L 1 KR 181/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 KR 170/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 181/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. März 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld.

Die 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Die Beklagte gewährte ihr ab dem 15. Juli 2014 Krankengeld in kalendertäglicher Höhe von 27,63 EUR. Durch Bescheid vom 5. November 2014 stellte die Beklagte fest, dass der Anspruch auf Krankengeld mit dem 19. September 2014 ende. Das sei der letzte Tag einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gewesen. Die danach vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erst am 23. September 2014 ausgestellt worden.

Die Klägerin legte Widerspruch ein. Sie machte unter anderem geltend, dass sie am 19. September 2014 aus einer Tagesklinik entlassen worden sei. Sie habe von der Beklagten die telefonische Auskunft erhalten, dass ein weiterer Auszahlschein mit Datum vom 23. September 2014 reiche. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8. April 2015).

Mit der am 8. Mai 2015 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Weiterzahlung des Krankengeldes ab dem 20. September 2014. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat der Klägerin während des laufenden Klageverfahrens durch Rentenbescheid vom 16. Juni 2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2014 gewährt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. März 2017 abgewiesen. Es fehle der lückenlose Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Nach dem 19. September 2014 (Freitag) habe die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst wieder vom 23. September 2014 vorgelegt. Die auf den 19. September 2014 nachdatierte Bescheinigung erfülle die Voraussetzungen nicht. Zwar sei die Klägerin nachweislich am 19. September 2014 bei ihrer Ärztin vorstellig geworden, ohne dass aber Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden sei. Vielmehr sei die Klägerin erneut für den 23. September 2014 einbestellt worden. An diesem Tag sei dann auch die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Nach der Rechtsprechung des BSG komme es nicht darauf an, ob die Klägerin über das Erfordernis einer nahtlosen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit informiert worden sei. Auch der Vortrag der Klägerin zu den telefonisch erteilten Auskünften der Beklagten sei nicht erheblich. Denn das Vorbringen sei insoweit nicht in sich schlüssig und glaubhaft. Im Übrigen sei der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Juli 2014 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt worden. Der Anspruch auf Krankengeld ende jedenfalls vom Beginn dieser Leistung an.

Gegen das ihr am 20. März 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. April 2017 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Sie habe weiter Anspruch auf Krankengeld, weil ihr die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit ab dem 19. September 2014 vertragsärztlich bestätigt worden sei. Wenn die erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig ausgestellt worden sei, habe dazu auch das Verhalten der Beklagten beigetragen. Der rückwirkende Rentenbeginn sei unerheblich, weil dagegen vorsorglich Rechtsmittel eingelegt worden seien. Krankengeld und Rente seien ungekürzt auszuzahlen. Das BSG habe bereits entschieden, dass der Versicherte zumindest den Spitzbetrag behalten könne, weil er auf den rechtmäßigen Bezug des Krankengeldes vertrauen durfte (Hinweis auf BSG, Urt. v. 8. Dezember 1992 – 1 RK 9/92). Das müsse auch gelten, wenn die Weiterzahlung des Krankengeldes unrechtmäßig verweigert worden sei. Das gegen den Rentenbeginn eingeleitete sozialgerichtliche Verfahren vor dem Sozialgericht Potsdam zum Az S 48 R 216/17 werde indessen nicht weiter verfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 20. September 2014 weiter Krankengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass der Klägerin mit Bescheid vom 16. Juni 2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2014 bewilligt worden sei. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe vom Beginn dieser Leistung an.

Der Senat hat die Beteiligten zu der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss angehört.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des Sozialgerichts Potsdam zum Verfahren S 48 R 216/17 und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat die Berufung durch Beschluss zurückweisen. Er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich.

Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Krankengelds ab dem 20. September 2014.

Nach § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch in der hier maßgeblichen Fassung vom 17. Juli 2009 setzt der Anspruch auf Krankengeld voraus, dass Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig sind. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der vorliegend noch anzuwendenden bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung der Vorschrift von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob dem Grunde nach weiter Anspruch auf Krankengeld für die Klägerin ab dem 20. September 2014 bestand. Denn dieser Anspruch war jedenfalls durch die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Rentenbeginn ab dem 1. Juli 2014 weggefallen. Das ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift endet ein Anspruch auf Krankengeld für Versicherte mit dem Beginn einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Unter dem Beginn einer Rente ist der Zeitpunkt zu verstehen, ab dem sie beansprucht werden kann, nicht das Datum der Erteilung des Rentenbescheides (BSG v. 8. Dezember 1992 – 1 RK 9/92 - juris Rn 15).

Aus § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt sich für den Wegfall des Krankengeldanspruchs nichts anderes. Dort ist bestimmt, dass eine Krankenkasse den überschießenden Betrag nicht von dem Versicherten zurückfordern kann, wenn Krankengeld über den Beginn einer der in Satz 1 Nr. 1 genannten Leistungen hinaus gezahlt worden ist. Der Klägerin ist Krankengeld zwar über den Rentenbeginn am 1. Juli 2014 hinaus gezahlt worden, aber nur bis zum 19. September 2014 und eben nicht mehr ab dem 20. September 2014. Insoweit sind die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt.

§ 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist nicht anwendbar auf Fälle, in denen der Rentenbescheid noch nicht erlassen war, die Weiterzahlung des Krankengeldes aber aus anderen Gründen unterblieb. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die von der Krankenkasse zunächst für maßgeblich gehaltenen Gründe die Einstellung des Krankengeldes tragen oder nicht. Denn entscheidend in einem sozialgerichtlichen Verfahren über das Bestehen eines Leistungsanspruchs der Versicherten auf Krankengeld sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Liegt dieser – wie hier - nach dem Erlass eines Bescheides über eine volle Erwerbsminderungsrente mit rückwirkendem Leistungsbeginn, steht seit dem Erlass des Bescheides fest, dass kein Anspruch auf Krankengeld (mehr) besteht. Entsprechend ist eine Verurteilung der Krankenkasse nicht möglich.

Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht (Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 50 Rn 45). Der Fall, dass ein Versicherter meint, noch weiter Anspruch auf Krankengeld zu haben, steht dem nicht gleich, dass die Krankenkasse zunächst noch Krankengeld ausgezahlt hat, obwohl sich das später als rechtswidrig erweist. Nur in dem letzteren Fall ist durch die Zahlung ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Für die Klägerin hat hingegen die Beklagte nie den Rechtsschein gesetzt, dass auch ab dem 20. September 2014 noch Anspruch auf Krankengeld bestehen könnte. Dass die Klägerin meinte, weiter einen solchen Anspruch zu haben, ist nicht der beklagten Krankenkasse zuzurechnen.

§ 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V passt auch von den Rechtsfolgen der Vorschrift nicht. Das Gesetz setzt voraus, dass nach Bewilligung der Rente ein Ausgleich zwischen dem Träger der Rentenversicherung und der Krankenkasse nach § 103 SGB X erfolgt und spricht ausdrücklich nur von den Ansprüchen der Krankenkassen gegen die Versicherten auf Rückzahlung eines Spitzbetrages. Eine Rückzahlung setzt aber eine schon erfolgte Zahlung voraus. § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V begründet danach nur eine Einwendung der Versicherten gegen von den Krankenkassen erhobene Ansprüche, ist aber keine Rechtsgrundlage für Ansprüche der Versicherten gegen ihre Krankenkasse. Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus dem von der Klägerin im Bezug genommenen Urteil des BSG vom 8. Dezember 1992. Auch dieses Urteil betrifft nur einen Fall, in dem das Krankengeld noch tatsächlich weitergezahlt worden ist (BSG v. 8. Dezember 1992 – 1 RK 9/92 - juris Rn 15).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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