L 8 SB 2343/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 95/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2343/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.06.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "aG" (Parkerleichterung wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung) vorliegen.

Bei der 1941 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt K. (LRA) mit Abhilfebescheid vom 02.12.2016 den Grad der Behinderung (GdB) mit 100 sowie die gesundheitlichen Merkmale für das Merkzeichen "G" erstmals jeweils seit 10.03.2016 fest. Berücksichtigt wurden eine seelische Störung (GdB 60), ein chronisches Ekzem (GdB 20), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 10), eine Funktionsbehinderung beider Sprunggelenke, entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke und Gebrauchseinschränkung beider Füße (GdB 60), eine chronische Bronchitis (GdB 10) sowie eine Schuppenflechte (GdB 30).

Am 21.06.2017 beantragte die Klägerin beim LRA die Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Sie machte insbesondere geltend, sie habe am rechten Fuß wegen einer Dornwarze starke Schmerzen, leide unter Gleichgewichtstörungen/Schwindel und habe starke Kopf- und Bruchschmerzen etc. Sie benötige dringend die Plakette für das Fahrzeug ihres Neffen, der den Rollstuhl stets im Fahrzeug habe. Die Klägerin legte eine Auflistung erlittener Unfälle und deren Folgen vor.

Das LRA holte den Befundbericht des S. Klinikums K. (Augenklinik) vom 21.07.2017 ein. Unter Übernahme der GdB-Ansätze des Abhilfebescheids vom 02.12.2016 entsprach das LRA mit Bescheid vom 07.08.2017 dem Antrag der Klägerin auf Feststellung des Merkzeichens "aG" nicht.

Gegen den Bescheid vom 07.08.2017 legte die Klägerin am 16.08.2017 Widerspruch ein.

Auf Anfrage des LRA zu Funktionseinschränkungen der unteren Gliedmaßen, zum Gehvermögen und zu Gleichgewichtstörungen teilte Dr. R. (ohne Datum) mit, die Klägerin sei nur von April 2017 bis Juli 2017 aufgrund anderer Gesundheitsstörungen in der Praxis gewesen. Weiter zog das LRA insbesondere den stationären Entlassungsbrief des S. Klinikums K. vom 29.05.2017 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 03.05.2017 bis 05.05.2017 (Diagnosen: Commotio cerebri, Monokelhämatom links) sowie den Ambulanzarztbrief vom 28.09.2017 (Diagnosen: Z.n. Verkehrsunfall 05/2017 mit Commotio cerebri, Fraktur Sinus maxillaris links mit Jochbeinfraktur, Z.n. kleiner knöchernen Absprengung MCP IV-Basis rechts, Prellungen Knie links, V.a. Impingementsyndrom Schulter rechts und V.a. posttraumatische Belastungsstörung) bei.

Die Klägerin reichte ärztlicher Unterlagen nach (insbesondere Berichte Dr. P. vom 20.11.2017, S. Klinikum K. vom 03.07.2017, 14.07.2017, 11.08.2017, 08.09.2017 und 28.09.2017 sowie HNO Notfallprotokoll vom 30.10.2017).

Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 22.12.2017 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 07.08.2017 zurückgewiesen. Die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lasse sich nicht begründen.

Am 05.01.2018 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie machte zur Begründung unter Bezug auf die vorgelegten Befundunterlagen geltend, bei ihr lägen die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vor. Sie machte das Auftreten von Attacken im Hirn/Hypothalamus, Schwindel, Übelkeit, Schwächeanfälle, Beschwerden und Schmerzen sowie Gehunfähigkeit nach Unfällen geltend. Die Klägerin legte im Verlauf des Klageverfahrens medizinische Unterlagen, ein Gedächtnisprotokoll vom 06.12.2017, Berichte und die Auflistung insbesondere über Unfälle (Stürze) und deren Folgen, die ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin W. vom 23.04.2018 sowie eine Verordnung eines Rollators durch die Fachärztin W. vom 27.03.2018 vor.

Das SG hörte behandelnde Ärzte der Klägerin (unter Übersendung gutachtlicher Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes des Beklagten vom 24.07.2017 und 07.12.2017) schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. B. teilte in seiner Aussage vom 28.02.2018 mit Ergänzung vom 01.04.2018 die Befunde und Diagnosen mit. Aus orthopädischer Sicht besteht kein Zustand, welcher das Merkzeichen "aG" rechtfertige. Eine Rollstuhlpflicht habe zum Zeitpunkt der letztmaligen Untersuchung am 22.11.2017 nicht bestanden. Er schätzte aus orthopädischer Sicht den GdB auf 60 ein, eine Funktionseinschränkung mit einem GdB von 80 liege nicht vor. Die Mobilität der Klägerin sei sehr unterschiedlich. Insgesamt seien die Funktionseinschränkungen der Klägerin nicht mit einer beidseitigen Amputation oder einer Querschnittslähmung gleichzusetzen oder entsprechenden Voraussetzungen zur Anerkennung des Merkzeichens "aG". Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. teilte in ihrer Aussage vom 18.02.2018 unter Vorlage medizinischer Unterlagen mit, die Klägerin sei in die Praxis immer ohne fremde Hilfe gekommen. Sie habe oft gesagt, sie sei mit dem Fahrrad da.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2018 wies das SG, gestützt auf die Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. B. und Dr. B. , die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG".

Gegen den der Klägerin am 20.06.2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die von ihr am 28.06.2018 beim SG eingelegte Berufung, die dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt worden ist. Sie hat zur Begründung auf ihre Ausführungen im Klageverfahren verwiesen. Die Klägerin hat insbesondere die ärztliche Bescheinigung der Fachärztin W. vom 21.12.2018 vorgelegt, wonach die Klägerin nicht in der Lage sei, aus dem Gedächtnis heraus zuverlässige und zutreffende Angaben zu machen. Die Klägerin leide unter einer Trigeminusneuralgie mit unerträglichen Schmerzattacken im Gesichtsbereich, an Schlafstörungen, Psoriasis und Borreliosen. Aufgrund von Schwächeanfällen und Konzentrationsstörungen mit kurzem Schwindel und nicht vorher absehbaren Schmerzattacken sei es der Klägerin nicht möglich, bei Gerichtsverhandlungen anwesend zu sein.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.06.2018 sowie den Bescheid des Beklagten vom 07.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.12.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" seit dem 21.06.2017 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Klägerin Erklärung vom 13.02.2019, Beklagte Schriftsatz vom 14.12.2018). Mit Fax vom 21.03.2019 hat sich Fachärztin W. , nach ihren Angaben auf Wunsch der Klägerin, zu den Beschwerden der Klägerin weiter geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf zwei Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren sinngemäß gefasst.

Der Senat hat gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin entscheiden können. Das nach Eingang der Einverständniserklärungen der Beteiligten eingegangene Fax vom 21.03.2019 der die Klägerin behandelnden Ärztin W. hat dem Senat keinen Anlass gegeben, von einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung abzusehen. Zum einen ist eine Prozessvollmacht der Ärztin nicht durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde nachgewiesen, unabhängig davon, dass Ärzten auch keine Vertretungsbefugnis gemäß § 73 Abs. 2 SGG zusteht. Zum anderen trägt die Ärztin W. in dem Fax zum Gesundheitszustand der Klägerin nichts Neues vor, sondern wiederholt und vertieft das bereits in ihrem Attest vom 21.12.2018 Dargelegte. Eine neue Prozesslage, die die prozessuale Wirksamkeit der Einverständniserklärung entfallen lassen könnte, ist dadurch nicht eingetreten.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 21.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Feststellung des Merkzeichens "aG" nicht beanspruchen.

Rechtsgrundlage sind die Vorschriften des SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtete sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 Rdn. 34). Nachdem § 241 Absatz 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-) Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach § 152 Absatz 1 und 4 SGB IX (§ 69 Absatz 1 und 4 SGB IX a.F.) stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind.

Seit 01.01.2018 enthält § 229 Absatz 3 SGB IX die Legaldefinition des Nachteilsausgleichs "außergewöhnlich gehbehindert", die zuvor aufgrund Artikel 3 Nr. 13 des Gesetzes zur Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz vom 23.12.2016) seit 30.12.2016 in § 146 Absatz 3 SGB IX enthalten war. Auf die Rechtslage vor dem 30.12.2016 kommt es vorliegend nicht an, da die Feststellung des Merkzeichens erst am 21.06.2017 beantragt worden ist.

Nach § 229 Absatz 3 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht (Satz 1). Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können (Satz 2). Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung - dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen - aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind (Satz 3). Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen (Satz 4). Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleichkommt (Satz 5). Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 18/9522 zu Nr. 13 (§146) Seite 318) kann beispielsweise bei folgenden Beeinträchtigungen eine solche Schwere erreicht werden, dass eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vorliegt: - zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist (insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung), - einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder einem Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung (insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten), - schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit (insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV), - schwersten Gefäßerkrankungen (insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV), - Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades, - einer schwersten Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden (mit starker Auszehrung und fortschreitendem Kräfteverfall).

§ 229 Absatz 3 SGB IX normiert mehrere (kumulative) Voraussetzungen: Zunächst muss bei dem Betroffenen eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung bestehen, diese muss einem GdB von mindestens 80 entsprechen. Darüber hinaus muss die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung auch erheblich sein. Mit der Bezugnahme auf mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigungen wollte sich der Gesetzgeber von der Einengung auf orthopädische Gesundheitsstörungen lösen, so dass "keine Fallgestaltung von vornherein bevorzugt oder ausgeschlossen wird, auch nicht dem Anschein nach" (BT-Drs. 18/9522, S. 318). Trotz dieser Ausweitung übernimmt die Neuregelung den bewährten Grundsatz, dass das Recht, Behindertenparkplätze zu benutzen, nur unter engen Voraussetzungen eingeräumt werden darf und verlangt daher auf der zweiten Prüfungsstufe einen - relativ hohen - GdB von wenigstens 80 für die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung. Dabei ist an den tatsächlich zuerkannten GdB anzuknüpfen (Senatsurteil vom 27.01.2017 - L 8 SB 943/16, juris; sich dem anschließend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.08.2017 - L 6 SB 3654/16 -, sozialgerichtsbarkeit.de).

Hiervon ausgehend sind bei der Klägerin sowohl nach den bis 31.12.2017 als auch nach den ab 01.01.2018 anzuwendenden Vorschriften die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht erfüllt. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" habe. Der bei ihr vorliegende GdB von mehr als 80 sei nicht durch eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung bedingt. Die Funktionsstörungen der Klägerin führten nicht dazu, dass sie sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen könne. Eine Rollstuhlpflicht bestehe nicht. Vielmehr gebe die Klägerin an, weitgehend in der Lage zu sein, mit dem Fahrrad zu fahren. Eine dauerhafte erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit sei nicht objektiviert. Die Verordnung eines Rollators als Hilfsmittel genüge nicht für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG", zumal nicht nachgewiesen sei, dass die Klägerin tatsächlich und dauerhaft auf dessen Verwendung angewiesen sei. Gesundheitsstörungen, die die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer beeinträchtigten, dass die Klägerin dem berechtigten Personenkreis gleichzustellen wäre, seien nicht ersichtlich. Der pulmonale und koronare Befund sei zuletzt unauffällig gewesen. Auch die zeitweisen Konzentrations- und Gleichgewichtstörungen sowie der Schwindel und die "Attacken im Hirn" rechtfertigten nicht die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG". Sie bedingten keine Gangstörung der Klägerin mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder der Erforderlichkeit einer dauerhaften Rollstuhlbenutzung. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu derselben Überzeugung. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Dr. B. hat in seiner schriftlichen Sachverständigen Zeugenaussage vom 28.02.2018 mit Ergänzung vom 01.04.2018 auf orthopädischem Gebiet bei der Klägerin den GdB auf unter 80 (GdB 60) eingeschätzt. Die von ihm in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen beschriebenen Befunde hinsichtlich der Kniegelenke der Klägerin (Extention/Flexion 0-0-130°, kein Erguss, feste Seitenbänder, negative Meniskuszeichen bei positiven Chondropathiezeichen, jeweils beidseits mäßiges retropatellares Reiben) belegen noch keinen Einzel-GdB nach den VG. Degenerative Verschleißerscheinungen beider Kniegelenke hat Dr. B. als geringgradig eingestuft. Entsprechendes gilt für einen Senk- und Spreizfuß der Klägerin mit Halux und Krallenzehen beidseits. Weiter hat Dr. B. aus orthopädischer Sicht bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" für nicht gegeben erachtet. Entsprechendes ergibt sich auch aus der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. B. , die bestätigt hat, dass die Klägerin immer ohne Hilfe in ihre Praxis gekommen sei und erwähnt, dass die Klägerin gesagt habe, oft mit dem Fahrrad da zu sein. Dr. B. hat damit bei der Klägerin die Beweisfrage des SG zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" im Ergebnis verneint. Auch den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen lassen sich insbesondere auf orthopädischem oder internistischem Fachgebiet keine Befunde entnehmen, die bei der Klägerin die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (etwa als dauerhafte Folge erlittener Unfälle) erlauben. Dass sich die in den ärztlichen Bescheinigungen der Fachärztin W. der Klägerin attestierten Trigenimusneuralgie, Schlafstörungen, Psoriasis und Borreliosen, Schwächeanfälle, Konzentrationsstörungen, kurzer Schwindel und nicht vorhersehbare Schmerzattacken für die Klägerin außergewöhnlich gehbehindernd auswirken, hat die Fachärztin W. nicht nachvollziehbar dargelegt. In dem Fax vom 21.03.2019 werden selbst erhobene Befunde bzw. gestellte Diagnosen nicht angeführt, sondern im Wesentlichen wird das Beschwerdevorbringen der Klägerin lediglich unkritisch übernommen. Auf die Höhe des Grads der Behinderung (GdB) kommt es allein nicht an, maßgebend ist das Ausmaß der mobilitätsbezogenen Beeinträchtigungen. Das ist aber auch den Ausführungen im Fax vom 21.03.2019 nicht nachvollziehbar zu entnehmen, insbesondere der Hinweis auf die Stoffwechsellage bei einem Prädiabetes und eine nicht näher spezifizierte COPD, wobei der koronare und pulmonale Befund keine schwerwiegenden Einschränkungen bei der Untersuchung im August 2017 im S. Klinikum K. (vgl. Bericht vom 11.08.2017) aufwies, belegt solche Einschränkungen nicht. Zentralnervöse, peripher-neurologische oder neuromuskulär bedingte Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder mit der Erforderlichkeit einer dauerhaften Rollstuhlbenutzung, einen Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder einem Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung, eine schwerste Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit, schwerste Gefäßerkrankungen, Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades oder eine schwerste Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden sind bei der Klägerin nach den von der Klägerin im Verlaufe des Rechtsstreites vorgelegten und den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht festzustellen.

Die Zuhilfenahme von Hilfsmitteln, wie Unterarmgehstützen oder Rollator allein begründet nach der Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" nicht (Urteil vom 24.10.2016 - L 8 SB 1592/16 -, nicht veröffentlicht).

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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