L 13 R 525/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 27 R 2997/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 525/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Entscheidung über die rückwirkende Befreiung einer Syndikusrechtsanwältin von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b und 4c SGB VI idF ab 01.01.2016 wird nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, in dem Gegenstand die Befreiung einer Syndikusanwältin nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB VI (hier idF vom 09.12.2004) ist.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Oktober 2012 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 19.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2011 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die 1974 geborene Klägerin ist Volljuristin. Seit 01.07.2005 ist sie bei der beigeladenen C. e.V. beschäftigt, zunächst aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages und seit 01.09.2007 unbefristet. Sie arbeitet in der Hauptabteilung Recht und Verträge und berät die rechtlich selbständigen Institute der C. in den verschiedenen an die Hauptabteilung herangetragen Rechtsfragen. Darüber hinaus ist sie für Konzeption, Verhandlungen und den Abschluss von Kooperationsverträgen und Forschungs- und Entwicklungsverträgen zwischen der C. und ihren Partnern zuständig. Seit dem 05.01.2011 ist sie außerdem Mitglied der Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk A-Stadt und seither kraft Gesetzes Mitglied bei der Beigeladenen zu 1), der Bayerischen Versorgungskammer, Bayer. Rechtsanwalts- und Steuerberatungsversorgung.

Mit Schreiben vom 09.03.2011 stellte die Klägerin Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie legte eine Tätigkeitsbeschreibung, ihre Arbeitsverträge, die Stellenausschreibung sowie die unwiderrufliche Einverständnis- und Freistellungserklärung des Arbeitgebers vom 18.08.2010 für die Ausübung des Anwaltsberufs vor.

Mit streitigem Bescheid vom 19.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin übe bei der Beigeladenen zu 2) keine anwaltliche Tätigkeit aus. Für die Besetzung der Stelle sei die Zulassung als Rechtsanwältin nicht zwingend erforderlich gewesen und die Klägerin habe die Tätigkeit unverändert bereits seit dem 01.07.2005 ohne Anwaltszulassung ausgeübt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2011 zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht München hat die Klägerin an ihrer Argumentation festgehalten, dass sie eine anwaltliche Tätigkeit ausübe. Inzwischen seien 20 bis 25 % der zugelassenen Rechtsanwälte anwaltlich bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber tätig. Sie habe die Zulassung zur Rechtsanwältin nur deshalb erst später beantragt, weil sie zunächst nur befristet beschäftigt gewesen sei und diesen auch mit finanziellen Belastungen verbundenen Schritt noch nicht habe gehen wollen. Erst später habe sie sich dafür entschieden.

Mit Urteil vom 12.10.2012 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22.11.2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin antragsgemäß ab 20.01.2011 gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Es hat dabei auf die sog. "Vier-Kriterien-Theorie" abgestellt und festgestellt, dass die Klägerin, die auch die übrigen Voraussetzungen für die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfülle, ihre Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) mit denselben Rechten und Pflichten wie ein freier Rechtsanwalt ausübe. Zwar erfülle die Tätigkeit der Klägerin diese Kriterien seit Anbeginn. Allerdings sei die Zulassung als Rechtsanwältin Tatbestandsvoraussetzung für den Befreiungsantrag.

Am 28.11.2012 hat die Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt und beantragt, das Verfahren im Hinblick auf die beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Verfahren mit den Aktenzeichen B 12 R 3/13, B 12 R 5/13 und B 12 R 9/13 ruhend zu stellen. Aufgrund übereinstimmender Anträge der Beteiligten ist am 13.06.2013 ein Ruhensbeschluss ergangen.

Mit Schriftsatz vom 30.03.2016, eingegangen beim Sozialgericht München per Fax am 31.03.2016, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie inzwischen die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach neuem Recht (§§ 46 Abs. 2, 46a Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -) beantragt habe. Sie hat den Antrag auf Zulassung vorgelegt und erklärt, dass damit auch die rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI fristgerecht beantragt worden sei. Das an das Sozialgericht München gerichtete Schreiben ist an das Landessozialgericht weitergeleitet worden und dort am 07.04.2016 eingegangen. Es ist mit Schriftsatz vom 08.04.2016 an die Beklagte übersandt worden.

Mit Wirkung zum 22.11.2016 ist der Klägerin auf ihren Antrag vom 22.03.2016 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin erteilt worden. Mit Bescheid vom 27.02.2017 hat die Beklagte die Klägerin ab dem Zeitpunkt der Zulassung als Syndikusrechtsanwältin (22.11.2016) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Sie hat darauf hingewiesen, dass über den Antrag auf rückwirkende Befreiung für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 21.11.2016 noch gesondert entschieden werde.

Mit Bescheid vom 17.07.2017 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 08.04.2017 auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI für die vom 01.07.2005 bis 21.11.2016 ausgeübte Beschäftigung als Mitarbeiterin bei der C. abgelehnt, da der Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist bis zum 01.04.2016 gestellt worden sei. Der beim Sozialgericht gestellte Antrag sei nicht fristwahrend. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.08.2017 Widerspruch erheben lassen, wobei sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Antrag auf rückwirkende Befreiung aufgrund des in der Hauptsache anhängigen Verfahrens bereits nicht erforderlich gewesen sei und daher nur vorsorglich mit Schriftsatz vom 30.03.2016 noch einmal gestellt worden sei. Schließlich habe mit einer rechtzeitigen Weiterleitung an die Beklagte gerechnet werden dürfen. Der einheitliche Streitgegenstand ergebe sich aus der Tatsache, dass damit der Rechtsstandpunkt vor den Entscheidungen des BSG vom 03.04.2014 wieder hergestellt werden sollte (Bundesverfassungsgericht - BverfG - Beschluss vom 19.07.2016 - 1 BvR 2584/14, Rn. 20). Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des Antragsdatums auf den Eingang des Antrags auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer abgestellt werden müsse. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.12.2017 ist von der Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben worden (Az. S 25 R 131/18). Das Verfahren ist bis zum Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits ruhend gestellt worden.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.09.2017 dahingehend Stellung genommen, dass Gegenstand im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit als zugelassene Rechtsanwältin im Angestelltenverhältnis bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Syndikusanwältin) sei, nicht dagegen eine Befreiung von der Versicherungspflicht für die Tätigkeit als zugelassene Syndikusrechtsanwältin und hat den Unterscheid zwischen beiden Bezeichnungen aus ihrer Sicht dargestellt. Dies ergebe sich auch aus der Beschränkung der Zulassung auf die jeweilige Beschäftigung nach der Rechtsprechung des BSG. Sie hat auf Urteile des sächsischen Landessozialgerichts vom 06.09.2016 (Az. L 4 R 391/15) und des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.07.2017 - L 7 R 3495/15) hingewiesen, wonach es sich bei den Verfahren auf der Grundlage des § 231 Abs. 4b und 4c SGB VI um neue Verwaltungsverfahren handle, die zunächst von den zuständigen Rechtsträgern durchgeführt werden müssten.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 12.10.2017 erklärt, dass noch immer kein Befreiungsbescheid für die Zukunft erlassen worden sei, der den Anforderungen des § 46a BRAO entspreche. Die Beklagte verkenne weiterhin die Tatsache des einheitlichen Streitgegenstandes auf der Grundlage von § 6 SGB VI. Die neue Rechtslage beziehe sich nur auf die Rückwirkung in den Fällen in denen noch kein Befreiungsverfahren anhängig sei. Er hat auf das Urteil des BSG vom 16.06.2015 (Az. B 4 AS 37/14 R) verwiesen, wonach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch dann anwendbar sei, wenn die Verwaltung - etwa aufgrund neuer Umstände - die von ihr vorgenommene Regelung zum Streitgegenstand überprüfe und daraufhin neu entscheide.

Nach Hinweis auf den Beschluss des BSG vom 22.03.2018 (Az. B 5 RE 12/17 B) hat die Klägerin an ihrer Auffassung festgehalten, dass aufgrund ihrer durchgehenden Beschäftigung ein einheitlicher Streitgegenstand vorliege, was bei der Prüfung des § 96 SGG zu beachten sei. Das BSG habe sich in keiner Weise mit der Rechtsprechung des BVerfG zu einheitlichen Versicherungsbiografie und der Gefahr der Ungleichbehandlung auseinandergesetzt. Derjenige, für den die Sozialversicherungsbeiträge weiterhin in das anwaltliche Versorgungswerk abgeführt worden seien, müsse nach der Verwaltungspraxis der Deutschen Rentenversicherung Bund in Fällen der Anmeldung bis zum 01.01.2015 anders als die Klägerin nicht mehr mit Rückforderungen rechnen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung sei die Revision zuzulassen. Sie hat sich mit Schriftsatz vom 13.02.2019 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bzw. in Abwesenheit der Klägerin und ihres Bevollmächtigten einverstanden erklärt.

Mit Beschluss vom 14.01.2018 ist die C. zum Verfahren beigeladen worden (Beigeladene zu 2).

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.10.2012 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2011 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.10.2012 zurückzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Leistungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auch in Abwesenheit der Klägerin aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Klägerin in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass im Falle ihres Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 126 Rn. 4). Im Übrigen hat sie sich mit Schreiben mit ihres Bevollmächtigten vom 13.02.2019 mit einer solchen Verfahrensweise ausdrücklich einverstanden erklärt.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143,151 SGG zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.10.2012 ist aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22.11.2011 abzuweisen. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte zu Recht abgelehnt, die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit für die C. (nunmehr Beigeladene zu 2.) von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Frage, ob die Klägerin nach der zum 01.01.2016 eingeführten Regelung in § 231 Abs. 4b SGB VI rückwirkend von der Versicherungspflicht zu befreien ist, ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Für die Zeit ab 22.11.2016 hat sich die Berufung dadurch erledigt, dass die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 27.02.2017 ab der Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin nach § 46 BRAO von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit hat. Insoweit steht der Klage bereits kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Seite.

1. Streitgegenstand ist damit nur der Bescheid vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22.11.2011, nicht aber der Bescheid vom 17.07.2017, der auf der Grundlage während des Berufungsverfahrens erlassener neuer Rechtsvorschriften ergangen ist. Die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG für eine Einbeziehung dieses Bescheids in das Berufungsverfahren sind nicht gegeben. Hinsichtlich des Bescheids vom 27.02.2017, der unmittelbar zur Erledigung des Rechtsstreits für die Zeit ab 22.11.2016 geführt hat, bedarf es ohnehin keiner formalen Einbeziehung.

Nach § 96 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt (VA) nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen VA abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist der Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide nicht beschränkt. Auch ist der Bescheid vom 17.07.2017 nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2011 sowie bei noch nicht beendeter Rechtshängigkeit des Berufungsverfahrens ergangen. Er ändert den Bescheid vom 19.05.2011 jedoch weder ab noch ersetzt er diesen. Abändern oder ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden VA mit dem des früheren identisch ist, was durch Vergleich der in beiden VA getroffenen Verfügungssätze festzustellen ist (BSG, Urteil vom 24.11.1978 - 11 RA 9/78 -, BSGE 47, 168-172; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rn. 4a mwN). Dabei reicht bei der Abänderung eines teilbaren VA eine Identität des streitbefangenen Teils aus. Diese Identität ist vorliegend nicht gegeben.

Mit dem Bescheid vom 19.05.2011 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 23.03.2011 auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) unter Bezugnahme auf die zum 20.01.2011 erfolgte Zulassung als Rechtsanwältin abgelehnt, da die Klägerin bei der Beigeladenen zu 2) keine anwaltliche Tätigkeit ausübe. Diese Entscheidung ist auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung und einer Tätigkeit der Klägerin als Syndikusanwältin ergangen.

Mit Bescheid vom 17.07.2017 hat die Beklagte den Antrag vom 08.04.2017 auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin nach § 231 Abs. 4b des (SGB VI) für die vom 01.07.2005 bis 21.11.2016 ausgeübte Beschäftigung als Mitarbeiterin bei der der C. aus formalen Gründen abgelehnt. Diese Entscheidung ist auf der Grundlage der zum 01.01.2016 geschaffenen Regelungen in § 231 Abs. 4b und 4c SGB VI ergangen.

Die Auslegung eines VA hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der VA sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG Urteil vom 20.03.2013 - B 5 R 16/12 R -).

Den in den Bescheiden verlautbarten Umständen lässt sich zwar im Wege der Auslegung entnehmen, dass beide die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht regeln. Allerdings ist der Bescheid vom 19.05.2011 dahin zu verstehen, dass er die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht wegen Nichtausübens einer anwaltlichen Beschäftigung bei der C. ab dem 05.01.2011 regelt. Auch der Befreiungsantrag war auf diese Tätigkeit einerseits und die nachträglich erfolgte Zulassung als Rechtsanwältin andererseits bezogen. Der Bescheid vom 17.07.2017 regelt dagegen die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für die geltend gemachte Tätigkeit als Rechtsanwältin bereits für die Zeit ab 01.07.2005, wobei sich diese Ablehnung im Unterschied zu dem Bescheid vom 19.05.2011 auf den neu erworbenen Status der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin bezieht. Eine Identität der Regelungsgegenstände beider Bescheide liegt damit schon aufgrund der unterschiedlichen Statusbezogenheit nicht vor (so ausdrücklich zur vorliegenden Konstellation BSG, Beschluss vom 22.03.2018 - B 5 RE 12/17 -). Schließlich sind beide Bescheide unter Anwendung unterschiedlicher Rechtsgrundlagen ergangen. Hinzukommt, dass die Beklagte die rückwirkende Befreiung schon deshalb abgelehnt hat, weil die Klägerin den Antrag nicht fristgerecht gestellt habe. Maßgebend waren in diesem Fall also formale Gründe.

Für eine enge Auslegung der VA im dargelegten Sinn spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 96 Abs. 1 SGG heutiger Fassung i.V.m. der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur alten Rechtslage. Das BSG hat § 96 Abs. 1 SGG in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus entsprechend angewendet (vgl. hierzu etwa BSG Urteil vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R -). Mit Wirkung zum 01.04.2008 ist § 96 Abs. 1 SGG durch Art 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) neu gefasst worden. Die Gesetzesänderung ("nur dann") diente der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm. Eine Einbeziehung des neuen VA sollte danach nur noch möglich sein, wenn der ursprüngliche Bescheid nach Klageerhebung durch ihn ersetzt oder abgeändert wird (BT-Drucks 16/7716 S. 19). Eine entsprechende Anwendung der Norm kommt seitdem nicht mehr in Betracht. Allerdings hatte das BSG schon unter der Geltung alten Rechts eine ausdehnende Anwendung des § 96 SGG abgelehnt, wenn zwar die späteren Entscheidungen auf derselben Rechtsgrundlage ergangen waren und es auch um dieselbe Rechtsfrage ging, die rechtlich relevanten Sachverhaltsumstände und Tatsachengrundlagen aber nicht oder nur teilweise deckungsgleich waren (vgl. etwa zum Vertragsarztrecht BSG, Urteil vom 20.03.1996 - 6 RKa 51/95 -; zur Beitragserhebung in der Unfallversicherung BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R -; zu Betriebsprüfungen BSG, Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 10/02 R -). Vorliegend hätte ungeachtet der fortbestehenden Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 2) und der beiden Bescheiden zugrundeliegenden Frage der Rentenversicherungspflicht in dieser Tätigkeit schon nach früherem Recht die Veränderung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen eine Anwendung des § 96 SGG ausgeschlossen. Wenn dies aber schon nach altem Recht der Fall war, muss dies erst recht unter der Geltung neuen Rechts gelten, vor allem wenn sich wie vorliegend nicht nur die Tatsachengrundlagen, sondern auch die maßgebenden Rechtsgrundlagen verändert haben.

Entsprechend der fehlenden Identität des Regelungsgehalts fehlt es auch an der Voraussetzung einer Änderung oder Ersetzung des Ursprungsbescheids durch den späteren VA. Der Bescheid vom 19.05.2011 ist durch den Bescheid vom 17.07.2017 weder ganz noch teilweise aufgehoben worden. Vielmehr ist der Bescheid vom 17.07.2017 neben den Bescheid vom 19.05.2011 getreten und entfaltet die oben aufgezeigte eigene Regelungswirkung.

Der Bescheid vom 17.07.2017 ist auch nicht im Wege der gewillkürten Klageänderung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 SGG) zulässiger Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die Beklagte hat einer Einbeziehung des Bescheids in das Berufungsverfahren ausdrücklich widersprochen. Sie erscheint auch nicht sachdienlich. Insbesondere sind hinsichtlich des Bescheids vom 17.07.2017, der auf einer anderen Rechtsgrundlage ergangen ist als die hier streitigen Bescheide, zahlreiche weitere tatsächliche und rechtliche Fragen zu klären, so insbesondere die Frage der Erforderlichkeit eines Antrags und die Frage, wann dieser Antrag gestellt worden ist. Diese Fragen werden in dem beim Sozialgericht anhängigen Klageverfahren zu klären sein. Dass die Klägerin dadurch prozessuale Nachteile erfahren könnte, ist nicht erkennbar. Vielmehr wird ihr durch diese Auslegung der Instanzenzug erst vollständig eröffnet.

2. Der Bescheid vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22.11.2011 ist gegenüber der Klägerin rechtmäßig ergangen, weil diese nach dem damals anwendbaren Recht keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung hatte. Dies folgte insbesondere aus den Entscheidungen des BSG vom 03.04.2014 (B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R). Darin hat das BSG grundlegend entschieden, dass wer als Rechtsanwalt zugelassen und zugleich rentenversicherungspflichtig beschäftigt ist, wegen seiner berufsständischen Versorgung für diese Beschäftigung nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann. Es hat darin zugleich ausdrücklich der von der Beklagten zuvor angewandten "Vier-Kriterien-Theorie", auf die noch das Sozialgericht seine Entscheidung gestützt hat, eine Absage erteilt und erklärt, dass diese vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis auch nicht geeignet ist, einen Vertrauensschutz für diejenigen Personen zu begründen, die - wie die Klägerin - noch keine Befreiung erhalten haben (vgl. etwa BSG, a.a.O. - B 5 RE 13/14 R - Rn. 58). Materiell-rechtlich einschlägig ist danach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin war im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV) als juristische Mitarbeiterin in einem Arbeitsverhältnis bei der C. e.V. (§ 611 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) und aufgrund dieser Beschäftigung auch rentenversicherungspflichtig (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 Alt. 1 SGB VI). Die Zulassung als Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk A-Stadt mit gleichzeitiger verpflichtender Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1) führte zwar dazu, dass die formalen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt sind. Allerdings gibt § 6 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, das ist aber ausschließlich die anwaltliche Tätigkeit. Auch wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen erfolgt, sondern mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet ist, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, muss das Erfordernis einer anwaltlichen Tätigkeit aufgrund des Tatbestandselements derselben Beschäftigung (vgl. hierzu ausführlich BSG, a.a.O. Rn. 29ff) auch für die streitige Beschäftigung geprüft werden und vorliegen. Dazu hat das BSG die Auffassung vertreten, dass dies bei einer neben einer anwaltlichen Tätigkeit ausgeübten abhängigen Beschäftigung von vornherein ausscheidet. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Es handelt sich bei der Tätigkeit für einen Arbeitgeber schon mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen um keine Tätigkeit, die einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bedürfte (§ 2 Abs. 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für ihre Mitgliedschaft bei der Beigeladenen und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Verfassungsrechtliche oder europarechtliche Bedenken bei dieser Auslegung sind vom BSG nicht gesehen worden und auch im Verfahren nicht vorgetragen worden. Auch die Bezeichnung "Syndikusanwalt" für einen zugleich als Rechtsanwalt zugelassen Beschäftigten steht dieser Auslegung nicht entgegen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in jahrzehntelanger Rechtsprechung stets darauf hingewiesen, dass in diesem Fall beide Arbeitsbereiche streng zu trennen sind und dass die Eigenschaft als Rechtsanwalt nichts daran ändert, dass das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. (vgl. exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6). Der Syndikusanwalt wird daher, wenn er im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses agiert, gerade nicht als Rechtsanwalt tätig. Im Beschluss vom 07.02.2011 hat der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs. 1 EuRAG) bestätigt, dass die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden stehen. In Übereinstimmung hiermit hat das BVerfG (Beschluss vom 04.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) unter Verweis auf die BT-Drucks III/120, S 56 f ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten.

Rechtlich unerheblich ist daher auch, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden (BSG, a.a.O., Rn. 45).

§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Die Klägerin gehört als abhängig Beschäftigte i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (z.B. § 1 Satz 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - Nr. 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung (§ 6 Abs. 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl. BVerfG Beschluss vom 05.05.2008 - 1 BvR 1060/05). Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.06.2017 - 1 BvR 2584/14 -). Zuvor hat das BVerfG bereits mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen darf und dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs. 1 GG verletzt (vgl. etwa BVerfG Beschluss vom 26.06.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 -). Mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters wird danach auch der Schutzbereich des Art 12 Abs. 1 GG nicht berührt.

3. Der Bescheid vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22.11.2011 ist auch nicht dadurch nachträglich rechtwidrig geworden, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015 (BGBl I 2015, 2517) Regelungen erlassen hat, mit denen nunmehr auch die Klägerin als sog. Syndikusrechtsanwältin zugelassen (§ 46a BRAO) und in dieser Funktion befreit werden konnte, da beide Regelungen unabhängig nebeneinander bestehen (vgl. auch oben unter 1).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Eine davon abweichende Kostenentscheidung war auch nicht unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits durch die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht ab 22.11.2016 zu treffen. Auch bei einer ausdrücklichen teilweisen Erledigterklärung wären dabei die Grundsätze des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu beachten, wonach im Falle der Erledigung der Hauptsache das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens entscheidet. Dabei ist vor allem die bisherige Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen, d.h. welcher der Beteiligten ohne das zur Erledigung führende Ereignis (hier die Neuregelungen zum 01.01.2016) voraussichtlich obsiegt hätte bzw. unterlegen wäre. Danach hätte vorliegend die Beklagte obsiegt, die die Neuregelung im Übrigen auch unverzüglich anerkannt und umgesetzt hat (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R - und zur Frage des "sofortigen Anerkenntnisses" bei geänderter Sach- und Rechtslage Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 193, Rn. 6). Die Frage, ob die Klägerin danach auch einen Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht gehabt hätte, ist nicht Gegenstand des streitigen Verfahrens und entsprechend auch nicht Gegenstand der zu treffenden Kostenentscheidung (vgl. auch Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 21.03.2017 - L 19 R 723/11).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung ergeht auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG, insbesondere der Urteile vom 03.04.2014 (Az. B 5 RE 7/14 R u.a.) sowie hinsichtlich der Frage der Anwendung des § 96 SGG auf der Grundlage des Beschlusses vom 22.03.2018 (Az. B 5 RE 12/17), der seinerseits auf gefestigte Rechtsprechung des BSG Bezug nimmt. Es ist daher weder der Tatbestand der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG) noch der der Divergenz (§ 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGG) gegeben.
Rechtskraft
Aus
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