Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 29 AS 3545/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 16.07.2015 rechtswidrig war.
Der Kläger befindet sich seit vielen Jahren im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Beklagte erließ am 16.07.2015 gegenüber dem Kläger einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Geltungsdauer bis 15.01.2016, da eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Kläger nicht zustande kam. Der Eingliederungsverwaltungsakt enthielt u.a. die Verpflichtung des Klägers, sich auf Stellenangebote des Beklagten zu bewerben sowie im Monat mindestens zehn Bewerbungsbemühungen nachzuweisen. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt u.a. auch eine Belehrung über Sanktionen im Falle von Pflichtverletzungen durch den Kläger.
Gegen den Eingliederungsverwaltungsakt erhob der Kläger mit Schreiben vom 20.07.2015 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2015 zurückwies. Der Kläger hat am 18.09.2015 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die im Eingliederungsverwaltungsakt angedrohten Sanktionen verstießen gegen das Grundgesetz (unter Verweis auf den Vorlagebeschluss des SG Gotha, S 15 AS 5157/14). Der Eingliederungsverwaltungsakt sei zudem gem. § 40 Abs. 1 SGB X nichtig, weil er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide. Er breche das aus Art. 2 GG hergeleitete Recht auf Vertragsfreiheit. Es würden durch ihn auch die Artikel 1, 2, 11, 12 und 19 GG außer Kraft gesetzt.
Am 28.03.2017 hat der Beklagte den Eingliederungsverwaltungsakt aufgehoben.
Der Kläger hat seine Klage daraufhin dahingehend geändert, dass er die Feststellung begehrt, dass der streitgegenständliche Eingliederungsverwaltungsakt rechtswidrig war. Es liege ein schwerer Grundrechtseingriff sowie Widerholungsgefahr vor. Der Eingliederungsverwaltungsakt verstoße gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 GG und gegen das Zitiergebot des Art. 19 GG. Das SGB II benenne die Grundrechtseinschränkungen nicht. Die Sanktionsvorschriften der §§ 31 und 31b SGB II verstießen gegen die Menschenwürde (Art. 1 GG), weil sie Leistungskürzungen bis zu 100 Prozent vorsähen. Auch das Bundesverfassungsgericht gehe in seiner Entscheidung 1 BvL 1/09 davon aus, dass das Existenzminimum in jedem Falle gesichert werden müsse. Ferner verstoße der Eingliederungsverwaltungsakt gegen Artikel 11, 12, 13, 14, 19, 20 Abs. 1 GG sowie gegen Teile der UN-Menschenrechtscharta und der EU-Menschenrechte. Wiederholungsgefahr drohe ebenfalls. Am 14.07.2016 habe er eine weitere Klage gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt einreichen müssen (S 29 AS 2623/16). Er nehme mit seiner Klage sein Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG in Anspruch. Er wolle alle seine verfassungsrechtlichen Bedenken endgültig klären lassen, da er von einem verfassungswidrigen Verwaltungsakt und seinem überwiegend verfassungswidrigen Inhalt betroffen sei.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das Zitiergebot vor.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 05.12.2016 darüber informiert, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann durch Gerichtsbescheid ergehen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind angehört worden (§ 105 Abs. 1 SGG).
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Die nach Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 16.07.2015 auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage ist mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Verwaltungsaktes hat. Als solche Interessen kommen in Betracht die Widerholungsgefahr, eine Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse (vor allem zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen), ein Rehabilitationsinteresse (weil der Kläger durch den streitgegenständlichen Verwaltungsakt in einer Art und Weise stigmatisiert ist, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit und im sozialen Umfeld herabzusetzen) sowie bei einem tiefgreifenden Eingriff in ein Grundrecht (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 131, Rn. 10ff.).
Der Kläger beruft sich vor allem auf einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Die Geltendmachung eines schweren Grundrechtseingriffs kann aber nur dann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen, wenn es sich bei dem angefochtenen Verwaltungsakt um eine Maßnahme handelt, die sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnte und damit anders kein effektiver Rechtsschutz zu erreichen wäre. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 – juris Rn. 32; BVerfG, Beschl. v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - u. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - juris). Um eine solche Maßnahme handelt es sich beim Eingliederungsverwaltungsakt jedoch nicht. Er ist regelmäßig mit einer Geltungsdauer von mindestens mehreren Monaten versehen, so dass sowohl ein Widerspruchs- als auch ein Klageverfahren durchgeführt werden kann, ohne dass sich der Eingliederungsverwaltungsakt von selbst erledigt.
Auch aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr lässt sich hier kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse herleiten. Zwar ist ein weiteres Klageverfahren wegen eines weiteren Eingliederungsverwaltungsaktes vom 09.02.2016 bei Gericht anhängig (S 29 AS 2623/16). Jedoch sind seither keine weiteren Klagen anhängig gemacht worden, so dass davon auszugehen ist, dass im Falle des Klägers weitere Eingliederungsverwaltungsakte eben nicht erlassen wurden.
Auf Präjudizialität oder auf ein Rehabilitationsinteresse hat der Kläger sein Feststellungsinteresse nicht gestützt. Anhaltspunkte hierfür liegen auch nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 16.07.2015 rechtswidrig war.
Der Kläger befindet sich seit vielen Jahren im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Beklagte erließ am 16.07.2015 gegenüber dem Kläger einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Geltungsdauer bis 15.01.2016, da eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Kläger nicht zustande kam. Der Eingliederungsverwaltungsakt enthielt u.a. die Verpflichtung des Klägers, sich auf Stellenangebote des Beklagten zu bewerben sowie im Monat mindestens zehn Bewerbungsbemühungen nachzuweisen. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt u.a. auch eine Belehrung über Sanktionen im Falle von Pflichtverletzungen durch den Kläger.
Gegen den Eingliederungsverwaltungsakt erhob der Kläger mit Schreiben vom 20.07.2015 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2015 zurückwies. Der Kläger hat am 18.09.2015 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die im Eingliederungsverwaltungsakt angedrohten Sanktionen verstießen gegen das Grundgesetz (unter Verweis auf den Vorlagebeschluss des SG Gotha, S 15 AS 5157/14). Der Eingliederungsverwaltungsakt sei zudem gem. § 40 Abs. 1 SGB X nichtig, weil er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide. Er breche das aus Art. 2 GG hergeleitete Recht auf Vertragsfreiheit. Es würden durch ihn auch die Artikel 1, 2, 11, 12 und 19 GG außer Kraft gesetzt.
Am 28.03.2017 hat der Beklagte den Eingliederungsverwaltungsakt aufgehoben.
Der Kläger hat seine Klage daraufhin dahingehend geändert, dass er die Feststellung begehrt, dass der streitgegenständliche Eingliederungsverwaltungsakt rechtswidrig war. Es liege ein schwerer Grundrechtseingriff sowie Widerholungsgefahr vor. Der Eingliederungsverwaltungsakt verstoße gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 GG und gegen das Zitiergebot des Art. 19 GG. Das SGB II benenne die Grundrechtseinschränkungen nicht. Die Sanktionsvorschriften der §§ 31 und 31b SGB II verstießen gegen die Menschenwürde (Art. 1 GG), weil sie Leistungskürzungen bis zu 100 Prozent vorsähen. Auch das Bundesverfassungsgericht gehe in seiner Entscheidung 1 BvL 1/09 davon aus, dass das Existenzminimum in jedem Falle gesichert werden müsse. Ferner verstoße der Eingliederungsverwaltungsakt gegen Artikel 11, 12, 13, 14, 19, 20 Abs. 1 GG sowie gegen Teile der UN-Menschenrechtscharta und der EU-Menschenrechte. Wiederholungsgefahr drohe ebenfalls. Am 14.07.2016 habe er eine weitere Klage gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt einreichen müssen (S 29 AS 2623/16). Er nehme mit seiner Klage sein Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG in Anspruch. Er wolle alle seine verfassungsrechtlichen Bedenken endgültig klären lassen, da er von einem verfassungswidrigen Verwaltungsakt und seinem überwiegend verfassungswidrigen Inhalt betroffen sei.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das Zitiergebot vor.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 05.12.2016 darüber informiert, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann durch Gerichtsbescheid ergehen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind angehört worden (§ 105 Abs. 1 SGG).
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Die nach Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 16.07.2015 auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage ist mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Verwaltungsaktes hat. Als solche Interessen kommen in Betracht die Widerholungsgefahr, eine Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse (vor allem zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen), ein Rehabilitationsinteresse (weil der Kläger durch den streitgegenständlichen Verwaltungsakt in einer Art und Weise stigmatisiert ist, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit und im sozialen Umfeld herabzusetzen) sowie bei einem tiefgreifenden Eingriff in ein Grundrecht (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 131, Rn. 10ff.).
Der Kläger beruft sich vor allem auf einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Die Geltendmachung eines schweren Grundrechtseingriffs kann aber nur dann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen, wenn es sich bei dem angefochtenen Verwaltungsakt um eine Maßnahme handelt, die sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnte und damit anders kein effektiver Rechtsschutz zu erreichen wäre. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 – juris Rn. 32; BVerfG, Beschl. v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - u. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - juris). Um eine solche Maßnahme handelt es sich beim Eingliederungsverwaltungsakt jedoch nicht. Er ist regelmäßig mit einer Geltungsdauer von mindestens mehreren Monaten versehen, so dass sowohl ein Widerspruchs- als auch ein Klageverfahren durchgeführt werden kann, ohne dass sich der Eingliederungsverwaltungsakt von selbst erledigt.
Auch aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr lässt sich hier kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse herleiten. Zwar ist ein weiteres Klageverfahren wegen eines weiteren Eingliederungsverwaltungsaktes vom 09.02.2016 bei Gericht anhängig (S 29 AS 2623/16). Jedoch sind seither keine weiteren Klagen anhängig gemacht worden, so dass davon auszugehen ist, dass im Falle des Klägers weitere Eingliederungsverwaltungsakte eben nicht erlassen wurden.
Auf Präjudizialität oder auf ein Rehabilitationsinteresse hat der Kläger sein Feststellungsinteresse nicht gestützt. Anhaltspunkte hierfür liegen auch nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
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