Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 116/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 3883/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.09.2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.08.2017 befristet bis zum 30.04.2020 aufgrund eines Leistungsfalls am 26.01.2017 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und werden die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Im erstinstanzlichen Verfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.
Der im Jahr 1972 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis zum 31.08.2013 als Gussputzer bei der Firma S. versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.09.2013 war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit M ... Aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 26.09.2014 erhielt der Kläger seit dem 27.09.2014 Krankengeld. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt (Ausweis des Landratsamtes N. vom 16.08.2013).
Am 08.05.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei (Bericht von Prof. Dr. R. sowie dessen Stellungnahme gegenüber dem Versorgungsamt vom 24.07.2013, Diagnose: R/L Retinopathia pigmentosa, Visus: RA cc 0,8, LA cc 0,63, Gesichtsfeld: RA Einengung auf 20 Grad (III/4), LA Einengung auf 20 Grad (III/4); Bericht von Dr. W. vom 01.08.2013, Beurteilung chronifizierte linksseitige Cephalgien in Verbindung mit Überempfindlichkeit der Kopfhaut links, differenzialdiagnostisch in Verbindung mit nachgewiesenen ausgeprägten entzündlichen Nasennebenhöhlenveränderungen). Des Weiteren nahm die Beklagte eine gutachterliche Äußerung des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit T. von Frau A. vom 10.10.2013 zu den Akten (Diagnose: Retinopathia pigmentosa, ausgeprägte Minderbelastbarkeit beider Augen bei stark eingeschränktem seitlichen Sehen, ein noch bestehendes Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Leistungseinschränkungen). Dieser Leistungsbewertung stimmte der Prüfarzt Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 07.06.2014 zu.
Mit Bescheid vom 18.06.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Hiergegen legte der Kläger am 14.07.2014 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, dass der Einschätzung von Dr. S. vom 17.06.2014 nicht gefolgt werden könne. Die Funktionseinschränkungen nicht nur auf augenfachärztlichem Gebiet, sondern auch auf orthopädischem und neuro – psychiatrischen Gebiet wirkten sich in ihrer Gesamtheit derart stark auf das Leistungsvermögen aus, dass dieses bereits quantitativ erheblich gemindert sei. Er leide nicht nur unter einem fortschreitenden Visusverlust, sondern vor allem an einer fortschreitenden konzentrischen Gesichtsfeldeinengung aufgrund einer Retinitis pigmentosa, darüber hinaus unter erheblichen Einschränkungen der Wirbelsäule, insbesondere in Form der chronifizierten linksseitigen Cephalgien mit erheblichen Kopfschmerzen sowie mittlerweile einer ausgeprägten depressiven Erkrankung aufgrund des eigenen Insuffizienzerlebens aufgrund der schweren Augenerkrankung. Im Hinblick auf die fortschreitende depressive Erkrankung sei die Suche nach einem muttersprachlichen Facharzt in erreichbarer Nähe bislang nicht erfolgreich gewesen. Die psychiatrische Behandlung bei einem nicht muttersprachlichen Behandler sei aufgrund der erheblichen Sprachschwierigkeiten deutlich eingeschränkt. Das Leistungsvermögen betrage aufgrund der erheblichen Gesamteinschränkungen der Leistungsfähigkeit nur noch unter sechs Stunden selbst für leichte Tätigkeiten. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zumindest auf Zeit, abhängig vom Arbeitsmarkt seien daher erfüllt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 zurück und führte zur Begründung aus, dass die Sehleistungsminderung beidseits bei Retinitis pigmentosa, die rezidivierenden Kopfschmerzbeschwerden links (zervikomuskular) und die reaktive depressive Verstimmung der Verrichtung leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich nicht entgegenstünden.
Am 08.12.2014 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn.
Mit Beschluss vom 09.01.2015 verwies das Sozialgericht Heilbronn den Rechtsstreit infolge örtlicher Unzuständigkeit an das örtlich zuständige Sozialgericht Mannheim (nachfolgend SG).
Der Kläger wiederholte zur Klagebegründung im Wesentlichen das Vorbringen im Widerspruchsverfahren und teilte zudem mit, dass die behandelnden Ärzte von einem Leistungsvermögen von unter 6 Stunden ausgingen und als sachverständige Zeugen zu hören seien. Er reichte weitere ärztliche Befundberichte zu den Akten (Bericht Dr. H. , Neurologe, vom 01.12.2014, muskulär bedingter Schwindel und Cervicocephalgie ohne Hinweis auf relevante organneurologische Erkrankung; Tonaudiogramm von Dr. E. vom 03.12.2014; einen pathologischen Befund von Dr. C. O. vom 06.10.2015 über Probenentnahmen des Duodenums, Antrum, Korpus, Ösophagus, Ileum und Rektum vom 06.10.2015; eine Bericht über ein CT des Abdomen vom 26.11.2015 von Dr. H. , Dr. S. , Nephrolithiasis rechts mit multiplen Konkrementen).
Das SG vernahm die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich.
Der Augenarzt Dr. S. teilte in seiner Aussage vom 07.04.2015 mit, dass er den Kläger zuletzt am 22.04.2013 behandelt habe und daher die Beweisfragen nicht beantworten könne.
Prof. Dr. R. , Leiter der Sektion ophthalmologische Rehabilitation der Augenklinik, Universitätsklinikum T. führte in seiner Stellungnahme vom 07.04.2015 aus, dass er den Kläger nach dem 01.01.2014 zweimal am 29.01.2014 und am 15.01.2015 behandelt habe. Infolge der Retinitis pigmentosa sei es an beiden Augen zu einer Nachtblindheit sowie einer deutlichen Einengung der Gesichtsfelder gekommen. Gleichzeitig bestehe eine geringgradige Reduktion der zentralen Sehschärfe mit an beiden Augen derzeit 0,6. Im Verlauf des gesamten Behandlungszeitraumes seit Juni 2013 habe sich die Sehschärfe nicht wesentlich verändert und auch die Gesichtsfeldeinschränkung habe nicht weiter zugenommen. Aus augenärztlicher Sicht bestehe selbst bei schweren Arbeiten keine gesundheitliche Gefährdung. Es sei allerdings auf die mögliche Gefährdung durch die Sehbehinderung zu achten. Die Nachtblindheit könne die Wegefähigkeit von und zur Arbeit bei Dunkelheit einschränken.
Der Facharzt für Neurochirurgie, spezielle Schmerztherapie und Rehabilitationswesen Dr. P. gab mit Schreiben vom 16.04.2015 an, dass der Kläger ihn seit dem 20.10.2014 in Behandlungsintervallen von 2 bis 3 Wochen aufsuche. Es liege eine myogene Zervikozephalgie vor. Die Verrichtung einer leichten Tätigkeit in Vollschicht sei vertretbar.
Der Orthopäde Dr. St. teilte mit Schreiben vom 23.04.2015 mit, dass er den Kläger seit dem 26.09.2014 behandele und ein Cervicalsyndrom und eine Chondropathia patellae diagnostizert habe. Die Verrichtung leichter Tätigkeiten sei vollschichtig möglich.
Das SG beauftragte Dr. R. mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung. Dr. R. diagnostizierte in seinem am 17.07.2015 erstellten Gutachten eine Retinitis pigmentosa, chronische Kopfschmerzen, einen Tinnitus rechts stärker als links, eine beginnende Hörstörung, Übergewicht, eine Fettleber, Nierenzysten links (DD Zystenniere links) sowie eine reaktiv – depressive Verstimmung mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung (DD chronifizierte Angststörung) und als Nebenbefund einen Verdacht auf Chondropathia patellae. Mittelschwere bis gelegentlich schwere Tätigkeiten seien noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich möglich. Zur Wegefähigkeit hat Dr. R. ausgeführt, dass die Nachtblindheit zur Folge habe, dass der Kläger nicht nur im Winterhalbjahr, sondern auch in der Dämmerung und in der Nacht Probleme habe, einen Arbeitsplatz zu erreichen, da er nicht ausreichend sehe, um den Weg zur Arbeit ohne Gefahren für sich selbst und andere zurückzulegen.
Das SG veranlasste nachfolgend von Amts wegen eine augenfachärztliche Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. A. , Direktor der Augenklinik, S. Klinikum K ... In seinem am 26.10.2015 erstellten Gutachten diagnostizierte Prof. Dr. A. eine Retinopathia pigmentosa mit konsekutiver pathologischer Veränderung der Sehnerven, des Ortes des scharfen Sehens und der Gefäße. Leichte Arbeiten im Sitzen seien generell ohne Gefährdung der Gesundheit acht Stunden am Tag möglich. Bezüglich des Arbeitsweges sei mit keiner erhöhten Zeitdauer zu rechnen. Eine Gehstrecke von 500 Meter viermal täglich könne zurückgelegt werden. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sollte möglich sein. Die Notwendigkeit einen Blindenstock zu führen, bestehe nicht.
In einer vom SG in Bezug auf die vom Vorgutachter attestierte Nachtblindheit angeforderten ergänzenden Stellungnahme teilte Prof. Dr. A. am 09.11.2015 mit, dass (noch) keine signifikante Nachtblindheit vorliege. Dies sei auch von ihm objektiviert worden. Deshalb bestehe derzeit noch keine Einschränkung bezüglich der Zurücklegung des Arbeitswegs bei Dämmerung. Dies könne sich freilich bei Fortschreiten der Erkrankung ändern.
Das SG beauftragte Dr. S. , Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstellung eines neurologisch – psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen mit ambulanter Untersuchung. Dr. S. diagnostizierte in seinem am 22.02.2016 erstellten Gutachten ein depressiv – agitiertes Syndrom im Sinne von Anpassungsstörungen bei körperlichen Erkrankungen und belastender sozialer Situation, Spannungskopfschmerzen, ein aktuell nicht behandlungsbedürftiges Nierensteinleiden, degenerative Halswirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik sowie ein Augenleiden. Die Verrichtung von leichten bis gelegentlich mittelschweren Tätigkeiten sei mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG holte das SG von Dr. P. , Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Facharzt für Innere Medizin das internistisch – psychosomatische Fachgutachten vom 17.05.2016 ein. Dr. P. diagnostizierte eine Retinopathia pigmentosa mit Gesichtsfeldeinengung und Einschränkung der zentralen Sehschärfe, eine Persönlichkeitsstörung (traumatischer Genese ?) mit Zwangsgedanken und Wahrnehmungen sowie weitgehendem sozialen Rückzug, eine somatoforme Störung mit multiokulären Schmerzen, Ohrgeräuschen und vegetativen Korrelatsymptomen, ein depressives Syndrom sowie einer Nephrolithiasis und Gastritis. Er sehe für den Kläger keine Tätigkeit, die er noch zuverlässig verrichten könne.
Die Beklagte trat dem Gutachten von Dr. P. unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. L. vom 23.06.2016 entgegen.
Mit Urteil vom 15.09.2016 gab das SG der Klage statt und verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom Monat der Antragstellung bis einschließlich April 2017. Die Beklagte trage die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Zur Begründung führte das SG aus, dass zwar noch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bestehe. Auch die Wegefähigkeit sei noch vorhanden. Der Kläger sei jedoch wegen des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsminderung voll erwerbsgemindert. Diese bestehe darin, dass der Kläger zum einen in seinem Sehvermögen eingeschränkt sei und andererseits sich hierdurch seine von Haus aus gegebene geringe kognitive Leistungsschwelle weiter reduziere. Dem Gericht sei keine konkrete Tätigkeit ersichtlich, die der Kläger derzeit ausüben könne. Eine solche sei auch nicht von der Beklagten benannt worden. Zwar könnten auch blinde Menschen berufstätig sein. Der Kläger habe jedoch seine Blindheit nicht akzeptiert und auch keine entsprechenden Schulungen durchlaufen. Er sei daher derzeit schwer spezifisch leistungseingeschränkt und nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mit dessen üblichen Bedingungen verweisbar.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22.09.2016 zugestellte Urteil am 19.10.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden - Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, dass dem Kläger entgegen der Auffassung des SG keine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit zustehe. Zunächst ergebe sich weder aus dem Urteilstenor noch den Entscheidungsgründe, wann genau nach Auffassung des SG eine quantitative Leistungsminderung eingetreten ist. Der Kläger sei mit einer Sehschärfe von 0,6 an beiden Augen nicht blind. Dies belege auch die Tatsache, dass dem Kläger vom Versorgungsamt nicht das Merkzeichen BL für Blindheit oder H für Hilflosigkeit zuerkannt worden sei. Auch das Dämmersehen sei nach den durchgeführten Untersuchungen nur gering eingeschränkt. Dem Kläger sei zudem die Benutzung von Hilfsmitteln zur Unterstützung seines noch vorhandenen Sehvermögens zumutbar. Auch die rentenrechtlich relevante Gehstrecke sei noch vorhanden. Der Kläger hole regelmäßig seinen Sohn vom Kindergarten ab und gehe auch ca. 1 km in die Stadt. Nach den Angaben der Ehefrau wechselten sie und ihr Ehemann sich bei den Autofahrten in die Türkei ab. Dem Gutachten von Dr. S. seien zudem Hinweise auf Aggravation/Simulation zu entnehmen. Der Kläger sei entgegen der Auffassung des SG noch in der Lage, leichte Tätigkeiten, wie beispielsweise einfache Büroarbeiten mit einem auf seine Verhältnisse einstellbaren Bildschirm sechs Stunden arbeitstäglich oder länger zu verrichten. Eine schwere spezifische bzw. überdurchschnittlich starke Leistungsbeeinträchtigung liege nicht vor. Zudem sei die Kostenentscheidung nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe bei Antragstellung am 08.05.2014 allgemein eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Weder im Widerspruch- noch im Klageschreiben, noch in der mündlichen Verhandlung am 15.09.2016 sei eine Konkretisierung erfolgt und auch keine Präzisierung durch das SG herbeigeführt worden. Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz sei von einem Antrag auf Dauerrente auszugehen und eine hälftige Kostentragung durch die Beklagte wäre angemessen gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Mannheim vom 15.09.2016 zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG Mannheim vom 15.09.2016 zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis einschließlich April 2020 zu gewähren.
Der Kläger hat am 17.01.2017 Anschlussberufung eingelegt und zur Berufungserwiderung vorgetragen, dass das SG im Ergebnis zutreffend entschieden habe, dass dem Kläger ab der Stellung des Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehe. Die Einwände der Beklagten hiergegen überzeugten nicht. Die Berufung der Beklagten sei zurückzuweisen. Die Anschlussberufung sei angesichts des bevorstehenden Endes der seitens des SG zugesprochenen Rente im April 2017 erforderlich. Der Kläger habe die Weitergewährung der Rente zudem bei der Beklagten beantragt.
Der Kläger hat ärztliche Befundberichte zu den Akten gereicht (Berichte Prof. Dr. R. vom 15.01.2015 und vom 26.01.2017 sowie eine Stellungnahme gegenüber dem Landesversorgungsamt und gegenüber der Krankenkasse vom 26.01.2017, Visus: RA cc 0,63, LA cc 0,63, Gesichtsfeld: RA Einengung auf 15 - 20 Grad, LA Einengung auf 15 - 20 Grad; vorläufigen Arztbrief der Klinik E. , Abteilung Urologie vom 23.01.2017 über eine retrograde Urographie und DJ Einlage rechts bei Nierensteinen, Restkonkrement der Niere rechts, UKG 0,7cm, bekannte Nephrolithiasis beidseits, Papillenverkalkung links, parapelvine blande Zyste links).
Am 07.04.2017 hat ein Erörterungstermin mit der Berichterstatterin stattgefunden. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zum Termin auf Blatt 46 bis 47 der Senatsakte verwiesen.
Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats einen aktuellen Versicherungsverlauf vorgelegt und mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis Januar 2017 erfüllt seien.
Prof. Dr. A. , Chefarzt der Abteilung für Neuroradiologie und Neurophysiologie der Fachklinik H. hat auf Veranlassung des Senats am 27.12.2017 ein neurologisch – psychiatrisches Gutachten von Amts wegen mit ambulanter Untersuchung erstellt, das auch auf das neuropsychologische Zusatzgutachten von Dr. B. vom 13.01.2018 gestützt worden ist. Darin führt Prof. Dr. A. aus, dass eine erhebliche Sehbeeinträchtigung im Rahmen einer Retinopathia pigmentosa, ein Spannungskopfschmerz, chronisch – rezidivierende Cephalgien sowie ein Zustand nach wiederholter extrakorporeller Stoßwellenlithotripsie und operativem Eingriff wegen Nierensteinen 2014 vorliege. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben, sofern es hierbei um Tätigkeiten speziell für Sehbehinderte handele.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 28.02.2018 einen aktuellen Befundbericht von Prof. Dr. R. vom 03.01.2018 (Blatt 126 bis 127 der Senatsakte) sowie einen Bericht über eine Schulung des Klägers in Orientierung und Mobilität als Einweisung in den Gebrauch des Hilfsmittels Blindenstock vom 20.01.2018 vorgelegt (Blatt 128 bis 132 der Senatsakte) vorgelegt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.03.2018 mitgeteilt, dass weiterhin Zweifel bestünden, ob das Sehvermögen des Klägers in dem Maß eingeschränkt sei, wie es von ihm vorgetragen werde. Zudem gebe es auch Möglichkeiten, den Kläger über die Nikolauspflege wieder ins Erwerbsleben zu integrieren. Die Beklagte habe den Kläger im April 2017 bezüglich der Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes/Umschulung angeschrieben. Der Kläger habe am 14.06.2017 mitgeteilt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mit den aufgeführten Maßnahmen einverstanden sei. Die Beklagte hat des Weiteren eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 28.02.2018 vorgelegt.
Der Senat hat von Amts wegen Prof. Dr. S. , Ärztlicher Direktor der C.klinik für Augenheilkunde mit der Erstellung eines Gutachtens von Amts wegen mit ambulanter Untersuchung beauftragt. In seinem am 20.08.2018 erstellten Gutachten diagnostizierte Prof. Dr. S. aufgrund seiner Untersuchung am 27.06.2018 eine Retinopathia pigmentosa mit dem Krankheitsbild entsprechenden Gesichtsfeldeinschränkungen und Veränderungen der Sehnerven, der Makula und der Netzhaut, ein eingeschränktes Farbsehen, eine Myopie, ein Astigmatismus sowie eine Sicca – Symptomatik und eine beidseitige epiretinale Gliose. Der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich verrichten, wenn der Arbeitsplatz an seine Erkrankung und Sehleistung angepasst sei. Zur Wegefähigkeit hat der Gutachter ausgeführt, dass unter guten Lichtverhältnissen es für den Kläger möglich sein sollte, eine Wegstrecke von 500m vier Mal die Woche zurückzulegen. Bei Dämmerung sei eine Orientierung aufgrund der vorliegenden Erkrankung nicht möglich.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 05.12.2018 zum Gutachten von Prof. Dr. S. Stellung genommen und eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 19.11.2018 eingereicht.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat ist an einer Entscheidung nicht deshalb gehindert, dass die mit Schreiben vom 110.10.2017 von der Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragte Akteneinsicht nicht gewährt wurde, da sich die Akten zu diesem Zeitpunkt beim Gutachter Prof. Dr. A. befanden. Nach § 120 SGG steht das Recht auf Akteneinsicht allein Beteiligten im Sinne des § 69 SGG zu. Die Versagung der Akteneinsicht kann jedoch nur dann als wesentlicher Verfahrensmangel gerügt werden, wenn von der Möglichkeit der Anrufung des Gerichts Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Februar 1957 – 7 Rar 49/56, juris sowie BFH, Urteil vom 26. Oktober 1970, III R 122/66, BFHE 101,49). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in ihrer weiteren Stellungnahme vom 28.02.2018 zum Verfahren vorgetragen und ihr Akteneinsichtsgesuch nach Übersendung des Gutachtens von Prof. Dr. A. sowie von Prof. Dr. S. nicht erneuert. Ebenso wenig ist die bis dahin nicht erfolgte Aktenübersendung gerügt worden. Vielmehr wurde mit Schreiben vom 12.11.2018 sowie vom 28.12.2018 jeweils das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt und daher zum Ausdruck gebracht, dass mit den Schriftsätzen im vorbereiteten Verfahren umfassend und abschließend zum Rechtsstreit vorgetragen ist, weshalb das Akteneinsichtsgesuch nicht weiter aufrechterhalten und eine abschließende Entscheidung gewünscht wird.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2014 ist nur insoweit rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als die Beklagte die Gewährung einer Rente ab dem 01.08.2017 abgelehnt hat. Der Kläger kann die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalles am 26.01.2017 erst ab dem 01.08.2017 befristet bis zum 30.04.2020 - jedenfalls das Ende der Befristung entspricht dem ausdrücklich gestellten Antrag des Klägers - verlangen. Im Übrigen war das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten abzuändern. Soweit die Beklagte aber die Aufhebung des Urteils vom 15.09.2016 und die Abweisung der Klage insgesamt beantragt, war die Berufung zurückzuweisen.
Die unselbständige Anschlussberufung (§ 202 SGG i.V.m. § 524 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO) des Klägers ist zulässig, denn der Zulässigkeitsausschluss für den Ablauf der Frist zur Berufungserwiderung (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) ist auf das sozialgerichtliche Verfahren grundsätzlich nicht anwendbar (Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 143 Rn. 5), zumal vorliegend der Zulässigkeitsausschluss auch nicht gelten würde, da mit der Anschlussberufung die Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen begehrt wird (§ 524 Abs. 2 S. 3 ZPO). Die Anschlussberufung ist jedoch nur im tenorierten Umfang begründet. Dem Kläger steht für den Zeitraum ab dem 01.08.2017 bis zum 30.04.2020 die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab dem 01.05.2017 besteht jedoch nicht. Insofern bleibt auch die auf Zahlung der Erwerbsminderungsrente bis zum 31.07.2017 hinaus gerichtete Anschlussberufung ohne Erfolg.
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind nach den von der Beklagten im Berufungsverfahren eingereichten Versicherungsverläufen (Blatt 50 bis 53 sowie Blatt 157 bis 158 der Senatsakte) letztmalig im Januar 2017 erfüllt. Nach dem 09.12.2014 wurden keine weiteren Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Der Leistungsfall, der zum Eintritt der Erwerbsminderung führt, muss daher zu diesem Zeitpunkt vorliegen.
Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seit der Rentenantragstellung bis zum 31.01.2017 auch unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden Erkrankungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes an fünf Tagen pro Woche in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Er ist damit nicht aus diesem Grund voll beziehungsweise teilweise erwerbsgemindert.
Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger kann noch zumindest leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung des Sehvermögens, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten mit häufigem Treppensteigen oder häufigem Bücken, ohne Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder mit Publikumsverkehr, ohne besondere geistige Beanspruchung, ohne vermehrte emotionale Belastungen und erhöhtem Konfliktpotential, ohne vermehrte Lärmexposition und ohne erhöhte oder hohe Verantwortung verrichten. Auch Akkord,- Fließband- und Nachtschichtarbeiten sowie Arbeiten im Freien kommen nicht mehr in Frage. Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie Überkopfarbeiten sind zu vermeiden.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus den Gutachten von Dr. R. vom 17.07.2015, von Prof. Dr. A. vom 26.10.2015 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 09.11.2015 und von Dr. S. vom 22.02.2016.
Dr. R. diagnostiziert in seinem internistischen Gutachten vom 17.07.2015 eine Retinitis pigmentosa, chronische Kopfschmerzen, einen Tinnitus rechts stärker als links, eine beginnende Hörstörung, Übergewicht, eine Fettleber, Nierenzysten links (DD Zystenniere links), eine reaktiv – depressive Verstimmung mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung (DD chronifizierte Anpassungsstörung) sowie einen Verdacht auf Chondropathia patellae links. Das Gangbild sei unauffällig und flüssig, auf der Treppe unsicher und tastend gewesen. Die orthopädische, kardiologische und neurologische Untersuchung habe keine schwerwiegenden pathologischen Befunde ergeben. Auf psychischem Fachgebiet sei der Kläger ausreichend zu Zeit und Ort orientiert, mit etwas eingeschränkter Modulationsfähigkeit ohne reduzierten Antrieb. Die Augenerkrankung Retinitis pigmentosa bedinge eine Nachtblindheit, eine schlechte Anpassung der Augen an sich verändernde Lichtbedingungen, eine Blendempfindlichkeit, eine Einschränkung des Gesichtsfeldes in der Peripherie, wobei das zentrale Gesichtsfeld lange erhalten bleibe sowie eine Störung des Kontrast- und Farbsehens. Die chronischen Kopfschmerzen würden bisher nur durch Medikation bei Bedarf behandelt, was für eine Kopfschmerzsymptomatik vom Spannungstyp spreche. Der Tinnitus sei kompensiert ohne relevante Folgesymptome und ohne offensichtlichen Leidensdruck. Die orientierende Hörprüfung habe umgangssprachlich keine auffällige Hörstörung festgestellt. Lediglich bei Flüstersprache in 3 Meter Abstand finde sich eine minimale Einschränkung links. Das Übergewicht sowie die Fettleber deuteten auf ein sich entwickelndes metabolisches Syndrom hin. Bezüglich der Nierenzysten sei eine weitere Abklärung erforderlich. Eine Beschwerdesymptomatik bestehe nicht. Die reaktiv – depressive Verstimmung mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung seien leichtgradig, eine offene depressive Symptomatik mit Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit, die soziale Integration sowie den Antrieb konnte nicht festgestellt werden. Der vom behandelnden Orthopäden Dr. St. in der Zeugenaussage vom 23.042.015 geäußerte Verdacht auf Chondropathia patellae konnte bei der klinischen Untersuchung nicht verifiziert werden. Die Kniegelenke zeigten sich ohne Schwellungen, Ergussanzeichen oder Überwärmung. Die Kniegelenksbeweglichkeit war unauffällig.
Nach den von Dr. R. erhobenen Befunden lässt sich eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden auch für leichte Arbeiten nach Überzeugung des Senats nicht begründen. Die wesentliche Einschränkung durch die Auswirkungen der Augenerkrankung führt zum Ausschluss von Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen. Eine zeitliche Leistungseinschränkung lässt sich indes hieraus für leichte Tätigkeiten nicht ableiten. Die weiteren Erkrankungen in Form der chronischen Kopfschmerzen, des Tinnitus, der beginnenden Hörstörung sowie des Übergewichts, der Fettleber sowie der Nierenzyste sind nach dem Ausprägungsgrad ebenfalls noch ohne relevante Einschränkung des Leistungsvermögens. Bezüglich der reaktiv-depressiven Verstimmung ist ein sozialer Rückzug und höhergradige Auswirkungen bezüglich der sozialen Interaktion sowie der Konzentration und des Antriebs nicht festzustellen. Der Kläger hat vielmehr angegeben, dass er noch Arbeiten im Haushalt sowie teilweise im Garten verrichte, Zeitung lese sowie türkisches Fernsehe anschauen. Er unternehme Spaziergänge von 1 bis 2 Stunden Dauer und hole seinen Sohn vom Kindergarten ab. Es bestünden innerhalb der erweiterten Familie soziale Kontakte. Er trifft sich mit Bekannten in der Stadt und besucht die Moschee. Die Benutzung eines Langstocks zum Ausgleich der Sehbehinderung hat der Kläger nach den Angaben des Gutachters Dr. R. abgelehnt. Der Senat schließt sich somit der Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. R. an.
Prof. Dr. A. diagnostiziert in seinem am 26.10.2015 erstellten augenfachärztlichen Gutachten eine Retinopathia pigmentosa mit hierausfolgender Atrophie der Makula, generalisierter Verengung der Arterien, Hyperpigmentierungen und Pigmentverschiebungen der mittleren und äußeren Netzhautperipherie (Knochenbälkchen) sowie eine Kurzsichtigkeit, eine Stabsichtigkeit, eine Alterssichtigkeit, konzentrische Gesichtsfeldeinschränkungen, zentrale Gesichtsfelddefekte sowie ein geringfügig eingeschränktes Dämmerungssehen. Die Sehschärfe betrug für die Ferne am rechten Auge 0,3 ohne Korrektur und 0,8 mit eigener Korrektur, am linken Auge ohne Korrektur 0,1, mit eigener Korrektur 0,8. Für die Nähe betrug die Sehschärfe am rechten Auge ohne Korrektur 0,4, mit bester Korrektur 0,63, am linken Auge ohne Korrektur 0,3, mit bester Korrektur 0,63. Die Gesichtsfelduntersuchungen zeigten beidseits Einschränkungen innerhalb des zentralen 20 Grad Gesichtsfeldes. Die Prüfung des Dämmerungssehens und der Blendempfindlichkeit ergab am rechten Auge ohne Blendung eine Kontraststufe von 1:2,7, mit Blendung wurden alle Kontraststufen erkannt. Am linken Auge wurde ohne Blendung eine Kontraststufe von 1:5, mit Blendung alle Kontraststufen erkannt. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden für leichte Arbeiten liege nicht vor. Auch sei die Nachtblindheit nicht signifikant. Die Notwendigkeit der Benutzung eines Blindenstocks bestehe nicht.
Dem Gutachten von Prof. Dr. A. vom 26.10.2015 lassen sich nach Ansicht des Senats keine Befunde entnehmen, welche das Restleistungsvermögen des Klägers zeitlich relevant mindern. Die Sehschärfe sowie die Gesichtsfeldeinschränkung zeigten sich bei den Untersuchungen unverändert im Vergleich zum Berichten des behandelnden Augenarztes Prof. Dr. R. vom 24.07.2013 sowie dessen sachverständiger Zeugenaussage vom 07.04.2015. Darin hat Prof. Dr. R. selbst für schwere Tätigkeiten keine gesundheitliche Gefährdung angenommen, wobei auf die mögliche Gefährdung durch die Sehbehinderung zu achten sei.
Dr. S. diagnostiziert in seinem neurologisch – psychiatrischen Gutachten vom 22.02.2016 ein depressiv – agitiertes Syndrom im Sinne von Anpassungsstörungen bei körperlichen Erkrankungen und belastender sozialer Situation (ICD 10: F43.2), Spannungskopfschmerzen (ICD 10: G44.2), ein aktuell behandlungsbedürftiges Nierensteinleiden, degenerative Halswirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallssymptomatik sowie ein Augenleiden. Der Ausprägungsgrad der seelischen Symptomatik sei als leicht einzustufen. Eine Antriebsminderung, Einschränkung der Konzentration, des Durchhaltevermögens, eine Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten oder ein sozialer Rückzug lägen nicht vor. Auch bestanden keine signifikanten neurologischen Auffälligkeiten.
Die von Dr. S. erhobenen Befunden rechtfertigen auch nach Bewertung des Senats keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Eine kontinuierliche nervenärztliche Behandlung wird nicht durchgeführt. Auch die Kopfschmerzsymptomatik ist nach dem neurologischen Bericht von Dr. B. vom 03.12.2015 vom Spannungstyp und mit leichter analgetischer Medikation, dem Einsatz von Pfefferminzöl, leichtem Ausdauersport sowie Muskelentspannungstraining behandelbar. Eine relevante neurologische Erkrankung hatten zuvor bereits auch Dr. H. in seinem neurologischen Befundbericht vom 01.12.2014 sowie Dr. W. in seinem neurologischen Befundbericht vom 01.08.2013 ausgeschlossen. Der Schmerztherapeut und Neurochirurg Dr. P. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16.04.2015 eine myogene Zervikozephalgie diagnostiziert und leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich noch für möglich gehalten. Das Zervikalsyndrom sowie die von Dr. S. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 23.04.2015 diagnostizierte Chondropathia patellae bedingen auch nach Ansicht von Dr. S. lediglich den Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen, unter Akkord sowie wirbelsäulenbelastenden- oder kniebelastenden Arbeiten. Im Gutachten nach Aktenlage von Dr. H. vom 11.02.2015 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden – Württemberg (MDK) waren keine krankhaften Befunde bezüglich des Zervikalsyndroms erhebbar. Der MDK ging vielmehr noch von einem Leistungsvermögen für einfache, sitzende Tätigkeiten ohne Anforderungen an das Sehvermögen, ohne Treppensteigen, ohne Arbeiten an Maschinen aus. Dies entspricht der Einschätzung des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit vom 10.10.2013, welche bei ausgeprägter Minderbelastbarkeit beider Augen noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich für zumutbar erachtete. Die Nephrolithiasis wurde nach dem Befundbericht über die Computertomographie des Abdomens vom 26.11.2015 nachfolgend mehrfach operativ behandelt (siehe Berichte der Klinik E. , Klinik für Urologie vom 20.01.2016, 15.03.2016, 28.04.2016 sowie vom 23.01.2017). Eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung des Leistungsvermögens geht hieraus nicht hervor.
Eine solche folgt auch nicht aus dem im Berufungsverfahren eingeholten neurologisch – psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. A. vom 27.12.2017. Dieser diagnostiziert in seinem neurologisch – psychiatrischen Gutachten vom 27.12.2017 eine Retinopathia pigmentosa mit Nachtblindheit und konzentrisch eingeschränktem Gesichtsfeld, einen Spannungskopfschmerz und chronisch – rezidivierende Zervikozephalgien mit fraglicher Ausstrahlung in die Arme wechselnder Seitenbetonung. Leichte Tätigkeiten könnten noch sechs Stunden arbeitstäglich ausgeübt werden, sofern es sich hierbei um Tätigkeiten speziell für Sehbehinderte in Tagesschicht handele. Relevante kognitive Defizite konnten bei nicht ausreichender Anstrengungsbereitschaft im Rahmen der testpsychologischen Zusatzbegutachtung durch Dr. B. vom 13.01.2018 nicht verifiziert werden. Der Kopfschmerz werde derzeit auch nicht mit Medikamenten behandelt. Der Kläger habe sich an den Kopfschmerz adaptiert. Auf psychiatrischen Fachgebiet wurde eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung, allerdings nicht im Sinne eines eigenen Krankheitsbildes festgestellt. Großgedruckte Sätze in deutscher Sprache habe der Kläger fehlerlos vorgelesen. Auch habe er wiederholt, zielgerichtet nach verschiedenen Utensilien gegriffen. Eine Reintegration des Klägers sei aufgrund der erheblichen Sehbeeinträchtigung sicherlich schwierig, aber unter Einsatz geeigneter Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht ausgeschlossen. Es gebe beispielweise die Möglichkeit, den Versicherten über die Nikolauspflege wieder in das Erwerbsleben zu integrieren, was durchaus zumutbar sei.
Die von Prof. Dr. A. in seinem Gutachten vom 27.12.2017 erhobenen Befunde rechtfertigen nach Prüfung durch den Senat noch nicht die Annahme einer Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht. So zeigen die Beobachtungen bezüglich des Sehens des Klägers im Nahbereich, dass ihm noch zielgerichtete Tätigkeiten, wie Greifen nach einem Gegenstand, möglich war. Ein Ausschluss auch von leichten Tätigkeiten im Sitzen lässt sich danach aus den von Prof. Dr. A. erhobenen Befunden nicht ableiten. Dass eine Reintegration des Klägers in das Erwerbsleben durch speziell auf seine Sehbehinderung zugeschnittene Maßnahmen erfolgversprechend ist, wurde im Übrigen auch von der Beklagten erkannt. Diese hat dem Kläger mit Schreiben vom 01.12.2014 sowie vom 21.04.2017 eine Prüfung möglicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angeboten. Auf das Schreiben vom 01.12.2014 erfolgte keine Reaktion des Klägers. In der Rückantwort vom 14.06.2017 auf das Schreiben vom 21.04.2017 hat der Kläger angegeben, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mit einer Arbeitsplatzvermittlung durch die Beklagte einverstanden sei. Im Übrigen wäre bei einer Verschlechterung des Leistungsvermögens im Vergleich zu den Vorbegutachtungen der letztmalige Zeitpunkt der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und somit der Monat Januar 2017 maßgeblich.
Prof. Dr. S. diagnostiziert in seinem Gutachten vom 20.08.2018 eine Retinopathia pigmentosa beidseits mit Makulaatrophie, Astigmatismus, Myopie, epiretinale Gliose und Sicca – Syndrom. Die Sehschärfe betrug für die Ferne am rechten Auge 0,3 ohne Korrektur und 0,32 mit eigener Korrektur, am linken Auge ohne Korrektur 0,08, mit eigener Korrektur 0,5. Für die Nähe betrug die Sehschärfe am rechten Auge ohne Korrektur 0,32, mit Korrektur 0,32, am linken Auge ohne Korrektur 0,1, mit Korrektur 0,4. Die Gesichtsfelduntersuchungen zeigten beidseits deutliche Einschränkungen mit am rechten Auge, nasal 10 Grad, temporal 11 Grad, oben 11 Grad, unten 8 Grad, am linken Auge nasal 7 Grad, temporal 8 Grad, oben 2 Grad, unten 12 Grad. Bei Nyktometer – Prüfung habe der Kläger keine Aussagen gemacht. Leichte Arbeiten könnten noch sechs Stunden verrichtet werden, wenn der Arbeitsplatz an die Erkrankung und Sehleistung angepasst sei.
Die von Prof. Dr. S. am 27.06.21018 erhobenen Befunde belegen zwar zur Überzeugung des Senats eine weitere Verschlechterung des Sehvermögens im Vergleich zum augenfachärztlichen Gutachten von Dr. A. vom 26.10.2015 sowie zum letzten augenärztlichen Befundbericht von Prof. Dr. R. vom 03.01.2018. Eine Erwerbsminderung folgt hieraus jedoch nicht.
Insoweit ist trotz der Verschlechterung der Sehschärfe weder eine hochgradige Sehbehinderung mit einer Sehschärfe auf einem Auge von nicht mehr als 1/20 und auch keine hinsichtlich des Schweregrads gleich zu achtende andere Störungen der Sehfunktion, welche eine Umschulung mit blindentechnischen Hilfsmitteln erforderlich macht, gegeben (vgl. hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09. September 2004 – L 14 RJ 32/04 –, juris, Rn. 37f). Auch eine Sehbehinderung mit einer Sehschärfe von nur noch 0,3 oder weniger auf beiden Augen liegt nicht vor. Folgerichtig hat Prof. Dr. S. auch keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen, der Senat konnte eine solche nicht feststellen.
Ist der Kläger auch trotz der weiter verschlechterten Sehfunktion aber in seiner Erwerbsfähigkeit zeitlich nicht soweit eingeschränkt, dass rentenrechtliche Erwerbsminderung anzunehmen ist, so war auch nicht zu überlegen, ob später als Januar 2017 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt sind und auch nicht, ob bei bereits bestehenden Anspruch auf zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung das Herabsinken des zeitlichen Leistungsvermögens auf unter 3 Stunden arbeitstäglich zum Anspruch auf eine Dauerrente führt.
Auch die Hörminderung ist nicht geeignet, eine sozialmedizinisch relevante Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht zu begründen. Nach dem Tonaudiogramm vom 03.12.2014 liegt keine mittel- bis höhergradige Schwerhörigkeit vor. Eine Hörgeräteversorgung ist bislang nicht erforderlich. Bei der Begutachtung bei Prof. Dr. A. am 14.12.2017, zuletzt bei Prof. Dr. S. am 27.06.2018, wurde Umgangssprache und auch Flüstersprache weitgehend verstanden. Ausfälle des Hörvermögens beidseits – wie im Bericht vom 20.01.2018 über die Schulung in Orientierung und Mobilität als Einweisung in den Gebrauch des Hilfsmittels Blindenstock vom 07.01.2018 bis zum 20.01.2018 aufgeführt – traten nicht auf. Neuere Befunde, welche eine Verschlechterung tatsächlich objektivieren, liegen nicht vor.
Der Senat vermag auch der Einschätzung des Gutachters Dr. P. in seinem internistisch – psychosomatischen Gutachten vom 17.05.2016, welches auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG vom SG eingeholt wurde, nicht zuzustimmen, wonach der Kläger keine Tätigkeit mehr zuverlässig verrichten könne. Dr. P. begründet das Vorliegen der Erwerbsminderung damit, dass der Gesamttatbestand der Behinderungen in seiner Auswirkung auf das tägliche Leben zu bewerten sei und danach eine erhebliche Behinderung bestehe. Nicht nur die Beherrschung der deutschen Sprache sei sehr gering, sondern der Kläger sei darüber hinaus aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung beeinträchtigt hinsichtlich der Fähigkeit, affektive Sachverhalte zu verarbeiten und zu kommunizieren. Soziale Kontakte würden als überfordernd erlebt. Der Kläger habe sich auch innerhalb seiner Familie weitgehend zurückgezogen. Die von Dr. P. angenommene Persönlichkeitsstörung ist nach den von ihm erhobenen Befunden nicht nachvollziehbar. Die vom Gutachter aufgestellte Analogie zwischen der Einengung des Blickfeldes als Folge der Retinopathia pigmentosa und der Einengung des sozialen Radius des Klägers ist angesichts der anamnestischen Angaben des Klägers über Tätigkeiten im Haushalt und Garten, soziale Kontakte, Moscheebesuche sowie Treffen in der Stadt bei den Begutachtungen durch Dr. R. und Dr. S. bei gleichbleibendem Ausmaß der Sehschädigung und Gesichtsfeldeinengung nicht schlüssig. Überdies verneint der Gutachter in den weiteren Ausführungen sowohl im Vordergrund stehende depressive Symptome als auch das Vorliegen einer Antriebsstörung. Konzentration, Gedächtnis und Aufmerksamkeit waren ohne pathologischen Befund. Bezüglich des Verdachts auf eine spätpostraumatische Belastungsstörung bzw. eine Persönlichkeitsveränderung führt der Gutachter selbst an, dass ein verursachendes Trauma nicht bekannt sein und dies daher eine Vermutung bleibe, welche nicht bewiesen werden könne. Die vom Gutachter aufgeführten Symptome im Sinne von Flashback – Phänomenen sind im Übrigen durch keinerlei Befundberichte dokumentiert und belegt. Der Gutachter kommt letztlich zur Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung und eines depressiven Syndroms. Die Annahme der Erwerbsminderung wird indes mit der Annahme einer Persönlichkeitsstörung begründet. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger selbst bei Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung nicht mehr in der Lage sein sollte, sechs Stunden leichte Tätigkeiten zu verrichten. Eine Störung mit einem solchem Ausmaß ist nicht dargelegt. Zudem fand in den letzten Jahren keinerlei fachpsychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung statt. Weshalb eine solche von vorneherein ohne Aussicht auf Erfolg sein sollte, wie von Dr. P. angenommen, erschließt sich dem Senat nicht. Der Gutachter führt zwar an, dass er die Angaben des Klägers auf Konsistenz und Schlüssigkeit geprüft habe, eine kritische Würdigung der Tatsache, dass sich die anamnestischen Angaben bezüglich der Häufigkeit von sozialen Kontakten und der Alltagsaktivitäten im Vergleich zu den vorangegangenen Gutachten bei im wesentlichen gleichbleibender Befundlage deutlich verschlechtert haben, erfolgt indes nicht. Die Angabe des Klägers, er wisse nicht, wo er einen Blindenstock bekomme, unterscheidet sich deutlich von den Angaben bei der Begutachtung durch Dr. R. , wonach der Kläger dieses Hilfsmittel bisher abgelehnt hat. Auch dass der Kläger in der Lage war, allein mit der Bahn anzureisen und sich zur Praxis des Gutachters durchgefragt hat, wird vom Gutachter nicht gewürdigt. Dies gilt umso mehr, als der Gutachter selbst erkennt, dass die ophthalmologischen Befunde für sich genommen eine geringere Beeinträchtigung erwarten lassen, als vom Kläger an den Tag gelegt. Zudem fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen und Leistungseinschätzungen der Vorgutachter. Der Senat vermag daher der Leistungseinschätzung von Dr. P. nicht zu folgen.
Dem Kläger waren nach dem noch bestehenden Restleistungsvermögen, insbesondere der noch bestehenden Sehschärfe im Januar 2017, nicht nur noch sogenannte Blindenberufe (vgl. hierzu LSG Baden – Württemberg, Urteil vom 28. Juni 2012 - L 13 R 1810/11, juris; LSG Bayern, Urteil vom 09. September 2004 - L 14 RJ 32/04, juris) möglich. Vielmehr liegt nur ein qualitativer Leistungsausschluss für Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Sehvermögen stellen, vor. Die Sehschärfe betrug im Januar 2017 noch 0,63 auf beiden Augen. Damit liegt – wie bereits ausgeführt wurde – keine hochgradige Sehbehinderung vor. Die Grenze für die Verrichtung von Bildschirmarbeit war noch nicht unterschritten. Auch ist die Beweglichkeit der Hände des Klägers nicht eingeschränkt, was zusammen mit der Sehbehinderung zu Problemen bei der Erreichung der Grundschnelligkeit bei leichten industriellen Arbeiten, wie Packen, Sortieren oder Maschinenbedienen führen könnte (vgl. LSG Schleswig – Holstein, Urteil vom 29. April 2008 - L 7 R 8/07, juris). Die hierzu vom SG im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken teilt der Senat nicht, insbesondere sind solche Arbeitsbedingungen nicht allein Schonarbeitsplätzen vorbehalten.
Die Beklagte war insoweit nicht verpflichtet, vor diesem Hintergrund einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris; Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.) Das Leistungsvermögen des Klägers reicht trotz des verminderten Sehvermögens bei voller Gebrauchsfähigkeit beider Hände vielmehr noch für Tätigkeiten, Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen im Sitzen aus. Im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen konnte der Senat – außer der fehlenden Wegefähigkeit (dazu sogleich) – keine schwere spezifische Leistungseinschränkung und auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen feststellen. Der Kläger ist zur Erbringung von vollschichtiger Erwerbsfähigkeit, nicht nur auf Blindenarbeitsplätzen, und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage.
Der Kläger hat aber trotz eines noch bestehenden Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten von sechs Stunden arbeitstäglich Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil sich die Augenerkrankung so auswirkt, dass der Kläger in der Dämmerung die "üblichen Wege" nicht mehr zurücklegen kann, weshalb eine schwere spezifische Leistungseinschränkung besteht und eine Verweisungstätigkeit weder benannt noch feststellbar ist. Es steht nach Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und beigezogenen Befundberichte zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seit Januar 2017 - bei Dämmerung und Dunkelheit - nicht mehr in der Lage ist, ohne Gefahren für sich oder andere, täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen zu benutzen. Die erforderliche Wegefähigkeit ist somit nicht mehr gegeben.
Der Arbeitsmarkt gilt nach der Rechtsprechung des BSG dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein entsprechender Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter in Ballungsgebieten (vgl. Freudenberg, in: juris-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, § 43 Rdnr. 211 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. Februar 1989 - 5 RJ 61/88, SozR 2200 § 1247 Nr. 56) täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R -, juris; BSG, Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R, juris). Die Benutzung zumutbarer Hilfsmittel (z.B. Krückstock bzw. vorliegend Blindenstock) ist zu berücksichtigen; unter solche Hilfsmittel fallen aber nicht Hilfen Dritter, z.B. der Ehefrau aufgrund familienrechtlicher Verpflichtung oder Dritter aus Gefälligkeit oder der Einsatz eigener Geldmittel, z.B. für eine Hilfsperson oder teure Hilfsmittel wie Mobildienst oder Taxi, die nicht wie z.B. beim Gebrauch eines bereits früher angeschafften und benutzen Pkws ohnehin vorhanden sind (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 09. September 2004 – L 14 RJ 32/04, juris, Rn. 42).
Der Senat stützt seine Überzeugung auf den augenärztlichen Befundbericht von Dr. R. vom 26.01.2017 sowie dessen zeitgleich erstellte Stellungnahme zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach der Eingliederungsverordnung nach § 60 SGB XII. Darin führt Prof. Dr. R. an, dass der Kläger durch die Nachtblindheit schon bei schlechter Beleuchtung nicht mehr in der Lage sei, sich ausreichend zu orientieren. Durch das eingeschränkte Gesichtsfeld sei die Wahrnehmung zusätzlich erschwert. Auch gegenüber der Krankenkasse bestätigt Prof. Dr. R. mit Schreiben vom 26.01.2017, dass derzeit eine eigenständige Orientierung im Straßenverkehr nicht mehr möglich und der Kläger daher auf ein Mobilitätstraining angewiesen sei. Dieses diene zum Erlernen von Technik und Einsatz eines Blindenstocks. Die Ausführungen von Prof. Dr. R. machen deutlich, dass ohne die Erlernung von Techniken zum Einsatz des Blindenstocks eine Orientierung des Klägers im Straßenverkehr ohne Eigen- oder Fremdgefährdung nicht mehr möglich ist. Diese fehlende Orientierung kann auch nicht ohne weiteres durch Einsatz einer Stirn- oder Taschenlampe bei Dämmerung oder Nacht zur Ausleuchtung des Weges (vgl. hierzu auch LSG Sachsen – Anhalt, Urteil vom 19. Mai 2015 – L 3 R 276/1, juris, Rn. 49) ausgeglichen werden. Nach den Stellungnahmen von Prof. Dr. R. führt nicht nur die Minderung der Sehschärfe, sondern insbesondere auch die deutliche Gesichtsfeldeinschränkung zu einer zusätzlichen Erschwernis. Diese und die erhöhte Blendempfindlichkeit schränken das rechtzeitige Erkennen von anderen Verkehrsteilnehmern sowie das Abschätzen von deren Geschwindigkeit deutlich ein. Das Ausmaß der Sehbehinderung hat sich auch im Vergleich zu den vorangegangenen Stellungnahmen von Prof. Dr. R. vom 24.07.2013 und 07.04.2015 sowie dem augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. A. vom 26.10.2015 einschließlich ergänzender Stellungnahme vom 09.11.2015 verschlechtert. Die Sehschärfe betrug im Bericht von Dr. R. vom 24.07.2013 auf dem rechten Auge 0,8, auf dem linken Auge 0,63. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 07.04.2015 teilt Dr. R. mit, dass die Nachtblindheit die Wegefähigkeit bei Dunkelheit einschränken könne. Im Unterschied zum Bericht vom 26.01.2017 sah Prof. Dr. R. jedoch noch keine Veranlassung zur Einleitung eines Mobilitätstrainings. Die Untersuchung bei Prof. Dr. A. am 26.10.2015 ergab nur ein geringfügig eingeschränktes Dämmerungssehen. Der Gutachter hat insofern auch nach Ansicht des Senats folgerichtig auf die explizite Nachfrage des SG eine Einschränkung der Wegefähigkeit bei Dämmerung in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.11.2015 verneint. Auch die Notwendigkeit der Nutzung eines Blindenstocks hat Prof. Dr. A. verneint. Eine Verschlechterung ist auch aus den Messungen zur Gesichtsfelduntersuchung zu erkennen. Prof. Dr. R. gab in seiner Stellungnahme vom 07.04.2015 eine Einschränkung auf 20 bis 30 Grad an und schätzte den GdB auf 50 ein. Im Bericht vom 26.01.2017 wurde die Einschränkung rechts auf 15 bis 20 Grad und links auf 10 bis 20 Grad angegeben. Der GdB betrage 60. Es steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger im Januar 2017 nicht mehr in der Lage war, auf gesicherten Wegen täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen. Zwar besteht diese Unfähigkeit "nur" bei Wegen in der Dämmerung bzw. Dunkelheit, doch ist im bundesdeutschen Erwerbsleben jedenfalls in nicht unerheblichen Zeiträumen eines Jahres zumindest ein Weg zur Arbeit in der Dämmerung bzw. Dunkelheit zurückzulegen, sodass insoweit eine umfassende Wegefähigkeit besteht.
Ist Wegefähigkeit damit festgestellt, ist der Arbeitsmarkt verschlossen, was zur Pflicht führt, zumutbare Verweisungstätigkeiten zu benennen. Die Beklagte hat eine solche nicht benannt, der Senat konnte aber auch keine solche feststellen, denn die Fähigkeit, erforderliche Wege zur Arbeit zurücklegen zu können, ist für sämtliche Erwerbstätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland erforderlich. Die Beklagte oder ein Sozialleistungsträger hat aber auch nicht angeboten, dem Kläger im Wege von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Wegefähigkeit zu vermitteln. Der bloße Hinweis auf Möglichkeit der Integrationsmaßnahmen in der Nikolauspflege genügt nicht.
Die Aufhebung der Wegefähigkeit ist indes nach Überzeugung des Senats durch intensive Maßnahmen zur Verbesserung der Orientierung und Förderung der Mobilität besserbar. Dies belegt der Bericht über das Mobilitätstraining vom 20.01.2018. Danach konnte der Kläger die wichtigsten Techniken beim Einsatz des Blindenlangstocks sowie nötige Orientierungsstrategien erlernen. Zwar konnten einige Schulungsinhalte aufgrund der Sprachbarriere nicht in aller Ausführlichkeit vermittelt werden. Das Erlernte sei jedoch beim derzeitigen Stand des Sehvermögens ausreichend, um eine sichere und selbstständige Orientierung zu gewährleisten. Die Kontrastwahrnehmung bei verschiedenen Lichtbedingungen konnte durch den Einsatz von speziellen Kantenfiltergläsern verbessert werden. Ob die Schulung ausreichend ist, um eine gefahrlose Orientierung und Mobilität auch bei Dämmerung und Dunkelheit zu gewährleisten, muss jedoch noch getestet werden. Hierzu ist die Einleitung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation erforderlich. Bei Blinden kommen nicht nur eine blindentechnische Grundausbildung und eine berufliche Ausbildung/Umschulung in Frage, sondern auch eine nachgehende Berufshilfe. In der Wahl der Mittel sieht das Gesetz keinen Ausschluss bestimmter Hilfen vor. Vorgesehen sind ausdrücklich Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme, zur Erlangung und zur weiteren Erhaltung eines Arbeitsplatzes. Zu denken ist vorliegend an die Möglichkeit, für bis zu drei Monate dem Kläger eine geeignete Begleitperson zu verschaffen (oder zuzusichern), damit - innerhalb zumutbarer Zeit - das selbständige Zurücklegen unbekannter Wege von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück erlernt werden kann (so Bay. LSG, aaO). Der Kläger hat das Angebot der Beklagten, Leistungen zur Teilhabe zu prüfen, bislang nicht angenommen. Eine Rentengewährung kann laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R –, BSGE 110, 1-8, SozR 4-2600 § 43 Nr. 17) bei fehlender "Wegefähigkeit" zwar nur dadurch ausgeschlossen werden, dass der Versicherungsträger diesbezüglich Leistungen zur beruflichen Rehabilitation verbindlich und ohne Bedingungen anbietet, also nicht nur in Aussicht stellt. Wirkt der Kläger jedoch hierbei nicht mit, kann die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente für den Fall, dass die Wegefähigkeit weiterhin nicht gegeben ist, auch wegen fehlender Mitwirkung nach den §§ 60ff SGB I abgelehnt werden.
Gemäß § 99 Absatz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet, § 102 Absatz 2 Satz 1 SGB VI. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn, Renten auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen, § 102 Absatz 2 Satz 2 und 5 SGB VI.
Gestützt auf die Berichte von Dr. R. vom 26.01.2017, wonach ein Orientierungstraining zum Erlernen des Einsatzes des Blindenstocks erforderlich sei, sowie den Bericht über den Verlauf der Mobilitätsschulung vom 20.01.2018 konnte der Senat feststellen, dass bei dem Kläger die Möglichkeit einer Besserung innerhalb eines Zeitraumes von zwei bis drei Jahren besteht, sodass nicht unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Gestalt der aufgehobenen Wegefähigkeit behoben werden kann. Der Kläger kann daher nur eine befristete Rente beanspruchen, wobei diese bei einem festzustellenden Leistungsfall am 26.01.2017 ab dem 01.08.2017 beginnt und entsprechend dem Antrag des Klägers am 30.04.2020 endet.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI ist ausgeschlossen, denn der Kläger ist am 28.04.1972 und mithin nach dem 1. Januar 1961 geboren.
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers war daher das Urteil des SG insoweit abzuändern, als dass eine Rente wegen Erwerbsminderung erst ab dem 01.08.2017 befristet bis zum 30.04.2020 aufgrund eines Leistungsfalles am 26.01.2017 zu gewähren war. Im Übrigen waren sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat berücksichtigt hierbei, dass die Berufung der Beklagten zur Aufhebung des Urteils des SG bezüglich der Gewährung einer Rente ab dem 01.05.2014 geführt hat und dem Kläger die begehrte Erwerbsminderungsrente erst ab dem 01.08.2017 befristet bis zum 30.04.2020 zusteht. Die Erstattung von außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren kommt danach nicht in Betracht. Bezüglich der Kostentragung im Berufungsverfahren ist zu beachten, dass aufgrund eines am 26.01.2017 eingetretenen Leistungsfalls die Berufung nur teilweise und die Anschlussberufung zu einem überwiegenden Teil erfolgreich war. Insofern hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zur Hälfte zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und werden die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Im erstinstanzlichen Verfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.
Der im Jahr 1972 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis zum 31.08.2013 als Gussputzer bei der Firma S. versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.09.2013 war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit M ... Aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 26.09.2014 erhielt der Kläger seit dem 27.09.2014 Krankengeld. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt (Ausweis des Landratsamtes N. vom 16.08.2013).
Am 08.05.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei (Bericht von Prof. Dr. R. sowie dessen Stellungnahme gegenüber dem Versorgungsamt vom 24.07.2013, Diagnose: R/L Retinopathia pigmentosa, Visus: RA cc 0,8, LA cc 0,63, Gesichtsfeld: RA Einengung auf 20 Grad (III/4), LA Einengung auf 20 Grad (III/4); Bericht von Dr. W. vom 01.08.2013, Beurteilung chronifizierte linksseitige Cephalgien in Verbindung mit Überempfindlichkeit der Kopfhaut links, differenzialdiagnostisch in Verbindung mit nachgewiesenen ausgeprägten entzündlichen Nasennebenhöhlenveränderungen). Des Weiteren nahm die Beklagte eine gutachterliche Äußerung des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit T. von Frau A. vom 10.10.2013 zu den Akten (Diagnose: Retinopathia pigmentosa, ausgeprägte Minderbelastbarkeit beider Augen bei stark eingeschränktem seitlichen Sehen, ein noch bestehendes Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Leistungseinschränkungen). Dieser Leistungsbewertung stimmte der Prüfarzt Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 07.06.2014 zu.
Mit Bescheid vom 18.06.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Hiergegen legte der Kläger am 14.07.2014 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, dass der Einschätzung von Dr. S. vom 17.06.2014 nicht gefolgt werden könne. Die Funktionseinschränkungen nicht nur auf augenfachärztlichem Gebiet, sondern auch auf orthopädischem und neuro – psychiatrischen Gebiet wirkten sich in ihrer Gesamtheit derart stark auf das Leistungsvermögen aus, dass dieses bereits quantitativ erheblich gemindert sei. Er leide nicht nur unter einem fortschreitenden Visusverlust, sondern vor allem an einer fortschreitenden konzentrischen Gesichtsfeldeinengung aufgrund einer Retinitis pigmentosa, darüber hinaus unter erheblichen Einschränkungen der Wirbelsäule, insbesondere in Form der chronifizierten linksseitigen Cephalgien mit erheblichen Kopfschmerzen sowie mittlerweile einer ausgeprägten depressiven Erkrankung aufgrund des eigenen Insuffizienzerlebens aufgrund der schweren Augenerkrankung. Im Hinblick auf die fortschreitende depressive Erkrankung sei die Suche nach einem muttersprachlichen Facharzt in erreichbarer Nähe bislang nicht erfolgreich gewesen. Die psychiatrische Behandlung bei einem nicht muttersprachlichen Behandler sei aufgrund der erheblichen Sprachschwierigkeiten deutlich eingeschränkt. Das Leistungsvermögen betrage aufgrund der erheblichen Gesamteinschränkungen der Leistungsfähigkeit nur noch unter sechs Stunden selbst für leichte Tätigkeiten. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zumindest auf Zeit, abhängig vom Arbeitsmarkt seien daher erfüllt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 zurück und führte zur Begründung aus, dass die Sehleistungsminderung beidseits bei Retinitis pigmentosa, die rezidivierenden Kopfschmerzbeschwerden links (zervikomuskular) und die reaktive depressive Verstimmung der Verrichtung leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich nicht entgegenstünden.
Am 08.12.2014 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn.
Mit Beschluss vom 09.01.2015 verwies das Sozialgericht Heilbronn den Rechtsstreit infolge örtlicher Unzuständigkeit an das örtlich zuständige Sozialgericht Mannheim (nachfolgend SG).
Der Kläger wiederholte zur Klagebegründung im Wesentlichen das Vorbringen im Widerspruchsverfahren und teilte zudem mit, dass die behandelnden Ärzte von einem Leistungsvermögen von unter 6 Stunden ausgingen und als sachverständige Zeugen zu hören seien. Er reichte weitere ärztliche Befundberichte zu den Akten (Bericht Dr. H. , Neurologe, vom 01.12.2014, muskulär bedingter Schwindel und Cervicocephalgie ohne Hinweis auf relevante organneurologische Erkrankung; Tonaudiogramm von Dr. E. vom 03.12.2014; einen pathologischen Befund von Dr. C. O. vom 06.10.2015 über Probenentnahmen des Duodenums, Antrum, Korpus, Ösophagus, Ileum und Rektum vom 06.10.2015; eine Bericht über ein CT des Abdomen vom 26.11.2015 von Dr. H. , Dr. S. , Nephrolithiasis rechts mit multiplen Konkrementen).
Das SG vernahm die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich.
Der Augenarzt Dr. S. teilte in seiner Aussage vom 07.04.2015 mit, dass er den Kläger zuletzt am 22.04.2013 behandelt habe und daher die Beweisfragen nicht beantworten könne.
Prof. Dr. R. , Leiter der Sektion ophthalmologische Rehabilitation der Augenklinik, Universitätsklinikum T. führte in seiner Stellungnahme vom 07.04.2015 aus, dass er den Kläger nach dem 01.01.2014 zweimal am 29.01.2014 und am 15.01.2015 behandelt habe. Infolge der Retinitis pigmentosa sei es an beiden Augen zu einer Nachtblindheit sowie einer deutlichen Einengung der Gesichtsfelder gekommen. Gleichzeitig bestehe eine geringgradige Reduktion der zentralen Sehschärfe mit an beiden Augen derzeit 0,6. Im Verlauf des gesamten Behandlungszeitraumes seit Juni 2013 habe sich die Sehschärfe nicht wesentlich verändert und auch die Gesichtsfeldeinschränkung habe nicht weiter zugenommen. Aus augenärztlicher Sicht bestehe selbst bei schweren Arbeiten keine gesundheitliche Gefährdung. Es sei allerdings auf die mögliche Gefährdung durch die Sehbehinderung zu achten. Die Nachtblindheit könne die Wegefähigkeit von und zur Arbeit bei Dunkelheit einschränken.
Der Facharzt für Neurochirurgie, spezielle Schmerztherapie und Rehabilitationswesen Dr. P. gab mit Schreiben vom 16.04.2015 an, dass der Kläger ihn seit dem 20.10.2014 in Behandlungsintervallen von 2 bis 3 Wochen aufsuche. Es liege eine myogene Zervikozephalgie vor. Die Verrichtung einer leichten Tätigkeit in Vollschicht sei vertretbar.
Der Orthopäde Dr. St. teilte mit Schreiben vom 23.04.2015 mit, dass er den Kläger seit dem 26.09.2014 behandele und ein Cervicalsyndrom und eine Chondropathia patellae diagnostizert habe. Die Verrichtung leichter Tätigkeiten sei vollschichtig möglich.
Das SG beauftragte Dr. R. mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung. Dr. R. diagnostizierte in seinem am 17.07.2015 erstellten Gutachten eine Retinitis pigmentosa, chronische Kopfschmerzen, einen Tinnitus rechts stärker als links, eine beginnende Hörstörung, Übergewicht, eine Fettleber, Nierenzysten links (DD Zystenniere links) sowie eine reaktiv – depressive Verstimmung mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung (DD chronifizierte Angststörung) und als Nebenbefund einen Verdacht auf Chondropathia patellae. Mittelschwere bis gelegentlich schwere Tätigkeiten seien noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich möglich. Zur Wegefähigkeit hat Dr. R. ausgeführt, dass die Nachtblindheit zur Folge habe, dass der Kläger nicht nur im Winterhalbjahr, sondern auch in der Dämmerung und in der Nacht Probleme habe, einen Arbeitsplatz zu erreichen, da er nicht ausreichend sehe, um den Weg zur Arbeit ohne Gefahren für sich selbst und andere zurückzulegen.
Das SG veranlasste nachfolgend von Amts wegen eine augenfachärztliche Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. A. , Direktor der Augenklinik, S. Klinikum K ... In seinem am 26.10.2015 erstellten Gutachten diagnostizierte Prof. Dr. A. eine Retinopathia pigmentosa mit konsekutiver pathologischer Veränderung der Sehnerven, des Ortes des scharfen Sehens und der Gefäße. Leichte Arbeiten im Sitzen seien generell ohne Gefährdung der Gesundheit acht Stunden am Tag möglich. Bezüglich des Arbeitsweges sei mit keiner erhöhten Zeitdauer zu rechnen. Eine Gehstrecke von 500 Meter viermal täglich könne zurückgelegt werden. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sollte möglich sein. Die Notwendigkeit einen Blindenstock zu führen, bestehe nicht.
In einer vom SG in Bezug auf die vom Vorgutachter attestierte Nachtblindheit angeforderten ergänzenden Stellungnahme teilte Prof. Dr. A. am 09.11.2015 mit, dass (noch) keine signifikante Nachtblindheit vorliege. Dies sei auch von ihm objektiviert worden. Deshalb bestehe derzeit noch keine Einschränkung bezüglich der Zurücklegung des Arbeitswegs bei Dämmerung. Dies könne sich freilich bei Fortschreiten der Erkrankung ändern.
Das SG beauftragte Dr. S. , Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstellung eines neurologisch – psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen mit ambulanter Untersuchung. Dr. S. diagnostizierte in seinem am 22.02.2016 erstellten Gutachten ein depressiv – agitiertes Syndrom im Sinne von Anpassungsstörungen bei körperlichen Erkrankungen und belastender sozialer Situation, Spannungskopfschmerzen, ein aktuell nicht behandlungsbedürftiges Nierensteinleiden, degenerative Halswirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik sowie ein Augenleiden. Die Verrichtung von leichten bis gelegentlich mittelschweren Tätigkeiten sei mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG holte das SG von Dr. P. , Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Facharzt für Innere Medizin das internistisch – psychosomatische Fachgutachten vom 17.05.2016 ein. Dr. P. diagnostizierte eine Retinopathia pigmentosa mit Gesichtsfeldeinengung und Einschränkung der zentralen Sehschärfe, eine Persönlichkeitsstörung (traumatischer Genese ?) mit Zwangsgedanken und Wahrnehmungen sowie weitgehendem sozialen Rückzug, eine somatoforme Störung mit multiokulären Schmerzen, Ohrgeräuschen und vegetativen Korrelatsymptomen, ein depressives Syndrom sowie einer Nephrolithiasis und Gastritis. Er sehe für den Kläger keine Tätigkeit, die er noch zuverlässig verrichten könne.
Die Beklagte trat dem Gutachten von Dr. P. unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. L. vom 23.06.2016 entgegen.
Mit Urteil vom 15.09.2016 gab das SG der Klage statt und verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom Monat der Antragstellung bis einschließlich April 2017. Die Beklagte trage die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Zur Begründung führte das SG aus, dass zwar noch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bestehe. Auch die Wegefähigkeit sei noch vorhanden. Der Kläger sei jedoch wegen des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsminderung voll erwerbsgemindert. Diese bestehe darin, dass der Kläger zum einen in seinem Sehvermögen eingeschränkt sei und andererseits sich hierdurch seine von Haus aus gegebene geringe kognitive Leistungsschwelle weiter reduziere. Dem Gericht sei keine konkrete Tätigkeit ersichtlich, die der Kläger derzeit ausüben könne. Eine solche sei auch nicht von der Beklagten benannt worden. Zwar könnten auch blinde Menschen berufstätig sein. Der Kläger habe jedoch seine Blindheit nicht akzeptiert und auch keine entsprechenden Schulungen durchlaufen. Er sei daher derzeit schwer spezifisch leistungseingeschränkt und nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mit dessen üblichen Bedingungen verweisbar.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22.09.2016 zugestellte Urteil am 19.10.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden - Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, dass dem Kläger entgegen der Auffassung des SG keine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit zustehe. Zunächst ergebe sich weder aus dem Urteilstenor noch den Entscheidungsgründe, wann genau nach Auffassung des SG eine quantitative Leistungsminderung eingetreten ist. Der Kläger sei mit einer Sehschärfe von 0,6 an beiden Augen nicht blind. Dies belege auch die Tatsache, dass dem Kläger vom Versorgungsamt nicht das Merkzeichen BL für Blindheit oder H für Hilflosigkeit zuerkannt worden sei. Auch das Dämmersehen sei nach den durchgeführten Untersuchungen nur gering eingeschränkt. Dem Kläger sei zudem die Benutzung von Hilfsmitteln zur Unterstützung seines noch vorhandenen Sehvermögens zumutbar. Auch die rentenrechtlich relevante Gehstrecke sei noch vorhanden. Der Kläger hole regelmäßig seinen Sohn vom Kindergarten ab und gehe auch ca. 1 km in die Stadt. Nach den Angaben der Ehefrau wechselten sie und ihr Ehemann sich bei den Autofahrten in die Türkei ab. Dem Gutachten von Dr. S. seien zudem Hinweise auf Aggravation/Simulation zu entnehmen. Der Kläger sei entgegen der Auffassung des SG noch in der Lage, leichte Tätigkeiten, wie beispielsweise einfache Büroarbeiten mit einem auf seine Verhältnisse einstellbaren Bildschirm sechs Stunden arbeitstäglich oder länger zu verrichten. Eine schwere spezifische bzw. überdurchschnittlich starke Leistungsbeeinträchtigung liege nicht vor. Zudem sei die Kostenentscheidung nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe bei Antragstellung am 08.05.2014 allgemein eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Weder im Widerspruch- noch im Klageschreiben, noch in der mündlichen Verhandlung am 15.09.2016 sei eine Konkretisierung erfolgt und auch keine Präzisierung durch das SG herbeigeführt worden. Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz sei von einem Antrag auf Dauerrente auszugehen und eine hälftige Kostentragung durch die Beklagte wäre angemessen gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Mannheim vom 15.09.2016 zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG Mannheim vom 15.09.2016 zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis einschließlich April 2020 zu gewähren.
Der Kläger hat am 17.01.2017 Anschlussberufung eingelegt und zur Berufungserwiderung vorgetragen, dass das SG im Ergebnis zutreffend entschieden habe, dass dem Kläger ab der Stellung des Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehe. Die Einwände der Beklagten hiergegen überzeugten nicht. Die Berufung der Beklagten sei zurückzuweisen. Die Anschlussberufung sei angesichts des bevorstehenden Endes der seitens des SG zugesprochenen Rente im April 2017 erforderlich. Der Kläger habe die Weitergewährung der Rente zudem bei der Beklagten beantragt.
Der Kläger hat ärztliche Befundberichte zu den Akten gereicht (Berichte Prof. Dr. R. vom 15.01.2015 und vom 26.01.2017 sowie eine Stellungnahme gegenüber dem Landesversorgungsamt und gegenüber der Krankenkasse vom 26.01.2017, Visus: RA cc 0,63, LA cc 0,63, Gesichtsfeld: RA Einengung auf 15 - 20 Grad, LA Einengung auf 15 - 20 Grad; vorläufigen Arztbrief der Klinik E. , Abteilung Urologie vom 23.01.2017 über eine retrograde Urographie und DJ Einlage rechts bei Nierensteinen, Restkonkrement der Niere rechts, UKG 0,7cm, bekannte Nephrolithiasis beidseits, Papillenverkalkung links, parapelvine blande Zyste links).
Am 07.04.2017 hat ein Erörterungstermin mit der Berichterstatterin stattgefunden. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zum Termin auf Blatt 46 bis 47 der Senatsakte verwiesen.
Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats einen aktuellen Versicherungsverlauf vorgelegt und mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis Januar 2017 erfüllt seien.
Prof. Dr. A. , Chefarzt der Abteilung für Neuroradiologie und Neurophysiologie der Fachklinik H. hat auf Veranlassung des Senats am 27.12.2017 ein neurologisch – psychiatrisches Gutachten von Amts wegen mit ambulanter Untersuchung erstellt, das auch auf das neuropsychologische Zusatzgutachten von Dr. B. vom 13.01.2018 gestützt worden ist. Darin führt Prof. Dr. A. aus, dass eine erhebliche Sehbeeinträchtigung im Rahmen einer Retinopathia pigmentosa, ein Spannungskopfschmerz, chronisch – rezidivierende Cephalgien sowie ein Zustand nach wiederholter extrakorporeller Stoßwellenlithotripsie und operativem Eingriff wegen Nierensteinen 2014 vorliege. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben, sofern es hierbei um Tätigkeiten speziell für Sehbehinderte handele.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 28.02.2018 einen aktuellen Befundbericht von Prof. Dr. R. vom 03.01.2018 (Blatt 126 bis 127 der Senatsakte) sowie einen Bericht über eine Schulung des Klägers in Orientierung und Mobilität als Einweisung in den Gebrauch des Hilfsmittels Blindenstock vom 20.01.2018 vorgelegt (Blatt 128 bis 132 der Senatsakte) vorgelegt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.03.2018 mitgeteilt, dass weiterhin Zweifel bestünden, ob das Sehvermögen des Klägers in dem Maß eingeschränkt sei, wie es von ihm vorgetragen werde. Zudem gebe es auch Möglichkeiten, den Kläger über die Nikolauspflege wieder ins Erwerbsleben zu integrieren. Die Beklagte habe den Kläger im April 2017 bezüglich der Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes/Umschulung angeschrieben. Der Kläger habe am 14.06.2017 mitgeteilt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mit den aufgeführten Maßnahmen einverstanden sei. Die Beklagte hat des Weiteren eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 28.02.2018 vorgelegt.
Der Senat hat von Amts wegen Prof. Dr. S. , Ärztlicher Direktor der C.klinik für Augenheilkunde mit der Erstellung eines Gutachtens von Amts wegen mit ambulanter Untersuchung beauftragt. In seinem am 20.08.2018 erstellten Gutachten diagnostizierte Prof. Dr. S. aufgrund seiner Untersuchung am 27.06.2018 eine Retinopathia pigmentosa mit dem Krankheitsbild entsprechenden Gesichtsfeldeinschränkungen und Veränderungen der Sehnerven, der Makula und der Netzhaut, ein eingeschränktes Farbsehen, eine Myopie, ein Astigmatismus sowie eine Sicca – Symptomatik und eine beidseitige epiretinale Gliose. Der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich verrichten, wenn der Arbeitsplatz an seine Erkrankung und Sehleistung angepasst sei. Zur Wegefähigkeit hat der Gutachter ausgeführt, dass unter guten Lichtverhältnissen es für den Kläger möglich sein sollte, eine Wegstrecke von 500m vier Mal die Woche zurückzulegen. Bei Dämmerung sei eine Orientierung aufgrund der vorliegenden Erkrankung nicht möglich.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 05.12.2018 zum Gutachten von Prof. Dr. S. Stellung genommen und eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 19.11.2018 eingereicht.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat ist an einer Entscheidung nicht deshalb gehindert, dass die mit Schreiben vom 110.10.2017 von der Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragte Akteneinsicht nicht gewährt wurde, da sich die Akten zu diesem Zeitpunkt beim Gutachter Prof. Dr. A. befanden. Nach § 120 SGG steht das Recht auf Akteneinsicht allein Beteiligten im Sinne des § 69 SGG zu. Die Versagung der Akteneinsicht kann jedoch nur dann als wesentlicher Verfahrensmangel gerügt werden, wenn von der Möglichkeit der Anrufung des Gerichts Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Februar 1957 – 7 Rar 49/56, juris sowie BFH, Urteil vom 26. Oktober 1970, III R 122/66, BFHE 101,49). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in ihrer weiteren Stellungnahme vom 28.02.2018 zum Verfahren vorgetragen und ihr Akteneinsichtsgesuch nach Übersendung des Gutachtens von Prof. Dr. A. sowie von Prof. Dr. S. nicht erneuert. Ebenso wenig ist die bis dahin nicht erfolgte Aktenübersendung gerügt worden. Vielmehr wurde mit Schreiben vom 12.11.2018 sowie vom 28.12.2018 jeweils das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt und daher zum Ausdruck gebracht, dass mit den Schriftsätzen im vorbereiteten Verfahren umfassend und abschließend zum Rechtsstreit vorgetragen ist, weshalb das Akteneinsichtsgesuch nicht weiter aufrechterhalten und eine abschließende Entscheidung gewünscht wird.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2014 ist nur insoweit rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als die Beklagte die Gewährung einer Rente ab dem 01.08.2017 abgelehnt hat. Der Kläger kann die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalles am 26.01.2017 erst ab dem 01.08.2017 befristet bis zum 30.04.2020 - jedenfalls das Ende der Befristung entspricht dem ausdrücklich gestellten Antrag des Klägers - verlangen. Im Übrigen war das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten abzuändern. Soweit die Beklagte aber die Aufhebung des Urteils vom 15.09.2016 und die Abweisung der Klage insgesamt beantragt, war die Berufung zurückzuweisen.
Die unselbständige Anschlussberufung (§ 202 SGG i.V.m. § 524 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO) des Klägers ist zulässig, denn der Zulässigkeitsausschluss für den Ablauf der Frist zur Berufungserwiderung (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) ist auf das sozialgerichtliche Verfahren grundsätzlich nicht anwendbar (Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 143 Rn. 5), zumal vorliegend der Zulässigkeitsausschluss auch nicht gelten würde, da mit der Anschlussberufung die Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen begehrt wird (§ 524 Abs. 2 S. 3 ZPO). Die Anschlussberufung ist jedoch nur im tenorierten Umfang begründet. Dem Kläger steht für den Zeitraum ab dem 01.08.2017 bis zum 30.04.2020 die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab dem 01.05.2017 besteht jedoch nicht. Insofern bleibt auch die auf Zahlung der Erwerbsminderungsrente bis zum 31.07.2017 hinaus gerichtete Anschlussberufung ohne Erfolg.
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind nach den von der Beklagten im Berufungsverfahren eingereichten Versicherungsverläufen (Blatt 50 bis 53 sowie Blatt 157 bis 158 der Senatsakte) letztmalig im Januar 2017 erfüllt. Nach dem 09.12.2014 wurden keine weiteren Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Der Leistungsfall, der zum Eintritt der Erwerbsminderung führt, muss daher zu diesem Zeitpunkt vorliegen.
Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seit der Rentenantragstellung bis zum 31.01.2017 auch unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden Erkrankungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes an fünf Tagen pro Woche in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Er ist damit nicht aus diesem Grund voll beziehungsweise teilweise erwerbsgemindert.
Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger kann noch zumindest leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung des Sehvermögens, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten mit häufigem Treppensteigen oder häufigem Bücken, ohne Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder mit Publikumsverkehr, ohne besondere geistige Beanspruchung, ohne vermehrte emotionale Belastungen und erhöhtem Konfliktpotential, ohne vermehrte Lärmexposition und ohne erhöhte oder hohe Verantwortung verrichten. Auch Akkord,- Fließband- und Nachtschichtarbeiten sowie Arbeiten im Freien kommen nicht mehr in Frage. Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie Überkopfarbeiten sind zu vermeiden.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus den Gutachten von Dr. R. vom 17.07.2015, von Prof. Dr. A. vom 26.10.2015 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 09.11.2015 und von Dr. S. vom 22.02.2016.
Dr. R. diagnostiziert in seinem internistischen Gutachten vom 17.07.2015 eine Retinitis pigmentosa, chronische Kopfschmerzen, einen Tinnitus rechts stärker als links, eine beginnende Hörstörung, Übergewicht, eine Fettleber, Nierenzysten links (DD Zystenniere links), eine reaktiv – depressive Verstimmung mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung (DD chronifizierte Anpassungsstörung) sowie einen Verdacht auf Chondropathia patellae links. Das Gangbild sei unauffällig und flüssig, auf der Treppe unsicher und tastend gewesen. Die orthopädische, kardiologische und neurologische Untersuchung habe keine schwerwiegenden pathologischen Befunde ergeben. Auf psychischem Fachgebiet sei der Kläger ausreichend zu Zeit und Ort orientiert, mit etwas eingeschränkter Modulationsfähigkeit ohne reduzierten Antrieb. Die Augenerkrankung Retinitis pigmentosa bedinge eine Nachtblindheit, eine schlechte Anpassung der Augen an sich verändernde Lichtbedingungen, eine Blendempfindlichkeit, eine Einschränkung des Gesichtsfeldes in der Peripherie, wobei das zentrale Gesichtsfeld lange erhalten bleibe sowie eine Störung des Kontrast- und Farbsehens. Die chronischen Kopfschmerzen würden bisher nur durch Medikation bei Bedarf behandelt, was für eine Kopfschmerzsymptomatik vom Spannungstyp spreche. Der Tinnitus sei kompensiert ohne relevante Folgesymptome und ohne offensichtlichen Leidensdruck. Die orientierende Hörprüfung habe umgangssprachlich keine auffällige Hörstörung festgestellt. Lediglich bei Flüstersprache in 3 Meter Abstand finde sich eine minimale Einschränkung links. Das Übergewicht sowie die Fettleber deuteten auf ein sich entwickelndes metabolisches Syndrom hin. Bezüglich der Nierenzysten sei eine weitere Abklärung erforderlich. Eine Beschwerdesymptomatik bestehe nicht. Die reaktiv – depressive Verstimmung mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung seien leichtgradig, eine offene depressive Symptomatik mit Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit, die soziale Integration sowie den Antrieb konnte nicht festgestellt werden. Der vom behandelnden Orthopäden Dr. St. in der Zeugenaussage vom 23.042.015 geäußerte Verdacht auf Chondropathia patellae konnte bei der klinischen Untersuchung nicht verifiziert werden. Die Kniegelenke zeigten sich ohne Schwellungen, Ergussanzeichen oder Überwärmung. Die Kniegelenksbeweglichkeit war unauffällig.
Nach den von Dr. R. erhobenen Befunden lässt sich eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden auch für leichte Arbeiten nach Überzeugung des Senats nicht begründen. Die wesentliche Einschränkung durch die Auswirkungen der Augenerkrankung führt zum Ausschluss von Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen. Eine zeitliche Leistungseinschränkung lässt sich indes hieraus für leichte Tätigkeiten nicht ableiten. Die weiteren Erkrankungen in Form der chronischen Kopfschmerzen, des Tinnitus, der beginnenden Hörstörung sowie des Übergewichts, der Fettleber sowie der Nierenzyste sind nach dem Ausprägungsgrad ebenfalls noch ohne relevante Einschränkung des Leistungsvermögens. Bezüglich der reaktiv-depressiven Verstimmung ist ein sozialer Rückzug und höhergradige Auswirkungen bezüglich der sozialen Interaktion sowie der Konzentration und des Antriebs nicht festzustellen. Der Kläger hat vielmehr angegeben, dass er noch Arbeiten im Haushalt sowie teilweise im Garten verrichte, Zeitung lese sowie türkisches Fernsehe anschauen. Er unternehme Spaziergänge von 1 bis 2 Stunden Dauer und hole seinen Sohn vom Kindergarten ab. Es bestünden innerhalb der erweiterten Familie soziale Kontakte. Er trifft sich mit Bekannten in der Stadt und besucht die Moschee. Die Benutzung eines Langstocks zum Ausgleich der Sehbehinderung hat der Kläger nach den Angaben des Gutachters Dr. R. abgelehnt. Der Senat schließt sich somit der Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. R. an.
Prof. Dr. A. diagnostiziert in seinem am 26.10.2015 erstellten augenfachärztlichen Gutachten eine Retinopathia pigmentosa mit hierausfolgender Atrophie der Makula, generalisierter Verengung der Arterien, Hyperpigmentierungen und Pigmentverschiebungen der mittleren und äußeren Netzhautperipherie (Knochenbälkchen) sowie eine Kurzsichtigkeit, eine Stabsichtigkeit, eine Alterssichtigkeit, konzentrische Gesichtsfeldeinschränkungen, zentrale Gesichtsfelddefekte sowie ein geringfügig eingeschränktes Dämmerungssehen. Die Sehschärfe betrug für die Ferne am rechten Auge 0,3 ohne Korrektur und 0,8 mit eigener Korrektur, am linken Auge ohne Korrektur 0,1, mit eigener Korrektur 0,8. Für die Nähe betrug die Sehschärfe am rechten Auge ohne Korrektur 0,4, mit bester Korrektur 0,63, am linken Auge ohne Korrektur 0,3, mit bester Korrektur 0,63. Die Gesichtsfelduntersuchungen zeigten beidseits Einschränkungen innerhalb des zentralen 20 Grad Gesichtsfeldes. Die Prüfung des Dämmerungssehens und der Blendempfindlichkeit ergab am rechten Auge ohne Blendung eine Kontraststufe von 1:2,7, mit Blendung wurden alle Kontraststufen erkannt. Am linken Auge wurde ohne Blendung eine Kontraststufe von 1:5, mit Blendung alle Kontraststufen erkannt. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden für leichte Arbeiten liege nicht vor. Auch sei die Nachtblindheit nicht signifikant. Die Notwendigkeit der Benutzung eines Blindenstocks bestehe nicht.
Dem Gutachten von Prof. Dr. A. vom 26.10.2015 lassen sich nach Ansicht des Senats keine Befunde entnehmen, welche das Restleistungsvermögen des Klägers zeitlich relevant mindern. Die Sehschärfe sowie die Gesichtsfeldeinschränkung zeigten sich bei den Untersuchungen unverändert im Vergleich zum Berichten des behandelnden Augenarztes Prof. Dr. R. vom 24.07.2013 sowie dessen sachverständiger Zeugenaussage vom 07.04.2015. Darin hat Prof. Dr. R. selbst für schwere Tätigkeiten keine gesundheitliche Gefährdung angenommen, wobei auf die mögliche Gefährdung durch die Sehbehinderung zu achten sei.
Dr. S. diagnostiziert in seinem neurologisch – psychiatrischen Gutachten vom 22.02.2016 ein depressiv – agitiertes Syndrom im Sinne von Anpassungsstörungen bei körperlichen Erkrankungen und belastender sozialer Situation (ICD 10: F43.2), Spannungskopfschmerzen (ICD 10: G44.2), ein aktuell behandlungsbedürftiges Nierensteinleiden, degenerative Halswirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallssymptomatik sowie ein Augenleiden. Der Ausprägungsgrad der seelischen Symptomatik sei als leicht einzustufen. Eine Antriebsminderung, Einschränkung der Konzentration, des Durchhaltevermögens, eine Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten oder ein sozialer Rückzug lägen nicht vor. Auch bestanden keine signifikanten neurologischen Auffälligkeiten.
Die von Dr. S. erhobenen Befunden rechtfertigen auch nach Bewertung des Senats keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Eine kontinuierliche nervenärztliche Behandlung wird nicht durchgeführt. Auch die Kopfschmerzsymptomatik ist nach dem neurologischen Bericht von Dr. B. vom 03.12.2015 vom Spannungstyp und mit leichter analgetischer Medikation, dem Einsatz von Pfefferminzöl, leichtem Ausdauersport sowie Muskelentspannungstraining behandelbar. Eine relevante neurologische Erkrankung hatten zuvor bereits auch Dr. H. in seinem neurologischen Befundbericht vom 01.12.2014 sowie Dr. W. in seinem neurologischen Befundbericht vom 01.08.2013 ausgeschlossen. Der Schmerztherapeut und Neurochirurg Dr. P. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16.04.2015 eine myogene Zervikozephalgie diagnostiziert und leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich noch für möglich gehalten. Das Zervikalsyndrom sowie die von Dr. S. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 23.04.2015 diagnostizierte Chondropathia patellae bedingen auch nach Ansicht von Dr. S. lediglich den Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen, unter Akkord sowie wirbelsäulenbelastenden- oder kniebelastenden Arbeiten. Im Gutachten nach Aktenlage von Dr. H. vom 11.02.2015 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden – Württemberg (MDK) waren keine krankhaften Befunde bezüglich des Zervikalsyndroms erhebbar. Der MDK ging vielmehr noch von einem Leistungsvermögen für einfache, sitzende Tätigkeiten ohne Anforderungen an das Sehvermögen, ohne Treppensteigen, ohne Arbeiten an Maschinen aus. Dies entspricht der Einschätzung des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit vom 10.10.2013, welche bei ausgeprägter Minderbelastbarkeit beider Augen noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich für zumutbar erachtete. Die Nephrolithiasis wurde nach dem Befundbericht über die Computertomographie des Abdomens vom 26.11.2015 nachfolgend mehrfach operativ behandelt (siehe Berichte der Klinik E. , Klinik für Urologie vom 20.01.2016, 15.03.2016, 28.04.2016 sowie vom 23.01.2017). Eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung des Leistungsvermögens geht hieraus nicht hervor.
Eine solche folgt auch nicht aus dem im Berufungsverfahren eingeholten neurologisch – psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. A. vom 27.12.2017. Dieser diagnostiziert in seinem neurologisch – psychiatrischen Gutachten vom 27.12.2017 eine Retinopathia pigmentosa mit Nachtblindheit und konzentrisch eingeschränktem Gesichtsfeld, einen Spannungskopfschmerz und chronisch – rezidivierende Zervikozephalgien mit fraglicher Ausstrahlung in die Arme wechselnder Seitenbetonung. Leichte Tätigkeiten könnten noch sechs Stunden arbeitstäglich ausgeübt werden, sofern es sich hierbei um Tätigkeiten speziell für Sehbehinderte in Tagesschicht handele. Relevante kognitive Defizite konnten bei nicht ausreichender Anstrengungsbereitschaft im Rahmen der testpsychologischen Zusatzbegutachtung durch Dr. B. vom 13.01.2018 nicht verifiziert werden. Der Kopfschmerz werde derzeit auch nicht mit Medikamenten behandelt. Der Kläger habe sich an den Kopfschmerz adaptiert. Auf psychiatrischen Fachgebiet wurde eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung, allerdings nicht im Sinne eines eigenen Krankheitsbildes festgestellt. Großgedruckte Sätze in deutscher Sprache habe der Kläger fehlerlos vorgelesen. Auch habe er wiederholt, zielgerichtet nach verschiedenen Utensilien gegriffen. Eine Reintegration des Klägers sei aufgrund der erheblichen Sehbeeinträchtigung sicherlich schwierig, aber unter Einsatz geeigneter Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht ausgeschlossen. Es gebe beispielweise die Möglichkeit, den Versicherten über die Nikolauspflege wieder in das Erwerbsleben zu integrieren, was durchaus zumutbar sei.
Die von Prof. Dr. A. in seinem Gutachten vom 27.12.2017 erhobenen Befunde rechtfertigen nach Prüfung durch den Senat noch nicht die Annahme einer Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht. So zeigen die Beobachtungen bezüglich des Sehens des Klägers im Nahbereich, dass ihm noch zielgerichtete Tätigkeiten, wie Greifen nach einem Gegenstand, möglich war. Ein Ausschluss auch von leichten Tätigkeiten im Sitzen lässt sich danach aus den von Prof. Dr. A. erhobenen Befunden nicht ableiten. Dass eine Reintegration des Klägers in das Erwerbsleben durch speziell auf seine Sehbehinderung zugeschnittene Maßnahmen erfolgversprechend ist, wurde im Übrigen auch von der Beklagten erkannt. Diese hat dem Kläger mit Schreiben vom 01.12.2014 sowie vom 21.04.2017 eine Prüfung möglicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angeboten. Auf das Schreiben vom 01.12.2014 erfolgte keine Reaktion des Klägers. In der Rückantwort vom 14.06.2017 auf das Schreiben vom 21.04.2017 hat der Kläger angegeben, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mit einer Arbeitsplatzvermittlung durch die Beklagte einverstanden sei. Im Übrigen wäre bei einer Verschlechterung des Leistungsvermögens im Vergleich zu den Vorbegutachtungen der letztmalige Zeitpunkt der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und somit der Monat Januar 2017 maßgeblich.
Prof. Dr. S. diagnostiziert in seinem Gutachten vom 20.08.2018 eine Retinopathia pigmentosa beidseits mit Makulaatrophie, Astigmatismus, Myopie, epiretinale Gliose und Sicca – Syndrom. Die Sehschärfe betrug für die Ferne am rechten Auge 0,3 ohne Korrektur und 0,32 mit eigener Korrektur, am linken Auge ohne Korrektur 0,08, mit eigener Korrektur 0,5. Für die Nähe betrug die Sehschärfe am rechten Auge ohne Korrektur 0,32, mit Korrektur 0,32, am linken Auge ohne Korrektur 0,1, mit Korrektur 0,4. Die Gesichtsfelduntersuchungen zeigten beidseits deutliche Einschränkungen mit am rechten Auge, nasal 10 Grad, temporal 11 Grad, oben 11 Grad, unten 8 Grad, am linken Auge nasal 7 Grad, temporal 8 Grad, oben 2 Grad, unten 12 Grad. Bei Nyktometer – Prüfung habe der Kläger keine Aussagen gemacht. Leichte Arbeiten könnten noch sechs Stunden verrichtet werden, wenn der Arbeitsplatz an die Erkrankung und Sehleistung angepasst sei.
Die von Prof. Dr. S. am 27.06.21018 erhobenen Befunde belegen zwar zur Überzeugung des Senats eine weitere Verschlechterung des Sehvermögens im Vergleich zum augenfachärztlichen Gutachten von Dr. A. vom 26.10.2015 sowie zum letzten augenärztlichen Befundbericht von Prof. Dr. R. vom 03.01.2018. Eine Erwerbsminderung folgt hieraus jedoch nicht.
Insoweit ist trotz der Verschlechterung der Sehschärfe weder eine hochgradige Sehbehinderung mit einer Sehschärfe auf einem Auge von nicht mehr als 1/20 und auch keine hinsichtlich des Schweregrads gleich zu achtende andere Störungen der Sehfunktion, welche eine Umschulung mit blindentechnischen Hilfsmitteln erforderlich macht, gegeben (vgl. hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09. September 2004 – L 14 RJ 32/04 –, juris, Rn. 37f). Auch eine Sehbehinderung mit einer Sehschärfe von nur noch 0,3 oder weniger auf beiden Augen liegt nicht vor. Folgerichtig hat Prof. Dr. S. auch keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen, der Senat konnte eine solche nicht feststellen.
Ist der Kläger auch trotz der weiter verschlechterten Sehfunktion aber in seiner Erwerbsfähigkeit zeitlich nicht soweit eingeschränkt, dass rentenrechtliche Erwerbsminderung anzunehmen ist, so war auch nicht zu überlegen, ob später als Januar 2017 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt sind und auch nicht, ob bei bereits bestehenden Anspruch auf zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung das Herabsinken des zeitlichen Leistungsvermögens auf unter 3 Stunden arbeitstäglich zum Anspruch auf eine Dauerrente führt.
Auch die Hörminderung ist nicht geeignet, eine sozialmedizinisch relevante Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht zu begründen. Nach dem Tonaudiogramm vom 03.12.2014 liegt keine mittel- bis höhergradige Schwerhörigkeit vor. Eine Hörgeräteversorgung ist bislang nicht erforderlich. Bei der Begutachtung bei Prof. Dr. A. am 14.12.2017, zuletzt bei Prof. Dr. S. am 27.06.2018, wurde Umgangssprache und auch Flüstersprache weitgehend verstanden. Ausfälle des Hörvermögens beidseits – wie im Bericht vom 20.01.2018 über die Schulung in Orientierung und Mobilität als Einweisung in den Gebrauch des Hilfsmittels Blindenstock vom 07.01.2018 bis zum 20.01.2018 aufgeführt – traten nicht auf. Neuere Befunde, welche eine Verschlechterung tatsächlich objektivieren, liegen nicht vor.
Der Senat vermag auch der Einschätzung des Gutachters Dr. P. in seinem internistisch – psychosomatischen Gutachten vom 17.05.2016, welches auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG vom SG eingeholt wurde, nicht zuzustimmen, wonach der Kläger keine Tätigkeit mehr zuverlässig verrichten könne. Dr. P. begründet das Vorliegen der Erwerbsminderung damit, dass der Gesamttatbestand der Behinderungen in seiner Auswirkung auf das tägliche Leben zu bewerten sei und danach eine erhebliche Behinderung bestehe. Nicht nur die Beherrschung der deutschen Sprache sei sehr gering, sondern der Kläger sei darüber hinaus aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung beeinträchtigt hinsichtlich der Fähigkeit, affektive Sachverhalte zu verarbeiten und zu kommunizieren. Soziale Kontakte würden als überfordernd erlebt. Der Kläger habe sich auch innerhalb seiner Familie weitgehend zurückgezogen. Die von Dr. P. angenommene Persönlichkeitsstörung ist nach den von ihm erhobenen Befunden nicht nachvollziehbar. Die vom Gutachter aufgestellte Analogie zwischen der Einengung des Blickfeldes als Folge der Retinopathia pigmentosa und der Einengung des sozialen Radius des Klägers ist angesichts der anamnestischen Angaben des Klägers über Tätigkeiten im Haushalt und Garten, soziale Kontakte, Moscheebesuche sowie Treffen in der Stadt bei den Begutachtungen durch Dr. R. und Dr. S. bei gleichbleibendem Ausmaß der Sehschädigung und Gesichtsfeldeinengung nicht schlüssig. Überdies verneint der Gutachter in den weiteren Ausführungen sowohl im Vordergrund stehende depressive Symptome als auch das Vorliegen einer Antriebsstörung. Konzentration, Gedächtnis und Aufmerksamkeit waren ohne pathologischen Befund. Bezüglich des Verdachts auf eine spätpostraumatische Belastungsstörung bzw. eine Persönlichkeitsveränderung führt der Gutachter selbst an, dass ein verursachendes Trauma nicht bekannt sein und dies daher eine Vermutung bleibe, welche nicht bewiesen werden könne. Die vom Gutachter aufgeführten Symptome im Sinne von Flashback – Phänomenen sind im Übrigen durch keinerlei Befundberichte dokumentiert und belegt. Der Gutachter kommt letztlich zur Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung und eines depressiven Syndroms. Die Annahme der Erwerbsminderung wird indes mit der Annahme einer Persönlichkeitsstörung begründet. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger selbst bei Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung nicht mehr in der Lage sein sollte, sechs Stunden leichte Tätigkeiten zu verrichten. Eine Störung mit einem solchem Ausmaß ist nicht dargelegt. Zudem fand in den letzten Jahren keinerlei fachpsychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung statt. Weshalb eine solche von vorneherein ohne Aussicht auf Erfolg sein sollte, wie von Dr. P. angenommen, erschließt sich dem Senat nicht. Der Gutachter führt zwar an, dass er die Angaben des Klägers auf Konsistenz und Schlüssigkeit geprüft habe, eine kritische Würdigung der Tatsache, dass sich die anamnestischen Angaben bezüglich der Häufigkeit von sozialen Kontakten und der Alltagsaktivitäten im Vergleich zu den vorangegangenen Gutachten bei im wesentlichen gleichbleibender Befundlage deutlich verschlechtert haben, erfolgt indes nicht. Die Angabe des Klägers, er wisse nicht, wo er einen Blindenstock bekomme, unterscheidet sich deutlich von den Angaben bei der Begutachtung durch Dr. R. , wonach der Kläger dieses Hilfsmittel bisher abgelehnt hat. Auch dass der Kläger in der Lage war, allein mit der Bahn anzureisen und sich zur Praxis des Gutachters durchgefragt hat, wird vom Gutachter nicht gewürdigt. Dies gilt umso mehr, als der Gutachter selbst erkennt, dass die ophthalmologischen Befunde für sich genommen eine geringere Beeinträchtigung erwarten lassen, als vom Kläger an den Tag gelegt. Zudem fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen und Leistungseinschätzungen der Vorgutachter. Der Senat vermag daher der Leistungseinschätzung von Dr. P. nicht zu folgen.
Dem Kläger waren nach dem noch bestehenden Restleistungsvermögen, insbesondere der noch bestehenden Sehschärfe im Januar 2017, nicht nur noch sogenannte Blindenberufe (vgl. hierzu LSG Baden – Württemberg, Urteil vom 28. Juni 2012 - L 13 R 1810/11, juris; LSG Bayern, Urteil vom 09. September 2004 - L 14 RJ 32/04, juris) möglich. Vielmehr liegt nur ein qualitativer Leistungsausschluss für Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Sehvermögen stellen, vor. Die Sehschärfe betrug im Januar 2017 noch 0,63 auf beiden Augen. Damit liegt – wie bereits ausgeführt wurde – keine hochgradige Sehbehinderung vor. Die Grenze für die Verrichtung von Bildschirmarbeit war noch nicht unterschritten. Auch ist die Beweglichkeit der Hände des Klägers nicht eingeschränkt, was zusammen mit der Sehbehinderung zu Problemen bei der Erreichung der Grundschnelligkeit bei leichten industriellen Arbeiten, wie Packen, Sortieren oder Maschinenbedienen führen könnte (vgl. LSG Schleswig – Holstein, Urteil vom 29. April 2008 - L 7 R 8/07, juris). Die hierzu vom SG im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken teilt der Senat nicht, insbesondere sind solche Arbeitsbedingungen nicht allein Schonarbeitsplätzen vorbehalten.
Die Beklagte war insoweit nicht verpflichtet, vor diesem Hintergrund einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris; Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.) Das Leistungsvermögen des Klägers reicht trotz des verminderten Sehvermögens bei voller Gebrauchsfähigkeit beider Hände vielmehr noch für Tätigkeiten, Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen im Sitzen aus. Im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen konnte der Senat – außer der fehlenden Wegefähigkeit (dazu sogleich) – keine schwere spezifische Leistungseinschränkung und auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen feststellen. Der Kläger ist zur Erbringung von vollschichtiger Erwerbsfähigkeit, nicht nur auf Blindenarbeitsplätzen, und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage.
Der Kläger hat aber trotz eines noch bestehenden Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten von sechs Stunden arbeitstäglich Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil sich die Augenerkrankung so auswirkt, dass der Kläger in der Dämmerung die "üblichen Wege" nicht mehr zurücklegen kann, weshalb eine schwere spezifische Leistungseinschränkung besteht und eine Verweisungstätigkeit weder benannt noch feststellbar ist. Es steht nach Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und beigezogenen Befundberichte zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seit Januar 2017 - bei Dämmerung und Dunkelheit - nicht mehr in der Lage ist, ohne Gefahren für sich oder andere, täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen zu benutzen. Die erforderliche Wegefähigkeit ist somit nicht mehr gegeben.
Der Arbeitsmarkt gilt nach der Rechtsprechung des BSG dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein entsprechender Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter in Ballungsgebieten (vgl. Freudenberg, in: juris-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, § 43 Rdnr. 211 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. Februar 1989 - 5 RJ 61/88, SozR 2200 § 1247 Nr. 56) täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R -, juris; BSG, Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R, juris). Die Benutzung zumutbarer Hilfsmittel (z.B. Krückstock bzw. vorliegend Blindenstock) ist zu berücksichtigen; unter solche Hilfsmittel fallen aber nicht Hilfen Dritter, z.B. der Ehefrau aufgrund familienrechtlicher Verpflichtung oder Dritter aus Gefälligkeit oder der Einsatz eigener Geldmittel, z.B. für eine Hilfsperson oder teure Hilfsmittel wie Mobildienst oder Taxi, die nicht wie z.B. beim Gebrauch eines bereits früher angeschafften und benutzen Pkws ohnehin vorhanden sind (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 09. September 2004 – L 14 RJ 32/04, juris, Rn. 42).
Der Senat stützt seine Überzeugung auf den augenärztlichen Befundbericht von Dr. R. vom 26.01.2017 sowie dessen zeitgleich erstellte Stellungnahme zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach der Eingliederungsverordnung nach § 60 SGB XII. Darin führt Prof. Dr. R. an, dass der Kläger durch die Nachtblindheit schon bei schlechter Beleuchtung nicht mehr in der Lage sei, sich ausreichend zu orientieren. Durch das eingeschränkte Gesichtsfeld sei die Wahrnehmung zusätzlich erschwert. Auch gegenüber der Krankenkasse bestätigt Prof. Dr. R. mit Schreiben vom 26.01.2017, dass derzeit eine eigenständige Orientierung im Straßenverkehr nicht mehr möglich und der Kläger daher auf ein Mobilitätstraining angewiesen sei. Dieses diene zum Erlernen von Technik und Einsatz eines Blindenstocks. Die Ausführungen von Prof. Dr. R. machen deutlich, dass ohne die Erlernung von Techniken zum Einsatz des Blindenstocks eine Orientierung des Klägers im Straßenverkehr ohne Eigen- oder Fremdgefährdung nicht mehr möglich ist. Diese fehlende Orientierung kann auch nicht ohne weiteres durch Einsatz einer Stirn- oder Taschenlampe bei Dämmerung oder Nacht zur Ausleuchtung des Weges (vgl. hierzu auch LSG Sachsen – Anhalt, Urteil vom 19. Mai 2015 – L 3 R 276/1, juris, Rn. 49) ausgeglichen werden. Nach den Stellungnahmen von Prof. Dr. R. führt nicht nur die Minderung der Sehschärfe, sondern insbesondere auch die deutliche Gesichtsfeldeinschränkung zu einer zusätzlichen Erschwernis. Diese und die erhöhte Blendempfindlichkeit schränken das rechtzeitige Erkennen von anderen Verkehrsteilnehmern sowie das Abschätzen von deren Geschwindigkeit deutlich ein. Das Ausmaß der Sehbehinderung hat sich auch im Vergleich zu den vorangegangenen Stellungnahmen von Prof. Dr. R. vom 24.07.2013 und 07.04.2015 sowie dem augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. A. vom 26.10.2015 einschließlich ergänzender Stellungnahme vom 09.11.2015 verschlechtert. Die Sehschärfe betrug im Bericht von Dr. R. vom 24.07.2013 auf dem rechten Auge 0,8, auf dem linken Auge 0,63. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 07.04.2015 teilt Dr. R. mit, dass die Nachtblindheit die Wegefähigkeit bei Dunkelheit einschränken könne. Im Unterschied zum Bericht vom 26.01.2017 sah Prof. Dr. R. jedoch noch keine Veranlassung zur Einleitung eines Mobilitätstrainings. Die Untersuchung bei Prof. Dr. A. am 26.10.2015 ergab nur ein geringfügig eingeschränktes Dämmerungssehen. Der Gutachter hat insofern auch nach Ansicht des Senats folgerichtig auf die explizite Nachfrage des SG eine Einschränkung der Wegefähigkeit bei Dämmerung in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.11.2015 verneint. Auch die Notwendigkeit der Nutzung eines Blindenstocks hat Prof. Dr. A. verneint. Eine Verschlechterung ist auch aus den Messungen zur Gesichtsfelduntersuchung zu erkennen. Prof. Dr. R. gab in seiner Stellungnahme vom 07.04.2015 eine Einschränkung auf 20 bis 30 Grad an und schätzte den GdB auf 50 ein. Im Bericht vom 26.01.2017 wurde die Einschränkung rechts auf 15 bis 20 Grad und links auf 10 bis 20 Grad angegeben. Der GdB betrage 60. Es steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger im Januar 2017 nicht mehr in der Lage war, auf gesicherten Wegen täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen. Zwar besteht diese Unfähigkeit "nur" bei Wegen in der Dämmerung bzw. Dunkelheit, doch ist im bundesdeutschen Erwerbsleben jedenfalls in nicht unerheblichen Zeiträumen eines Jahres zumindest ein Weg zur Arbeit in der Dämmerung bzw. Dunkelheit zurückzulegen, sodass insoweit eine umfassende Wegefähigkeit besteht.
Ist Wegefähigkeit damit festgestellt, ist der Arbeitsmarkt verschlossen, was zur Pflicht führt, zumutbare Verweisungstätigkeiten zu benennen. Die Beklagte hat eine solche nicht benannt, der Senat konnte aber auch keine solche feststellen, denn die Fähigkeit, erforderliche Wege zur Arbeit zurücklegen zu können, ist für sämtliche Erwerbstätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland erforderlich. Die Beklagte oder ein Sozialleistungsträger hat aber auch nicht angeboten, dem Kläger im Wege von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Wegefähigkeit zu vermitteln. Der bloße Hinweis auf Möglichkeit der Integrationsmaßnahmen in der Nikolauspflege genügt nicht.
Die Aufhebung der Wegefähigkeit ist indes nach Überzeugung des Senats durch intensive Maßnahmen zur Verbesserung der Orientierung und Förderung der Mobilität besserbar. Dies belegt der Bericht über das Mobilitätstraining vom 20.01.2018. Danach konnte der Kläger die wichtigsten Techniken beim Einsatz des Blindenlangstocks sowie nötige Orientierungsstrategien erlernen. Zwar konnten einige Schulungsinhalte aufgrund der Sprachbarriere nicht in aller Ausführlichkeit vermittelt werden. Das Erlernte sei jedoch beim derzeitigen Stand des Sehvermögens ausreichend, um eine sichere und selbstständige Orientierung zu gewährleisten. Die Kontrastwahrnehmung bei verschiedenen Lichtbedingungen konnte durch den Einsatz von speziellen Kantenfiltergläsern verbessert werden. Ob die Schulung ausreichend ist, um eine gefahrlose Orientierung und Mobilität auch bei Dämmerung und Dunkelheit zu gewährleisten, muss jedoch noch getestet werden. Hierzu ist die Einleitung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation erforderlich. Bei Blinden kommen nicht nur eine blindentechnische Grundausbildung und eine berufliche Ausbildung/Umschulung in Frage, sondern auch eine nachgehende Berufshilfe. In der Wahl der Mittel sieht das Gesetz keinen Ausschluss bestimmter Hilfen vor. Vorgesehen sind ausdrücklich Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme, zur Erlangung und zur weiteren Erhaltung eines Arbeitsplatzes. Zu denken ist vorliegend an die Möglichkeit, für bis zu drei Monate dem Kläger eine geeignete Begleitperson zu verschaffen (oder zuzusichern), damit - innerhalb zumutbarer Zeit - das selbständige Zurücklegen unbekannter Wege von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück erlernt werden kann (so Bay. LSG, aaO). Der Kläger hat das Angebot der Beklagten, Leistungen zur Teilhabe zu prüfen, bislang nicht angenommen. Eine Rentengewährung kann laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R –, BSGE 110, 1-8, SozR 4-2600 § 43 Nr. 17) bei fehlender "Wegefähigkeit" zwar nur dadurch ausgeschlossen werden, dass der Versicherungsträger diesbezüglich Leistungen zur beruflichen Rehabilitation verbindlich und ohne Bedingungen anbietet, also nicht nur in Aussicht stellt. Wirkt der Kläger jedoch hierbei nicht mit, kann die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente für den Fall, dass die Wegefähigkeit weiterhin nicht gegeben ist, auch wegen fehlender Mitwirkung nach den §§ 60ff SGB I abgelehnt werden.
Gemäß § 99 Absatz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet, § 102 Absatz 2 Satz 1 SGB VI. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn, Renten auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen, § 102 Absatz 2 Satz 2 und 5 SGB VI.
Gestützt auf die Berichte von Dr. R. vom 26.01.2017, wonach ein Orientierungstraining zum Erlernen des Einsatzes des Blindenstocks erforderlich sei, sowie den Bericht über den Verlauf der Mobilitätsschulung vom 20.01.2018 konnte der Senat feststellen, dass bei dem Kläger die Möglichkeit einer Besserung innerhalb eines Zeitraumes von zwei bis drei Jahren besteht, sodass nicht unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Gestalt der aufgehobenen Wegefähigkeit behoben werden kann. Der Kläger kann daher nur eine befristete Rente beanspruchen, wobei diese bei einem festzustellenden Leistungsfall am 26.01.2017 ab dem 01.08.2017 beginnt und entsprechend dem Antrag des Klägers am 30.04.2020 endet.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI ist ausgeschlossen, denn der Kläger ist am 28.04.1972 und mithin nach dem 1. Januar 1961 geboren.
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers war daher das Urteil des SG insoweit abzuändern, als dass eine Rente wegen Erwerbsminderung erst ab dem 01.08.2017 befristet bis zum 30.04.2020 aufgrund eines Leistungsfalles am 26.01.2017 zu gewähren war. Im Übrigen waren sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat berücksichtigt hierbei, dass die Berufung der Beklagten zur Aufhebung des Urteils des SG bezüglich der Gewährung einer Rente ab dem 01.05.2014 geführt hat und dem Kläger die begehrte Erwerbsminderungsrente erst ab dem 01.08.2017 befristet bis zum 30.04.2020 zusteht. Die Erstattung von außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren kommt danach nicht in Betracht. Bezüglich der Kostentragung im Berufungsverfahren ist zu beachten, dass aufgrund eines am 26.01.2017 eingetretenen Leistungsfalls die Berufung nur teilweise und die Anschlussberufung zu einem überwiegenden Teil erfolgreich war. Insofern hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zur Hälfte zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
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