L 19 R 490/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 561/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 490/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zu den Voraussetzungen einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit.
2. Arbeitsunfähig ist der Versicherte, der infolge einer Krankheit seine zuletzt vor der Erkrankung konkret ausgeübte Beschäftigung nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin ausüben kann, seinen Zustand zu verschlimmern. Berücksichtigt werden dabei die Verhältnisse und die speziellen Anforderungen am konkret innegehabten Arbeitsplatz.
3. Wenn ein Versicherter zuletzt arbeitslos war und eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund Erkrankung geltend macht, so ist der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der Kreis der Tätigkeiten zugrunde zu legen, für den er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Damit ist die maßgebliche Tätigkeit im Rahmen des § 140 SGB III zu ermitteln und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.06.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte beim Kläger zu Recht die Anerkennung von weiteren Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit abgelehnt hat.

Der 1969 geborene Kläger erhielt von der Beklagten am 25.02.2008 einen Feststellungsbescheid über seine rentenrechtlichen Zeiten mit Bindungswirkung für die Zeiten bis 31.12.2001.

Am 07.07.2009 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung, was die Beklagte mit Bescheid vom 29.09.2009 ablehnte; ein sich anschließender Rechtsstreit wurde durch Klagerücknahme am 21.05.2012 beendet. Offensichtlich übersandte die Beklagte mit dem Ablehnungsbescheid einen erneuten Feststellungsbescheid über rentenrechtliche Zeiten. Hierin wurden Pflichtbeiträge aus abhängiger Beschäftigung bis 31.05.2002, danach Pflichtbeiträge aus Arbeitslosengeldzahlung bis 26.05.2003, danach Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bis 17.08.2008 und schließlich Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit vom 18.08.2008 bis 17.04.2009 und erneut vom 20.04.2009 bis 03.07.2009 aufgeführt.

Am 01.06.2012 ließ sich der Kläger von seiner Krankenversicherung, der S. Betriebskrankenkasse (S.-BKK), eine Auflistung von Arbeitsunfähigkeitszeiten erstellen, die die Zeiten vom 07.07.2008 bis 17.04.2009, vom 20.04.2009 bis 30.09.2011, vom 04.10.2011 bis 23.12.2011 und vom 27.12.2011 bis 25.05.2012 betraf. Mit Schreiben vom 08.06.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, diese Zeiten in seinem Versicherungsverlauf zu berücksichtigen und ihm einen aktualisierten Verlauf zuzusenden.

Die Beklagte führte mit Schreiben vom 19.07.2012 aus, dass sie die Zeiten vom 18.08.2008 bis 17.04.2009 und vom 20.04.2009 bis 03.07.2009 zu Unrecht als Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt habe: Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit liege nicht mehr im Dreijahreszeitraum nach dem Ende der letzten Beschäftigung. Jedoch sei aus Fristgründen eine Bescheidrücknahme nicht mehr möglich.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.07.2012 stellte die Beklagte die im dort beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten für den Zeitraum bis 31.12.2005 verbindlich fest. Die Zeiten vom 04.07.2009 bis 30.09.2011, vom 04.10.2011 bis 23.12.2011, vom 27.12.2011 bis 31.12.2011 und vom 01.01.2012 bis 25.05.2012 könnten nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Vorschriften vorgelegen habe. Die Zeiten wurden im Versicherungsverlauf als Überbrückungszeit gekennzeichnet.

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 16.08.2012 per Telefax Widerspruch ein. Es würde um Vorlage der in den Akten zitierten Unterlage "RH § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI Ziff. 2.1" gebeten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es nicht angehe, dass unter Anwendung eines Rechtsgedankens aus § 49 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Arbeitsunfähigkeit innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses begonnen haben müsse. Eine derartige Übertragung der Vorschrift sei mit dem Sinn und Zweck von § 43 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vereinbar. Der Zeitraum vom 01.06.2002 bis 26.05.2003 sei eine Pflichtbeitragszeit wegen Arbeitslosigkeit gewesen. Danach folge lückenlos eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit bis zum 17.08.2008. Weiter folge lückenlos eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit, die nur bis zum 03.07.2009 anerkannt werde, danach werde lediglich eine Überbrückungszeit berücksichtigt. Überbrückungszeiten würden bei unverschuldeten Lücken, also durch vom Versicherten nicht zu vertretende Umstände anerkannt. Der Gedanke der fehlenden Vertretbarkeit erfordere im vorliegenden Fall über den Lückenschluss hinaus, dass es zu keinem Verlust des Anspruches auf eine etwaige Erwerbsminderungsrente kommen dürfe.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2013 den Widerspruch zurück. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zeiten von ihr zutreffend nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt worden seien. Der Begriff der durch die Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI habe dieselbe Bedeutung wie in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 44 Abs. 1 SGB V), was sich etwa aus den Entscheidungen des BSG vom 16.12. 1981 (Az. GS 3/78, GS 4/78), vom 25.02.2004 (Az. B 5 RJ 30/02) und vom 25.02.2010 (Az. B 13 R 116/08 R) ersehen lasse. Die Begriffsdefinition "Arbeitsunfähigkeit" knüpfe an eine zuletzt ausgeübte Beschäftigung/Erwerbstätigkeit an. In Anwendung der o.g. BSG-Urteile bestimme sich der Berufsschutz und damit die Arbeitsunfähigkeit aber nicht unbegrenzt nach der letzten Beschäftigung. Solange das Arbeitsverhältnis bestehe, entfalle bei fortdauernder Erkrankung in Anwendung des § 48 Abs. 1 und 2 SGB V der Berufsschutz für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit spätestens nach einem Zeitraum von drei Jahren seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Das gelte auch bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis. Bestehe kein Arbeitsverhältnis mehr, sei der Kreis der möglichen Verweisungstätigkeiten allerdings nicht mehr durch das konkrete Arbeitsverhältnis begrenzt, sondern auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten erweitert. Nach Ablauf des Dreijahreszeitraumes entfalle der krankenversicherungsrechtliche Berufsschutz. Versicherte seien dann auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, so dass ab diesem Zeitpunkt Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorliege. Hinsichtlich der Festlegung des Dreijahreszeitraums sei danach zu unterscheiden, ob die Arbeitsunfähigkeit während eines Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses begonnen habe oder erst danach. Habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, sei für den Beginn des Dreijahreszeitraums auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Habe kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden, sei für den Beginn des Dreijahreszeitraums das Ende des letzten Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich. Die berücksichtigungsfähige Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ende mit Ablauf des Dreijahreszeitraums. Eine weiter andauernde Zeit sei mangels Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Krankenversicherungsrechts keine Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Seien bereits seit Beendigung des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses drei Jahre vergangen, könne insgesamt keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Krankenversicherungsrechts vorliegen und damit auch keine berücksichtigungsfähige Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit im Rentenrecht.

Die Anerkennung der Zeit vom 18.08.2008 bis 17.04.2009 sowie vom 20.04.2009 bis 03.07.2009 als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit mit Bescheid vom 29.09.2009 sei rechtswidrig erfolgt. Eine Aufhebung des Bescheides sei jedoch aus Fristgründen nicht mehr möglich. Ein Anspruch auf eine rechtswidrige Anerkennung weiterer Zeiten ergebe sich daraus jedoch nicht. Der Widerspruch könne daher keinen Erfolg haben.

Mit Telefax vom 18.07.2013 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.06.2013 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Er hat argumentiert, dass die von der Beklagten unter Heranziehung eines Rechtsgedankens aus § 49 Abs. 1 SGB V vorgenommene Beschränkung auf Arbeitsunfähigkeitszeiten innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit Sinn und Zweck des § 43 Abs. 4 SGB VI sowie mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar sei. Der Kläger weise einen praktisch lückenlosen Versicherungsverlauf auf. Die Umstände, die zu den Sachverhalten geführt hätten, seien unverschuldet. Jedenfalls müsse der Rechtsgedanke, der auch Überbrückungszeiten zugrunde liege, übertragen werden. Die Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug schließe die Lücke zu den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ab 04.07.2009.

Parallel dazu hat der Kläger am 20.06.2013 eine Gesamtauskunft der S.-BKK über seine Arbeitsunfähigkeitszeiten vorgelegt; die Beklagte hat mit Bescheid vom 30.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2013 hierüber entschieden und hierbei für verschiedene Zeiträume zwischen März 1989 und Dezember 2007 Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit abgelehnt. Eine sich anschließende Klage beim Sozialgericht Bayreuth ist zunächst unter dem Aktenzeichen S 3 R 50/14 geführt worden. In einem Erörterungstermin vom 25.02.2016 hat das Sozialgericht die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht am 17.06.2016 mit Gerichtsbescheid entschieden. Es hat die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat Bezug genommen auf die Entscheidungen des BSG vom 07.12.2004 (B 1 KR 5/03 R), vom 25.02.2010 (B 13 R 116/09 R - gemeint: B 13 R 116/08 R) und vom 25.02.2004 (B 5 RJ 30/02 R). Unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgabe, dass Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum von Juli 2009 bis Mai 2012 nur dann vorgelegen habe, wenn der Kläger für den allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht nur in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung arbeitsunfähig gewesen sei, könne Arbeitsunfähigkeit nicht festgestellt werden. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen einsatzfähig gewesen. Die Einsatzfähigkeit des Klägers sei für den streitigen Zeitraum durch sechs medizinische Sachverständigengutachten dokumentiert. Hinzuweisen sei auf das medizinische Gutachten von Dr. S. vom 08.09.2009, d.h. zwei Monate nach Beginn des streitigen Zeitraums. Der Kläger sei als Versicherungskaufmann voll arbeitsfähig und es müssten lediglich Tätigkeiten im Außendienst vermieden werden. Zur Zeit der Begutachtung durch Dr. H. fehle für die Anerkennung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit die Erfüllung des Unterbrechungstatbestandes nach § 58 Abs. 2 SGB VI.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 19.07.2016 am 20.07.2016 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger hat auf eine Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts vom 28.11.2001 (Az. L 20 RJ 460/97 - nach juris) Bezug genommen, aus der sich eine Einschränkung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf drei Jahre nicht ergebe; dort sei eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit im Umfang von 7 Jahren und 9 Monaten anerkannt worden. Der Verweis des Bundessozialgerichts auf das Krankengeld, das diesen Dreijahreszeitraum in § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB V erwähne, sei nicht logisch zwingend. Der krankenversicherungsrechtliche Grundsatz sei eigentlich Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung. Hinzuweisen sei auf den Juris-Kommentar zu § 58 SGB VI Rn. 26. Es werde auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten abgestellt und nicht auf den gesamten Arbeitsmarkt.

Dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth sei zu entnehmen, dass das Sozialgericht wie die Beklagte von einem Dreijahreszeitraum beginnend mit dem Ende der letzten Beschäftigung ausgehe. Allerdings habe sich an die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eine Zeit der Arbeitslosigkeit angeschlossen. Die Zeit sei eigentlich mit Leistungsbezug gewesen. Jedenfalls bis zu diesem Termin müsse der Beginn des Dreijahreszeitraums hinausgeschoben werden. Laut der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25.02.2010 (Az. B 13 R 116/8 R) ende der Zeitraum drei Jahre nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Anrechnungszeiten dienten dazu Beitragslücken auszugleichen, die durch persönliche vom Versicherten nicht zu vertretende Umstände eingetreten seien. Der Kläger habe einen lückenlosen Versicherungsverlauf mit Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug. Mit der Krankschreibung würde die Arbeitslosmeldung entfallen. Dies sei vom Kläger nicht zu vertreten. Der gesamte weitere Zeitraum sei als Anrechnungszeit anzuerkennen. Eine andere Auslegung sei mit dem Schutzzweck des § 43 Abs. 4 SGB VI nicht vereinbar.

Die Beklagte hat entgegnet, dass die Einschränkung der Anrechenbarkeit von Arbeitsunfähigkeitszeiten durch den Ablauf der Dreijahresfrist als höchstrichterlich geklärt anzusehen sei. Die Beklagte hat nochmals damit argumentiert, dass die Begriffsdefinition von Arbeitsunfähigkeit an eine zuletzt ausgeübte Beschäftigung anknüpfe. Sei keine Berufstätigkeit ausgeübt worden, könne deshalb keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gegeben sein.

Nach einem Verhandlungstermin am 10.05.2017 hat der Senat medizinische Ermittlungen dazu veranlasst, ob seinerzeit aus medizinischer Sicht beim Kläger die Voraussetzungen für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bestanden hatten. Der Senat hat dazu für die Zeit ab Juli 2009 Befundberichte angefordert und ärztliche Unterlagen beigezogen u.a. von Dr. E., Dr. P. und Dr. D ...

In einem vom Senat eingeholten Gutachten nach Aktenlage hat der Arbeitsmediziner Dr. F. am 15.08.2017 dargelegt, dass beim Kläger in der Zeit vom 04.07.2009 bis 23.05.2012 im Wesentlichen folgende Gesundheitsstörungen von Bedeutung gewesen seien:
1. Asthma bronchiale mit chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung.
2. Schwindel, cervicogen oder psychogen.
3. Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Schlafstörung.

Weiter hätten Rhinokonjunktivitis, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, LWS-Syndrom, Kopfschmerzen, Adipositas, Rosacea und multiple Allergieneigungen vorgelegen. Insbesondere im Hinblick auf die Asthmasymptomatik sei der Kläger für die Tätigkeit eines Versicherungskaufmanns im Außendienst durchgängig medizinisch als arbeitsunfähig anzusehen gewesen. Aber auch im Innendienst dürfte der Kläger das erforderliche Konzentrationsvermögen für die Tätigkeit eines Versicherungskaufmanns in diesem Zeitraum nicht habe aufbringen können. Dagegen sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von Arbeitsfähigkeit in diesem Zeitraum auszugehen gewesen, wenn es sich um eine Tätigkeit gehandelt hätte, bei der folgende Einschränkungen der Arbeitsbedingungen Beachtung gefunden hätten: Keine schwere oder mittelschwere Tätigkeit, kein Heben und Tragen von Lasten, keine Zwangshaltungen, kein tiefes Bücken, kein Steigen auf Leitern und Gerüste, keine Einwirkung von Gasen, Stäuben und Dämpfen, keine besonderen Anforderungen an Konzentration und Aufmerksamkeit, kein Stress und Zeitdruck, keine Schichtarbeit und kein Kontakt mit schwierigen Kunden. Allenfalls wären kurze Ausfallzeiten bei akuten Atemwegsinfekten vorgekommen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Gutachten vom Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Prof. Dr. G. erstellt worden, wozu der Kläger - wie ausdrücklich beantragt - am 28.03.2018 untersucht worden war. Im Gutachten vom 16.04.2018 hat Prof Dr. G. ausgeführt, dass beim Kläger eine andauernde belastende Lebenssituation in Form eines schwer therapierbaren Asthma bronchiale vorliege, die schon seit dem 22. Lebensjahr bestanden und sich im Jahr 2008/2009 verstärkt habe. Dies habe den Lebensplan des Klägers zerstört und zu einer psychiatrischen Erkrankung geführt, deren Beginn sich nicht exakt festlegen lasse. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dürfte dies seit dem Jahr 2008/2009 manifest und behandlungsbedürftig gewesen sein, wie sich aus der Anamnese und teilweise aus den Akten ergebe. Behandlungsbedürftigkeit habe vorgelegen. Es bestehe Übereinstimmung mit dem Vorgutachter, dass für den Kläger die Tätigkeit als Versicherungskaufmann im fraglichen Zeitraum weder im Außendienst, noch im Innendienst möglich gewesen sei. Der Kläger sei in diesem Zeitraum aber auch bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsunfähig gewesen, da eine deutlich reduzierte Stressbelastung und eine deutlich eingeengte Umstellungsfähigkeit gegeben gewesen seien. Zu diesem Ergebnis komme es auch unter Berücksichtigung der multiplen Medikation. Nach aller derzeitigen Erkenntnis zum dokumentierten Verlauf und nach fachlicher Erfahrung sowie konsistent zu den subjektiven Schilderungen sei davon auszugehen, dass die psychopathologischen Einschränkungen durchgängig vorhanden gewesen seien.

Der beratungsärztliche Dienst der Beklagten hat diese Annahmen im Gutachten als spekulativ und medizinisch nicht begründet angesehen, insbesondere da offensichtlich kein hinreichender Behandlungsdruck vorgelegen habe, nachdem keine Behandlung dieser psychischen Beschwerden erfolgt sei.

Die Klägerseite hat erneut geltend gemacht, dass der zuletzt ausgeübte Beruf ohne zeitliche Begrenzung Maßstab für die Prüfung sei, ob Arbeitsunfähigkeit vorliege, und auch eine entsprechende Anrechnungszeit sei nicht zeitlich begrenzt. Auf Grund der Feststellungen des Gutachtens des Prof. Dr. G. komme es aber auf diese Rechtsfrage nicht mehr an. Der angeblich fehlende Leidensdruck für psychische Erkrankungen erkläre sich daraus, dass der Kläger sich subjektiv vornehmlich körperlich eingeschränkt sehe.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.06.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2013 sowie den Bescheid vom 30.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, im Versicherungsverlauf des Klägers die Zeiten vom 04.07.2009 bis 30.09.2011, vom 04.10.2011 bis 23.12.2011 und vom 27.12.2011 bis 25.05.2012 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit anzurechnen, sowie hilfsweise wird der Antrag vom 06.10.2017 aufrecht erhalten, dass in Bezug auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, jedenfalls nach Ablauf des vom Gericht für relevant angesehenen Drei-Jahres-Zeitraums bis zum 25.05.2012, Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat, die Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachten von Amts wegen beantragt wird, hilfsweise diesen Antrag auch nach § 109 SGG, weiter hilfsweise wird der Antrag auf Ladung des Herrn Prof. Dr. G. zur mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.06.2016 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung weiterer Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit durch die Beklagte.

Die im Klageverfahren S 3 R 50/14 ursprünglich verfolgten Klageziele mussten vom Senat nicht näher erörtert werden, da sie nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Klageantrags, zumindest aber eindeutig nicht Gegenstand des Berufungsantrags des Klägers geworden sind.

Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. SGB VI sind Anrechnungszeiten "Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind"; aus dieser Benennung folgt, dass Zeiten, in denen Versicherte arbeitsunfähig gewesen sind, als Anrechnungszeiten und damit als rentenrechtliche Zeit nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 iVm Abs. 4 1. Alt. SGB VI anzuerkennen sind, wenn nicht eine zusätzliche Beschränkung greift. Nach der Kommentierung und der Rechtsprechung zu § 58 SGB VI (insbesondere BSG, Urteil vom 25.02.2010, Az. B 13 R 116/08 R - nach juris) wird zur Definition des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit auf die Vorschriften des SGB V rekurriert. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V regelt den Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht oder er stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt wird. Dabei werden in Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit nach dem SGB VI von den Sozialleistungsträgern und der Rechtsprechung üblicherweise Zeiten einer vollstationären Krankenbehandlung einbezogen, ohne dass eine differenzierende Einordnung vorgenommen würde.

Arbeitsunfähig ist zunächst der Versicherte, der infolge einer Krankheit seine zuletzt vor der Erkrankung konkret ausgeübte Beschäftigung nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin ausüben kann, seinen Zustand zu verschlimmern (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand Mai 2018, § 58 SGB VI Rn. 3 mwN). Berücksichtigt werden dabei die Verhältnisse und die speziellen Anforderungen am konkret innegehabten Arbeitsplatz.

Nachdem der Kläger seinen Arbeitsplatz schon vor dem Zeitpunkt verloren gehabt hatte, für den er den Eintritt und das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht hat, konnte es auf die Besonderheiten an einem konkreten Arbeitsplatz nicht ankommen, da zu einem solchen keinerlei Bezug mehr bestand.

Für den Fall des Wegfalles eines konkreten Arbeitsplatzes soll - jedenfalls wenn die Arbeitsunfähigkeit noch während eines Beschäftigungsverhältnisses eingetreten war - als Bezugsmaßstab auf die für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit gleichgeartete d.h. typische Arbeitsplatzanforderung abgestellt werden, alternativ auf eine nach einem engen Maßstab ähnlich gelagerte Tätigkeit (Schifferdecker in: Kasseler Kommentar, Stand September 2016, § 44 SGB V, Rn. 51-53). Nicht maßgeblich ist dagegen der weite Maßstab von Verweisungstätigkeiten nach § 240 SGB VI oder eine fortlaufende Anpassung an die strengeren Verweisungsmöglichkeiten nach längerer Arbeitslosigkeit. Ein Verlust des "Berufsschutzes", also der Bezugnahme auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit, ist aber jedenfalls nach 3 Jahren ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu beachten (so eindeutig BSG, Urt. v. 17.02.2005, Az. B 13 RJ 1/04 R - nach juris). Die Auffassung der Klägerseite, dass für eine unbegrenzte Zeit eine Orientierung an der vor Beginn der Erkrankung ausgeübten Tätigkeit zu erfolgen habe, ist nach dieser höchstrichterlichen Rechtsauslegung unzutreffend.

Erst recht ist dies bedeutsam, wenn die geltend gemachte Erkrankung, die die Arbeitsunfähigkeit begründen soll, sich nicht unmittelbar an eine Beschäftigung - im Fall des Klägers als Versicherungsvertreter im Außendienst - angeschlossen hat. Im vorliegenden Fall ist die Arbeitsunfähigkeit nämlich - abgesehen von einzelnen sehr kurzen Krankheitszeiten, die deutlich unter einen Monat gedauert hatten - erstmals eingetreten, als der Kläger arbeitslos war und schon seit längerem keinen Anspruch auf Sozialleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder sonst gehabt hatte.

Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt vielmehr bei der Agentur für Arbeit lediglich arbeitslos bzw. arbeitsuchend gemeldet. Wenn ein Versicherter zuletzt arbeitslos war und eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund Erkrankung geltend macht, so ist der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der Kreis der Tätigkeiten zugrunde zu legen, für den er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat (so schon BSG vom 28.09.1993, Az. 1 RK 46/92 - nach juris). Damit ist die maßgebliche Tätigkeit im Rahmen des § 140 SGB III zu ermitteln und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen (vgl. Schifferdecker a.a.O. Rn 57). Daran ändert sich aus Sicht des Senats auch nichts dadurch, dass die zitierte Vorschrift in dieser Form zu Beginn des hier strittigen Zeitraums noch nicht gegolten hatte, denn auch schon für die Zeit ab 2008 hatten ähnliche Regelungen bestanden - etwa § 121 SGB III aF.

Die Auffassung der Beklagten, dass es auf die medizinische Situation beim Kläger in den Zeiten vom 04.07.2009 bis 30.09.2011, vom 04.10.2011 bis 23.12.2011 und vom 27.12.2011 bis 25.05.2012 nicht ankomme, weil eine Anrechnungszeit nach § 58 SGB VI schon deshalb ausscheide, weil der Kläger unter die Ausschlussgründe der zugehörigen Verwaltungsrichtlinie falle, nachdem die letzte Erwerbstätigkeit des Klägers schon mehr als 3 Jahre zurückliege, teilt der Senat nicht. Es gibt sehr wohl Fälle, in denen trotz einer schon länger zurückliegenden Beschäftigung Arbeitsunfähigkeit besteht: Beispielsweise kann während des - verzögerten - Bezuges von Arbeitslosengeld eine akute Erkrankung eintreten, die zur Arbeitsunfähigkeit führt.

Die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit für die Anwendung von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. SGB VI setzt auch nicht zwingend das vorherige Vorliegen einer nicht rückwirkend ausgestellten ärztlichen Bescheinigung über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit voraus, wie dies für den Krankengeldbezug nach § 46 SGB V der Fall ist. Deshalb würde es nicht darauf ankommen, dass für die Zeiten 18.04.2009 bis 19.04.2009, 01.10.2011 bis 03.10.2011 und 24.12.2012 bis 26.12.2012 keine Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenversicherung des Klägers vorliegen bzw. vorgelegen haben, solange das seinerzeitige Bestehen von Arbeitsunfähigkeit hinreichend belegt wäre.

Umgekehrt bewirkt allerdings allein das Vorliegen einer derartigen Bescheinigung oder das Speichern einer derartigen Zeit beim Krankenversicherungsträger auch nicht, dass im Bereich der Rentenversicherung das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit zwingend zu Grunde zu legen wäre, da hier ebenso maßgeblich das objektive Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und nicht das Erstellen einer Bescheinigung oder die Berücksichtigung im Bereich der Krankenversicherung ist.

Der Senat kommt auf Grund der beigezogenen medizinischen Unterlagen und der eingeholten Gutachten jedoch zum Ergebnis, dass beim Kläger im strittigen Zeitraum keine Arbeitsunfähigkeit bestanden hatte. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts erlauben die zeitnah zum strittigen Zeitraum erstellten medizinischen Gutachten des Dr. S., des Dr. P., des Dr. S., des Prof. Dr. I. und des Dr. L. jedoch keine abschließende Entscheidung dahingehend, dass beim Kläger seinerzeit Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen hätte. Die sozialmedizinische Beurteilung war nämlich auf die Frage der Erwerbsminderung, also das Vorliegen einer dauerhaften Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, ausgerichtet. Allerdings bieten sie sehr gute Anhaltspunkte zum Umfang der jeweiligen Gesundheitsstörungen des Klägers im Zeitverlauf. Zur Überzeugung des Senats war für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit beim Kläger ab 04.07.2009 entscheidend, ob er aus gesundheitlichen Gründen - vorübergehend - gehindert war, irgendeiner Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen. Auf das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit in der Zeit bis 03.07.2009 kam es - da nicht streitgegenständlich - nicht an, auch wenn sich dem Senat nicht erschließt, wie die Beklagte zur Auffassung gelangt ist, dass eine noch nicht bindend festgestellte Zeit nachträglich nicht mehr abzuändern gewesen sein soll.

Insbesondere aus den die Unterlagen zusammenfassend auswertenden Ausführungen des Arbeitsmediziners Dr. F. in seinem Gutachten ergibt sich für den Senat, dass der Kläger ab 04.07.2009 als arbeitsfähig für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes an geeigneten Arbeitsplätzen, d.h. bei Beachtung der Arbeitsbedingungen anzusehen gewesen ist. Dass die festgestellten Einschränkungen (kein Heben und Tragen von Lasten, keine Zwangshaltungen, kein tiefes Bücken, kein Steigen auf Leitern und Gerüsten, keine Einwirkung von Gasen, Stäuben und Dämpfen, keine besonderen Anforderungen an Konzentration und Aufmerksamkeit, kein Stress und Zeitdruck, keine Schichtarbeit und kein Kontakt mit schwierigen Kunden) die Einsatzmöglichkeiten im Erwerbsleben nicht völlig ausgeschlossen hatten, ergibt sich schon daraus, dass seinerzeit darin keine Erwerbsminderung angenommen worden war, die bei einer Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen hätte bejaht werden müssen.

Dass zu späteren Zeitpunkten für sehr kurze Zeiten Arbeitsunfähigkeit auf Grund von Atemwegsinfekten vorgelegen hat, ist ohne Bedeutung für die Zuerkennung einer Anrechnungszeit, da es dann nach Lücken in den rentenrechtlichen Zeiten am der Erfüllung des Unterbrechungstatbestandes des § 58 Abs. 2 SGB VI gefehlt hätte. Aus dem gleichen Grund hatte schon das Sozialgericht eine Anrechnungszeit ab der von Dr. H. im März 2012 festgestellten Arbeitsunfähigkeit für ausgeschlossen erklärt.

Der Senat sieht ein gegenteiliges Ergebnis weder durch die an die Krankenversicherung gemeldete Arbeitsunfähigkeit noch durch die Ausführungen des Prof. Dr. G. als hinreichend belegt an. Der Senat sieht die wesentlichen Risikofaktoren beim Kläger nach den ärztlichen Darlegungen und Gutachten insbesondere im Ausgesetztsein gegenüber Reizstoffen und Gefährdungssituationen in Bezug auf das Bronchialasthma sowie in einer Stressbelastung, wie dies sowohl Dr. F. als auch Prof. Dr. G. hervorheben. Bei Beachtung der Einschränkungen, d.h. bei einer stressarmen Tätigkeit in temperierten, geschlossenen Räumen ohne Schadstoffbelastung, bestand nach den Darlegungen des Dr. F., denen der Senat folgt, keine Überbelastung der Restgesundheit des Klägers im fraglichen Zeitraum. Insofern bestand keine Arbeitsunfähigkeit für derartige Tätigkeiten. Die Annahme, dass jegliche Berufstätigkeit so stressbehaftet sei, dass sie den Kläger seinerzeit überfordert hätte, wird von Prof. Dr. G. zwar vertreten, aus Sicht des Senates aber nicht ausreichend begründet. Dann hätten auch noch deutlich stärkere Einschränkungen der Alltagsbewältigung beim Kläger sichtbar werden müssen, was so nicht der Fall war. Insbesondere die zeitnah eingeholten Gutachten lassen derartig gravierende Einschränkungen nicht erkennen. Dabei kommt der Tatsache, dass Prof. Dr. G. den Kläger untersucht hat und Dr. F. nicht, im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, weil die Untersuchung erst 6 bis fast 9 Jahre nach dem hier strittigen Zeitraum durchgeführt worden ist und insofern sich nicht mehr zur Beurteilung dieses Zeitraums eignete. Die Ausführungen der behandelten Ärzte haben sich, wenn überhaupt eine nähere Begründung für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit abgegeben worden war, auf die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Versicherungskaufmanns im Außendienst bezogen.

Mit dem Fehlen von Arbeitsunfähigkeit im fraglichen Zeitraum kommt eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit nicht in Betracht.

Die Argumentation der Klägerseite, dass der Kläger unangemessen benachteiligt werde, weil er für ihn unvermeidbar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente verlieren würde, wenn er wegen einer langdauernden Erkrankung an einer weiteren Arbeitslosmeldung gehindert sei und wegen der Rechtsanwendung der Beklagten keine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit zuerkannt bekomme, überzeugt nicht. In § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI sind gerade diese wegen fehlender "Unterbrechung der versicherten Beschäftigung" nicht als Anrechnungszeiten erfassten Zeiten ausdrücklich als Verlängerungstatbestand erfasst. Allerdings liegen keine solche Tatbestände vor, wenn objektiv keine Arbeitsunfähigkeit gegeben war, unabhängig davon, ob und in welchem Maße die behandelnden Ärzte, die Krankenkasse oder die Bundesagentur für Arbeit möglicherweise zu einer objektiv fehlerhaften Einschätzung eines Betroffenen hinsichtlich des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit beigetragen haben.

Im Fall des Klägers hat ab 04.07.2009 keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen, auch wenn dies so bescheinigt gewesen war. Die Beklagte war daher nicht zur Abänderung ihrer Bescheide und zur Anerkennung weiterer Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit zu verurteilen.

Da damit dem Hauptantrag des Klägers nicht entsprochen wurde, waren seine weiteren Hilfsanträge zu prüfen. Diese haben jedoch weder dazu geführt, dass der geltend gemachte Anspruch als begründet anzusehen gewesen wäre, noch, dass die Entscheidungsreife des Falles nicht gegeben gewesen wäre.

Der Senat sah eine weitere Ermittlung durch Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 106 SGG nicht als geboten an. Der Kläger hat nicht aufzeigen können, welche gesundheitlichen Aspekte aus dem streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht ausreichend erfasst sein sollten und inwiefern hier ein neues medizinisches Gutachten nach Aktenlage oder mit aktueller Untersuchung weitere Erkenntnisse für den damaligen Zeitraum hätte erbringen könnte.

Der Senat sah sich ebenfalls nicht veranlasst, dem Hilfsantrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG zu entsprechen. Der Kläger hatte sein Antragsrecht auf die Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. G. gerichtet gehabt. Die Einholung eines weiteren Gutachtens kann der Kläger im Regelfall nicht beanspruchen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rn 10b); Gründe warum ein weiteres Gutachten ausnahmsweise geboten wäre, hat der Kläger nicht angeführt.

Schließlich sah sich der Senat auch nicht gehalten, den Gutachter Prof. Dr. G. persönlich anzuhören. Dabei ist es schon fraglich, ob der entsprechende Hilfsantrag ausreichend gestellt war, da keine beweiserheblichen Tatsachen angeführt und keine noch klärungsbedürftigen Fragen formuliert worden waren. Selbst wenn man die im Wort "aufrechterhalten" angedeutete Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 06.07.2018 als ausreichend ansehen wollte, so ist auch dort nur ausgeführt, dass dem Gutachter die Möglichkeit gegeben werden sollte sein Gutachten mündlich zu erläutern, wenn der Senat dies - gemeint ist wohl, dass das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit begründet sei - anders sehe. Dies erläutert nicht hinreichend, welche Fragen dem Sachverständigen noch gestellt werden sollten.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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