L 8 SB 3550/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 4373/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3550/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Regelung zur Berechtigung der Inanspruchnahme einer ständigen Begleitung (Merkzeichen B) in Teil D Nr. 2 VG ist nicht abschließend.
2. Liegt kein „Katalogfall“ des Teil D Nr. 2 Buchst. c) VG vor, kommt eine Berechtigung für eine ständige Begleitung jedoch in Betracht, wenn der Schweregrad einer Behinderung alleine oder mehrerer Behinderungen zusammen in einer „funktionellen Gesamtschau“ entsprechend dem Schutzzweck der Regelung eine so schwere funktionelle Teilhabebeeinträchtigt ergibt, wie sie durch die „Katalogfälle“ des Teil D Nr. 2 Buchst. c) VG beschrieben ist, so dass eine Gleichstellung mit dem in der VersMedV genannten Personenkreis entsprechend der „Katalogfälle“ gerechtfertigt ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.08.2018 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit das Sozialgericht den Beklagten zur Feststellung des Merkzeichens "B" auch für den 01.03.2016 verurteilt hat. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "B" (ständige Begleitung; Merkzeichen "B") zusteht.

Dem 1950 geborenen Kläger war mit Bescheid des Landratsamtes K. (LRA) vom 15.01.2013 (Blatt 122/123 der Beklagtenakte) ein GdB vom 100 seit 12.08.20122 zuerkannt worden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Bluthochdruck, Herzleistungsminderung, Kardioverter-Defibrillator; Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Instabilität beider Kniegelenke, Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs; Schwerhörigkeit beidseits, Ohrgeräusche beidseits (Tinnitus); Depression; degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen; Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks; Nierenfunktionseinschränkung; chronische Bronchitis, Allergie; zur zugrundeliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 118/119 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 14.01.2013 (Blatt 120/121 der Beklagtenakte) war dem Kläger auch das Merkzeichen "G" zuerkannt worden. Mit Bescheid vom 12.02.2014 lehnte das LRA die Feststellung der Merkzeichen "B" und "aG" ab (zum Antrag vom 16.12.2013 vgl. Blatt 130/147 der Beklagtenakte; zur Auskunft des Augenarztes Prof. Dr. B. vgl. Blatt 150/152 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 153/154 der Beklagtenakte).

Am 02.03.2016 (Blatt161/162 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger beim LRA erneut die Feststellung der Merkzeichen "B" und "aG". Das LRA zog Befundbeschreibungen der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Z. (dazu vgl. Blatt 165/179 der Beklagtenakte) sowie den Entlassungsbrief des Diakonissenkrankenhauses K. vom 26.01.2016 (Blatt 181/182 der Beklagtenakte).

Der Versorgungsarzt Dr. Z. führte in seiner Stellungnahme vom 19.05.2016 (Blatt 183/184 der Beklagtenakte) aus, es liege ein operiertes Gallenwegs-Ca T3N0M0 vor. Er befürwortete die Merkzeichen "B" und "aG" nicht.

Mit Bescheid vom 25.05.2016 (Blatt 185/186 der Beklagtenakte) lehnte das LRA die Feststellung der Merkzeichen "B" und "aG" ab.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.06.2016 Widerspruch und verwies zur Begründung auf seine Wirbelsäulenbeschwerden und die Folgen eines plötzlichen Anspringens des Defibrillators.

Das LRA zog von Dr. Z. weitere Befundbeschreibungen bei (dazu vgl. Blatt 192/198 der Beklagtenakte) woraufhin der Versorgungsarzt Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 29.08.2016 (Blatt 199 der Beklagtenakte) eine Änderung der bisherigen Auffassung nicht für angezeigt hielt.

Mit seinen Schreiben vom 22.07.2016 und 25.09.2016 (Blatt 201, 202 123 der Beklagtenakte) trug der Kläger u.a. vor, er sei in der Rehabilitation zweimal gestolpert und hätte sich Blutungen an der Schulter an der Hand und am Arm zugezogen, trotz Unterstützung einer Fußhebereinrichtung.

Das LRA zog den Reha-Bericht des Reha-Zentrums Bad B. – Klinik H. – vom 04.10.2016 (Blatt 203/210 der Beklagtenakte) bei.

Nachdem der Versorgungsarzt Dr. B. weiterhin die Merkzeichen "B" und "aG" verneinte (Stellungnahme vom 08.11.2016, Blatt 212/213 der Beklagtenakte) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2016 (Blatt 215/216 der Beklagtenakte) den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger hat am 19.12.2016 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben mit dem Ziel der Feststellung des Merkzeichens "B".

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Dr. B. , Arzt für HNO-Heilkunde, hat dem SG am 09.03.2017 (Blatt 35/49 der SG-Akte) mitgeteilt, im Vergleich zum Befund von 2005 bis zum letzten Befund 2016 habe sich eine Progression der Hörminderung um rechts 40% und links um 20% ergeben. Dr. H. , Chirurg, hat dem SG am 12.03.2017 (Blatt 50 der SG-Akte) geschrieben, bei den letzten Untersuchungen am 27.01.2017 habe der Kläger über Schwellneigungen in den Armen geklagt, ein eindeutiges Korrelat habe nicht festgestellt werden können. Beschwerden des rechten Beins seien nicht geäußert worden. Dr. L. , Internist und Onkologe, hat ausgeführt (Schreiben vom 20.03.2017, Blatt 53/54 der SG-Akte), dass der Kläger die Chemotherapie ohne Komplikationen vertragen habe. Dr. E. , Facharzt für Orthopädie, hat mit Schreiben vom 20.03.2017 (Blatt 55/56 der SG-Akte) mitgeteilt, es bestehe ein beidseits hinkendes Gangbild, ein Steppergang rechts. Der Fersengang sei rechts nicht durchführbar, dagegen sei der Zehengang beidseits ohne Befund. Es bestehe eine Fußheberschwäche rechts. Dr. Z. , Ärztin für Allgemeinmedizin, hat dem SG unter dem 30.03.2017 geschrieben (Blatt 57/107 der SG-Akte), es sei eine wesentliche Verschlechterung eingetreten. Es bestehe ein Choledochuskarzinom, eine tiefe Beinvenenthrombose, eine Peroneusparese, eine erhebliche Verschlechterung der Merk-, Konzentrations- und Orientierungsfähigkeit (zeitlich, örtlich). Der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie M. hat dem SG am 05.04.2017 (Blatt 109/111 der SG-Akte) mitgeteilt, der Kläger klage über Kurzzeitgedächtnisstörungen. Im Alltag funktioniere er nur mit Hilfe von externer Gedächtnismöglichkeiten und Unterstützung seiner Ehefrau. Gerade in der Orientierung könne er nicht mehr seinen alten Hobbies nachgehen, alleine im Wald zu spazieren, da er sich regelmäßig verirre. Für die Praxis S./P. und K. hat die Ärztin M. mit Schreiben vom 10.04.2017 u.a. Befundberichte vorgelegt (Blatt 113/133 der SG-Akte).

Der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 13.07.2017 (Blatt 138 der SG-Akte), der Kläger hat den Bericht des S. Klinikums K. vom 22.05.2017 (Blatt 148/150 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat weiterhin Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Dr. N ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.01.2018 (Blatt 162/193 der SG-Akte; Untersuchung des Klägers am 16.01.2018) eine kognitive Funktionsstörung i.R. eines hirnorganischen Psychosyndroms nach Herzstillstand 2011, eine Fußheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall L5 rechts 2011, ein toxisches Polyneuropathiesyndrom nach Chemotherapie, eine vorbeschriebene rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert, ein Gallengangs-Carcinom 2016 und Schulterfunktionsstörungen beidseits diagnostiziert. Der Kläger sei bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln insbesondere infolge der kognitiven Funktionsstörungen und der Fußheberparese mit Sturzgefahr auf regelmäßige Hilfe angewiesen, da er zum einen in seinem Gehvermögen und in seiner Orientierungsfähigkeit eingeschränkt ist und prinzipiell eine Sturzgefahr bestehe.

Hierzu hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 27.05.2018 (Blatt 198 der SG-Akte) vorgelegt, der ausgeführt hat, es komme nicht nur auf die Art, sondern auch auf die Ausprägung der kognitiven Teilhabestörung an. Dabei müsse die entsprechende kognitive Behinderung durchaus besonders ausgeprägt sein (z.B. GdB ab 80, in besonderen Fällen auch 70). Auch liege eine erhebliche Störung der Ausgleichsfunktion noch nicht vor.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 28.08.2018 angehört worden war und dort den Bericht des S. Klinikums K. vom 22.05.2017 vorgelegt hatte, änderte das SG mit Urteil vom 28.08.2018 den Bescheid vom 25.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2016 und verpflichtete den Beklagten beim Kläger seit dem 01.03.2016 das Merkzeichen "B" anzuerkennen.

Gegen das ihm am 06.09.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 04.10.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Streitig sei die Feststellung des Merkzeichens "B" ab dem 02.03.2016, nicht ab dem 01.03.2016. Auch im Übrigen könne der Auffassung des SG nicht gefolgt werden. Der Kläger falle nicht unter den in D Nr. 2 VG genannten Personenkreis. Insbesondere liege bei ihm keine vergleichbare kognitive Beeinträchtigung wie bei einer geistigen Behinderung mit einem GdB von 80 bis 100 vor. Ob der Katalog der VG abschließend sei, könne dahingestellt bleiben, allerdings gehe das SG selbst nur von einer kognitiven Funktionsstörung mit einem GdB von 30 aus und einer Fußheberparese mit einem GdB von 30 aus. Auch die Kombination beider eher leichter Störungen könne nicht das Merkzeichen "B" objektiv rechtfertigen. Dass sich der Kläger, der sich seit Jahren in Begleitung seiner Ehefrau bewege, sicherer fühle mit Begleitung, bedeute nicht automatisch, dass hierzu auch objektiv die Notwendigkeit bestehe. Der Beklagte hat hierzu auch die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 20.09.2018 (Blatt 3 der Senatsakte) vorgelegt.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.08.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hat unter Vorlage des Berichts des S. Klinikums K. vom 22.05.2017 u.a. ausgeführt, dass das SG zutreffend ausgeführt habe, der Katalog von D Nr. 2 Buchst. b) VG sei nicht abschließend. Jedoch müsse der Schweregrad der Behinderung in seinen funktionellen Auswirkungen auf die Sicherheit des behinderten Menschen und Dritter in die Richtung der genannten Personen weisen. Dabei sei zu beachten, dass er nicht nur an Orientierungslosigkeit leide, sondern auch an belastungsinduzierten Schwindelattacken, weshalb eine zusätzliche erhebliche Sturzgefahr und Gefahr für ihn und Dritte bestehe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 28, 29 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber nur teilweise begründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 25.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2016, mit dem die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "B" (ständige Begleitung; Merkzeichen "B") abgelehnt wurde.

Rechtsgrundlage sind die Vorschriften des SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer - Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Absatz 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "B" ist § 152 Absatz 1 und 4 SGB IX (§ 69 Absatz 1 und 4 SGB IX a.F.). Nach § 152 Abs. 4 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind.

Nach § 229 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (§ 146 Abs. 2 SGB IX a.F.) sind schwerbehinderte Menschen zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Nach § 228 Abs. 6 Nr. 1 SGB IX (§ 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX a.F.) wird eine Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 228 Abs. 1 SGB IX (§ 145 Abs. 1 SGB IX a.F.) unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist. Schwerbehinderte Menschen i.S.d. § 228 Abs. 1 SGB IX (§ 145 Abs. 1 SGB IX a.F.) sind Personen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind. Damit knüpft der Tatbestand an die Merkzeichen "G", "Gl" und "H" an. Die Zuerkennung des Merkzeichens "B" kann somit nur erfolgen, wenn das Merkzeichen "G", "H" oder "Bl" zuerkannt ist (BSG 11.11.1987 - 9a RVs 6/86 - SozR 3870 § 38 Nr. 2). Weiter ist Voraussetzung, dass sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind (§ 229 Abs. 2 Satz 1 SGB IX; § 146 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F.).

Die auch über den Rechtswechsel zum 01.01.2018 hinaus fortgeltenden Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (BGBl. I 2008, 2412) ergangen sind, bestimmen unter D Nr. 2 VG folgendes: "Berechtigung für eine ständige Begleitung (Merkzeichen B) a. Für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson ist nach dem SGB IX die Berechtigung für eine ständige Begleitung zu beurteilen. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung der Berechtigung für eine ständige Begleitung erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. Es ist nicht zu prüfen, ob tatsächlich diesbezügliche behinderungsbedingte Nachteile vorliegen oder behinderungsbedingte Mehraufwendungen entstehen. b. Eine Berechtigung für eine ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "Gl" oder "H" vorliegen) gegeben, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dementsprechend ist zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z.B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind. c. Die Berechtigung für eine ständige Begleitung ist anzunehmen bei, Querschnittgelähmten, Ohnhändern, Blinden und Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist."

Damit knüpft D Nr. 2 Buchst. a) VG die Möglichkeit zur unentgeltlichen Beförderung einer Begleitperson an die "Berechtigung für eine ständige Begleitung" an. Das entspricht auch dem Gesetz in §§ 228 Abs. 6 Nr. 1 i.V.m. 228 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bzw. §§ 145 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 145 Abs. 1 SGB IX a.F.

Allerdings konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "B" bis 14.01.2015 nicht auf die VG berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG (vgl. Urteil des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX jedoch ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "B" geschaffen (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 - zum Merkzeichen "aG", juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Folglich ist ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien abzustellen (vgl. zur Rechtslage bis 14.01.2015 auch Urteil des Senats vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 -. juris und Internet sozialgerichtsbarkeit.de, zum Merkzeichen "aG").

Hiervon ausgehend liegen - sowohl nach den bis 31.12.2017 als auch nach ab 01.01.2018 - anzuwendenden geltenden Vorschriften die Voraussetzungen des Merkzeichens "B" ab 02.03.2016 vor.

Jedoch verkennen der Kläger und seine Ärzte den Schutzbereich des Merkzeichens "B", wenn sie darauf Bezug nehmen, dass der Kläger seine Hobbies, vor allem alleine im Wald spazieren zu gehen, nicht mehr ausüben könne, und sie das als Hinweis auf die Erforderlichkeit der Feststellung des Merkzeichens "B" heranziehen. Das Merkzeichen "B" – beim Kläger ist das Merkzeichen "G" festgestellt – bezieht sich nur auf die Mitnahme einer Begleitperson bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Dementsprechend umfasst der Schutzbereich des Merkzeichens auch nur die Begleitung zwecks fremder Hilfe beim Ein- und Aussteigen bzw. während der Fahrt des Verkehrsmittels oder zum Ausgleich von Orientierungsstörungen im Zusammenhang mit der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Damit begründet eine Begleitungsbedürftigkeit außerhalb des Einsteigens, Aussteigens, der Fahrt und der Orientierung im Zusammenhang mit der Benutzung der Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs - z.B. die Hilfe bei der Orientierung beim Spaziergang im Wald, beim Einkaufen und sonstigen Wegen - nicht den Feststellungsanspruch hinsichtlich des Merkzeichens "B".

Die Hilfe durch eine Begleitperson muss dabei nicht immer, aber zumindest regelmäßig erforderlich sein (Vogl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 229 SGB IX, RdNr. 29). Ein- bis zweimal wöchentlich auftretende Gehstörungen reichen nicht aus (Kossens in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 3. Aufl. 2009, § 146 SGB IX RdNr. 12); nicht ausreichend ist auch eine dreimal wöchentlich durchzuführende Dialyse mit der Gefahr von anschließenden Schwindelanfällen (LSG Rheinland-Pfalz 17.10.1996 - L 4 Vs 145/95 - BehR 1997, 80 = juris). Ein erwachsener Taubstummer oder Gehörloser hat nicht allein wegen dieser Behinderung Anspruch auf Feststellung der Notwendigkeit ständiger Begleitung (BSG 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 57). Bei dem Personenkreis der Gehörlosen kann nach Abschluss der Gehörlosenschule und jedenfalls dem Abschluss einer Ausbildung nicht aufgrund typischer Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere beeinträchtigter Kommunikationsfähigkeit, vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "B" ausgegangen werden; eine solche Annahme wäre bei gehörlosen Menschen in aller Regel dann gerechtfertigt, wenn sich ihre Störung der Kommunikationsfähigkeit auf ihre Orientierungsfähigkeit auswirken würde (LSG Baden-Württemberg 21.02.2013 - L 6 SB 5788/11 - juris RdNr. 24; LSG Sachsen-Anhalt 19.02.2014 - L 7 SB 72/12 – juris).

Jedoch lässt sich aus den Vorschriften über das Merkzeichen "B" auch nicht allgemein ableiten, dass ein GdB von 80 bzw. 70 für einzelne Störungen Voraussetzung der Feststellung des Merkzeichens "B" ist. Weder § 229 Abs. 2 SGB IX noch § 228 Abs. 6 SGB IX lässt sich solches entnehmen. Lediglich in D Nr. 2 Buchst. c) VG wird für Blinde und Sehbehinderte, Hörbehinderte, geistig behinderte Menschen und Anfallskranke auf die Voraussetzungen von D Nr. 1 Buchst. f) VG verwiesen, als es sich um Menschen handeln muss, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist (dazu vgl. auch Senatsurteil vom 23.11.2018 - L 8 SB 324/18 -).

Der Kläger ist – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – nicht dem in D Nr. 2 Buchst.- f) VG genannten Personenkreis zuzuordnen. Er ist weder querschnittgelähmt noch Ohnhänder. Er ist auch nicht blind oder soweit sehbehindert oder hörbehindert, dass bei ihm die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist. Denn nach D Nr. 1 Buchst. f) VG ist dies bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Beim Kläger liegt aber lediglich eine im Laufe des Lebens erworbene Hörbehinderung vor, die zuletzt mit einem GdB von 50 bewertet worden war. Die Seherkrankung des Klägers (dazu vgl. Blatt 150/152 der Beklagtenakte) bedingt dagegen keinen GdB (vgl. versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 06.02.2014; seither sind keine Änderungen ersichtlich oder vorgetragen bzw. festgestellt). Damit rechtfertigen diese Behinderungen nicht die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr.

Der Kläger leidet, wie der Senat unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. N. festgestellt hat, an einer kognitiven Funktionsstörung i.R. eines hirnorganischen Psychosyndroms nach Herzstillstand 2011. Der Kläger ist damit geistig behinderter Mensch i.S. von D Nr. 2 Buchst. c) VG. Außerdem leidet er an einer Fußheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall L5 rechts 2011, einem toxischen Polyneuropathiesyndrom nach Chemotherapie, einer vorbeschriebene rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert, ein Gallengangs-Carcinom 2016 und an Schulterfunktionsstörungen beidseits.

Geistige Behinderungen in diesem Sinne sind aller Erkrankungen, die eine Intelligenzstörung, eine Beeinträchtigung des Anpassungsvermögens und klinisch eine beeinträchtigte Kognition, Sprache, soziale Fähigkeiten und Motorik beinhalten (vgl. Psychrembel online – Stichwort: geistige Behinderung – Intelligenzminderung). Beim Kläger liegt zumindest eine kognitive Funktionsstörung i.R. eines hirnorganischen Psychosyndroms nach Herzstillstand 2011 vor, sodass bei ihm eine geistige Behinderung vorliegt. Ob der Kläger wegen den aus dem Bericht des S. Klinikums K. vom 22.05.2017 ersichtlichen belastungsinduzierten Schwindelattacken zusätzlich den Begriff des Anfallskranken i.S.d. D Nr. 2 Buchst. c) VG erfüllt, kann daher offenbleiben. Denn beide Gesundheitsstörungen rechtfertigen für sich nicht die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Insoweit verlangt D Nr. 2 Buchst. c) i.V.m. D Nr. 1 Buchst. f) VG, dass entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen sind, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Das ist aber beim Kläger nicht der Fall, denn dessen geistige Behinderung ist mit einem GdB von 30 für die kognitive Funktionsstörung i.R. eines hirnorganischen Psychosyndroms nach Herzstillstand 2011, mit einem GdB von 30 für die Fußheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall L5 rechts 2011, mit einem GdB von 10 für ein toxisches Polyneuropathiesyndrom nach Chemotherapie, und einem GdB von 20 für die vorbeschriebene rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert, ausreichend bewertet, wie der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. N. festgestellt hat. Insoweit rechtfertigen weder die geistigen Gesundheitsstörungen alleine noch in ihrer Zusammenschau die Annahme eines GdB von 80 und mehr. Gründe, weshalb bei einem GdB von unter 80 geistige Beeinträchtigung vorliegen, die wegen des besonders gelagerten Einzelfalles die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als gerechtfertigt erscheinen lassen, konnte der Senat auf der Grundlage des Gutachtens Dr. N. nicht feststellen, denn Dr. N. hat insoweit lediglich von leichtgradigen Konzentrations- und Auffassungsstörungen sowie Kurzzeitgedächtnisstörungen bei ansonsten im Wesentlichen unauffälligem neurologischem Hirnbefund beschrieben. Auch das mögliche Anfallsleiden in Form von belastungsinduzierten Schwindelattacken erreicht nicht das Maß mittlerer Anfallshäufigkeiten, weshalb unter keinem Gesichtspunkt die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.

Liegt kein "Katalogfall" von D Nr. 2 Buchst. c) VG vor, kommt eine Berechtigung für eine ständige Begleitung nur in Betracht, wenn der Schweregrad einer Behinderung alleine oder mehrerer Behinderungen zusammen in den funktionellen Auswirkungen auf die Sicherheit des behinderten Menschen und Dritter in Richtung der in der VersMedV genannten Personenkreise der "Katalogfälle" weisen (Vogl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 229 SGB IX, RdNr. 26 unter Hinweis auf Bayerisches LSG 05.06.2002 – L 18 SB 29/01 – juris). Damit versteht der Senat die Regelungen in D Nr. 2 VG nicht als abschließend. Vielmehr, wie auch aus den neuen Regelungen zum Merkzeichen "aG" ableitbar, kommt es darauf an, ob eine Person in einer "funktionellen Gesamtschau" entsprechend schwer funktionell teilhabebeeinträchtigt ist. Insoweit ist von Bedeutung, dass das Merkzeichen "B" gerade nicht nur die Bewegungsfähigkeit im Blick hat, sondern vielmehr die umfassende Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (Einsteigen, Fahrt, Aussteigen, Orientierung an der Haltestelle in Bezug auf das Verkehrsmittel). Damit können auch Funktionsbehinderungen, die nicht in D Nr. 2 Buchst. c) VG genannt sind, eine Begleitungsbedürftigkeit begründen, wenn sie funktionell in einem solchen Ausmaß die selbständige Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs beeinträchtigen, wie es durch die "Katalogfälle" des D Nr. 2 Buchst. c) VG beschrieben ist. Diesen Beispielen ist gemein, dass sie Personen erfassen, die in das Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs nicht alleine einsteigen, damit fahren bzw. wieder aussteigen können (z.B. Querschnittsgelähmte und Ohnhänder), sich bei dessen Benutzung alleine nicht zurechtfinden (z.B. Blinden und Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken) oder sich an der jeweiligen Haltestelle nicht alleine ausreichend orientieren können (z.B. geistig behinderte Menschen).

Vorliegend ist der Gesundheitszustand des Klägers durch die schwere Herzerkrankung (GdB 50), die ihn schwächt, ebenso durch die Schwerhörigkeit beidseits (GdB 50), die Funktionsbehinderungen des rechten Kniegelenks (GdB 40), die motorische Funktionsstörung bei Fußheberparese (GdB 30), die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20), die Polyneuropathie (GdB 10) sowie die kognitive Funktionsstörung i.R. eines hirnorganischen Psychosyndroms nach Herzstillstand 2011 (GdB 30) geprägt. Insoweit mögen die Funktionsbehinderungen alleine noch nicht das Gewicht der "Katalogfälle" nach D Nr. 2 Buchst. c) VG erreichen; dass es sich aber lediglich um geringfügige Beeinträchtigungen handelt, wie es die Beklagte vorgetragen hat, konnte der Senat nicht feststellen. Diese gerade genannten Funktionsbehinderungen wirken sich insgesamt schwer auf die Fähigkeit des Klägers aus, alleine die Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs zu nutzen; auf die weiteren sich so nicht auswirkenden Funktionsbehinderungen musste der Senat im Hinblick auf den Streitgegenstand nicht weiter eingehen. So wirkt die Fußheberparese dahin, dass der Kläger häufig stürzt, wie der Senat den vorliegenden Berichten, insbesondere dem Bericht der Klinik H. vom 04.10.2016, in dem rezidivierende Stürze berichtet werden, entnommen hat. Auch führen die – wenn auch leichteren – kognitiven Einschränkungen in Form der beschriebenen Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses zu einer Orientierungsstörung, die bei der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bedeutsam wird. So sind im Gutachten von Dr. N. und in den Arztberichten erhebliche kognitive Störungen in den alltäglichen Verrichtungen und der Alltagskompetenz bis hin zu einem dauerhaften Angewiesensein auf "externe Gedächtnismöglichkeiten" beschrieben, die sich gerade bei der Orientierung an Haltestellen und der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs erheblich auswirken, weil davon das Zurechtfinden auf dem Bahnhof oder größeren Haltestellen mit mehreren Haltepunkten bei der Auswahl des zutreffenden Bahnsteigs/der Abfahrtshaltestelle und der zutreffenden Bahn/Buslinie betroffen ist. Die Beschwerden an Knie, Wirbelsäule, Polyneuropathie und Herz schränken die Fähigkeit zum selbständigen Nutzen des öffentlichen Personennahverkehrs weiter ein. Diese Beeinträchtigungen gehen über das Maß bloßer Befindlichkeiten und Unannehmlichkeiten deutlich hinaus. Sie erreichen in der Zusammenschau vielmehr das Maß und die Schwere der in D Nr. 2 Buchst c) VG genannten Behinderungen. So hat auch der Gutachter Dr. N. , der dem Senat aus vielen Gutachten als objektiver Gutachter bekannt ist, ausgeführt, dass der Kläger bei der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs der Hilfe durch eine andere Person bedarf. Nach den Ausführungen des Gutachters wirken sich die kognitiven Funktionsstörungen und die Fußheberparese mit Sturzgefahr so aus, dass der Kläger bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf regelmäßige Hilfe angewiesen ist. Entgegen der Auffassung des Versorgungsarztes Dr. W. (Stellungnahme vom 20.09.2018) ist die mit einem GdB 30 bewertete Fußheberparese gerade bei Benutzung von Verkehrsmitteln, die eine Stand- und Gehsicherheit im fahrenden Verkehrsmittel vor Erreichen oder nach Verlassen des Sitzplatzes an Haltepunkten/Bahnhöfen beim Ein- und Aussteigen erfordern, von besonderer Bedeutung. Damit benötigte der Kläger Hilfe bei der Benutzung und der Orientierung im öffentlichen Personennahverkehr.

Der Senat ist im vorliegenden Einzelfall auf Grundlage des Gutachtens und der vorliegenden ärztlichen Berichte zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger alleine nicht in der Lage ist, die Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs ohne fremde Hilfe zu benutzen. Nachdem dem Kläger das Merkzeichen "G" bereits zuerkannt ist, ist ihm nunmehr auch das Merkzeichen "B" zuzuerkennen. Jedoch war die Berufung des Beklagten insoweit erfolgreich, als die Feststellung des Merkzeichens "B" erst ab 02.03.2016 zu erfolgen hat, denn der Kläger hatte den Antrag– anders als vom SG angenommen und seinem Tenor zugrunde gelegt – erst am 02.03.2016 beim LRA gestellt. Auch wenn der Kläger vor dem SG in der mündlichen Verhandlung beantragt hatte, ihm Merkzeichen "B" ab 01.03.2016 zuzuerkennen, so ist die Klage insoweit ohne Erfolg, weshalb auf die Berufung des Beklagten das Urteil entsprechend aufzuheben und die Klage abzuweisen war. Aus dieser Abänderung des SG-Urteils dürften dem Kläger wohl keine Nachteile entstehen, dem Beklagten aber auch keine Vorteile erwachsen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung der Erforderlichkeit einer ständigen Begleitung bei der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die geringfügige Änderung des SG-Urteils hat kostenrechtlich im Hinblick auf die Zurückweisung der Berufung im Übrigen keine Auswirkungen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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