S 34 LW 3/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 34 LW 3/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 14/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beklagte hat die 34. Kammer des Sozialgerichts Dortmund auf die mündliche Verhandlung vom 07.09.2012 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht als weiterer aufsichtführender Richter Schorn sowie den ehrenamtlichen Richter Kocks und den ehrenamtlichen Richter Lüneburg für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Regelaltersrente. Der im Jahre 1938 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Landwirt pflichtversichert. Er bewirtschaftet 39,30 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 1,26 ha forstwirtschaftliche Nutzfläche. Den Rentenantrag des Klägers vom 01.02.2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.09.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2010 ab. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG erhielten landwirtschaftliche Unternehmer Altersrente unter anderem nur dann, wenn das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben sei. Die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens nach Maßgabe des § 21 ALG sei durch den Kläger nicht erfolgt Die landwirtschaftlichen Nutzflächen des Klägers überstiegen die Mindestgröße des § 21 Abs. 7 ALG um ein Vielfaches. Obwohl der Kläger im August 2003 die Regelaltersgrenze erreicht habe und auch die beitragsmäßigen Voraussetzungen erfüllt seien, bestehe damit kein Rentenanspruch, weil das Unternehmen nicht abgegeben sei. Zur Begründung der am 18.01.2011 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Hofabgabe sei aus familiären Gründen bislang nicht möglich gewesen. Die Hofabgabevoraussetzung sei mit verfassungsgemäßen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen. Sie verstoße gegen das Rechtstaatprinzip gem. Artikel 20 Abs. 3 GG und greife in unzulässiger Weise in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ein. Mit der Hofabgabe könne keine Steuerung des agrarsozialen Sicherungssystems durch die Verbindung mit der Rentengewährung mehr erfolgen. Die Hofabgabeklausel sei nicht mehr als zeitgemäß und gerecht anzusehen. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.09.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2010 zu verurteilen, ihm ab Antragsteifung Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für rechtmäßig. Zudem sei es dem Kläger möglich, durch die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens an seine Ehefrau gem. § 21 Abs. 9 ALG die Rentenberechtigung zu erlangen. Das Gericht hat den Beteiligten im Interesse der Prozessökonomie am 25.08.2011 und in der mündlichen Verhandlung am 07.09.2012 einen Unterwerfungsvergleich unter mehrere gleichgelagerte Berufungsverfahren des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen bzw. nunmehr Nichtzulassungsbeschwerden bei dem Bundessozialgericht vorgeschlagen. Dies hat der Kläger abgelehnt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben Vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten erweist sich als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente, weil er sein Unternehmen der Landwirtschaft bislang nicht abgegeben hat. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG setzt der Anspruch auf Regelaltersrente aus der Alterssicherung der Landwirte voraus, dass das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Die Voraussetzungen der Abgabe sind in § 21 ALG geregelt. Nach § 21 Abs. 7 i.V.m. § 84 Abs. 5 ALG gilt ein Unternehmen der Landwirtschaft auch dann als abgegeben, wenn der Flächenwert des nicht abgegebenen Teils 25 v.H. der von der landwirtschaftlichen Alterskasse festgelegten Mindestgröße nicht überschreitet. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Abgabe nicht. Er bewirtschaftet landwirtschaftliche Flächen in einer den zulässigen Rückbehalt übersteigenden Größe. Schwierigkeiten bei der Unternehmensabgabe, wie sie der Kläger wegen seiner familiären Situation vorträgt, können die vom Gesetz vorbehaltlos verlangte Abgabe weder erfüllen noch ersetzen (BSG, Urteil vom 25.02.2010, Az.: B 10 LW 1/09 R, SozR 4-5868 § 13 Nr. 5). Im Übrigen hindert die familiäre Situation den Kläger nicht, sein landwirtschaftliches Unternehmen außerhalb der Familie zu verkaufen oder zu verpachten oder auf sonstige Art und Weise abzugeben. Schließlich hat er die Möglichkeit, die Voraussetzungen einer Rentengewährung durch die Abgabe an seine Ehefrau gem. § 21 Abs. 9 ALG zu erfüllen. Die Kammer hält die Hofabgabevoraussetzungen der §§ 11, 21 ALG entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundessozialgerichts und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen für verfassungsgemäß. Auf die den Beteiligten bekannten Entscheidungsbegründungen wird Bezug genommen (BVerfG, Beschluss vom 01.03.2004, Az.: 1 BvR 2099/03, SozR 4- 5868 § 1 Nr. 3; BSG, a.a.O.; BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az.: B 10 LW 3/07 R; LSG NRW, Urteile vom 19.10.2011, Az.: L8 LW 5/11, L 8 LW 7/11, L 8 LW 8/11, L 8 LW 9/11, L 8 LW 1 4/11, L 8 LW 15/11, L 8 LW 16/11, L 8 LW 17/11; S.a. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.05.2012, Az.: L 2 LW 4/12; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2012, Az.: L 10 LW 4296/10). Darüber hinaus berücksichtigt die Kammer, dass der Gesetzgeber mit dem am 19.04.2012 in Kraft getretenen LSV-Neuordnungsgesetz ausdrücklich an der Hofabgabeverpflichtung festgehalten hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Bundestagdrucksache 17/7916 vom 28.11.2011, Seite 42) stellt die Hofabgabeverpflichtung nach wie vor ein zentrales und zeitgemäßes Element der Agrarstrukturpolitik dar. Eine Abschaffung der Hofabgabeverpflichtung würde demnach zu spürbaren negativen Folgen in der Landwirtschaft sowie zu nachteiligen finanziellen Auswirkungen in der Alterssicherung der Landwirte führen. Die Hofabgabe sei als Voraussetzung für den Bezug einer Altersrente höchstrichterlich wiederholt bestätigt worden. Unter anderem habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden, dass die gesetzliche Voraussetzung der Hofabgabe mit dem Sozialstaatsprinzip, der.Eigentumsgarantie, dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar sei. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Hofabgabe seien im Laufe der Zeit an die sich ändernden agrarpolitischen Bedingungen immer wieder angepasst worden, so dass bereits das bisher geltende Recht für die Landwirte vielfältige Möglichkeiten bereit halte, dem Erfordernis der Hofabgabe gerecht zu werden. Um den Veränderungen in der Landwirtschaft Rechnung zu tragen, solle nunmehr für bestimmte Fallgestaltungen eine Modifizierung der Abgabevorschriften erfolgen. Dabei würden auch Vorschläge aus dem Berufsstand aufgegriffen. Auch im Hinblick auf diese aktuelle Befassung des Gesetzgebers mit der Hofabgabeverpflichtung hat die Kammer keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung zu ihrer Verfassungsgemäßheit abzuweichen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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