S 8 KR 180/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 180/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 118/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Verfahrenskosten werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der von der Klägerin für Arzneimittel aufge-wandten Kosten in Höhe von 21.442,42 Euro.

Die 1974 geborene Versicherte der Beklagten, Frau N O, ist schwerwiegend und chronisch psychiatrisch erkrankt (u.a. Borderline, Suizidalität). Des Weiteren liegt bei ihr als chronisch-pneumologische Erkrankung eine pulmonale arterielle Hypertonie vor, die medikamentenpflichtig ist und mit dem Arzneimittel Tracleer behandelt wird. Die Behand-lungen fanden in der Vergangenheit derart statt, dass sie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums C ambulant vorgestellt, behandelt und durch das Ausstellen kassenärztlicher Verordnungen mit dem notwendigen Medikament Tracleer ver¬sorgt wurde.

Aufgrund der psychiatrischen Erkrankung fanden in der Vergangenheit wiederholt länger-fristige stationäre Behandlungen in den in der Trägerschaft der Beklagten stehenden Rhei-nischen Kliniken C statt, u.a. in den Zeiträumen vom 07.12.2004 bis zum 23.08.2005 sowie vom 07.12.2005 bis zum 14.12.2005. Während dieser stationären Aufenthalte er-folgten ambulante Behandlungen in der Pneumologischen Klinik des beigeladenen Univer-sitätsklinikums C. Diese stellte im o.a. Zeitraum 7 x kassenärztliche Verordnungen über das Medikament Tracleer aus, die in C Apotheken eingelöst und von diesen mit der Klägerin abgerechnet wurden.

Nach einem erfolglosen außergerichtlichen Einigungsversuch hat die Klägerin Klage erho-ben mit dem Begehren der Erstattung der aufgewandten Arzneimittelkosten. Es bestehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, da die Beklagte von einer Verbindlichkeit frei geblieben sei, während die Klägerin die Kosten hätte aufwenden müssen. Die Versor-gung der Versicherten mit dem Arzneimittel Tracleer hätte jedoch im Rahmen der allgemei¬nen Krankenhausleistung durch die Beklagte erfolgen müssen. Sämtliche allgemeinen Krankenhausleistungen, einschließlich der Versorgung mit medizinisch notwendigen Arz¬neimitteln, seien mit dem Pflegesatz abgegolten, unabhängig von der individuellen Leis¬tungsstruktur des Krankenhauses. Vorliegend habe auch keine Verlegung der Versicherten in die Klinik der Beigeladenen stattgefunden, da dort nur eine ambulante Behandlung durchgeführt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 21.442,42 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.

Die Beklagte macht geltend, dass vorliegend hinsichtlich der Aufwändungen für das Arz-neimittel Tracleer keine Leistungspflicht der Beklagten bestanden hätte, da die Arzneimit-telkosten in Höhe von täglich 114,53 Euro gemessen an dem von der Klägerin zu vergü-tenden Pflegesatz in Höhe von 220,00 Euro pro Tag unverhältnismäßig hoch seien. Damit würde diese Arzneimittelversorgung im Rahmen der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG zu beachtenden Leistungsfähigkeit des Krankenhauses keine Leistung mehr darstellen. Das Medikament Tracleer könne und dürfe zudem nur von bestimmten, gelisteten Ärzten ver¬ordnet werden. Die Beklagte hätte damit eine entsprechende Verordnung nicht vornehmen können. Zudem sei die Versicherte bereits vor der Aufnahme in die stationäre psychiatri¬sche Behandlung fortlaufend in ambulanter Behandlung der Beigeladenen gewesen.

Die Beigeladene trägt vor und macht geltend, dass die Versicherte von den Rheinischen Kliniken in der Pneumologischen Universitätsklinik konsiliarisch zur Überprüfung der Not-wendigkeit und Dosierung des Medikamentes Tracleer vorgestellt worden sei. Die Beklag-te hätte die Kosten im Rahmen des allgemeinen Pflegesatzes tragen müssen.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch unabhängig von der Frage, ob er als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch oder als Bereicherungsanspruch in Be-tracht kommen kann, nicht zu.

Vorliegend gehörte die medizinisch notwendige Versorgung der Versicherten mit dem Arz-neimittel Tracleer nicht zu der mit dem allgemeinen Pflegesatz abgegoltenen Leistungsp-flicht der Beklagten. Diese Versorgung stellt keine allgemeine Krankenhausleistung im Sin-ne des § 2 Abs. 2 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) bzw. des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) und damit keine Krankenhausleis¬tung im Sinne des § 2 Abs. 1 KHEntgG/BPflV dar. Denn eine allgemeine Krankenhausleis¬tung ist nur die Leistung, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Kranken¬hauses medizinisch notwendig ist. Davon kann im vorliegenden Fall unter Berücksichti¬gung der Höhe der Arzneimittelkosten im Verhältnis zum vereinbarten Pflegesatz nicht ausgegan-gen werden. Denn jedenfalls in diesem Fall, in dem die Arzneimittelkosten mehr als 50 v.H. des Pflegesatzes betragen, ist von einer unwirtschaftlichen und sachlich nicht mehr gerechtfertigten Leistung auszugehen. So hatte bereits das Oberlandesgericht Karls¬ruhe in seinem Urteil vom 21.03.1990 - 1 U 367/88 - ausgeführt: "Die Drittleistung muss indess¬en sachlich und wirtschaftlich vertretbar sein. Ist sie dies nicht, so muss der Patient verlegt werden." (MedR 1990, 198 ff., NJW-RR 1991, 481 ff., Kurzwiedergabe in juris.de). Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 28.02.2007 - B3KR17/06R - zur Frage der Verbringung im Rahmen einer vom Krankenhaus veranlassten Leistung Drit¬ter (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG, § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BPflV) ausgeführt, dass ein Vergütungsanspruch Dritter gegen das Krankenhaus nur entsteht, soweit es sich um Leis¬tungen handelt, die im Verhältnis zu der vom Krankenhaus zu erbringenden Hauptbehandl¬ungsleistung lediglich ergänzende oder unterstützende Funktion haben (juris.de, Rn. 22 m.w.N.). Davon kann vorliegend nicht mehr ausgegangen werden. Denn bei der bei der Versicher-ten vorliegenden Erkrankung der pulmonalen arteriellen Hypertonie handelte es sich um eine chronische und schwerwiegende, wenn nicht gar lebensbedrohliche Erkrankung. Das Auslassen der medikamentösen Behandlung könnte zu einer lebensgefährdenden Situati-on für die Versicherte führen. Die diesbezüglich besondere und nicht lediglich die psychia-trische Hauptbehandlung unterstützende Verantwortung kommt nicht zuletzt in dem Um-stand zum Ausdruck, dass das Arzneimittel Tracleer nur von bestimmten, in der Vergabe unterwiesenen und gelisteten Ärzten erfolgen darf.

Für Behandlungsfälle außerhalb der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ist der Patient in ein geeignetes Krankenhaus zu verlegen oder ambulant zu versorgen (Oberlandesge-richt, a.a.O.; Bundessozialgericht, a.a.O.; Tuschen/Quaas, Kommentar zur Bundespflege-satzverordnung, 4. Aufl., Erläuterung zu § 2 Abs. 2, S. 171 m.w.N.).

Dieser Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG/BPfIV steht nicht die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG/BPfIV entgegen. Denn es handelt sich bei dieser im Jahre 1994 vom Gesetzgeber aufgenommenen Regelung, dass eine Dialyse nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehört, nicht um eine abschließende Regelung, die andere Aus-nahmen ausschließt oder zu einem Umkehrschluss im klägerischen Interesse führt. Be-reits der Wortlaut der Vorschrift legt eine abschließende Regelung nicht nahe bzw. lässt weder Rückschlüsse in die eine noch in die andere Richtung zu. Gegen eine abschließen-de Regelung spricht dagegen die amtliche Begründung zu Abs. 2. Denn hier wird ausge-führt, dass Satz 3 "zunächst" nur eine zusätzliche Dialysebehandlung, die nicht vom Kran-kenhaus erbracht wird, aus der allgemeinen Krankenhausleistung herausnimmt (nach: Tu-schen/Quaast, a.a.O., S. 169). Würde man § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG/BPfIV als abschließende Regelung betrachten, die die Herausnahme von weiteren Zusatzleistungen aus den allgemeinen Krankenhausleis¬tungen ausschließen würde, so würde zudem das vom Gesetzgeber nach wie vor ver¬wandte Tatbestandsmerkmal der "Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Kranken¬hauses" ohne Anwendung bleiben. Denn es ist allgemeine und berechtigte Meinung, dass allein der Umstand, dass ein Krankenhaus medizinisch notwendige Leistungen aus perso¬nellen oder sachlichen Gründen nicht selber erbringen kann, Leistungen Dritter zur eige¬nen Kostenlast veranlassen muss und dies nicht die Leistungsfähigkeit des Krankenhau¬ses einschränkt (Oberlandesgericht Karlsruhe, a.a.O., NJW-RR 1991, S. 482).

Auch unter Berücksichtigung der sowohl vom Gesetzgeber als auch in der Literatur gese-henen Abgrenzungsschwierigkeiten ist das Gericht der Überzeugung, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die zusätzlichen Kosten mehr als 50 v.H. der Kran-kenhausvergütung ausmachen, die Tatbestandsvoraussetzung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses nicht mehr erfüllt ist. Vorliegend kommt hinzu, dass sich die Problematik des unverhältnismäßigen Kostenaufwands zu Lasten der Beklagten darüber hinaus be-sonders stark auswirken würde, da sich die stationäre Behandlung der Versi¬cherten über mehrmonatige Zeiträume erstreckte und möglicherweise in Zukunft weiterhin erstrecken wird.

Des Weiteren hat eine ansatzweise Internetrecherche der Vorsitzenden ergeben, dass die vorliegend verursachten zusätzlichen Kosten in Höhe von ca. 3.500,00 Euro pro Monat durchaus an den Kostenumfang einer Dialyse heranreichen (google.de: 4.000,00 bis 6.000,00 Euro).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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