Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 439/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 16/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Dezember 2018 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die am 18. Januar 2019 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr am 28. Dezember 2018 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Dezember 2018, mit dem die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, der Antragstellerin häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege im Umfang von 8 Stunden täglich von Montag bis Freitag als Sachleistung zu gewähren, hat keinen Erfolg.
Der Senat lässt dahingestellt sein, ob die Beschwerde bereits unzulässig ist, weil sie gegen eine Verpflichtung gerichtet ist, die einen bei Einlegung der Beschwerde bereits abgeschlossen Zeitraum der Vergangenheit betrifft. Darauf kommt es nicht an, weil der Beschluss des Sozialgerichts auch in der Sache nicht zu beanstanden ist.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Das setzt das Bestehen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs voraus, die beide glaubhaft zu machen sind. An der Eilbedürftigkeit der Sicherung einer Betreuung und Überwachung während eines Aufenthalts der Antragstellerin in der Kita (Anordnungsgrund) kann angesichts des in dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 24. Oktober 2018 beschriebenen Gesundheitszustands der Antragstellerin kein Zweifel bestehen. Wegen der wiederkehrenden epileptischen Anfälle ist nicht ersichtlich, dass verantwortet werden könnte, die Antragstellerin ohne besondere Betreuung eine Kita besuchen zu lassen.
Auch ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Entscheidung über den entsprechend der vertragsärztlichen Verordnung vom 17. Juli 2018 gestellten Antrag auf Bewilligung von häuslicher Krankenpflege in der Form der Behandlungspflege ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin diesen Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt hat. Der Beigeladene ist nicht nach § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zuständig geworden.
Ein Wechsel der Zuständigkeit im Außenverhältnis für einen gestellten Antrag auf Teilhabeleistungen tritt nach § 14 Abs. 1 SGB IX ein, wenn der Antrag von dem erstangegangenen Rehabilitationsträger innerhalb einer Frist von 14 Tagen an den seiner Ansicht nach zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet wird (Ulrich in jurisPK SGB IX, 3. Aufl., § 14 Rn 88). Viel spricht hier zwar dafür, dass es sich bei der beantragten Behandlungspflege um eine Teilhabeleistung im Sinne des § 4 SGB IX handelt. Die Antragstellerin ist mit ihrem Anfallsleiden ein Mensch mit Behinderungen, der Hilfe bedarf, um altersgerecht am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Bei der beantragten Begleitung, Beobachtung und Unterstützung kann es sich der Sache nach um eine Form der Behandlung (Behandlungspflege) im Sinne des § 42 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX oder um heilpädagogische Leistungen im Sinnen des § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX handeln (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen v. 27. August 2013 - L 9 SO 211/13 B ER - juris Rn 7/8). Damit ist dann der Anwendungsbereich des § 14 SGB IX eröffnet, so dass die Antragsgegnerin ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den bei ihr gestellten Antrag durch rechtzeitige Weiterleitung grundsätzlich an den Beigeladenen abdrängen konnte. Das setzte aber die rechtzeitige Weiterleitung des gestellten Antrags voraus, die der Senat hier indessen nicht feststellen kann.
Zwar kommt es nach der Rechtsprechung des BSG für die Rechtzeitigkeit der Weiterleitung innerhalb der in § 14 SGB IX geregelten Frist von zwei Wochen auf den Zeitpunkt der Abgabe des Antrags durch den ersten Rehabilitationsträger an, nicht auf den Eingang bei dem zweiten Rehabilitationsträger (BSG v. 3. November 2011 - B 3 KR 8/11 R - juris Rn 11). Die Antragsgegnerin hat aber nicht glaubhaft machen können, dass sie die Verordnung und den Antrag bereits am 27. Juli 2018 an den Beigeladenen weitergeleitet hat. Allein der Umstand, dass sich in ihrer Verwaltungsakte ein entsprechendes Schreiben mit Datum vom 27. Juli 2018 findet, reicht dafür nicht aus. Denn der Beigeladene hat vorgetragen, dass die Unterlagen erst am 17. August 2018 und damit nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist bei ihm eingegangen seien. Nachweise dafür, wann das Schreiben vom 27. Juli 2018 an den Beigeladenen abgesandt worden ist, hat die Antragsgegnerin nicht vorgelegt. Angesichts der weitreichenden Folgen der rechtzeitigen Weiterleitung eines Antrags auf Teilhabeleistungen für die Zuständigkeit des Leistungsträgers kann es nicht zum Nachteil des Leistungsberechtigten gereichen, dass sich die Einhaltung der Weiterleistungsfrist nicht klären lässt. Da die rechtzeitige Weiterleitung die Antragsgegnerin von ihrer Leistungspflicht nach außen gegenüber der Antragstellerin entlasten würde, hat sie die negativen Folgen der Nichterweislichkeit dieses Umstandes zu tragen. Aus diesem Grund muss sie sich an der Zuständigkeit festhalten lassen, die von der Antragstellerin mit der Stellung des Antrags zunächst bei ihr begründet worden ist.
Das Sozialgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass für den bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag eine Genehmigungsfiktion eingetreten ist. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin kommt es insoweit nicht darauf an, ob § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hier Anwendung finden kann. Denn aus dem mit Wirkung vom 1. Januar 2018 in Kraft getretenen § 18 Abs. 3 SGB IX ergibt sich insoweit nichts anderes. Die in dieser Vorschrift geregelte Genehmigungsfiktion führt zu einem Sachleistungsanspruch, sie setzt nach dem Gesetzeswortlaut nur voraus, dass über einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Monaten entschieden worden ist, ohne dass einer der in § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1-3 SGB IX genannten Gründe vorgelegen hat (Ulrich in jurisPK SGB IX, 3. Aufl., § 18 Rn 42, 69, 69.1).
Die Frist von zwei Monaten begann mit dem Eingang des Antrags bei der Antragsgegnerin am 16. Juli 2018. Die Antragsgegnerin hat nicht innerhalb von zwei Monaten in der Sache über den Antrag entschieden, sondern geltend gemacht, dass ihrer Ansicht nach die Zuständigkeit des Beigeladenen besteht. Soweit die Antragsgegnerin den MDK mit einem Gutachten beauftragt und die Eltern der Antragstellerin zur Abgabe einer Einverständniserklärung für die Beiziehung und Auswertung von medizinischen Unterlagen aufgefordert hatte, betraf das nach Aktenlage nicht den hier streitigen am 16. Juli 2018 gestellten Antrag, sondern einen anderen vorher für einen früheren Zeitraum gestellten Antrag. Für eine Verlängerung der Frist von zwei Monaten ist daher nichts ersichtlich. Abgesehen davon wäre auch eine verlängerte Frist mittlerweile verstrichen.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
Die am 18. Januar 2019 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr am 28. Dezember 2018 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Dezember 2018, mit dem die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, der Antragstellerin häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege im Umfang von 8 Stunden täglich von Montag bis Freitag als Sachleistung zu gewähren, hat keinen Erfolg.
Der Senat lässt dahingestellt sein, ob die Beschwerde bereits unzulässig ist, weil sie gegen eine Verpflichtung gerichtet ist, die einen bei Einlegung der Beschwerde bereits abgeschlossen Zeitraum der Vergangenheit betrifft. Darauf kommt es nicht an, weil der Beschluss des Sozialgerichts auch in der Sache nicht zu beanstanden ist.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Das setzt das Bestehen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs voraus, die beide glaubhaft zu machen sind. An der Eilbedürftigkeit der Sicherung einer Betreuung und Überwachung während eines Aufenthalts der Antragstellerin in der Kita (Anordnungsgrund) kann angesichts des in dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 24. Oktober 2018 beschriebenen Gesundheitszustands der Antragstellerin kein Zweifel bestehen. Wegen der wiederkehrenden epileptischen Anfälle ist nicht ersichtlich, dass verantwortet werden könnte, die Antragstellerin ohne besondere Betreuung eine Kita besuchen zu lassen.
Auch ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Entscheidung über den entsprechend der vertragsärztlichen Verordnung vom 17. Juli 2018 gestellten Antrag auf Bewilligung von häuslicher Krankenpflege in der Form der Behandlungspflege ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin diesen Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt hat. Der Beigeladene ist nicht nach § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zuständig geworden.
Ein Wechsel der Zuständigkeit im Außenverhältnis für einen gestellten Antrag auf Teilhabeleistungen tritt nach § 14 Abs. 1 SGB IX ein, wenn der Antrag von dem erstangegangenen Rehabilitationsträger innerhalb einer Frist von 14 Tagen an den seiner Ansicht nach zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet wird (Ulrich in jurisPK SGB IX, 3. Aufl., § 14 Rn 88). Viel spricht hier zwar dafür, dass es sich bei der beantragten Behandlungspflege um eine Teilhabeleistung im Sinne des § 4 SGB IX handelt. Die Antragstellerin ist mit ihrem Anfallsleiden ein Mensch mit Behinderungen, der Hilfe bedarf, um altersgerecht am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Bei der beantragten Begleitung, Beobachtung und Unterstützung kann es sich der Sache nach um eine Form der Behandlung (Behandlungspflege) im Sinne des § 42 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX oder um heilpädagogische Leistungen im Sinnen des § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX handeln (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen v. 27. August 2013 - L 9 SO 211/13 B ER - juris Rn 7/8). Damit ist dann der Anwendungsbereich des § 14 SGB IX eröffnet, so dass die Antragsgegnerin ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den bei ihr gestellten Antrag durch rechtzeitige Weiterleitung grundsätzlich an den Beigeladenen abdrängen konnte. Das setzte aber die rechtzeitige Weiterleitung des gestellten Antrags voraus, die der Senat hier indessen nicht feststellen kann.
Zwar kommt es nach der Rechtsprechung des BSG für die Rechtzeitigkeit der Weiterleitung innerhalb der in § 14 SGB IX geregelten Frist von zwei Wochen auf den Zeitpunkt der Abgabe des Antrags durch den ersten Rehabilitationsträger an, nicht auf den Eingang bei dem zweiten Rehabilitationsträger (BSG v. 3. November 2011 - B 3 KR 8/11 R - juris Rn 11). Die Antragsgegnerin hat aber nicht glaubhaft machen können, dass sie die Verordnung und den Antrag bereits am 27. Juli 2018 an den Beigeladenen weitergeleitet hat. Allein der Umstand, dass sich in ihrer Verwaltungsakte ein entsprechendes Schreiben mit Datum vom 27. Juli 2018 findet, reicht dafür nicht aus. Denn der Beigeladene hat vorgetragen, dass die Unterlagen erst am 17. August 2018 und damit nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist bei ihm eingegangen seien. Nachweise dafür, wann das Schreiben vom 27. Juli 2018 an den Beigeladenen abgesandt worden ist, hat die Antragsgegnerin nicht vorgelegt. Angesichts der weitreichenden Folgen der rechtzeitigen Weiterleitung eines Antrags auf Teilhabeleistungen für die Zuständigkeit des Leistungsträgers kann es nicht zum Nachteil des Leistungsberechtigten gereichen, dass sich die Einhaltung der Weiterleistungsfrist nicht klären lässt. Da die rechtzeitige Weiterleitung die Antragsgegnerin von ihrer Leistungspflicht nach außen gegenüber der Antragstellerin entlasten würde, hat sie die negativen Folgen der Nichterweislichkeit dieses Umstandes zu tragen. Aus diesem Grund muss sie sich an der Zuständigkeit festhalten lassen, die von der Antragstellerin mit der Stellung des Antrags zunächst bei ihr begründet worden ist.
Das Sozialgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass für den bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag eine Genehmigungsfiktion eingetreten ist. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin kommt es insoweit nicht darauf an, ob § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hier Anwendung finden kann. Denn aus dem mit Wirkung vom 1. Januar 2018 in Kraft getretenen § 18 Abs. 3 SGB IX ergibt sich insoweit nichts anderes. Die in dieser Vorschrift geregelte Genehmigungsfiktion führt zu einem Sachleistungsanspruch, sie setzt nach dem Gesetzeswortlaut nur voraus, dass über einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Monaten entschieden worden ist, ohne dass einer der in § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1-3 SGB IX genannten Gründe vorgelegen hat (Ulrich in jurisPK SGB IX, 3. Aufl., § 18 Rn 42, 69, 69.1).
Die Frist von zwei Monaten begann mit dem Eingang des Antrags bei der Antragsgegnerin am 16. Juli 2018. Die Antragsgegnerin hat nicht innerhalb von zwei Monaten in der Sache über den Antrag entschieden, sondern geltend gemacht, dass ihrer Ansicht nach die Zuständigkeit des Beigeladenen besteht. Soweit die Antragsgegnerin den MDK mit einem Gutachten beauftragt und die Eltern der Antragstellerin zur Abgabe einer Einverständniserklärung für die Beiziehung und Auswertung von medizinischen Unterlagen aufgefordert hatte, betraf das nach Aktenlage nicht den hier streitigen am 16. Juli 2018 gestellten Antrag, sondern einen anderen vorher für einen früheren Zeitraum gestellten Antrag. Für eine Verlängerung der Frist von zwei Monaten ist daher nichts ersichtlich. Abgesehen davon wäre auch eine verlängerte Frist mittlerweile verstrichen.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
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