnell Nahrung zu sich nehme. Sie habe Angst vor dem Alleinsein. Wenn sie über ihren kleinen, festen Freundeskreis hinaus Bekanntschaften schließe, komme es schnell zu Streit und sie werde als zu anstrengend erlebt. Kritik werte sie als Angriff. In Stresssituationen habe sie Flashbacks von den Gewalterfahrungen in der Kindheit und von der Vergewaltigung durch ihren früheren Freund.
Dr. L., Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, äußerte nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 26. Juni 2014, sie habe eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1), eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10 F60.31), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0), eine Panikstörung [episodisch paroxysmale Angst] (ICD-10 F41.0), eine generalisierte Angststörung (ICD-10 F41.1), Essattacken nicht organischen Ursprungs (ICD-10 F50.4), eine Adipositas permagna (ICD-10 E66.89), einen atypischen Gesichtsschmerz (ICD-10 G50.1), einen nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ II ohne Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (ICD-10 E11.90) sowie eine Hypothyreose (ICD-10 E03.9) diagnostiziert. Die Klägerin habe sich erstmalig vorgestellt und über eine seit zwei Jahren zunehmende depressive Symptomatik berichtet. In dieser Zeit habe sie 50 kg an Gewicht zugenommen. Anamnestisch hätten sich viele Hinweise auf eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ergeben. Hierfür habe vor allem die Hyperaktivität und Impulsivität im Kindesalter gesprochen. Eine entsprechende Testung in der ADHS-Ambulanz im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in M. sei bereits 2010 erfolgt. Trotz erfüllter Kriterien sei hingegen von der Diagnosestellung wegen der Komorbidität einer Borderline-Störung zunächst Abstand genommen worden. Gegebenenfalls sei es jedoch sinnvoll, im weiteren Verlauf eine entsprechende Medikation in die Wege zu leiten. Die Klägerin habe berichtet, nach wie vor durch ein ausgeprägtes Defizit bei der Strukturierung des Tages beeinträchtigt zu sein. Möglicherweise werde im weiteren Verlauf eine stundenweise berufliche Tätigkeit möglich sein. Sie habe Fluoxetin, 10 mg (1-0-0-0) verordnet, mit dem Ziel, die Dosis auf 20 mg zu erhöhen. Eine Verhaltenstherapie halte sie für erforderlich.
Dr. M., Fachärztin für Innere Medizin, hatte im Juli 2014 berichtet, die Klägerin leide an einem Borderline-Syndrom sowie einer Persönlichkeits- und Essstörung. Ihre soziale Integration sei erschwert beziehungsweise kaum möglich. Es bestehe eine massive Angststörung mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität und einer Gewichtszunahme. Die 1,62 m große Klägerin habe ein aktuelles Körpergewicht von 145 kg. Der Diabetes mellitus habe sich verschlechtert. Der HbA1c-Wert sei aktuell mit 7,8 mmol/l bestimmt worden. Die medikamentöse Behandlung sei intensiviert worden. Eine Diät sei nicht erfolgversprechend. Eine spastische Bronchitis beziehungsweise ein Infektasthma sei gering ausgeprägt. Eine Trigeminusneuropathie führe zu Schmerzen im Bereich des Kiefers und der Augenhöhle.
Das Landratsamt R. hatte zuletzt mit Bescheid vom 6. März 2014 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 den GdB mit 80 seit 22. Januar 2014 festgestellt. Dem lag die Einschätzung der Versorgungsärztin A. von August 2014 zugrunde, wonach eine seelische Störung und eine Essstörung einen Einzel-GdB von 70 sowie eine Trigeminusneuralgie beidseits einen Einzel-GdB von 20 zur Folge hätten. Ein Diabetes mellitus, ein Bronchialasthma und eine Unterfunktion der Schilddrüse erreichten jeweils keinen Einzel-GdB von mindestens 10.
Anlässlich des vom Landratsamt R. nahezu zwei Jahre später eingeleiteten Verfahrens zur Überprüfung des GdB beantragte die Klägerin am 16. August 2016 dessen Neufeststellung sowie die Anerkennung der Voraussetzungen des Merkzeichens "G".
Nachdem vom Verwaltungsträger medizinische Befundunterlagen beigezogen wurden, bewertete die Versorgungsärztin Dr. L. im November 2016 die seelische Störung mit Essstörung mit einem Einzel-GdB von 30 sowie die Trigeminusneuralgie beidseitig mit einem Einzel-GdB von 20, woraus ein Gesamt-GdB von 40 resultiere. Eine Adipositas permagna und eine Funktionsbehinderung des Kniegelenkes erreichten jeweils nur einen Einzel-GdB von 10. Ein Diabetes mellitus, eine Erkrankung der Schilddrüse und ein Wirbelsäulensyndrom seien jeweils für den GdB nicht relevant. Die Klägerin sei in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Daraufhin hörte der Verwaltungsträger die Klägerin mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 dazu an, der GdB betrage nur noch 40.
Die Klägerin trug ergänzend vor, woraufhin von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. der Bericht von Januar 2017 beigezogen wurde, wonach in vielen Bereichen Einschränkungen bestünden. Es fehlten soziale Kompetenzen. Zudem habe sie Ängste vor Menschenmengen, spezifische isolierte Phobien gegen Höhe und Hunde sowie eine geringe Konfliktfähigkeit, welche zu einer starken sozialen Isolation geführt habe. Wegen der massiven Ängste verlasse sie äußerst selten das Haus allein. Dies habe zu Komplikationen geführt, vor allem in Bezug auf eine adäquate Behandlung. Die Teilnahme an Schulungen wegen des Diabetes mellitus bei massiver Adipositas, welche meistens in Gruppen stattfänden, sei nicht möglich. Bei der Klägerin lägen schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vor. Seit vielen Jahren gelinge keine berufliche Integration. Aufgrund der emotionalen Instabilität liege eine ausgeprägte Stimmungslabilität vor, welche von Impulsdurchbrüchen begleitet sei. Die Klägerin befinde sich aktuell in einer ambulanten Psychotherapie.
Dr. S. ging in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Februar 2017 von einer seelischen Störung und einer Essstörung aus, die mit einem Einzel-GdB von 70 zu bewerten seien. Eine Trigeminusneuralgie beidseitig habe wie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, eine Funktionsstörung durch eine Fußfehlform und eine Adipositas permagna einen Einzel-GdB von 20 zur Folge, woraus ein Gesamt-GdB von 80 resultiere. In ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei die Klägerin hingegen nicht erheblich beeinträchtigt.
Daraufhin lehnte das Landratsamt R. mit Bescheid vom 8. März 2017 den Antrag auf Neufeststellung des GdB ab. Die Anerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" wurde ebenfalls versagt. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium S. mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2017 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. Juli 2017 Klage beim Sozialgericht M. (SG) erhoben, welches Dr. M., die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. sowie Dr. S., Facharzt für Orthopädie, schriftlich als sachverständige Zeuginnen und sachkundigen Zeugen befragt hat, welche im September 2017 und im Folgemonat geantwortet haben.
Dr. M. hat ausgeführt, sie habe die Klägerin zuletzt Mitte September 2017 behandelt. Zunehmende Schmerzen in der Wirbelsäule, den Kniegelenken und beiden Füßen erschwerten ihr das Gehen und Treppensteigen. Die psychiatrischen Auffälligkeiten hätten sich im Rahmen der medikamentösen Behandlung stabilisiert. Insgesamt habe sich jedoch eine schwere Anpassungsstörung gezeigt. Die Möglichkeit einer Resozialisierung bestehe nicht. Die Klägerin komme nur im häuslichen Umfeld zurecht. Daneben liege ein metabolisches Syndrom mit einem Diabetes mellitus Typ II und eine Hashimoto-Thyreoiditis vor. Infolge der chronischen Schmerzen und der Funktionseinschränkungen durch die Arthrose in den Kniegelenken sei die Gehfähigkeit eingeschränkt.
Von Dr. M. ist der Bericht von Dr. W., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, von Dezember 2015 übersandt worden, wonach sich die Klägerin unter Methylphenidat, 80 mg täglich relativ ausgeglichen gefühlt habe. Sie sei konzentriert und könne ihre Tätigkeit als Reiseberaterin ausüben. Die Beziehung zu ihrem Partner habe sich mit der Medikation gebessert.
Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. hat kundgetan, sie habe die Klägerin zuletzt im Juli 2017 behandelt. Die Stimmung sei teilweise niedergeschlagen und der Antrieb zeitweise deutlich vermindert gewesen. Essen sei zur Emotionsregulation benutzt worden, wobei mit der Medikation von Medikinet eine Stabilisierung habe erzielt werden können. Die Klägerin habe zudem gehäufte soziale sowie spezifische Ängste in Bezug auf Hunde, Höhe und Wasser bei einer insgesamt erhöhten Reizbarkeit und Impulsivität beschrieben. Es hätten Einschränkungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation bestanden. Sie habe über ein kleines, aber sozial stabiles Netzwerk verfügt. Sie sei nicht gruppenfähig, fühle sich dort sehr unwohl, sodass sie an einer erforderlichen Schulung wegen des Diabetes mellitus nicht habe teilnehmen können. Es falle ihr ebenfalls schwer, einer regelmäßigen, beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Tagesstrukturierung die nach wie vor schlecht. Aufgrund der Antriebsstörung könne sie etwa zwei Stunden am Stück das Bad putzen. Zusätzlich habe sie Schmerzen aufgrund einer Kniegelenksarthrose, links mehr als rechts, sodass sie kaum 100 m bis zur Bushaltestelle schaffe. Die Klägerin sei im Affekt reduziert schwingungsfähig und die Libido reduziert gewesen. Zur Spannungsreduktion sei deutlich vermehrt Nahrung zugeführt worden. Es habe ein sozialer Rückzug bestanden. Medikamentös sei mit Medikinet, 40 mg (1-1-0) eine bessere Emotionsregulation und eine Abnahme der Essattacken bei einer gleichzeitigen deutlichen Gewichtsreduktion gelungen, was sich sicherlich aktuell günstig auf die Diabeteserkrankung und die Einschränkung der Mobilität auswirke. Nach der abgeschlossenen Langzeitpsychotherapie im Juli 2017 sei ebenfalls eine deutliche Gewichtsreduktion benannt worden. Eine Konfrontation mit den Ängsten sei erfolgt. Es hätten sich bessere Kompetenzen zur Problemlösung und eine Konfliktfähigkeit eingestellt. Insgesamt sei die Klägerin jedoch deutlich eingeschränkt geblieben. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei der GdB versorgungsärztlich zutreffend bewertet worden. Es lägen keine fokalen oder sonstigen schweren Defizite im Sinne von Paresen oder Sensibilitätsstörungen vor. Eine Gewichtsabnahme wirke sich bezüglich der Mobilität sicherlich positiv aus. Aktuell sei es der Klägerin gelungen, sich alle drei Tage sportlich zu betätigen.
Von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. ist der Bericht der Dipl.-Psychologin J. von Juli 2017 vorgelegt worden, wonach sie sich nunmehr regelmäßig mit ihren Ängsten konfrontiere, etwa alleine Tagesreisen unternehme und wiederholt alleine im Urlaub gewesen sei. Zwischenmenschlich könne sie sich mehr in andere Menschen hineinversetzen. Sie könne Konflikte besser aushalten und klären. Eine vollständige Arbeitsfähigkeit sei jedoch nicht absehbar. Die Klägerin habe ihre Erfüllung darin gefunden, mehreren Katzen ein Zuhause zu geben. Deren Pflege strukturiere ihren Tag und stärke ihr Selbstvertrauen. Sie verfüge über ein kleines, aber stabiles soziales Netzwerk. Von der Medikation mit Medikinet habe sie deutlich profitieren können. Nach eigenen Angaben könne sie seitdem deutlich besser ihren Tag planen und durchführen, früher aufstehen sowie ihre Aufgaben besser bewältigen.
Dr. S. hat geäußert, er habe die Klägerin zuletzt im September 2017 behandelt. Im linken Knie sei eine Krepitation festgestellt worden. Die Durchblutung sei unauffällig und die Sensibilität vorhanden gewesen. Motorische Ausfälle seien keine aufgetreten. Kurze Gehstrecken seien der Klägerin mehrfach täglich bis 200 m möglich.
Die Dipl.-Psychologin J. hat auf Anforderung des SG im August 2017 über die ambulante Psychotherapie berichtet. Die Klägerin sei zur Behandlung einer Essstörung mit Gewichtsschwankungen in Form einer Binge-Eating-Störung bei einer Adipositas Grad III mit einem Body-Mass-Index von mehr als 60 kg/m² im Juli 2015 und eines Diabetes mellitus gekommen. Sie sei glücklich verheiratet. In der Woche verbringe sie mit bis zu 40 Stunden am Computer und mitunter 100 Stunden vor dem Fernseher viel Zeit zu Hause. Auffällig gewesen seien impulsiv gefärbte interpersonelle Konflikte mit ihrem Ehemann, den ihr verbliebenen wenigen Freunden und wiederholt mit ihr als Therapeutin selbst. Stationäre Behandlungen seien zuvor wegen Streitigkeiten mit therapierenden Personen sowie Mitpatientinnen und -patienten abgebrochen worden. Seit November 2015 habe es einen längeren Zwist mit einer niedergelassenen Ärztin für Psychiatrie gegeben, wobei selbst die Kassenärztliche Vereinigung einbezogen gewesen sei. Während der Therapie habe sie wiederholt die sie behandelnden Ärztinnen und Ärzte für Psychiatrie und Innere Medizin gewechselt, weil sie sich unverstanden gefühlt habe. Der Versuch, sich in das Berufsleben zu integrieren, sei mehrfach gescheitert. Die Klägerin habe zum einen große Schwierigkeiten in der Strukturierung des Tagesablaufes aufgewiesen. Sie sei erst gegen Mittag aufgestanden. Eine Vielzahl an Ängsten habe sie daran gehindert, die Wohnung zu verlassen. Zum anderen sei es bei zwei Arbeitsversuchen in einem Reisebüro zu interpersonellen Konflikten gekommen, woraufhin die Tätigkeit abgebrochen worden sei. Ein Fernstudium Tourismus habe sie bis heute nicht abgeschlossen. In diesem Zusammenhang habe ein Wechsel der Ausbildungsstätte stattgefunden, weil sich die Klägerin wiederholt über die Bewertung ihrer Tests beschwert habe, obwohl sie beinahe alle Punkte erzielt habe. Sie sei sich ihrer ausgeprägten interaktionellen Schwierigkeiten bewusst. Kritik werte sie schnell als Ablehnung ihrer Person und neige zu impulsivem Verhalten. Mit der Gabe von Medikinet sei es zu einer Verbesserung der Symptomatik der diagnostizierten ADHS gekommen. Die Klägerin habe zunehmend Erfolgserlebnisse für sich verbuchen, also ihren Tag besser strukturieren, sich mehr konzentrieren, ihr Gewicht stabil reduzieren und sich mit ihren Ängsten konfrontieren können. Sie gehe derzeit regelmäßig in ein Fitnessstudio, könne Freundschaften stabiler aufrechterhalten und übernehme Verantwortung für ihre Haustiere. Die Therapie sei in beidseitigem Einvernehmen beendet worden, weil es der Klägerin zunehmend gelungen sei, Krisen alleine zu bewältigen und sich nicht mehr verunsichern zu lassen. Die Stimmung habe sich bis auf gelegentlichen Schwankungen stabil gezeigt. Zwischenmenschliche Konflikte habe sie besser lösen können.
Dr. S., Facharzt für Orthopädie, ist vom SG zum Sachverständigen bestellt worden. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hat, den Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen zu können, ist er von seinen Pflichten entbunden worden. Im Mai 2018 hat sie erklärt, die Klage in Bezug auf die Anerkennung der orthopädischen Beschwerden bei der Feststellung des GdB und der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" zurückzunehmen.
Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. von März 2018 erklärt, der von ihm festgestellte Gesamt-GdB von 80 sei nach den durchgeführten Ermittlungen des SG sogar überhöht. Die gehörten Ärztinnen und Ärzte hätten eine beidseitige Trigeminusneuralgie nicht bestätigt. Nach der Auskunft der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. sei 2017 lediglich eine quartalsweise Vorstellung erfolgt. Nach dem psychopathologischen Befund sei die Klägerin zwar im Affekt reduziert schwingungsfähig gewesen. Eine Wahn- oder Ich-Störung habe jedoch nicht vorgelegen. An Sinnestäuschungen leide sie nicht. Medikamentös sei eine bessere Regulation der Emotionen gelungen. Eine Langzeitpsychotherapie sei Mitte 2017 erfolgreich abgeschlossen worden. Zwar sei der Hinweis erfolgt, dass weiterhin eine deutliche Einschränkung bestehe. Hieraus lasse sich aber kein höherer Einzel-GdB als bisher angenommen begründen, zumal auch die Trigeminusaffektion nicht mehr bestehe. Angegeben worden sei eine Strukturierung des Tagesablaufs infolge der Pflege mehrerer Katzen bei einem vorhandenen, wenn auch kleinen sozialen Netzwerk. Die Stimmung sei als stabil beschrieben worden. Infolge der Medikation könne die Klägerin deutlich besser ihren Tag planen und durchführen. Danach sei ein Einzel-GdB von 70 nicht einmal mehr begründbar. Dieser entspreche demgegenüber der Ausschöpfung des Korridors einer schweren Störung bei mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, was insbesondere unter Hinweis auf die durchgeführte Psychotherapie bei der Dipl.-Psychologin J. nicht mehr leidensgerecht erscheine. Der die Klägerin früher behandelnde Arzt Dr. W. habe im Dezember 2015 ausgeführt, sie habe eine Tätigkeit als Reiseberaterin ausüben können. Zudem habe sich die partnerschaftliche Problematik gebessert. Die Dipl.-Psychologin J. habe ferner beschrieben, dass sie Tagesreisen unternehme und wiederholt alleine im Urlaub gewesen sei, was bereits eine dauerhaft durchgehende schwere Störung als fraglich erscheinen lasse. Die Abbildung eines Einzel-GdB von 70 sei anhand der nervenärztlichen Befundberichte daher nicht nachvollziehbar.
Nachdem das SG einen Termin zur mündlichen Verhandlung im April 2018 anberaumt hat, ist von der Klägerin die Verlegung unter anderem mit dem Hinweis auf einen zweitägigen Aufenthalt mit ihrem Ehemann in einem Hotel bei F. beantragt worden. Seine Familie habe ihm zu seinem Geburtstag die Übernachtung geschenkt. Es habe eine Auszeit mit ihr sein sollen.
Das SG hat die Klage schließlich nach der mündlichen Verhandlung am 25. September 2018, bei der die Klägerin nicht anwesend gewesen ist, durch Urteil, in dem der wesentliche Inhalt des beigezogenen Berichts der Dipl.-Psychologin J. von August 2017 wiedergegeben worden ist, abgewiesen. Ein höherer Gesamt-GdB als 80 lasse sich nicht begründen, wie auch Dr. R. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme schlüssig aufgezeigt habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 4. Oktober 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dem SG seien inhaltliche und sachliche Fehler unterlaufen, die ihr zum Nachteil gereichten. Ihren Antrag, die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. wegen mehrfacher Verletzung der Wahrheitspflicht als Beweismittel und Prozessgegenstand auszuschließen, habe das SG nicht beschieden. Der Bericht der Dipl.-Psychologin J. sei nicht verwertbar. Er sei ihr nie vorgelegt worden sowie zudem über ein Jahr nach der angeblichen Erstellung und eineinhalb Jahre nach der letzten Sitzung auch inhaltlich veraltet. Die darin angesprochenen Erfolge habe sie ohne eine Therapie nicht beibehalten können. Mittlerweile bestünden keine sozialen Kontakte mehr. Ihre Ehe sei instabil. Sie sei nicht mehr in der Lage, ohne ihren Ehemann das Haus zu verlassen. Ohne ihn könne sie sich nicht um ihre Angelegenheiten kümmern, was auch ihre Hausärztin bekräftigt habe. Dem SG sei nicht bewusst gewesen, dass Katzen sehr eigenständige Tiere seien, die weniger Pflege und Zuwendung benötigten als etwa ein Hund. Bei der Versorgung fielen täglich zweimal ihre Fütterung, die Reinigung der Katzentoiletten sowie im gewissen Rahmen spielen und kuscheln an. Einen Großteil dieser Tätigkeiten übernehme ihr Ehemann, weil sie aus psychischen Gründen dazu oftmals nicht in der Lage sei. Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. habe in ihrer Auskunft die Termine bei ihr, nicht aber die Kontakte mit der Praxis festgehalten. Aufgrund der von ihr als Auszeit beschriebenen Hotelübernachtung mit ihrem Ehemann könne nicht darauf geschlossen werden, dass ihre Ehe nicht mehr mit Konflikten belastet sei. Jeder Ehetherapeut rate Paaren in Krisensituationen dazu, ihre Lage nach Möglichkeit in Ruhe zu besprechen. Das SG sei ferner zu Unrecht von einem dem Bescheid von September 2014 zugrunde liegenden untherapierten gesundheitlichen Zustand ausgegangen. Bei der Komplexität ihrer psychischen Störung spiele es keine Rolle, ob sich ihre dauerhaft hohen Anspannungszustände und gewissen Ängste verbessert hätten. Diese Fortschritte seien zu gering, als das nunmehr ein altersgerechter Zustand angenommen werden könne. Bei ihr lägen schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 25. September 2018 und den Bescheid vom 8. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2017 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihr unter Abänderung des Bescheides vom 6. März 2014 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2014 den Grad der Behinderung mit mindestens 90 festzustellen, hilfsweise ihre seelischen Erkrankungen als schwergradige soziale Anpassungsstörungen einzustufen und mit einem Einzel-Grad der Behinderung von mindestens 80 zu bewerten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, ihr Begehren sei nicht begründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin, deren persönliches Erscheinen der Senat nach Ausübung richterlichen Ermessens nicht für notwendig erachtete, aufgrund der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2019 über ihre Berufung entscheiden, da ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Mit der Terminsmitteilung wurde sie darüber unterrichtet, dass im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Ihre Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nach dem noch aufrechterhaltenen Klagebegehren das Urteil des SG vom 25. September 2018, soweit mit ihm die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin sinngemäß unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2017 (§ 95 SGG) die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung des GdB mit mindestens 90 unter Abänderung des Bescheides vom 19. September 2014 sowie hilfsweise die Einstufung ihrer seelischen Erkrankungen als schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten und Bewertung mit einem Einzel-GdB von mindestens 80 verfolgte, abgewiesen wurde. Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für diese Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 21. Februar 2019 stattfand.
Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage unbegründet. Die angefochtene und ihrem Begehren entgegenstehende Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), da sie keinen Anspruch auf Feststellung des GdB mit mindestens 90 hat.
Rechtsgrundlage für die verfolgte behördliche Anerkennung des GdB in dieser Höhe ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
Bei dem Abhilfebescheid vom 19. September 2014, womit der GdB mit 80 ab 22. Januar 2014 festgestellt wurde, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist indes keine wesentliche Änderung eingetreten. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin sind bis aktuell mit keinem höheren Gesamt-GdB als 80 anzuerkennen, wie vom Beklagten bereits vorgenommen wurde.
Ihr Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Von dieser Ermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 (177 f.)). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass für die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin nach Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014, insbesondere seit dem Antrag auf Neufeststellung des GdB vom 16. August 2016, kein höherer GdB als 80 anzuerkennen ist. Bei der Klägerin ist gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses dieser Verwaltungsentscheidung keine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Zu einer Verschlechterung der tatsächlichen - gesundheitlichen - Verhältnisse kam es ebenfalls nicht.
Dr. L. diagnostizierte im Juni 2014 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10-GM-2019 F33.1), eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10-GM-2019 F60.31), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2019 F43.1), eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10-GM-2019 F90.0), eine Panikstörung [episodisch paroxysmale Angst] (ICD-10-GM-2019 F41.0), eine generalisierte Angststörung (ICD-10-GM-2019 F41.1) sowie Essattacken nicht organischen Ursprungs, also nach der verschlüsselten ICD-10 F50.4 solche bei anderen psychischen Störungen, weswegen die Klägerin durch ein ausgeprägtes Defizit bei der Strukturierung ihres Tages beeinträchtigt war, wie sie ihr gegenüber berichtete. Dies steht in Einklang mit der Einlassung der Klägerin gegenüber Dr. E. fünf Monate zuvor, wonach sie Identisches erwähnte. Sie stand gegen 11 Uhr auf. Ihr gelang es, nur eine Sache am Tag zu erledigen, etwa einen Korb Wäsche zusammenzulegen. Ihr berufstätiger Ehemann erledigte im Wesentlichen den Haushalt und das Einkaufen. Im Herbst 2013 konnte sie sich wenig konzentrieren, wie sie Dr. Z. gegenüber angab. Sie fühlte sich oft depressiv und antriebslos sowie schnell überfordert. Ihr gelang es in der Regel nicht, mehr als maximal drei bis vier Stunden zu arbeiten, einschließlich der Haushaltsführung. Schon damals zog sie sich sozial sehr zurück und verließ die Wohnung kaum. Sie hielt sich bis zu 40 Stunden in der Woche am Computer auf. Fernsehen schaute sie in diesem Zeitraum mitunter 100 Stunden. Bereits Anfang 2014 hatte sie einen nur kleinen, festen Freundeskreis, wie Dr. E. festhielt. Die sachverständige Zeugin Dr. M. erhob Mitte 2014, dass ihre soziale Integration erschwert beziehungsweise kaum möglich war, was auf strukturelle Defizite in den Bereichen Selbststeuerung, Abwehr, Kommunikation, Bindung, Selbst- und Objektwahrnehmung sowie Konfliktbereitschaft zurückgeführt wurde, was Dr. v. W. bereits im Herbst 2008 feststellte. Es bestand eine massive Angststörung mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität, wie Dr. M. schlüssig aufzeigte. Die Klägerin war zudem schon seit 2013 arbeitsunfähig erkrankt.
Die auf die psychiatrischen Erkrankungen zurückzuführenden Funktionsbehinderungen nach Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 sind keinesfalls schlechter geworden. Die sachverständige Zeugin H., auf deren Kontaktfrequenz es dem Senat nicht ankam, erhob zwar Mitte 2017, dass sie Klägerin im Affekt reduziert schwingungsfähig und ihre Libido reduziert war. Zudem war ihre Stimmung teilweise niedergeschlagen und der Antrieb zeitweise deutlich vermindert. Trotz der weiterhin bestehenden gehäuften sozialen und spezifischen Ängste in Bezug etwa auf Hunde, Höhe und Wasser, wie sie Dr. v. W. ergänzt um Spritzen bereits im Herbst 2008 festgestellt hatte, bei einer insgesamt erhöhten Reizbarkeit und Impulsivität sowie der Einschränkungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation verfügte die Klägerin allerdings weiterhin über ein zwar kleines, aber stabiles soziales Netzwerk. Mit Medikinet wurde eine bessere Regulierung der Emotionen erreicht. Es zeigten sich bessere Kompetenzen zur Problemlösung und eine Konfliktfähigkeit. Am Ende der langfristigen ambulanten Psychotherapie im Juli 2017 konfrontierte sie sich regelmäßig mit ihren Ängsten, unternahm etwa alleine Tagesreisen und war wiederholt ohne begleitende Person im Urlaub, was der Senat dem Bericht der Dipl.-Psychologin J. von Juli 2017 entnimmt, welcher dem SG von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. übersandt und der Klägerin ausweislich des hierüber erstellten Aktenvermerkes mit gerichtlichem Schreiben vom 6. November 2017 zugeleitet wurde. Er wurde im Monat der Beendigung der ambulanten Psychotherapie erstellt, weshalb es fernliegt, ihn als veraltet anzusehen, wie die Klägerin meint. Zwischenmenschlich konnte sie sich mehr in andere Menschen hineinversetzen sowie Konflikte besser aushalten und klären. Die Klägerin fand ihre Erfüllung darin, mehreren Katzen ein Zuhause zu geben, was sie nach dem zweiten stationären Aufenthalt in der Akut- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin der H. Klink B. sogar von vier auf sechs Tiere ausweitete. Deren Pflege strukturierte ihren Tag und stärkte ihr Selbstvertrauen. Dem steht nicht entgegen, wie sie zuletzt vortrug, dass Katzen eigenständige Tiere sind und ihr Ehemann, der im Übrigen eine vollzeitige berufliche Tätigkeit als Anwendungsentwickler ausübt, einen Großteil ihrer Versorgung übernimmt. Von der Medikation mit Medikinet profitierte sie deutlich. Nach ihren eigenen Angaben konnte sie seitdem deutlich besser ihren Tag planen und durchführen, früher aufstehen sowie ihre Aufgaben besser bewältigen, was sogar auf eine Besserung des Gesundheitszustandes hindeutet. Es überzeugte den Senat nicht, wie die Klägerin im Berufungsverfahren vortrug, dass diese Erfolge nach Beendigung der langfristigen ambulanten Psychotherapie bei der Dipl.-Psychologin J. nicht anhielten. Denn die sachverständige Zeugin Dr. M. stellte nach ihrer Behandlung Mitte September 2017 fest, dass sich die psychiatrischen Auffälligkeiten im Rahmen der medikamentösen Behandlung, also sogar unabhängig dieser therapeutischen Maßnahme, mit dem Wirkstoff Methylphenidat stabilisierten. Gegenüber Dr. W. hatte die Klägerin schon Ende 2015 angeführt, sich damit ausgeglichen zu fühlen und sich konzentrieren zu können. Selbst die Beziehung zu ihrem Ehemann besserte sich hierdurch. Die Klägerin beschrieb ihre Ehe zuletzt zwar als instabil, gleichzeitig will sie aber ohne ihren Lebenspartner weder das Haus verlassen noch sich um ihre Angelegenheiten kümmern können. Im April 2018 suchte sie zudem um Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung unter anderem mit dem Hinweis auf einen zweitägigen Aufenthalt mit ihrem Ehemann in einem Hotel bei F. nach, was ein Geburtstagsgeschenk seiner Familie für ihn war, aber gleichzeitig ihnen eine Auszeit bereiten sollte. Dies stellt nicht nur einen Widerspruch dar, sondern unterstreicht, dass sie es oft mit der Wahrheit nicht genau nimmt, wie sie Dr. Z. preisgab. Ihm gegenüber beschrieb sie, dass sie sehr viel lügt. Die medizinische Einschätzung der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H., wonach sie in Bezug auf die durch die psychiatrischen Erkrankungen bedingten Funktionsstörungen derselben Auffassung war wie die Versorgungsärztin Dr. S. in ihrer Stellungnahme von Februar 2017, wonach insoweit kein höherer Einzel-GdB als 70 begründbar ist, untermauert, dass es zu keiner wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kam.
In Bezug auf bei Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 vorhandene Erkrankungen oder später neu aufgetretene Gesundheitsstörungen haben sich die tatsächlichen Verhältnisse ebenfalls nicht geändert.
Die unter anderem von Dr. L. diagnostiziere Adipositas permagna (ICD-10-GM-2019 E66.89) verschlechterte sich hinsichtlich der Folge- und Begleitschäden, insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- oder Bewegungsapparat, sowie der besonderen funktionellen Auswirkungen (vgl. VG, Teil B, Nr. 15.3) nicht. Knieschmerzen beidseits bei längerem Gehen beklagte die Klägerin bereits 2008, wie Dr. v. W. festhielt. Aufgrund ihrer Adipositas traten die Probleme mit den Gelenken auf, wie Dr. Z. erhob. Gegenüber der sachverständigen Zeugen H. beklagte sie zwar Mitte 2017, wegen der Schmerzen aufgrund einer Kniegelenksarthrose, links mehr als rechts, kaum 100 m bis zur Bushaltestelle zurücklegen zu können. Der sachverständige Zeuge Dr. S. schätzte demgegenüber im Herbst dieses Jahres bei einer wahrgenommenen Krepitation nachvollziehbar die mögliche Gehstrecke mit täglich mehrfach 200 m nachvollziehbar ein, zumal die Durchblutung und die Sensibilität vorhanden waren. Zudem traten keine motorischen Ausfälle auf. Außer zunehmenden Schmerzen in der Wirbelsäule und beiden Füßen, welche Dr. M. beschrieb, wurden keine damit verbundenen Funktionsbehinderungen objektiviert. Die während des ersten stationären Aufenthaltes in der Akut- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin der H. Klink B. erlittene Distorsion des rechten Sprunggelenkes mit einer fibulären Bandläsion wurde mit elastischen Salbenverbänden und einer Aircast-Orthese, die sie für sechs Wochen im Halbschuh tragen sollte, versorgt. Folgebeschwerden führte die Klägerin danach bei keiner ärztlichen Untersuchung an. Gegen eine spätere nennenswerte Beeinträchtigung wegen der Wirbelsäule oder Beine spricht zudem, dass sie sich Mitte 2017 immerhin alle drei Tage sportlich betätigte, vorwiegend in einem Fitnessstudio, wie die sachverständige Zeugin H. Mitte 2017 und die Dipl.-Psychologin J. in ihrem Bericht von August 2017 aufzeigten. Letzterer wurde insoweit im angefochtenen Urteil des SG inhaltlich wiedergegeben. Den Wahrheitsgehalt stellte die Klägerin anders als in Bezug auf zahlreiche andere Daten nicht in Abrede. Trotz ihrer im erstinstanzlichen Verfahren erfolgten prozessualen Erklärung, die Klage in Bezug auf die Anerkennung der orthopädischen Beschwerden bei der Feststellung des GdB zurückzunehmen, war hierauf einzugehen. Denn es handelt sich insoweit nicht um einen teilbaren Streitgegenstand, was sich daraus ergibt, dass die Träger der Versorgungsverwaltung gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur ermächtigt sind, eine - unbenannte - Behinderung und den Gesamt-GdB festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, BSGE 82, 176 (177 f.); Oppermann, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 69 SGB IX, Rz. 10), nicht aber einen Einzel-GdB für bestimmte Erkrankungen oder ein medizinisches Fachgebiet.
Aufgrund des von Dr. M. nach wie vor festgestellten nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ II ohne Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (ICD-10-GM-2019 E11.90) ist nach Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 keine Verschlechterung belegt. Der HbA1c-Wert von 7,8 mmol/l wurde bereits Mitte 2014 erhoben. Ohnehin wurde ihm mit einer Intensivierung der medikamentösen Behandlung begegnet, wie die behandelnde Hausärztin kundtat.
Die Hypothyreose (ICD-10-GM-2019 E03.9) beziehungsweise Hashimoto-Thyreoiditis (ICD-10-GM-2019 E06.3), welche Dr. v. W., Dr. L. und Dr. Z. aufführten, wird substituiert, wobei bei Funktionsstörungen der Schilddrüse wegen ihrer guten Behandelbarkeit anhaltende Beeinträchtigungen in der Regel ohnehin nicht zu erwarten sind (VG, Teil B, Nr. 15.6).
Die Trigeminusneuropathie führte bereits Mitte 2014 zu Schmerzen im Bereich des Kiefers und der Augenhöhle, wie Dr. M. darlegte. Dr. L. diagnostizierte im Juni 2014 insoweit einen atypischen Gesichtsschmerz (ICD-10-GM-2019 G50.1). Weitergehende Beeinträchtigungen wurden bis aktuell nicht festgestellt. Die sachverständige Zeugin H. erkannte insbesondere Mitte 2017 keine fokalen oder anderweitigen schweren Defizite im Sinne von Paresen oder Sensibilitätsstörungen.
Eine spastische Bronchitis beziehungsweine ein Infektasthma war bereits Mitte 2014 nur noch gering ausgeprägt, wie Dr. M. erhob. Eine eingetretene Verschlechterung führte die Klägerin in Bezug darauf genauso wenig an, wie wegen einer Myopie beiderseits und des Zustandes nach einer Mehrfachlaserung (ICD-10-GM-2019 H52.1), einem trockenen Auge (ICD-10-GM-2019 H04.1) sowie eines Bruxismus (ICD-10-GM-2019 F45.8). Diese Gesundheitsstörungen hielt Dr. Z. fest.
Mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse besteht damit kein Anspruch auf Neufeststellung des GdB, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beklagte bei Erlass des Abhilfebescheides vom 19. September 2014 zu Recht eine Einordnung der psychiatrischen Erkrankungen als schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 einen GdB-Rahmen von 50 bis 70 eröffnen, vornahm.
Der Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die behördliche Einstufung ihrer seelischen Erkrankungen als schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten und deren Bewertung mit einem Einzel-GdB von mindestens 80 begehrte, ist unzulässig, weshalb ihn der Senat ablehnte. Es handelt sich hierbei mangels Statthaftigkeit um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage, welche nur ausnahmsweise zulässig ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Ein korrespondierender prozessualer Anspruch hierauf besteht von vornherein nicht, was sich, wie aufgezeigt, ebenfalls daraus ergibt, dass die Träger der Versorgungsverwaltung gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur ermächtigt sind, eine - unbenannte - Behinderung und den Gesamt-GdB, nicht aber ein bestimmtes Ausmaß von Funktionsbeeinträchtigungen und einen Einzel-GdB für bestimmte Erkrankungen.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, ohne dass es auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. von März 2018 ankam, die ein qualifiziertes Beteiligtenvorbringen des Beklagten darstellte (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - B 5 R 45/16 B -, juris, Rz. 19).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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