L 1 KR 398/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 574/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 398/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob die gesetzliche Krankenversicherung des Klägers bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zu erfolgen hat.

Der 1947 geborene Kläger nahm am 1. April 1962 eine versicherungspflichtige berufliche Ausbildung auf. In der Zeit von April 1983 bis Januar 1989 war er als Handwerker selbstständig tätig. Er hielt sich von Januar 1993 bis Juni 1998 ständig überwiegend in der Dominikanischen Republik auf.

Am 29. Oktober 2001 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Landesversicherungsanstalt Berlin, die mittlerweile in der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg aufgegangen ist, gewährte ihm ab dem 1. November 2001 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab dem 1. Mai 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei der Beklagten war der Kläger bis März 2006 aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung pflichtversichert. Seit April 2006 führt die Beklagte ihn als freiwillig versichertes Mitglied und fordert laufend Beiträge von ihm. Sie lehnte die Aufnahme in der KVdR mehrfach ab, weil die Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Er sei nämlich nicht neun Zehntel der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen

Seit dem 1. Juli 2012 erhält er von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Am 23. März 2017 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und erneut die Aufnahme in der KVdR begehrt. Die Beklagte hat dies nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Änderung mit Bescheiden vom 5. September 2017 und 19. Januar 2018 sowie Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2018 abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass zwar nach der seit dem 1. August 2017 geltenden Regelung für seine Tochter S drei Jahre Vorversicherungszeit zusätzlich anzurechnen seien. Jedoch seien die Voraussetzungen weiterhin nicht erfüllt. Der Kläger hat vorgetragen, der Zeitraum seines Aufenthaltes in der Dominikanischen Republik sei nicht als Lücke für die Vorversicherungszeiten anzusehen. Das SG hat Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 3. Juli 2018 und von der Kaufmännischen Krankenkasse vom 17. Juli 2018 eingeholt.

Die Beklagte hat zwei Tabellen eingereicht, in welchen sie den vom Rentenversicherungsträger übermittelten Rentenversicherungsverlauf übertragen hat. Sie hat das Ergebnis im Hinblick auf den Rentenantrag vom 29. Oktober 2001 zusammengefasst. Eine weitere Zusammenstellung ist unter der fiktiven Annahme eines Rentenantrages (erst) am 1. Juli 2012 (Antrag auf Altersrente) erfolgt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Begehren des Klägers sei dahingehend auszulegen, dass er beantrage, die Bescheide vom 5. September 2017 und vom 19. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Abänderung der bisherigen Bescheide rückwirkend ab Rentenantragstellung in die KVdR aufzunehmen, hilfsweise ab dem 1. August 2017. Diese Klage sei zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger erfülle nicht die nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderliche Vorversicherungszeit. Der Kläger habe ausweislich seines Rentenversicherungslaufes erstmalig am 1. April 1962 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung habe er am 29. Oktober 2011 gestellt. Dieser Zeitraum umfasse 39 Jahre, sechs Monate und 29 Tage. Die Hälfte hiervon seien 19 Jahre, 9 Monate und 15 Tage, sodass die zweite Hälfte des Erwerbslebens am 16. Februar 1982 beginne. Neun Zehntel des Zeitraums bis zur Rentenantragstellung seien 17 Jahre 9 Monate und 23 Tage. Der Kläger sei jedoch in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens, also dem Zeitraum vom 16. Februar 1982 bis zum 28. Oktober 2001, nur 8 Jahre, zwei Monate und 22 Tage gesetzlich krankenversichert gewesen. Die von der KKH bestätigte Versicherungszeit vom 1. Februar 1989 bis zum 31. Oktober 1991 habe die Beklagte dabei vollständig berücksichtigt. Soweit in der tabellarischen Aufstellung die Zeit vom 1. August 1989 bis zum 15. August 1989 offen geblieben sei, seien diese 15 Tage nachträglich hinzuaddiert worden wie sich aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 1. Oktober 2018 ergebe. Die Monate November und Dezember 1991 seien dagegen weder von der Beklagten noch von der KKH bestätigt worden, sodass sie nicht als Vorversicherungszeit anzurechnen seien. Auch für Zeiten der Selbstständigkeit habe für die Zeit von April 1983 bis Januar 1989 keine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse festgestellt werden können. Weitere anrechenbare Zeiten habe der Kläger nicht dargelegt. Eine Änderung habe sich auch nicht dadurch ergeben, dass der Kläger seit dem 1. Juli 2012 eine Altersrente beziehe. Es könne dahingestellt bleiben, ob bei einem Wechsel der Rentenart überhaupt eine Neuberechnung der Vorversicherungszeit erfolge. Denn der Kläger erfülle die Vorversicherungszeit auch dann nicht, wenn unterstellt werde, dass die Rahmenfrist erst am 1. Juli 2012 geendet habe. Die Rahmenfrist betrage danach 50 Jahre, drei Monate und einen Tag (vom 1. April 1962 bis zum 1. Juli 2012). Die Hälfte hiervon seien 25 Jahre, ein Monat und 15 Tage. Damit beginne die zweite Hälfte des Erwerbslebens unter dieser Prämisse am 17. Mai 1987. Erforderliche Vorversicherungszeiten von neun Zehntel dieser Hälfte seien 22 Jahre, 7 Monate und 10 Tage. Nachgewiesen habe der Kläger nur 17 Jahre, 8 Monate und 17 Tage. Es führe auch nicht zur Erfüllung der Vorversicherungszeit, dass nach der seit dem 1. August 2017 geltenden Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf die erforderliche Mitgliedszeit für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind eine Zeit von drei Jahren angerechnet werde. Werde die Tochter des Klägers mit drei Jahren angerechnet, habe er bei Zugrundelegung des Rentenantrages vom 29. Oktober 2001 nunmehr 11 Jahre, drei Monate und 22 Tage statt der erforderlichen mehr als 17 Jahre. Bezogen auf den Beginn der Regelaltersrente am 1. Juli 2012 käme er auf eine Vorversicherungszeit von 20 Jahren, 9 Monaten und zwei Tagen. Erforderlich seien jedoch mehr als 22 Jahre.

Mit Faxschreiben vom 30. November 2018 hat der Kläger "gegen den Gerichtsbeschluss vom 23. Nov. 2018" "die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG eingelegt". Diese sei nicht durch den Beschluss ausgeschlossen, es sei nur der Hinweis gegeben worden, "kann mit einer Berufung angefochten werden." Weiter hat der Kläger Anhörungsrüge erhoben. Über eine Klage sei gemäß § 125 SGG durch Urteil zu entscheiden. Zur Begründung in der Sache hat er ausgeführt, er sei bereits nach seinem Unfall 1997 arbeitsunfähig gewesen. Er habe auf Anerkennung einer Teilerwerbsrente geklagt. Seine Zeiten der Auswanderung in die Dominikanische Republik dürften für die Frage der zweiten Hälfte nicht zugerechnet werden. Diese Rechtsfrage solle beim Bundessozialgericht geklärt werden. Die Klage sei bislang nicht aufgenommen worden und werde seit März 2017 verschleppt mit dem Vorsatz der Vorteilnahme der Beklagten und antisemitischer Haltung. Die Beklagte habe ihn seit 2006 als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigkeiten nach § 240 SGB V eingestuft. Die Aufstellung der Beklagten sei unwahr. Er sei 50 Jahre in der Arbeitswelt tätig gewesen abzüglich der vier, 6 Jahre, in welchen er sich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ohne Sozialabkommen aufgehalten habe.

Nur vom 17. Mai 1987 bis Januar 1989 sei er in der zweiten Hälfte nicht pflichtversichert gewesen. Diese habe vom 17. Mai 1987 bis 2012 gedauert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2018 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzunehmen.

Auf die zitierten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Es konnte entschieden werden, obgleich für die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Sie sind auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 SGG).

Der Schriftsatz des Klägers vom 30. November 2018 ist als Berufung auszulegen, weil es sich dabei um den statthaften Rechtsbehelf gegen den angegriffenen Gerichtsbescheid handelt, auch soweit es um das prozessuale Ziel geht, eine Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Sozialgericht zu erzwingen.

Der zulässigen Berufung bleibt allerdings Erfolg versagt.

Die Möglichkeit zur Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist nicht eröffnet. Das erstinstanzliche Verfahren weist weder wesentliche Mängel auf, noch ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig

Die Klage bleibt erfolglos. Diese richtet sich gegen die angefochtenen Bescheide mit dem Begehren, in die KVdR aufgenommen zu werden.

Wie das SG jedoch zu Recht ausgeführt hat, ist der angefochtene Bescheid vom 5. September 2017 in der Gestalt des Bescheides vom 19. Januar 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2018 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist weder seit Rentenbeginn noch seit dem 1. August 2017 versicherungspflichtig in der KVdR.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sind versicherungspflichtig in der KVdR nur diejenigen Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren. Die letztgenannte Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, wie das SG bereits ausführlich dargestellt hat. Auf dessen Darlegungen wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Entgegen der Auffassung des Klägers stellen sich insbesondere keine grundsätzlichen Fragen. Wie bereits das SG erläutert hat, ist durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt, dass bei der Berechnung der Rahmenfrist Zeiten der Berufstätigkeit auch Zeiten im Ausland anzurechnen sind. Es hat ferner bereits zutreffend ausgeführt hat, dass entsprechend auch die Vorversicherungszeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V gebietsneutral zu verstehen und daher Zeiten im Ausland als Krankenversicherungszeiten zu berücksichtigen sind, soweit diese durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, sonstiges überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellungsregelung der Mitgliedschaft im Inland bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind (BSG, Urteil vom 8. November 1983 – 12 RK 26/82, juris-Rdnr. 11ff, Beschluss vom 6. Dezember 2017 – B 12 KR 43/17 B- juris-Rdnr. 10; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. April 2017 – L 16 KR 793/15- juris-Rdnr. 28f). Zwischen der Dominikanischen Republik und Deutschland gibt es kein Sozialversicherungsabkommen. Andere Rechtsvorschriften, welche eine Anrechnung von Krankenversicherungszeiten in diesem Staat vorsehen, existieren nicht. Wie die Absicherung gegen Krankheit in der Dominikanischen Republik erfolgt, ist nicht entscheidungserheblich.

Wie das SG ebenfalls bereits richtig erkannt hat, rechtfertigt auch die objektive Unmöglichkeit, während des Auslandaufenthaltes Beiträge zur deutschen Krankenversicherung zu zahlen, keine Verkürzung der Rahmenfrist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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