L 7 P 6/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 1 P 69/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 6/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 9. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung von Leistungen nach Pflegestufe I über den Monat Juni 2003 hinaus streitig.

Der 1950 geborene Kläger leidet an einer terminalen Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht, einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit mit Zustand nach Unterschenkelamputation links, Vorfußamputation rechts (August 2002) und Nekrosen an mehreren Fingern.

Am 04.03.2002 beantragte er Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 24.06.2002 wurde ein Hilfebedarf der Pflegestufe I festgestellt (Körperpflege 36 Minuten, Ernährung 8 Minuten, Mobilität 6 Minuten = Grundpflegebedarf von insgesamt 50 Minuten täglich und zusätzlicher Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung von 60 Minuten pro Tag). Mit Bescheid vom 26.06.2002 bewilligte die Beklagte dementsprechend ab Antragstellung Leistungen der Pflegestufe I.

Am 13.02.2003 stellte der Kläger einen Höherstufungsantrag. Im MDK-Gutachten vom 07.05.2003 wurde die Auffassung vertreten, dass sich der Hilfebedarf im Vergleich zur Vorbegutachtung deutlich vermindert habe. Aufgrund des zeitlichen Gesamtumfangs für die Grundpflege könne keine Pflegestufe mehr zuerkannt werden. Die Greiffunktion der Hände sei wieder ausreichend, motorisch würden kaum mehr Störungen bestehen. Der Versicherte sei zwar nicht mehr gehfähig, könne sich aber mit dem Rollstuhl innerhalb der Wohnung vollkommen selbständig fortbewegen. Auch Transfers würden selbständig erfolgen. Beim Waschen sei nur noch Hilfe beim Unterkörper erforderlich. Baden sei derzeit nicht möglich. WC-Gänge würden vollkommen selbständig erfolgen. Auch die Urinflasche leere er selbständig. Am gedeckten Tisch komme er alleine zu Recht. Eine mundgerechte Zubereitung der Nahrung sei nicht mehr erforderlich.

Nach erfolgter Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 03.06.2003 die Zahlung des Pflegegeldes zum 30.06.2003 ein. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, der bisherigen Eingruppierung in die Pflegestufe I habe die Amputation seines linken Unterschenkels sowie eine medizinische Begutachtung zugrunde gelegen. Da ihm zwischenzeitlich auch der Vorfuß des rechten Beines habe amputiert werden müssen und er daraufhin die Pflegestufe II beantragt habe, könne er die Entscheidung nicht nachvollziehen. Im Aktenlagegutachten des MDK vom 14.07.2003 wurde erneut ausführlich dargelegt, dass Pflegestufe I nicht mehr erreicht werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und verwies dabei im Wesentlichen auf die Ergebnisse der eingeholten Gutachten.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, sein Wirkungskreis sei durch die zusätzliche Amputation des rechten Vorfußes weiter beeinträchtigt, so dass er eine erhöhte Pflegehilfe in Anspruch nehmen müsse. Seine Mobilität beschränke sich auf den Rollstuhl. Aufgrund mehrerer Treppenstufen könne er weder Einkäufe tätigen noch die Wohnung eigenständig verlassen oder aufsuchen. Beim Kochen, Waschen und Bügeln der Wäsche sowie der Reinigung der Wohnung sei er ebenfalls auf Hilfe angewiesen, da nicht alle Bereiche von ihm mit dem Rollstuhl erreicht werden könnten.

Nach Beiziehung von zahlreichen medizinischen Befundunterlagen hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr.T. vom 21.10.2003. In seinem Gutachten kam der Sachverständige zusammengefasst zu dem Ergebnis, seit dem Zeitpunkt der Begutachtung durch den MDK vom 26.03.2003 liege bei im Wesentlichen übereinstimmenden Pflegebedarf-Feststellungen Pflegestufe I zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr vor. In den Verhältnissen, die die Pflegestufe I begründet hatten, sei sowohl eine Besserung festzustellen, als auch die Aussage zu treffen, dass ein Teil der Pflegeleistungen, die damals anerkannt worden seien, nicht in vollem Umfange so erforderlich gewesen wären. Da aber bei kritischer Betrachtung der Hilfsnotwendigkeiten auch ohne diese überhöhten Feststellungen die Pflegestufe I wohl erreicht worden wäre, könne der Besserungssachverhalt insgesamt als überwiegend angesehen werden.

Dem Ergebis des Gutachtens hat sich der Kläger nicht anzuschließen vermocht und seine Klage weiter aufrecht erhalten. Der Pflegeaufwand sei nicht ausreichend berücksichtigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.01.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beweisaufnahme habe vorliegend ergeben, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr vorliegen. Das ergebe sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Gutachten des MDK und von Dr.T ... Das Gericht schließe sich bei dieser Beurteilung vor allem den überzeugenden Feststellungen von Dr.T. an, der zum einen schlüssig dargelegt habe, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr vorliegen, zum anderen, dass die früheren Feststellungen im Ergebnis nicht unzutreffend gewesen seien, sondern der Wegfall der Pflegestufe I auf einer Verringerung des Hilfebedarfs beruhe. Im Bereich der Grundpflege ergebe sich ein Gesamtzeitbedarf von 30 Minuten. Die hauswirtschaftliche Versorgung sei in einem Umfang von 115 Minuten erforderlich. Da das Vorliegen der Pflegestufe II einen berücksichtungsfähigen Hilfebedarf von insgesamt mindestens 180 Minuten täglich, davon mindestens 45 Minuten Grundpflege voraussetze, bzw. die Pflegestufe I einen berücksichtungsfähigen Hilfebedarf von mindestens 90 Minuten täglich, davon über 45 Minunten Grundpflege erfordere, werde keine Pflegestufe mehr erreicht. Der im Gutachten vom 24.06.2002 angeführte Hilfebedarf bei der Entleerung des Urinbeutels, Richten der Bekleidung, der mundgerechten Zubereitung der Speisen, bei der Ganzkörperwäsche und bei einer Teilwäsche des Unterkörpers habe sich durch die erreichte Übung, Anpassung und Gewöhnung vermindert. Wenn gleich der damalige Zeitansatz als besonders hoch angesehen werden müsse, könne andererseits nicht davon ausgegangen werden, dass die damalige Anerkennung einer Pflegestufe zu Unrecht erfolgt wäre. Die Pflegestufe I sei dann aufgrund einer Verringerung des Hilfebedarfs entfallen. Zweifellos stelle die zusätzliche Amputation des rechten Vorfußes im August 2002 eine weitere Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Klägers dar. Gleichwohl sei dies für die zu treffende Beurteilung nicht ausschlaggebend. Krankheiten bzw. Behinderungen seien für das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zwar Voraussetzung und zwar in dem Sinne, dass nur ein solcher Hilfebedarf bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zu berücksichtigen sei, der durch diese Krankheiten bzw. Behinderungen hervorgerufen werde. Entscheidend bleibe aber der vorhandene Hilfebedarf bei den abschließend im Gesetz aufgezählten Katalogverrichtungen. Dieser erreiche nach den als zutreffend zu erachtenden Stellungnahmen des medizinischen Sachverständigen Dr.T. , der sich in dieser Beurteilung in Übereinstimmung mit dem MDK befinde, das Ausmaß der Pflegestufe I nicht mehr. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Angaben des Klägers und der Pflegepersonen anlässlich der durchgeführten Untersuchung bzw. aus den Schriftsätzen des Klägers. Abgesehen von den berücksichtigten Hilfeleistungen würden auch nach den Angaben des Kläger bzw. der Pflegepersonen Maßnahmen der Grundpflege wie Kämmen und Zähneputzen eigenständig durchgeführt. Maßnahmen der Behandlungspflege seien nur einzubeziehen, soweit sie die in unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit Maßnahmen der Grundpflege stünden und von einer Pflegeperson durchgeführt werden müssten. Diese Voraussetzungen seien beim Wickeln bzw. Verbinden von Stumpf und Ferse nicht gegeben. Soweit Hautpflege erforderlich sei, könne diese selbst durchgeführt werden. Dass der Kläger für die von ihm selbst zu erbringenden Maßnahmen der Grundpflege länger brauche als eine gesunde Person sei durchaus nachvollziehbar. Dieser Mehraufwand sei jedoch nicht einrechnungsfähig, sondern lediglich Hilfen anderer Personen im Rahmen des abschließend geregelten Katalogs des § 14 Abs.4 SGB XI. Mobilität sei mit dem Rollstuhl gegeben.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.01.2004 sowie den Bescheid vom 03.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den Monat Juni 2003 hinaus Leistungen nach der Pflegestufe I zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth für zutreffend. Desweiteren weist sie darauf hin, Krankheiten oder Behinderungen seien zwar die Ursache der Pflegebedürftigkeit, jedoch diene nicht die Schwere der Erkrankung oder Behinderung als Grundlage der Bestimmung der Pflegebedürftigkeit, sondern allein der aus der konkreten Funktionseinschränkung resultierende Hilfebedarf in Bezug auf die gesetzlich definierten Verrichtungen.

Zur Ergänung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 141, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Bayreuth mit Gerichtsbesbescheid vom 09.01.2004 die Klage abgewiesen, da die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 03.06.2003 und 22.07.2003 nicht zu beanstanden sind. Denn dem Kläger steht Pflegegeld der Pflegestufe I über Juni 2003 hinaus nicht zu. Denn in den Verhältnissen, die der Bescheiderteilung vom 26.06.2002 zugrunde gelegen haben, ist eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung eingetreten.

Gemäß § 48 Abs.1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Dass in den Verhältnissen, die der Bescheiderteilung vom 26.06.2002 zugrunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung eingetreten ist, ist aus den Gutachten des MDK vom 07.05.2003 und 14.07.2003 zu folgern, die der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.T. in seinem Gutachten vom 21.10.2003 bestätigt hat.

Der Senat folgt im Übrigen den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Somit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.01.2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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