L 4 KA 57/16 Beglaubigte Abschrift

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 2 KA 663/14 (SG Kiel)
Datum
-
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 57/16 Beglaubigte Abschrift
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 12/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Diskriminierung von Ärzten mit anteiligen Versorgungsauftrag. Eine KÄV darf Wachstumsmöglichkeiten über den Fachgruppendurchschnitt hinaus, die Ärzten mit vollen Versorgungsauftrag eingeräumt sind, Ärzten mit halben Versorgungsauftrag nicht vollständig verweigern.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozial- gerichts Kiel vom 14. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt ¼ und die Beklagte ¾ der Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 60.164,77 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Honorarabrechnung für die Quartale II/13 und III/13. Strittig ist zwischen den Beteiligten dabei insbesondere die Vergütung ihrer Mitglieder, die anteilige Arztstellen innehaben. Zuvor stritten die Beteiligten auch noch um die Vergütung sog. Wachstumsärzte auf Grundlage der Bildung einer Obergrenze anstelle eines Regelleistungsvolumens / qualifikationsgebundenes Zusatzvolumens (RLV/QZV) nach den allgemeinen Regelungen.

Die Klägerin ist eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) für Orthopädie, Unfallchirurgie und Chirurgie. Ihre Mitglieder Dr. F , Dr. R , Dr. B , Dr. S , Dr. K , Dr. G , Dr. Ka und Frau G sind Fachärzte für Orthopädie. Dr. H , Herr J und Dr. L sind Fachärzte für Chirurgie und Dr. D ist Facharzt für Neurochirurgie. In den streitgegenständlichen Quartalen II/13 und III/13 waren Dr. H , Dr. K , Dr. L , Frau G , und Herr J noch Wachstumsärzte. Herr und Frau G sowie Dr. R und F füllten in den streitigen Quartalen anteilige Arztstellen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag aus. Dr. R und F haben zum 1. Januar 2011 je einen halben Arztsitz von dem vormaligen Mitglied der Klägerin Dr. R übernommen.

Mit Bescheid vom 18. April 2013 wies die Beklagte der Klägerin eine Obergrenze ihres Gesamtvolumens für das Quartal II/13 in Höhe von 360.907,36 EUR zu. Die Beklagte ermittelte für die (etablierten) Ärzte Dr. D , B , Dr. Ka und Dr. S l ein in RLV und QZV aufgeteiltes Gesamtvolumen. Für die Wachstumsärzte Dr. H , Herrn J , Dr. K und Dr. L ermittelte sie eine Obergrenze. Diese ermittelte sie aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV). Für die anteilig tätigen Ärzte wurde das RLV ebenfalls aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV) gebildet, wobei dieses Produkt mit einen Anpassungsfaktor von 0,5 multipliziert wurde. Die maßgebliche Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe der Orthopäden lag dabei bei 1.038,7, so dass für das RLV der Ärzte mit anteiligen Arztstellen effektiv 519,4 Fälle zugrunde gelegt wurde. Tatsächlich war die Fallzahl der Ärzte Dr. R und F im Quartal II/12 höher. Diese lag zusammen bei insgesamt 1.615,3. Die Beklagte sah für alle Ärzte einen BAG-Aufschlag in Höhe von 10 % des ermittelten Volumens vor.

Mit Honorarbescheid vom 14. Oktober 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin für das Quartal II/13 ein Honorar in Höhe von 604.808,68 EUR. Die Forderung der Klägerin für RLV/QZV-relevante Leistungen betrug 408.213.02 EUR, die Beklagte legte der Abrechnung aber nur ein bereitgestelltes Gesamtvolumen in Höhe von 334.930,82 EUR zu Grunde. Die Differenz zur vorhergegangenen RLV-Mitteilung ergab sich aus der Berechnung niedriger Volumina für Dr. H und Herrn J gegenüber dem Mitteilungsbescheid. Für diese Ärzte war im Mitteilungsbescheid ein Volumen in Höhe von 25.650,35 EUR erhöht um einen BAG-Aufschlag in Höhe von 2.565.04 EUR zu Grunde gelegt worden. In der Honorarabrechnung fanden sich eine individuelle Obergrenze in Höhe von 11.950,65 EUR (H ) und 7.168,33 EUR (J ), jeweils erhöht um einen 10%igen BAG-Zuschlag. Die individuelle Obergrenze ermittelte die Beklagte jeweils aus der individuellen Fallzahl, multipliziert mit dem 1,5 fachen des arztgruppenspezifischen Fallwerts. Für die anteilig tätigen Ärzte wurde das im Mitteilungsbescheid ermitteltet pauschalierte Volumen zu Grunde gelegt.

Gegen die genannten Bescheide richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 30. Oktober 2013.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2013 wies die Beklagte der Klägerin eine Obergrenze ihres Gesamtvolumens für das Quartal III/13 in Höhe von 346.280,83 EUR zu. Die Beklagte ermittelte für die (etablierten) Ärzte Dr. D , B , Dr. Ka und Dr. S ein in RLV und QZV aufgeteiltes Gesamtvolumen. Für die Wachstumsärzte Dr. H , Dr. K , Herrn J und Dr. L ermittelte sie eine Obergrenze aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV). Für die anteilig tätigen Ärzte wurde das RLV ebenfalls aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV) gebildet, wobei dieses Produkt mit einem Anpassungsfaktor von 0,5 multipliziert wurde. Die maßgebliche Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe der Orthopäden lag dabei bei 1.060,1, so dass für das RLV der Ärzte mit anteiligen Arztstellen effektiv 530,1 Fälle zugrunde gelegt wurde. Tatsächlich war die Fallzahl der Ärzte Dr. R und F im Quartal III/12 höher. Diese lag zusammen insgesamt bei 1.552,0. Die Beklagte sah für alle Ärzte einen BAG-Aufschlag in Höhe von 10 % des ermittelten Volumens vor.

Mit Honorarbescheid vom 14. Januar 2014 gewährte die Beklagte der Klägerin für das Quartal III/13 ein Honorar in Höhe von 644.941,14 EUR. Die Forderung der Klägerin für RLV/QZV-relevante Leistungen betrug 410.017,26 EUR, die Beklagte legte der Abrechnung aber nur ein bereitgestelltes Gesamtvolumen in Höhe von 346.280,83 EUR entsprechend der im Mitteilungsbescheid vom 2. Juli 2013 genannten Summe zu Grunde. Auch Dr. H und Herr J "erwirtschafteten" das mitgeteilte Volumen durch ihre individuelle Fallzahl und den 1,5 fachen Fallwert. Für die anteilig tätigen Ärzte wurde das im Mitteilungsbescheid ermitteltet pauschalierte Volumen zu Grunde gelegt.

Gegen diese Bescheide richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 14. Februar 2014.

Einen Antrag der Ärzte Dr. F und Dr. R auf Aussetzung der Reduktion von RLV und QZV (gemeint sind Sonderregelungen für anteilig tätige Ärzte) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2013 ab. Dagegen richtet sich der Widerspruch vom 19. August 2013.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2014 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung stellte sie die gesetzlichen Regelungen zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ab 1. Januar 2012 und die in Sa aufgrund des dortigen Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) geltenden Ausführungsregelungen dazu dar. Rechtliche Bedenken gegen die Sonderregelung für Vertragsärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag ab dem Quartal II/13 teile sie nicht. In Hinblick auf die Möglichkeit eines hälftigen Versorgungsauftrages nach § 95 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sehe das Gesetz in § 87b Abs. 2 SGB V ausdrücklich Maßnahmen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes über seinen Versorgungsauftrag hinaus vor. Eine sachliche Rechtfertigung für die Regelung ergebe sich daher bereits aus dem Gesetz. Sie sei auch verpflichtet die bundesrechtlichen Vorgaben umzusetzen. Eine Rechtsgrundlage, aufgrund derer dem Anliegen der Klägerin zu Ungunsten anderer Mitglieder hätte entsprochen werden können, sei nicht zu erkennen. Anzumerken sei, dass Entscheidungen über die Erhöhung von RLV äußerst restriktiv zu treffen seien. Das klägerische Anliegen falle auch nicht unter die im gültigen HVM genannten Regelungen zu Praxisbesonderheiten, Härtefällen und Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung. Es liege auch keine unbillige Härte vor.

Mit der am 18. Dezember 2014 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie halte das Verteilungssystem der Beklagten für die nicht eindeutig zuordbaren RLV-Fälle anhand von Versichertenpauschalen für rechtswidrig. Dieser Verteilungsmechanismus ermögliche keine Kalkulierbarkeit im Abrechnungsquartal. Rechtswidrig sei auch die RLV-Bemessung für Ärzte mit anteiligen Arztstellen. Diesbezüglich sei die Beklagte gehalten gewesen, jedenfalls im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine für sie günstigere Entscheidung zu treffen, da sich die Gesamtzahl ihrer RLV-Fälle nicht signifikant verändert habe. Es sei lediglich zu einer Verschiebung der Fallzahlen innerhalb der BAG gekommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Honorarabrechnungen für die Quartale II/13 und III/13 sowie die zugrunde liegenden RLV-/QZV-Mitteilungen in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechts- auffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,

hilfsweise,

den Härtefallbescheid vom 16. Juli 2013 und die Honorarabrechnung für die Quartale II/13 und III/13 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 3. Dezember 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid wiederholt und vertieft. So habe die Begründung zum damaligen § 85 Abs. 4 SGB V ausgeführt, dass Regelungen sicherzustellen hätten, dass Vertragsärzte, die nur über einen hälftigen Versorgungsauftrag verfügten, nicht über diesen Versorgungsauftrag hinaus tätig würden und entsprechend abrechneten. Es sei auch sachgerecht, zur Begrenzung der Vertragsärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag den arztstellengewichteten durchschnittlichen Umsatz der jeweiligen Arztgruppe im Vorjahresquartal heranzuziehen. Dadurch finde eine Entwicklung an die Anpassung der Fachgruppe statt. Wenn die gesamte Vergleichsgruppe im Durchschnitt mehr Leistungen erbringe, steige auch die Vergütungsobergrenze der Vertragsärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei nicht festzustellen. Vertragsärzte mit einem anteiligen Versorgungsauftrag hätten sich bewusst und freiwillig in die Situation einer verringerten Tätigkeit begeben, die naturgemäß wegen der damit einhergehenden Leistungsbeschränkung mit geringeren Einkommen verbunden sei.

Mit Urteil vom 14. Juni 2016 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der RLV-Mitteilungen und Honorarbescheide für die Quartale II und III/13 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 verurteilt den Honoraranspruch der Klägerin neu zu bescheiden. In der Begründung hat es ausgeführt, entgegen der Auffassung der Klägerin halte es die Regelungen über die Zuweisung und Festlegung einer Obergrenze für Wachstumsärzte nicht für rechtswidrig. Auch gegen die Verteilung der nicht eindeutig zuordbaren Fälle anhand der anteiligen Versichertenpauschalen innerhalb der BAG habe es keine Bedenken. Die Beklagte habe den Honoraranspruch der Klägerin jedoch betreffend der Ärzte F und Dr. R neu zu bescheiden. Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag würden durch die Sonderregelungen im HVM gegenüber Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag teilweise benachteiligt. Es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) darin, dass es Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag überhaupt nicht ermöglicht werde, über die zugewiesene anteilige durchschnittliche Fallzahl hinaus Patienten zu gewinnen, die in die Berechnung mit dem vollen Fallwert eingestellt würden, wohingegen Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag jedoch bis zu einem Anteil von 150 % der durchschnittlichen Fallzahl diese Möglichkeit eingeräumt werde. Dadurch werde es einem Arzt mit anteiligem Versorgungsauftrag nicht einmal ermöglicht, eine im Vorjahresquartal um 10 Fälle über dem anteiligen Durchschnitt liegende Fallzahl nutzbar zu machen oder im Abrechnungsquartal 10 weitere RLV-relevante Fälle hinzu zu gewinnen, die im Folgequartal mit dem vollen Fallwert in die Berechnung eingestellt würden. Den betroffenen Ärzten werde jegliche Möglichkeit, über den anteiligen Durchschnitt hinaus zu wachsen, genommen. Ein Arzt mit vollem Versorgungsauftrag könne dagegen bis zu 50 % mehr Fälle generieren, bevor er von einer Fallwertabstaffelung betroffen sei. Zwar sei einzusehen, dass Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag nicht faktisch für 0,75 oder gar eine volle Arztstelle arbeiten und eine Vergütung aus dem Honorarvolumen der Arztgruppe sollten beanspruchen können, denn eine solche Wirkung würde jegliche Bedarfsplanung zunichtemachen. Es wäre aber beispielsweise denkbar, die Regelung zur Fallwertabstaffelung für volle Arztstellen entsprechend gewichtet auf anteilige Arztstellen zu übertragen und ihnen eine entsprechend gewichtete Überschreitung des hälftigen Versorgungsauftrags zu ermöglichen. So sei es denkbar, Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag ab etwa 125 % des anteiligen Durchschnitts einer Fallwertabstaffelung zu unterziehen und ihnen bei Überschreitung beispielsweise nur noch 50 % des durchschnittlichen Fallwertes zu gewähren. Denkbar wären auch andere prozentuale Abstaffelungen, solange es noch möglich sei, Patienten über den Durchschnitt hinzu zu gewinnen. Mit der streitigen HVM-Regelung habe die Beklagte indessen ihren Beurteilungsspielraum zur Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen überschritten. Diese Regelung stelle eine Übererfüllung des gesetzlichen Auftrages dar. Der Umstand, dass diese Regelung nur für 2 Quartale, nämlich II/13 und III/13 zur Anwendung gelangt sei, weil ab IV/13 eine gänzlich andere Honorarverteilungssystematik mit Punktzahlvolumina in Kraft getreten sei, führe nicht dazu dass diese Regelung Bestand haben könne. Der Klägerin sei daher für F und Dr. R für die Quartale II/13 und III/13 ein RLV auf Grundlage ihrer tatsächlichen Fallzahlen des Vorjahresquartales zuzuweisen und der Honoraranspruch der Klägerin sei entsprechend unter Berücksichtigung des so erhöhten Volumens neu zu bescheiden.

Gegen dieses dem Klägerbevollmächtigten am 23. Juni 2016 und der Beklagten am 27. Juni 2016 zugestellte Urteil richteten sich die Berufung der Klägerin vom 25. Juni 2016 und der Beklagten vom 27. Juli 2016.

Die Klägerin trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht entschieden, dass die Beklagte für das Quartal II/13 rechtmäßig in der Honorarabrechnung eine Obergrenze für die Wachstumsärzte Dr. H und Herrn J ermittelt habe, die sich auf Grundlage derer tatsächlicher Fallzahlen im Quartal II/13 ergeben habe. In der RLV/ QZV-Mitteilung vom 18. April 2013 habe die Beklagte der Klägerin noch ein um 35.399,90 EUR höheres RLV/QZV zugewiesen. Eine nachträgliche Absenkung des zugewiesenen RLV der Praxis sei aber unzulässig und verstoße sowohl gegen gesetzliche als auch gegen die Bestimmungen des HVM der Beklagten. Zu berücksichtigen sei, dass nach dem HVM in Verbindung mit dem darin inkorporierten Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 eine Zuweisung der Regelleistungsvolumina praxisbezogen und nicht arztbezogen erfolge. Eine nachträgliche Korrektur des RLV-Volumens hätte daher nur nach den gesetzlichen Regelungen für die Praxis in Gestalt der BAG und nicht arztbezogen erfolgen dürfen. Sowohl das Sozialgericht als auch die Beklagte würden in diesem Zusammenhang die Rechtsfolgen aus § 87b Abs. 5 Satz 1 SGB V verkennen. Die Eigenschaft der betroffenen Ärzte als sogenannte Wachstumsärzte führe zu nichts anderem. Dadurch würde der Status der klagenden BAG als abrechnende Praxis nicht geändert. Eine rückwirkende Reduktion des zugewiesenen Gesamtvolumens der BAG komme daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Das Sozialgericht hätte erkennen müssen, dass die Beklagte rückwirkend eine Herabsetzung des zugewiesenen Volumens an die Klägerin nicht hätte vornehmen dürfen.

Zutreffend habe das Sozialgericht aber entschieden, dass es rechtswidrig gewesen sei, für F und Dr. R ein RLV gemäß der Regelung für anteilige Arztstellen auf Grundlage der Hälfte der durchschnittlichen Fallzahl zuzuweisen. Die Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit könne dies nicht rechtfertigen. Die Argumentation der Beklagten zu den Unterschieden zwischen Ärzten mit vollem und hälftigem Versorgungsauftrag greife zu kurz. Sie erwecke den Eindruck, dass die streitige Sonderregelung für nicht vollzeittätige Ärzte einen Sanktionscharakter manifestieren solle. Es sei nicht erkennbar, warum nicht ein mit halbem Versorgungsauftrag zugelassener Arzt mit der gleichen Leidenschaft und vor allem mit dem gleichen Anspruch an sein ärztliches Leistungsvermögen gegenüber seinen Patienten auftrete wie ein Arzt mit vollem Versorgungsauftrag. Zu berücksichtigen sei, dass die Einführung des hälftigen Versorgungsauftrages 2007 der Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten für Vertragsärzte, insbesondere auch der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gedient habe. Dieses Instrument diene gerade nicht der Steuerung der Versorgungslage. Durch die Handhabung der Beklagten werde die Versorgungslage aber derart gesteuert, dass Ärzte von einer hälftigen Zulassung Abstand nähmen und Ärzten mit Teilzulassungsstatus, die ihren Sitz nachbesetzen wollten, nur die Möglichkeit des Verzichts bleibe. Auch der Einwand der Beklagten, dass Vertragsärzten mit hälftiger Zulassung eine Anpassung an die Entwicklung der jeweiligen Fachgruppe bleibe, überzeuge nicht. Richtig sei zwar, dass der Verteilungsmaßstab Regelungen vorzusehen habe, die verhinderten, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 SGB V hinaus übermäßig ausgedehnt werde. Die Konsequenz, Ärzte mit hälftigem Versorgungsauftrag von jedweder honorarmäßigen individuellen Entwicklung auszugrenzen, entbehre aber jeder Rechtfertigung.

Die Klägerin hat zunächst schriftlich beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. Juni 2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Honorarabrechnung für die Quartale II/13 und III/13 sowie die diesen zugrunde liegenden RLV/QZV Mitteilungen in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 bezüglich der in die Honorarabrechnung eingestellten Obergrenzen für Dr. H und Herrn J zu ver- urteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst schriftlich beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. Juni 2016 aufzuheben, die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es liege kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor und sie habe ihren Beurteilungsspielraum zur Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen auch nicht überschritten. Das Gesetz sehe in § 87b Abs. 2 SGB V Regelungen vor, die verhinderten, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 SGB V hinaus übermäßig ausgedehnt werde. Insofern gebe der Gesetzgeber selbst den Auftrag hälftige Arztstellen im Rahmen der Honorarverteilung auf den hälftigen Versorgungsauftrag zu beschränken. Mit der von ihr gewählten Regelung gehe sie auch nicht über den gesetzlichen Auftrag hinaus. Es sei auch nicht richtig, dass ein Vertragsarzt mit hälftiger Zulassung keinerlei Möglichkeit habe seine Tätigkeit auszudehnen. Dieses sei vielmehr nur teilweise richtig. Es erfolge nämlich eine Anpassung an die Entwicklung der Fachgruppe. Erbringe diese im Durchschnitt mehr Leistungen, wachse auch die Vergütungsgrenze der Vertragsärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag. Eine Ausdehnung der Tätigkeit könne folglich stattfinden. Es beständen zwischen Vertragsärzten mit vollem Versorgungsauftrag und solchen mit hälftigem Versorgungsauftrag auch signifikante Unterschiede, die eine Differenzierung nach Art. 3 GG rechtfertigten. Ein Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag wolle sich mit unbeschränktem Einsatz der vertragsärztlichen Versorgung widmen und dieser im Rahmen seiner eigenen individuellen Möglichkeiten voll zur Verfügung stehen. Dieser individualisierte Tätigkeitsumfang finde dadurch Berücksichtigung, dass eine Abstaffelung der Fallwerte erst bei einer gewissen Überschreitung der durchschnittlichen RLV-relevanten Fallzahl vorgenommen werde und die über das RLV und QZV noch abgerechneten Leistungen quotiert vergütet würden. Einer solchen individuellen Betrachtung bedürfe es beim Vertragsarzt mit halber Zulassung jedoch gerade nicht, denn dieser gebe zu erkennen, dass er der vertragsärztlichen Versorgung eben nicht in vollem Umfang zur Verfügung stehen wolle, sondern ganz bewusst nur in einem begrenzten (auch zeitlichen) Rahmen. Dieser Arzt begebe sich - aus welchen Gründen auch immer - willentlich in eine Position, die es ihm ermögliche nur eingeschränkt tätig zu sein. Dies stelle einen maßgeblichen Unterschied zwischen beiden Zulassungsarten dar, der es rechtfertige für diese bei der Honorarverteilung anderslautende Regelungen zu treffen.

Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, sie habe auf Grundlage der bundessozialgerichtlichen Entscheidung vom 24. Januar 2018 im Verfahren B 6 KA 2/17 R eine Berechnung vorgenommen und simuliert, ob der klägerischen Praxis auf Basis mindestens der RLV-Fallzahl im Quartal II/12 beziehungsweise III/12 ein höheres Gesamtvolumen zustehen würde. Dies sei allerdings nicht der Fall, da eine teilweise höhere Fallzahl im Aufsatzquartal gegenüber den streitigen Quartalen durch den 1,5- fachen Fallwert zur Berechnung der Obergrenze im aktuellen Quartal kompensiert werde. Diesbezüglich stützt sie sich auf von ihr eingereichte Anlagen zur Bestimmung des Volumens der Wachstumsärzte unter Berücksichtigung des Gesamtvolumens auf Basis des Vorjahresquartals als Untergrenze.

In Hinblick auf Letzteres hat die Klägerin ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 209 für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. Juni 2016 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Zu entscheiden war nur noch über die Berufung der Beklagten, nachdem die Klägerin ihre Berufung in Ausübung der ihr zustehenden Dispositionsbefugnis für erledigt erklärt hat.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Landessozialgericht eingegangen. Der Beschwerdewert überschreitet auch den Grenzwert aus § 144 Abs. 1 S. 1 SGG.

Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht Kiel die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil verurteilt über die Honoraransprüche der Klägerin für die Quartale II/13 und III/13 erneut zu entscheiden.

§ 87b Abs. 1 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -) sah in der zwischen 1. Januar 2009 und 31. Dezember 2011 geltenden Fassung abweichend von § 85 SGB V die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach fallwertorientierten Regelleistungsvolumina, ab 1. Juli 2010 ergänzend unter Berücksichtigung von QZV, zwingend vor. Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben ist auf Bundesebene wesentlich durch die Beschlüsse des (erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008, 20. April 2009 und 26. März 2010 erfolgt. Vereinfacht ausgedrückt war dabei ein arztbezogenes RLV als das Produkt aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal und dem arztgruppenspezifischen Fallwert definiert.

Zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV in Berufsausübungsgemeinschaften war dabei durchgängig eine arztbezogene Ermittlung des RLV vorgesehen. Die Zuweisung der RLV und die Abrechnung erfolgten dann aber praxisbezogen, wobei sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV je Arzt, der in der Arztpraxis tätig ist, ergab.

Mit Wirkung ab 1. Januar 2012 sieht § 87b Abs.1 SGB V wieder die Festlegung der Regelungen für die vertragsärztliche Vergütung durch einen im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zu erlassenden Honorarverteilungsmaßstab der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung vor. § 87b Abs. 1 Satz 3 SGB V sieht dabei vor, dass bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen RLV, vorläufig weitergelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab.

Die Beklagte hat in dem mit Wirkung ab 1. Januar 2013 geltenden Honorarverteilungsmaßstab (HVM) vom 22. März 2013 den die Vergütung ärztlicher Leistungen nach RLV regelnden Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 und die nachfolgenden Änderungen dieses Beschlusses durch den Bewertungsausschuss zur Grundlage der Honorarverteilung in S gemacht und diese Beschlüsse als Anlagen in den HVM inkorporiert (Teil B Nr. 2.1 HVM).

Die Beklagte hat gemeinsam mit den Krankenkassen in den jeweiligen Honorarverteilungsverträgen (HVV) für Wachstumsärzte (Ärzte die noch keine 5 Jahre zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind) seit 2009 Sonderregelungen gegenüber der Vergütung nach RLV/QZV getroffen. Vereinfacht ausgedrückt wurde bei Wachstumsärzten nicht auf die Vorjahresfallzahl, sondern auf die individuelle Fallzahl im Abrechnungsquartal, maximal jedoch begrenzt bis zum Fachgruppendurchschnitt, abgestellt.

Derartige Privilegierungen von Ärzten, die noch nicht sehr lange vertragsärztlich tätig sind, sind grundsätzlich zulässig, oftmals auch geboten, um neu zugelassenen Vertragsärzten die Möglichkeit eines Wachstums bis zum Fachgruppendurchschnitt zu ermöglichen. Nicht zulässig ist indessen die Diskriminierung von Wachstumsärzten gegenüber etablierten Vertragsärzten, die sich auch daraus ergeben kann, dass die Bildung eines RLV/QZV auf Basis der Fallzahl im Vorjahresquartal sich im Einzelfall günstiger darstellt als die Bildung einer individuellen Obergrenze auf Basis der Fallzahl im Abrechnungsquartal, den Wachstumsärzten die Bildung eines arztbezogenen RLV auf Basis der Vorjahresfallzahlen aber gleichwohl vorenthalten wird. Diese von der Beklagten langjährig geübte Praxis beinhaltet einen Verstoß sowohl gegen § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung (a.F.) als auch gegen den aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. (BSG, Urteil vom 24. Januar 2018, B 6 KA 2/17 R ; Urteil des erkennenden Senats vom 18. September 2018, L 4 KA 11/16).

Bedeutung erlangt dies grundsätzlich auch für die Quartale II und III/2013. Zwar ist § 87b SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2012 geändert worden und die Verteilung der vereinbarten Gesamtvergütungen auf die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Institutionen in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift den Kassenärztlichen Vereinigungen überlassen worden. Die Vorschrift sieht so auch nicht mehr zwingend die Zuweisung eines RLV vor Quartalsbeginn vor. In § 87b Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V ist lediglich bestimmt, dass dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden soll.

Die Beklagte hat aber - wie bereits dargelegt - in dem mit Wirkung ab 1. Januar 2013 geltenden HVM den die Vergütung ärztlicher Leistungen nach RLV regelnden Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 und die nachfolgenden Änderungen dieses Beschlusses durch den Bewertungsausschuss zur Grundlage der Honorarverteilung in S gemacht und diese Beschlüsse als Anlagen in den HVM inkorporiert (Teil B Nr. 2.1 HVM). Abweichungen zu den Regelungen der (historischen) Beschlüsse des Bewertungsausschusses sind für Wachstumsärzte in Teil B Nr. 4.1 HVM geregelt.

Teil B Nr. 4.1.1 HVM lautet:

"Wachstumsärzte sind Ärzte, deren Vorjahresquartal für die Bildung von RLV und QZV innerhalb der ersten 16 Quartale nach Niederlassung liegt. Sie erhalten ein auf Basis ihres Vorjahresquartals gebildetes RLV/QZV gemäß Teil B, Ziffer 2 dieses HVM. Liegt dieses unterhalb des entsprechenden Arztgruppendurchschnitts, wird es auf den 1,5 fachen RLV/QZV-Fallwert der Arztgruppe, multipliziert mit der individuellen RLV-Fallzahl des aktuellen Abrechnungsquartal, maximal jedoch auf das arztbezogene, durchschnittliche Honorar über den RLV- und QZV-Vergütungsbereich der Arztgruppe erhöht."

Teil B Nr. 4.2.2 HVM sah wiederum vor, dass bei Eintritt eines in der Wachstumsphase befindlichen Arztes in eine Berufsausübungsgemeinschaft neben bestehenden RLV/QZV der einzelnen Partner die Regelung nach 4.1 hinzutrete, sodass sich insgesamt eine Obergrenze für die Berufsausübungsgemeinschaft ergebe.

Diese Regelung sieht im Grundsatz - wie vom BSG in dem Urteil vom 24. Januar 2018 später gefordert - auch für Wachstumsärzte die Bildung eines RLV nach allgemeinen Kriterien, d.h. anhand ihrer Fallzahlen im Vorjahresquartal vor. Zusätzlich kommt eine individuelle Obergrenze nur zur Anwendung, wenn dieses RLV unterdurchschnittlich ist. Dann kommt eine zweifache Privilegierung der Wachstumsärzte zur Anwendung. Wie bereits in den Vorgängerregelungen wird dann auf die Fallzahl im aktuell abgerechneten Quartal abgestellt und zusätzlich wird der Fallwert der Arztgruppe auf das 1,5 fache erhöht. Gedeckelt wird dies auf das durchschnittliche Honorar der Arztgruppe im RLV/QZV-Bereich.

Die Beklagte hat indessen für die Wachstumsärzte mit vollem Versorgungsauftrag in den RLV/QZV -Mitteilungen kein RLV anhand ihrer eigenen Fallzahl im Vorjahresquartal gebildet, sondern wie bisher eine maximale Obergrenze aus Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem Fallwert der Arztgruppe. Der so ermittelte Wert entspricht dem durchschnittlichen Honorar der jeweiligen Arztgruppe und ist in Teil B Nr. 4.1.1 HVM als Deckel für die geschilderte Privilegierung der Wachstumsärzte im Falle der Unterdurchschnittlichkeit vorgesehen.

In der Honorarabrechnung hat die Beklagte dann den so ermittelten Wert mit dem Wert verglichen, der sich ergibt, wenn die individuelle Fallzahl der Wachstumsärzte im Abrechnungsquartal mit dem um das 1,5 fache erhöhten Fallwert der Arztgruppe multipliziert wird. War dieser Wert höher als der zuvor ermittelte Durchschnittswert, wurde dieser Durchschnittswert als individuelle Obergrenze der Vergütung zu Grunde gelegt. Dies war bei Dr. H und Herrn J im Quartal II/13 nicht der Fall. Für sie lag das Produkt aus dem 1,5 fachen Fallwert und der individuellen Fallzahl im Abrechnungsquartal unter dem Durchschnittswert der Arztgruppe und es wurde dieser niedrigere Wert als individuelle Obergrenze der Honorierung zu Grunde gelegt.

Diese Vorgehensweise der Beklagten entspricht somit schon nicht dem eigenen Honorarverteilungsmaßstab. Sie hat es entgegen ihren darin selbst gesetzten Regelungen unterlassen für die Wachstumsärzte ein RLV/QZV auf Basis des Fallwertes der Arztgruppe und der individuellen Fallzahl im Vorjahresquartal zu bilden. Es hätte dann eine Bestregelung angewandt werden müssen, bei der das RLV auf Basis der Vorjahresfallzahl mit der Obergrenze auf Basis der aktuellen Fallzahlen und einer Erhöhung des Fallwertes auf das 1,5 fache verglichen werden musste.

Diese Berechnung hat die Beklagte erst während des Berufungsverfahrens am 7. Juni 2018 nachgeholt. Die Berechnung hat ergeben, dass auch im Quartal II/13, in dem allein für die Ärzte Dr. H und J ein unterdurchschnittliches Volumen der Vergütung zu Grunde gelegt wurde, ein auf Basis der Fallzahl des Vorjahresquartals gebildetes RLV nicht höher gewesen wäre als das tatsächlich der Vergütung zu Grunde gelegte Volumen auf Basis der tatsächlichen Fallzahlen im Abrechnungsquartal und des 1,5 fachen Fallwertes der Arztgruppe. Die Klägerin hat deshalb trotz der fehlerhaften bzw. unvollständigen Berechnung der Beklagten in den angefochtenen Verwaltungsakten auch keinen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche für die streitigen Quartale aus den soeben ausgeführten Gesichtspunkten.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Neubescheidung der Honoraransprüche der Klägerin in den Quartalen II/13 und III/13 in Hinblick auf die mit anteiligem Versorgungsauftrag zugelassen Ärzte Dr. R und F verurteilt. Es hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht berechtigt war die Vergütung der ärztlichen Leistungen der Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag auch dann anhand eines pauschalen Gesamtvolumens, welches sich allein aus dem Durchschnitt der Arztgruppe errechnet, zu vergüten, wenn eine Berechnung anhand der individuellen Fallzahl ein höheres RLV ergeben hätte.

Mit Wirkung zum 1. April 2013 hat die Beklagte in dem für 2013 geltenden HVM in Teil B Nr. 1.1 Abs. 2 geregelt, dass abweichend von Abs. 1 Ärzten mit anteiligen Arztstellen ein Gesamtvolumen (Regelleistungsvolumen, QZV einschließlich Praxisbesonderheiten) maximal bis zum anteiligen Durchschnitt der Arztgruppe zugewiesen wird.

Weitere Regelungen dazu finden sich in Teil C Nr. 1 Abs. 3-5. Diese Bestimmungen lauten:

(3) abweichend von (1) und (2) unterliegen Ärzte und Psychotherapeuten mit einer anteiligen Arztstelle aus Gründen der Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit einer arztgruppenspezifischen Vergütungsobergrenze. Die Vergütungsobergrenze bemisst sich nach dem entsprechenden anteiligen arztstellengewichteten durchschnittlichen Umsatz seiner Arztgruppe im Vorjahresquartal. Diese Regelung bezieht sich für

- Ärzte, die der RLV Systematik unterliegen, auf ihrer Honorare innerhalb der RLV Systematik - Ärzte, deren Leistung zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen unterliegen, auf ihre Honorare innerhalb der Kapazitätsgrenzen - für die übrigen Ärzte auf ihre Honorare innerhalb der MGV.

Honorare außerhalb der MGV sowie Kostenerstattungen nach Kapitel 40 EBM bleiben unberücksichtigt.

(4) Vergütungsanteile oberhalb der Vergütungsobergrenzen werden abgestaffelt vergütet. Der Abstaffelungsfaktor beträgt 0,1. Der von der KVSH einbehaltene Honoraranteil ((Vergütung - Vergütungsobergrenze) * 0,9) wird dem Honorarausgleichsfonds zugeführt.

(5) Von den Regelungen in (3) und (4) können Ärzte ausgenommen werden, die einen vorherigen Arztsitz anteilig übernommen haben.

Das Sozialgericht hat richtig ausgeführt, dass diese Regelung eine Ungleichbehandlung von Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag und Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag beinhaltet, denn während Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag ein Wachstum über den jeweiligen Fachgruppendurchschnitt über die individuelle Fallzahl hinaus ermöglicht wird, ist dies bei Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag nicht der Fall. Zutreffend hat das Sozialgericht auch dargelegt, dass diese Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist, auch wenn es gerechtfertigt und sogar geboten erscheint, zu verhindern, dass Ärzte mit nur anteiligem Versorgungsauftrag in einem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, der ihrem anteiligen Versorgungsauftrag nicht entspricht. Das Sozialgericht hat auch dargelegt, welche Möglichkeiten bestehen, eine Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit über den anteiligen Versorgungsauftrag zu verhindern und gleichzeitig ein individuelles Wachstum über die Fallzahlen zuzulassen, etwa durch modifizierte Anwendung der für Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag geltenden Abstaffelungsregelung. Der Senat schließt sich in diesem Punkt vollumfänglich den auch aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an, nimmt auf diese Bezug und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. In Hinblick auf die Berufungsbegründung der Beklagten ist dabei folgendes zu ergänzen:

Klarzustellen ist, dass die Beklagte nicht gehindert ist, den gesetzlichen Auftrag aus § 87b Abs. 2 S. 2 SGB V umzusetzen, nämlich Regelungen im HVM vorzusehen, die eine Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit über den Versorgungsbereich nach § 95 Abs. 3 SGB V verhindern. Dieses gesetzliche Ziel rechtfertigt aber nicht jede erdenkliche Maßnahme, die zu seiner Verwirklichung geeignet ist. Darauf hatte auch bereits das Sozialgericht hingewiesen. So ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag ebenso wie Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag ein Fallzahlwachstum bis zum 1,5-fachen des Gruppendurchschnitts ohne Abstaffelung des Fallwerts zu ermöglichen. Sie darf aber die beiden Gruppen nicht derart unterschiedlich behandeln, dass sie der einen ein individuelles Wachstum über den ihrem Versorgungsauftrag entsprechenden Durchschnitt weitgehend ermöglicht, dies der anderen Gruppe aber gänzlich verwehrt.

Soweit die Beklagte auf eine Wachstumsmöglichkeit von Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag über die Veränderung des jeweiligen anteiligen Fachgruppendurchschnitts verweist, ist dies nicht geeignet, die vom Sozialgericht dargestellte Ungleichbehandlung gegenüber Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag zu entkräften. Entscheidend ist, dass eine Veränderung der Vergütungsobergrenze für Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag nur über die Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts, also das Leistungsverhalten der gesamten Ärzteschaft der Fachgruppe möglich ist, nicht jedoch durch individuelles Leistungsverhalten. Gerade darauf kommt es aber an, denn Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag wird es über die Abstaffelungsregelung gemäß Teil F Nr. 3.2.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010, die gemäß Teil B Nr.1.1 HVM auch im Bezirk der Beklagten in den streitigen Quartalen anzuwenden ist, ermöglicht, durch individuelle Fallzahlsteigerung bis zum anderthalbfachen des Fachgruppendurchschnitts ungekürzt Honorarzuwächse zu erwirtschaften. Ärzten mit anteiligem Versorgungsantrag ist aber gar keine Steigerung des Honorarvolumens über den anteiligen Fachgruppendurchschnitt durch ihr individuelles Leistungsverhalten, insbesondere eine Steigerung der individuellen Fallzahl, möglich.

Soweit die Beklagte meint, es gebe gewichtige Unterschiede zwischen Ärzten mit vollem und anteiligem Versorgungsauftrag, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Beklagte zeichnet ein idealisiertes Bild von Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag, indem sie vorträgt, diese würden sich mit unbeschränktem Einsatz der vertragsärztlichen Versorgung widmen und dieser im Rahmen ihrer eigenen individuellen Möglichkeiten voll - gemeint wohl auch zeitlich unbegrenzt - zur Verfügung stehen, während sich Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag bewusst nur in einem begrenzten zeitlichen Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stellen wollten. Dabei übersieht die Beklagte schon, dass auch Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag nicht ausschließlich vertragsärztlich tätig sind, sondern sich im Regelfall anteilig auch anderen ärztlichen Tätigkeiten widmen, etwa der Behandlung von Privatversicherten oder der Erstellung von Gutachten und Befundberichten für Versicherungen, Behörden und Gerichte. Vor allem aber verkennt die Beklagte, dass sich auch Ärzte mit einem vollen Versorgungsauftrag naturgemäß nur in einem zeitlich beschränkten Ausmaß der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stellen. Auch Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag haben neben ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit ein Privat- und Familienleben und halten sich nicht in jeder wachen Minute in ihrer Praxis auf. Ärzte mit vollem und mit anteiligem Versorgungsauftrag unterscheiden sich als Gruppen nicht in ihrem Berufsethos und ihrer beruflichen Leistungsbereitschaft, sondern allein in dem zeitlichen Umfang ihrer Berufsausübung, die aber in jedem Fall begrenzt ist. Dieser Unterschied rechtfertigt eine ausgeprägte ungleiche Behandlung hinsichtlich der Möglichkeit, über aus der Fachgruppe ermittelte Durchschnittswerte hinaus durch das individuelle Leistungsgeschehen Einfluss auf den Umfang der Honorierung zu nehmen, aber gerade nicht. Die Beklagte verkennt auch das mit der Ermöglichung eines anteiligen Versorgungsauftrags in § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V verfolgte Ziel, nämlich die bessere Vereinbarkeit der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit der Erziehung von Kindern (Pawlitta in jurisPK-SGB V § 95 Rn. 353). Insoweit ist schon fraglich, ob die streitige Regelung nicht auch eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Vertragsärztinnen gegenüber männlichen Vertragsärzten beinhalten würde. Davon wäre wohl auszugehen, wenn deutlich mehr Frauen als Männer von der Möglichkeit des anteiligen Versorgungsauftrags Gebrauch machen würden. (Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 10.03.2005, C-196/02 Nikoloudi Rn.57). Vor allem aber bestätigt die Zielrichtung der Erleichterung der Kinderziehung eindrücklich, dass aus der Inanspruchnahme des anteiligen Versorgungsauftrages nicht auf eine nur eingeschränkte Leistungsbereitschaft im beruflichen Bereich aufgrund einer anderen berufsethischen Grundeinstellung geschlossen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154, 161 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits in der Sache. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Berufung der Beklagten keinen Erfolg hatte. Die Berufung der Klägerin hatte zwar im Ergebnis auch keinen Erfolg, die Beklagte hatte aber durch die von ihr praktizierte Vorenthaltung eines RLV nach den allgemeinen Regeln für Wachstumsärzte, die sich als dem Grunde nach rechtswidrig erwiesen hat, insoweit Anlass zur Klage und Berufung gegeben.

Die Entscheidung zur Zulassung der Revision trifft der Senat auf Grundlage von § 160 Abs. 2 SGG. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die streitige Regelung nach den Angaben beider Beteiligter in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2019 Vorbild für Regelungen mit gleicher Zielrichtung für die Vergütungszeiträume ab dem Quartal IV/13 war und in dieser abgewandelten Form Gegenstand eine Vielzahl von vor dem Sozialgericht anhängigen Auseinandersetzungen ist.

Gemäß § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) war abschließend der Streitwert festzusetzen. Auch insoweit folgt der Senat den Überlegungen des Sozialgerichts, welches dieses in seinem Beschluss vom 20. Juni 2016 angestellt hat. Das gemäß § 52 Abs.1 GKG zu berücksichtigende wirtschaftliche Interesse ergibt sich hier zum einen aus der Differenz der für Dr. H und Herrn J mitgeteilten Obergrenzen im Mitteilungsbescheid für das Quartal II/13 und der tatsächlich der Honorierung für dieses Quartal zu Grunde gelegten individuellen Obergrenzen. Ferner ist die Differenz zwischen den der Vergütung in beiden Quartalen tatsächlich zu Grunde gelegten Vergütungsobergrenzen für F und Dr. R und einem aufgrund ihrer tatsächlichen Fallzahlen im Vorjahresquartal zu bildenden RLV abzüglich der abgestaffelten Mehrleistungsvergütung zu berücksichtigten.
Rechtskraft
Aus
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