Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 KR 1888/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Der Bescheid vom 1.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2014 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger mit zahnärztlicher Behandlung in Form von Störfeldtests und Störfeldtherapie durch Dr. in als Sachleistung zu versorgen. 3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit zahnärztlicher Behandlung durch Dr. L. in M ...
Der Kläger leidet an Trigeminusneuralgie. Am 23.12.2013 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Diagnose und Behandlung bei Dr. L. in M ... Seinem Antrag fügte er einen Kostenvoranschlag als Anlage 9 bei, der die einzelnen Positionen der Diagnose und Behandlung aufführt (im Einzelnen: Cavitat – Ultraschalluntersuchung, OroTox-Test (Zahngiftmessung), optional: Kinesiologie, optional: LTT/TT-Test, optional: Speicheltest zur Abklärung von chronisch-toxischen Metallbelastungen, aktuelles Panorama-Röntgenbild, aktuelles DVT, Gesamtkosten: 600 – 1300; anschließend: Operationen, hierbei würden alle Störfelder in einem Kieferquadranten entfernt, Kosten pro Operation und Nachbehandlungen 1800 – 2500).
Mit Bescheid vom 9.1.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die von ihm beantragte Behandlung (diverse Testverfahren – siehe Kostenvoranschlag Praxis Dr. L. vom 7.11.2013) sei nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Am 22.9.2014 erhob der Kläger Widerspruch. Es sei doch recht verwunderlich, dass für eine scheinbar eindeutige Gesetzeslage auf den Tag genau 8 Monate gebraucht werde, um sie ihm mitzuteilen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Dem Kläger sei durch die Praxis Dr. L. nach Auswertung einer eingesandten DVT-Aufnahme des Kiefers die Störfelddiagnostik (u.a. Knochendichtemessung im Kieferbereich und Zahngiftmessung) und anschließende Störfeldsanierung angeboten worden. Diese Leistungen seien nicht Bestandteil des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM).
Daraufhin hat der Kläger am 22.12.2014 Klage erhoben. Zweck der Klage sei es, die Krankenkasse zur Kostenübernahme der privatärztlichen Behandlung bei Dr. L. zu verpflichten. Dr. L. sei schon seit 30 Jahren oder mehr auf dem Gebiet der Nekrosen und Cavitäten federführend. Es gehe ihm, dem Kläger, um die Kostenübernahme für Diagnose und Therapie seiner Trigeminusneuralgie, weil Krankenkassen durchaus unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet seien, Leistungen auch dann zu erbringen, wenn sie nicht im Leistungskatalog enthalten sind. Für einen Durchschnittsbürger unterer Kategorie ergebe sich durch den allgemeinen Umgang mit Ärzten und Krankenkassen als Patient nicht im Geringsten der Schluss, dass es irgendwelche Krankheiten geben könnte, deren Behandlung nicht von der Kasse bezahlt würde. Bei Zusatzversicherungen denke man an Einzelzimmer und besondere Pflege etc.
Der Kläger beantragt nach Lage der Akten, den Bescheid vom 1.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit zahnärztlicher Behandlung in Form von Störfeldtests und Störfeldtherapie durch Dr. L. in M. als Sachleistung zu versorgen.
Die Beklagte beantragt nach Lage der Akten, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Bescheide.
Das Gericht hat am 14.2.2018 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten zum beabsichtigten Erlasse eines Gerichtsbescheides angehört. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Niederschrift des Termins verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte verwiesen. Sie haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden. Denn der Rechtsstreit weist in der Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt und die Beteiligten sind vor Erlass des Gerichtsbescheides angehört worden.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Versorgung als Sachleistung mit zahnärztlicher Behandlung in Form von Diagnostik und Therapie durch den Zahnarzt Dr. L. in M ... Denn der Antrag des Klägers vom 23.12.2013 gilt gem. § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt.
§ 13 Abs. 3a SGB V lautet: Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15 des Neunten Buches zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
Die Beklagte hat erst 8 Monate nach Antragseingang über den Antrag des Klägers entschieden, ohne den MDK zu konsultieren oder ein Gutachterverfahren nach dem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte durchzuführen, und hat somit eindeutig die Frist von 3 Wochen gem. § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten.
Auch die weiteren vom Bundesozialgericht in seiner Rechtsprechung zum § 13 Abs. 3a SGB V aufgestellten Voraussetzungen (siehe hierzu u.a. Urteil vom 7.11.2017, B 1 KR 7/17 R; Urteil vom 11.7.2016, B. 1 KR 26/16 R; Urteil vom 11.7.2017, B. 1 KR 1/17 R; Urteil vom 7.11.2017, B 1 KR 15/17 R, juris) liegen vor (hierzu unter 1. bis 5.).
1. § 13 Abs. 3a erfasst die vom Kläger beantragte Leistung zeitlich und als eine ihrer Art nach der Genehmigungsfiktion zugängliche Leistungsart. Die Regelung erfasst u.a. Ansprüche auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen Krankenkassen, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind. Vorliegend begehrt der Kläger Krankenbehandlung durch einen Zahnarzt.
2. Der Kläger ist als gesetzlich Versicherter auch leistungsberechtigt.
3. Der Kläger erfüllte mit seinem Antrag zudem die Voraussetzungen eines genehmigungsfähigen, den Lauf der Frist auslösenden Antrags auf Versorgung mit zahnärztlicher Behandlung. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist. Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf. eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
Der Antrag des Klägers ist durch den als Anlage 9 eingereichten Kostenvoranschlag des Dr. L. hinreichend bestimmt. Der Kostenvoranschlag führt die einzelnen Positionen der Diagnostik und sich ggf. anschließender Therapie (= Operation) auf.
4. Der Kläger durfte die beantragte Leistung für erforderlich halten. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen.
Der Kläger führt aus, dass er als Zwangsversicherter der gesetzlichen Krankenversicherung davon ausgehen dürfe, dass alle Krankheiten, die es gebe, auch behandelt würden. Der Kläger durfte damit die Behandlung subjektiv für erforderlich halten; er hat sich vorher erkundigt und hat aus seiner Sicht die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Anders als die Beklagte meint, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht etwa Voraussetzung, dass der Betroffene eine ärztliche Verordnung für die beantragte Behandlung hat. Maßgeblich ist, ob der Versicherte die beantragte Leistung subjektiv für erforderlich halten durfte. Dies hat das BSG in den Fällen, in denen der Versicherte eine ärztliche Verordnung hatte, bejaht. Hieraus einen Umkehrschluss zu ziehen, ist nicht möglich. Auch der Einwand der Beklagten, dem Kläger sei bewusst gewesen, dass es sich um Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung handele, weil dies auf der Internetseite des Dr. L. erwähnt werde, greift nicht durch. Die von Dr. L. angebotene ganzheitliche Zahnbehandlung liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges, weil es sich dabei immer noch um Krankenbehandlung handelt. Der Kläger greift, nachdem sämtliche bisherigen Behandlungen (nebst dem Entfernen von Zähnen) erfolglos geblieben sind, auf die Störfeldtherapie zurück und durfte sie für erforderlich halten, weil ihm nichts anderes mehr helfe. Er geht dabei davon aus, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Erkrankung unbehandelt gelassen wird und die Krankenkasse in Ausnahmefällen auch besondere Leistungen gewähren dürfen. Diese Auffassung ist grundsätzlich zulässig, da im Bereich des § 2 Abs. 1a SGB V oder bei Satzungsleistungen dies tatsächlich der Fall ist. Entscheidend aber ist, dass der Kläger, der von rasenden Schmerzen und schweren Nebenwirkungen seiner Medikamente berichtet, von einem Rechtsmissbrauch, den die Beschränkung auf subjektiv erforderliche Leistungen bezwecken soll, weit entfernt ist. Es liegen in der Störfeldtests und Störfeldtherapie zur Behandlung der Trigeminusneuralgie auch keine Leistungsgrenzen vor, die – anders als beispielweise in der "Zuteilung einer Ehefrau" – jedem Versicherten klar sein müssen.
5. Schließlich ist die Genehmigung nicht durch Aufhebung oder sonstige Erledigung erloschen. Trotz Behandlungen inkl. Zahnextraktionen leidet der Kläger weiter unter Schmerzen. Es besteht von seiner Seite weiterhin Interesse, die Behandlung durch Dr. L. in Anspruch zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit zahnärztlicher Behandlung durch Dr. L. in M ...
Der Kläger leidet an Trigeminusneuralgie. Am 23.12.2013 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Diagnose und Behandlung bei Dr. L. in M ... Seinem Antrag fügte er einen Kostenvoranschlag als Anlage 9 bei, der die einzelnen Positionen der Diagnose und Behandlung aufführt (im Einzelnen: Cavitat – Ultraschalluntersuchung, OroTox-Test (Zahngiftmessung), optional: Kinesiologie, optional: LTT/TT-Test, optional: Speicheltest zur Abklärung von chronisch-toxischen Metallbelastungen, aktuelles Panorama-Röntgenbild, aktuelles DVT, Gesamtkosten: 600 – 1300; anschließend: Operationen, hierbei würden alle Störfelder in einem Kieferquadranten entfernt, Kosten pro Operation und Nachbehandlungen 1800 – 2500).
Mit Bescheid vom 9.1.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die von ihm beantragte Behandlung (diverse Testverfahren – siehe Kostenvoranschlag Praxis Dr. L. vom 7.11.2013) sei nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Am 22.9.2014 erhob der Kläger Widerspruch. Es sei doch recht verwunderlich, dass für eine scheinbar eindeutige Gesetzeslage auf den Tag genau 8 Monate gebraucht werde, um sie ihm mitzuteilen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Dem Kläger sei durch die Praxis Dr. L. nach Auswertung einer eingesandten DVT-Aufnahme des Kiefers die Störfelddiagnostik (u.a. Knochendichtemessung im Kieferbereich und Zahngiftmessung) und anschließende Störfeldsanierung angeboten worden. Diese Leistungen seien nicht Bestandteil des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM).
Daraufhin hat der Kläger am 22.12.2014 Klage erhoben. Zweck der Klage sei es, die Krankenkasse zur Kostenübernahme der privatärztlichen Behandlung bei Dr. L. zu verpflichten. Dr. L. sei schon seit 30 Jahren oder mehr auf dem Gebiet der Nekrosen und Cavitäten federführend. Es gehe ihm, dem Kläger, um die Kostenübernahme für Diagnose und Therapie seiner Trigeminusneuralgie, weil Krankenkassen durchaus unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet seien, Leistungen auch dann zu erbringen, wenn sie nicht im Leistungskatalog enthalten sind. Für einen Durchschnittsbürger unterer Kategorie ergebe sich durch den allgemeinen Umgang mit Ärzten und Krankenkassen als Patient nicht im Geringsten der Schluss, dass es irgendwelche Krankheiten geben könnte, deren Behandlung nicht von der Kasse bezahlt würde. Bei Zusatzversicherungen denke man an Einzelzimmer und besondere Pflege etc.
Der Kläger beantragt nach Lage der Akten, den Bescheid vom 1.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit zahnärztlicher Behandlung in Form von Störfeldtests und Störfeldtherapie durch Dr. L. in M. als Sachleistung zu versorgen.
Die Beklagte beantragt nach Lage der Akten, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Bescheide.
Das Gericht hat am 14.2.2018 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten zum beabsichtigten Erlasse eines Gerichtsbescheides angehört. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Niederschrift des Termins verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte verwiesen. Sie haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden. Denn der Rechtsstreit weist in der Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt und die Beteiligten sind vor Erlass des Gerichtsbescheides angehört worden.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Versorgung als Sachleistung mit zahnärztlicher Behandlung in Form von Diagnostik und Therapie durch den Zahnarzt Dr. L. in M ... Denn der Antrag des Klägers vom 23.12.2013 gilt gem. § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt.
§ 13 Abs. 3a SGB V lautet: Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15 des Neunten Buches zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
Die Beklagte hat erst 8 Monate nach Antragseingang über den Antrag des Klägers entschieden, ohne den MDK zu konsultieren oder ein Gutachterverfahren nach dem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte durchzuführen, und hat somit eindeutig die Frist von 3 Wochen gem. § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten.
Auch die weiteren vom Bundesozialgericht in seiner Rechtsprechung zum § 13 Abs. 3a SGB V aufgestellten Voraussetzungen (siehe hierzu u.a. Urteil vom 7.11.2017, B 1 KR 7/17 R; Urteil vom 11.7.2016, B. 1 KR 26/16 R; Urteil vom 11.7.2017, B. 1 KR 1/17 R; Urteil vom 7.11.2017, B 1 KR 15/17 R, juris) liegen vor (hierzu unter 1. bis 5.).
1. § 13 Abs. 3a erfasst die vom Kläger beantragte Leistung zeitlich und als eine ihrer Art nach der Genehmigungsfiktion zugängliche Leistungsart. Die Regelung erfasst u.a. Ansprüche auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen Krankenkassen, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind. Vorliegend begehrt der Kläger Krankenbehandlung durch einen Zahnarzt.
2. Der Kläger ist als gesetzlich Versicherter auch leistungsberechtigt.
3. Der Kläger erfüllte mit seinem Antrag zudem die Voraussetzungen eines genehmigungsfähigen, den Lauf der Frist auslösenden Antrags auf Versorgung mit zahnärztlicher Behandlung. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist. Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf. eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
Der Antrag des Klägers ist durch den als Anlage 9 eingereichten Kostenvoranschlag des Dr. L. hinreichend bestimmt. Der Kostenvoranschlag führt die einzelnen Positionen der Diagnostik und sich ggf. anschließender Therapie (= Operation) auf.
4. Der Kläger durfte die beantragte Leistung für erforderlich halten. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen.
Der Kläger führt aus, dass er als Zwangsversicherter der gesetzlichen Krankenversicherung davon ausgehen dürfe, dass alle Krankheiten, die es gebe, auch behandelt würden. Der Kläger durfte damit die Behandlung subjektiv für erforderlich halten; er hat sich vorher erkundigt und hat aus seiner Sicht die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Anders als die Beklagte meint, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht etwa Voraussetzung, dass der Betroffene eine ärztliche Verordnung für die beantragte Behandlung hat. Maßgeblich ist, ob der Versicherte die beantragte Leistung subjektiv für erforderlich halten durfte. Dies hat das BSG in den Fällen, in denen der Versicherte eine ärztliche Verordnung hatte, bejaht. Hieraus einen Umkehrschluss zu ziehen, ist nicht möglich. Auch der Einwand der Beklagten, dem Kläger sei bewusst gewesen, dass es sich um Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung handele, weil dies auf der Internetseite des Dr. L. erwähnt werde, greift nicht durch. Die von Dr. L. angebotene ganzheitliche Zahnbehandlung liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges, weil es sich dabei immer noch um Krankenbehandlung handelt. Der Kläger greift, nachdem sämtliche bisherigen Behandlungen (nebst dem Entfernen von Zähnen) erfolglos geblieben sind, auf die Störfeldtherapie zurück und durfte sie für erforderlich halten, weil ihm nichts anderes mehr helfe. Er geht dabei davon aus, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Erkrankung unbehandelt gelassen wird und die Krankenkasse in Ausnahmefällen auch besondere Leistungen gewähren dürfen. Diese Auffassung ist grundsätzlich zulässig, da im Bereich des § 2 Abs. 1a SGB V oder bei Satzungsleistungen dies tatsächlich der Fall ist. Entscheidend aber ist, dass der Kläger, der von rasenden Schmerzen und schweren Nebenwirkungen seiner Medikamente berichtet, von einem Rechtsmissbrauch, den die Beschränkung auf subjektiv erforderliche Leistungen bezwecken soll, weit entfernt ist. Es liegen in der Störfeldtests und Störfeldtherapie zur Behandlung der Trigeminusneuralgie auch keine Leistungsgrenzen vor, die – anders als beispielweise in der "Zuteilung einer Ehefrau" – jedem Versicherten klar sein müssen.
5. Schließlich ist die Genehmigung nicht durch Aufhebung oder sonstige Erledigung erloschen. Trotz Behandlungen inkl. Zahnextraktionen leidet der Kläger weiter unter Schmerzen. Es besteht von seiner Seite weiterhin Interesse, die Behandlung durch Dr. L. in Anspruch zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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