L 4 BA 313/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2441/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 BA 313/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Vertrauensschutz auf dier so genannte „Kopf und Seele" -Rechtsprechung des BSG scheidet unabhängig von der Frage, ob es sich um eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung handelte, aus, wenn nach eigenem Vortrag bereits die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung nicht gegeben waren.
2. Es ist widersprüchlich, sich nachträglich auf Vertrauensschutz zu berufen, wenn von der gesetzlichen Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahrens nach Gründung der GmbH nicht Gebrauch gemacht wurde.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 200.795,89 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich der Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und der Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes, im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, in Höhe von insgesamt EUR 200.795,89.

Die klagende GmbH betreibt ein Unternehmen zum Handel von Waren und zur Durchführung von Serviceleistungen insbesondere im elektronischen Bereich. Sie wurde durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 12. Januar 2007 (im Folgenden GV) mit einem Stammkapital von EUR 30.000,00 von den Beigeladenen zu 1 bis 3 als Gesellschafter mit einem jeweiligen Stammkapitalanteil von EUR 10.000,00 (§ 4 GV) gegründet. Der GV enthielt unter anderem folgende weiteren Bestimmungen:

§ 5 Vertretung und Geschäftsführung 5.1 Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. 5.2 Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Durch Gesellschafterbeschluss kann einzelnen Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis erteilt werden, ebenso kann jeder Geschäftsführer allgemein oder für den Einzelfall von den Beschränkungen des § 181 BGB [Bürgerliches Gesetzbuch] befreit werden. 5.3 Für den Geschäftsführer gilt das uneingeschränkte gesetzliche Wettbewerbsverbot. Er hat sich jeder auf Erwerb gerichteten Tätigkeit auf eigene Rechnung oder für ein Konkurrenzunternehmen zu enthalten. Die Gesellschafterversammlung kann durch einstimmigen Beschluss einen oder mehrere Geschäftsführer von ihrem Wettbewerbsverbot als Geschäftsführer befreien.

§ 6 Zustimmungsbedürftige Geschäfte Der oder die Geschäftsführer bedürfen im Innenverhältnis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit 2/3 der abgegebenen Stimmen in folgenden Fällen: a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten b) Aufnahme und Hingabe von Krediten c) Wechselbegebung und Verbürgungen d) Errichtung und Aufgabe von Zweigniederlassungen e) Bestellung und Abberufung von Prokuristen f) Versorgungszusagen jeglicher Art g) Abschluss von Verträgen und Geschäften jeder Art, die im Einzelfall größere Verpflichtungen als EUR 30.000,00 für die Gesellschaft mit sich bringen oder die Gesellschaft ohne Rücksicht auf den Wert länger als ein Jahr verpflichten h) Alle Geschäfte, die außerhalb des durch den Gesellschaftszweck bestimmten normalen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft liegen.

§ 9 Gesellschafterbeschlüsse 9.1 Die ordentliche Gesellschafterversammlung findet in den ersten sieben Monaten eines jeden Geschäftsjahres statt. Gegenstand der ordentlichen Gesellschafterversammlung ist die Feststellung des Jahresabschlusses und der Ergebnisverwendung und die Entlastung der Geschäftsführung. 9.2 Die Gesellschafterversammlungen werden schriftlich unter Beifügung der Tagesordnung einberufen. Jeder Geschäftsführer ist zur Einberufung berechtigt. 9.3 Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen ist und mindestens 2/3 des Stammkapitals vertreten sind. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so ist innerhalb von 14 Tagen eine zweite Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen. Diese Gesellschafterversammlung ist sodann ohne Rücksicht auf das vertretene Kapital beschlussfähig, wobei auf diese Rechtsfolge in der zweiten Einladung hinzuweisen ist. 9.4 9.5 Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen gefasst. Dies gilt nicht, soweit das Gesetz zwingend oder dieser Vertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Die Gesellschafter stimmen in allen Angelegenheiten mit ab, soweit nicht § 47 Abs. 4 GmbHG [GmbH-Gesetz] oder dieser Vertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmen. 9.6 Beschlüsse können – vorbehaltlich zwingender gesetzlicher Formvorschriften – auch telefonisch, telegrafisch, durch Telex, Telefax, schriftlich oder mündlich auch im Umlaufverfahren ohne förmliche Gesellschafterversammlung gefasst werden, wenn alle Gesellschafter mit diesem Verfahren einverstanden sind. 9.7 Je EUR 100,00 eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. [ ...]

Durch notariellen Gesellschafterbeschluss vom selben Tag wurden die Beigeladenen zu 1 bis 3 jeweils zu stets einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführern bestellt.

Am 30. März 2007 schloss die Klägerin mit den Beigeladenen zu 1 bis 3 jeweils gleichlautende Geschäftsführerverträge (GFV) mit unter anderem folgenden Regelungen:

§ 1 1. Die Wirkung der Regelungen dieses Geschäftsführervertrages beginnt zum 01.04.2007. 2. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft allein. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes. 3. Die Gesellschaft ist berechtigt, weitere Geschäftsführer, wie auch stellvertretende Geschäftsführer zu bestellen. Dabei kann die Alleinvertretungsbefugnis des Geschäftsführers durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschaft in eine Gesamtvertretungsbefugnis umgewandelt werden.

§ 2 1. Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der Arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr. 2. Der Geschäftsführer verpflichtet sich, die Geschäfte in voller persönlicher Verantwortung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung zu führen und die ihm aufgrund Gesetz, Vertrag und Satzung der Gesellschaft übertragenen Pflichten zu erfüllen. 3. 4. Folgende Geschäfte des Geschäftsführers bedürfen in jedem Fall der vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung: a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten; b) Aufnahme und Hingabe von Krediten über einen Betrag von EUR 10.000,00 hinaus; c) Wechselbegebung und Verbürgungen; d) Errichtung und Aufgabe von Zweigniederlassungen; e) Bestellung und Abberufung von Prokuristen; f) Versorgungszusagen jeglicher Art; g) Abschluss von Verträgen und Geschäften jeder Art, die im Einzelfall größere Verpflichtungen als EUR 30.000,00 für die Gesellschaft mit sich bringen; h) Alle Geschäfte, die außerhalb des durch den Gesellschaftszweck bestimmten normalen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft liegen. 5. Verträge, welche die Gesellschaft ohne Rücksicht auf deren Wert länger als ein Jahr verpflichten, können rechtswirksam nur durch mindestens zwei Geschäftsführer gemeinsam abgeschlossen werden.

§ 3 1. Der Geschäftsführer stellt seine Arbeitskraft ausschließlich in den Dienst der Gesellschaft. Nebentätigkeiten, , Bedürfen der Einwilligung der Gesellschafterversammlung. 2. [Wettbewerbsverbot] [ ...]

§ 4 Der Geschäftsführer ist vom Verbot des Selbstkontrahierens § 181 BGB befreit.

§ 5 Der Geschäftsführer erhält als Vergütung für seine Tätigkeit: a) Ein Monatsgehalt in Höhe von EUR 5.000,00 Zahlung fällig jeweils zum jeweiligen Monatsletzten. b) Eine vom Betriebsergebnis abhängige jährliche Tantieme auf rechtlich zulässiger Grundlage gemäß gesonderter Vereinbarung. c) Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer für die Dauer des Dienstverhältnisses einen angemessenen Dienstwagen zur Verfügung ... d) Reisekosten (Verpflegung- und Übernachtungskosten) in Höhe der steuerlich abzugsfähigen Pauschalsätze. e) Ersatz aller Kosten nebst Spesen, Bücher- und Unterlagenmaterials zur Fortbildung und Seminarteilnahme. Ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit besteht nicht.

§ 6 1. Der Geschäftsführer kann jederzeit durch Beschluss der Gesellschafterversammlung ohne Angabe von Gründen von der Führung der Geschäfte entbunden werden. 2. Der Vertrag kann von beiden Seiten jeweils mit dreimonatiger Kündigungsfrist zum Quartalsende gekündigt werden. Das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bleibt unberührt. [ ...]

§ 7 1. Dem Geschäftsführer steht jährlich ein bezahlter Urlaub von 30 Arbeitstagen zu, wobei Samstage nicht mitgerechnet werden. Bei der Wahl der Urlaubszeit auf geschäftliche Notwendigkeiten des Betriebes Rücksicht zu nehmen. Kann aus zwingenden Gründen der Jahresurlaub von dem Geschäftsführer ganz oder teilweise nicht in Anspruch genommen werden und ist eine Verlagerung in das nächste Kalenderjahr nicht möglich, so ist der untergegangene Urlaubsanspruch abzugelten. [ ...]

§ 8 1. Bei vorübergehender Krankheit des Geschäftsführers, während welcher er seine Geschäftstätigkeit nicht ausüben kann, erhält er die vereinbarte Vergütung auf die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt. [ ...]

§ 9 1. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Kein Vertragspartner kann sich auf eine vom Vertrag abweichende tatsächliche Übung berufen, solange die Abweichung nicht schriftlich festgehalten ist. [ ...]

Nach den gleichlautenden Ergänzungen zum Arbeitsvertrag vom 30. Juli 2007 betrug die erfolgsabhängige Vergütung (Tantieme) 10 % des Jahresüberschusses vor Abzug der Gewinntantiemen und der nichtabzugsfähigen ertragsabhängigen Steuern. Sie war begrenzt auf 25 % der gezahlten Gesamtbezüge. Zusatzgratifikationen in Höhe eines Monatsgehaltes erfolgten "in jedem Einzelfall freiwillig und auch bei wiederholter Gewährung ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft".

Die Beigeladenen zu 1 bis 3 waren auch Gesellschafter einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR). Anlässlich einer Darlehensaufnahme der GbR für ein an die Klägerin zu vermietendes Bauvorhaben trafen die Beigeladenen zu 1 bis 3 auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2008 unter anderem folgende schriftliche, nicht notariell beurkundete Vereinbarung: "Aufgrund der Bedingungen der [Bank] zur Finanzierung eines Firmengebäudes mit der Bedingung der [Bank], die geförderten Wirtschaftsgüter ... während der gesamten Laufzeit des Darlehens an die [Klägerin] zur Verfügung zu stellen, beschließen die Gesellschafter [die Beigeladenen zu 1 bis 3] einstimmig, sich eine umfassende Sperrminorität bezüglich dem Geschäftsführervertrag und dessen Kündigung einzuräumen. Desweiteren soll die Sperrminorität für jegliche Bankkredite und Darlehen zugunsten bzw. zulasten der GmbH gelten. Die Sperrminorität ändert den Geschäftsführervertrag in § 6 Abs. 1 und 2. Die geschäftsführenden Gesellschafter [Beigeladene zu 1 bis 3] können nicht mehr ohne ihre eigene Zustimmung durch einfachen Gesellschafterbeschluss von ihren Aufgaben entbunden werden. Jeder einzelvertretungsberechtigter geschäftsführende Gesellschafter kann mit 3-monatiger Kündigungsfrist zum Quartalsende kündigen. Eine Kündigung durch die Gesellschafterversammlung ist nur aus wichtigem Grund möglich."

Durch notariellen Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 23. Juni 2015, Eintragung ins Handelsregister am 29. Juni 2015, wurden §§ 6 und 9 GV dahin geändert, dass statt der bisherigen zwei Drittel der abgegebenen Stimmen nunmehr 75% erforderlich waren.

Nach einer im März 2011 abgeschlossenen Betriebsprüfung bei der Klägerin für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Betriebsprüfung habe keine Feststellungen bzw. Beanstandungen ergeben. Die stichprobenweise Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und Aufzeichnungen der von der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer habe keine Beanstandungen bezüglich der Versicherung- und Beitragspflicht im Sinne der Sozialversicherung ergeben (Prüfmitteilung vom 4. März 2011). 2011 führte das zuständige Finanzamt eine Lohnsteuer-Außenprüfung für denselben Zeitraum durch, bei der unter anderem Anstellungsverträge nicht geprüft wurden.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 gelangte die Beklagte zur Einschätzung, dass die Beigeladenen zu 1 bis 3 seit 1. April 2007 bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt seien, weshalb beabsichtigt sei, Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Prüfzeitraum nachzufordern (Anhörungsschreiben vom 7. April 2015).

Die Klägerin wandte hiergegen ein, die Beigeladenen zu 1 bis 3 seien rechtlich und tatsächlich weisungsfrei und trügen durch Beteiligung, erfolgsabhängige Tantieme und persönliche Haftung für aufgenommene Darlehen ein Unternehmerrisiko. Wesentlich sei insbesondere die vertraglich vereinbarte umfassende Sperrminorität vom 30. Juli 2008. Bereits zuvor seien alle Entscheidungen nur einstimmig gefasst worden. In früheren Betriebsprüfungen seien die Geschäftsführerverträge nie bemängelt worden, so dass für die Vergangenheit zumindest Vertrauensschutz bestehe.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2015 forderte die Beklagte von der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 (Umlage für das Insolvenzgeld ab Januar 2012) in Höhe von insgesamt EUR 200.795,89 nach. Die Beigeladenen zu 1 bis 3 hätten in ihrer Tätigkeit für die Klägerin eine abhängige Beschäftigung ausgeübt und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Insbesondere erfolge nach den vertraglichen Regelungen die Geschäftsführung nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung. Aufgrund des Kapitalanteils von jeweils einem Drittel des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es den Beigeladenen zu 1 bis 3 jeweils alleine nicht möglich, die Geschicke der Klägerin maßgeblich zu beeinflussen. Sie verfügten weder über die erforderliche Stimmenmehrheit noch über eine Sperrminorität. Dem Gesellschafterbeschluss vom 30. Juli 2008 lasse sich eine umfassende Sperrminorität nicht entnehmen. Die dortigen Regelungen beträfen nur Kündigungsmodalitäten des GFV und für Bankkredite; andere Bereiche seien nicht betroffen. Der vorgelegte Darlehensvertrag vom 30. Juli 2008 sei nicht von der Klägerin, sondern der GbR geschlossen. Daraus, dass bei einer früheren Betriebsprüfung die Nichtabführung von Beiträgen unbeanstandet geblieben oder sogar von dem Betriebsprüfer gebilligt worden sei, könne nicht gefolgert werden, der Sozialversicherungsträger habe nunmehr nicht mehr das Recht, Beitragsforderungen für die Vergangenheit geltend zu machen, wenn Versicherungspflicht und damit Beitragspflicht zu Recht von ihm später festgestellt werde.

Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück (Widerspruchsbescheid vom 25. August 2015). Ergänzend wurde ausgeführt, die nicht notarielle und damit außerhalb des GV beschlossene Sperrminorität sei nicht geeignet, die sich aus der Satzungsregelung ergebende Rechtsmacht zu negieren.

Hiergegen erhob die Klägerin am 25. September 2015 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) und führte unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens aus, die Beigeladenen zu 1 bis 3 seien rechtlich und faktisch in der Lage gewesen, ihnen nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden. Sie verfügten über gesonderte spezielle Fachkenntnisse, weshalb eine völlige Weisungsfreiheit in ihrer jeweiligen Tätigkeit bestehe. Vetorechte und Sperrminoritäten könnten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) grundsätzlich auch außerhalb einer notariellen Beurkundung schriftlich vereinbart werden. Des Weiteren hätten die Beigeladenen zu 1 bis 3 selbstschuldnerische Bürgschaften in Höhe von EUR 90.000,00 abgegeben sowie Guthaben in Höhe von EUR 30.000,00 verpfändet (vorgelegter Darlehensvertrag der GbR vom 30. Juli 2008). Eine mögliche Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu geschäftsführenden Gesellschaftern hätten die Sozialversicherungsträger erst Mitte 2014 in ihren Rundschreiben aufgenommen. Für die davorliegende Zeit seien die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft der geschäftsführenden Gesellschafter und eine entsprechende Beitragspflicht ausgeschlossen.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Gründe ihrer Bescheide entgegen. Eine Trennung der jeweiligen Aufgabengebiete bei der Führung bzw. die Führung eigenständiger Bereiche innerhalb der Gesellschaft gehe weder aus dem Gesellschaftsvertrag noch aus den Geschäftsführerverträgen hervor. Vielmehr ergebe sich aus diesen, dass die Beigeladenen zu 1 bis 3 jeweils nicht die Rechtsmacht gehabt hätten, Beschlüsse der anderen Gesellschafter zu verhindern. Bei der Vereinbarung vom 30. Juli 2008 handle sich um eine beschränkte Sperrminorität, die einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegenstehe. Unerheblich sei weiter, dass die zu beurteilenden Gesellschafter-Geschäftsführer zuvor und auch zeitgleich Inhaber einer GbR gewesen seien. Es sei davon auszugehen, dass bei der 2011 stichprobenartig durchgeführten Betriebsprüfung die Unterlagen der Beigeladenen zu 1 bis 3 nicht ausgewertet worden seien. Die Prüfmitteilung vom 4. März 2011 enthalte keine Aussagen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des nunmehr beanstandeten Sachverhalts. Es handele sich lediglich um eine formale Mitteilung über den Abschluss einer Betriebsprüfung mit der Folge, dass ein bindend gewordener Verwaltungsakt nicht vorliege. Unabhängig hiervon könne aus der Tatsache, dass bei einer früheren Betriebsprüfung die Nichtabführung von Beiträgen unbeanstandet geblieben oder sogar von dem Betriebsprüfer gebilligt worden seien, nicht gefolgert werden, dass der Sozialversicherungsträger nunmehr nicht mehr das Recht auf Geltendmachung von Beitragsforderungen für die Vergangenheit habe, wenn Versicherungspflicht und damit Beitragspflicht zu Recht von ihm später festgestellt würde.

Die mit Beschluss des SG vom 2. August 2017 Beigeladenen äußerten sich nicht.

Mit Urteil vom 10. Oktober 2017 wies das SG die Klage ab. Zu Recht mache die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid eine Nachforderung zur Sozialversicherung geltend. Dabei sei sie insbesondere zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der von den Beigeladenen zu 1 bis 3 für die Klägerin ausgeübten Tätigkeiten um eine abhängige Beschäftigung gehandelt, die im geregelten Umfang der Versicherung- und Beitragspflicht unterlegen habe. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung sei, ob die rechtliche Möglichkeit bestehe, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden. Dies sei bei keinem der Beigeladenen zu 1 bis 3 erfüllt. Keiner von diesen verfüge über eine Stimmenmehrheit oder eine globale Sperrminorität. Zwar sei mit der Änderung des Gesellschaftervertrags nach der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2008 eine Sperrminorität bezüglich des Geschäftsführervertrages und dessen Kündigung vereinbart worden. Dies allein führe jedoch zu keiner anderen Bewertung, denn die alle anderen Bereiche der Gesellschaft betreffenden Beschlüsse könnten im streitbefangenen Zeitraum von keinem der Beigeladenen zu 1 bis 3 alleine verhindert werden. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R – beide juris) sei ausschlaggebend allein die durch den Gesellschaftsvertrag zustehende Rechtsmacht. Ein Vertrauensschutz bzw. ein Rückwirkungsverbot aufgrund der Entscheidungen des BSG aus den Jahren 2012 bzw. 2015 sei nicht gegeben. Denn eine Rechtsänderung bezüglich der Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern habe diesen gerade nicht zugrunde gelegen. Vielmehr habe das BSG bereits in der Vergangenheit Entscheidungen in Bezug auf Gesellschafter-Geschäftsführer getroffen, die sich ausschließlich auf die tatsächliche Rechtsmacht bezogen hätten (BSG, Urteile vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – und vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 – beide juris). Auch aus der vorangegangenen Betriebsprüfung ergebe sich kein Vertrauensschutz.

Gegen dieses ihr am 28. Dezember 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Januar 2018 Berufung eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ausgeführt, aufgrund der umfassenden Weisungsfreiheit der Beigeladenen zu 1 bis 3, deren jeweiligen Spezialkenntnissen, deren Unternehmerrisikos durch erfolgsabhängige Tantieme und Haftung für Darlehen und insbesondere der Sperrminorität aufgrund der Vereinbarung vom 30. Juli 2008 lägen abhängige Beschäftigungen nicht vor. Des Weiteren sei mit Bescheid vom 4. März 2011 festgestellt worden, dass bei den beschäftigten Arbeitnehmern keine Beanstandung bzgl. Versicherungs- und Beitragspflicht im Sinne der Sozialversicherung bestünden. Dieser Bescheid entfalte Bindungswirkung und sei bestandskräftig. Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei nicht eingetreten. Wenn die Betriebsprüfung den Zweck habe, beitragsrechtliche Beurteilungen durchzuführen und im Interesse der Versicherten die Beitragsentrichtung zu gewährleisten, müsse den entsprechenden Ergebnissen auch eine gewisse Bindungswirkung zukommen, die nur unter Beachtung von Vertrauensgesichtspunkten im Nachhinein abänderbar sei. Wegen der Änderung der Rechtsprechung des BSG und der erst am 9. April 2014 beschlossenen, diese Rechtsprechung umsetzenden Weisungen der Beklagten sei eine Rückwirkung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten für die davorliegende Zeit ausgeschlossen. Erstmals mit Urteil vom 29. Juli 2015 habe das BSG allein und ausschließlich auf die gesellschaftsvertragliche Rechtsmacht abgestellt. Stimmbindungsvereinbarungen seien nicht nur in der zivilrechtlichen, sondern auch in der sozialrechtlichen Rechtsprechung als relevantes Kriterium erachtet worden (Verweis u.a. auf Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 4. März 2014 – L 1 KR 9/11 –; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. November 2014 – L 4 R 556/13 –; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2014 – L 5 KR 2911/13 –; LSG Hessen, Urteil vom 15. Mai 2014 – L 1 KR 235/13 ). Das BSG habe sich erstmals in drei Urteilen vom 11. November 2015 mit der Bedeutung von Stimmbindungsvereinbarungen befasst. Sie habe keine Rückstellungen für die streitigen Nachforderungen bilden können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, die neben dem Festgehalt gezahlte gewinnabhängige Tantieme sei auf 25% der gezahlten Gesamtbezüge begrenzt gewesen und spreche daher nicht für ein Unternehmerrisiko. Einem solchen sei auch nicht das angeführte Haftungsrisiko gleichzustellen. Der GFV enthalte zahlreiche Elemente, die für ein Arbeitsverhältnis typisch seien, und binde den Geschäftsführer an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Die Klägerin habe nie darauf vertrauen können, dass die Tätigkeit ihrer Geschäftsführer als selbständig beurteilt werden würde. Auch in der Vergangenheit sei bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von (Gesellschafter-)Geschäftsführern stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgeblich gewesen. Es bleibe zudem vollkommen offen, auf welche Gesichtspunkte früherer Rechtsprechung die Klägerin konkret abstellen wolle. Es handele sich vorliegend weder um eine Familiengesellschaft noch um einen einzelnen (Gesellschafter-)Geschäftsführer, der als "Kopf und Seele" des Unternehmens gelten könnte. Bezüglich der Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse von Gesellschafter-Geschäftsführern liege aber ohnehin keine Änderung der Rechtsprechung vor. Bei der "Kopf und Seele-Rechtsprechung" habe es sich im Beitragsrecht nicht um eine ständige oder gefestigte Rechtsprechung gehandelt (Verweis auf BSG, Urteile vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – und vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R – beide juris). Dies sei vom LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 22. Dezember 2017 – L 10 R 1637/17 – juris) bestätigt worden.

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung über eine Beitragsnachforderung von EUR 200.795,89 gestritten wurde, so dass der Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) überschritten war.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt EUR 200.795,89 für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014. Streitbefangen ist der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2015.

3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2015 ist, soweit die Beklagte Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach § 7 Abs. 1 AAG und nach § 358 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Beigeladenen zu 1 bis 3 in Höhe von EUR 200.795,89 fordert, rechtmäßig.

Die Beklagte war für die Nachberechnung und Festsetzung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge zuständig (dazu unter a). Die Beigeladenen zu 1 bis 3 waren im genannten Zeitraum in ihrer Tätigkeit für die Klägerin bei dieser abhängig beschäftigt und in den genannten Zweigen der Sozialversicherung sozialversicherungspflichtig (dazu unter b). Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen sind im gerichtlich zu überprüfenden Umfang nicht zu beanstanden (dazu unter c). Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Nachforderung nicht entgegen (dazu unter d).

a) Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I, S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

b) aa) Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung gelten nach § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 SGB III auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge u.a. in der Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden nach § 358 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG) vom 30. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 2130) durch eine monatliche Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht und sind nach § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 UVMG zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen.

bb) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, juris Rn. 19, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 17). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, juris Rn. 19, jeweils m.w.N.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17, jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt auch BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 18; BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 17). Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Betroffenen als Gesellschafter ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 19; BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 17). Bei am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R – juris, Rn. 24; BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16). Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genügen die das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger ist die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 22 f, m.w.N.).

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt somit nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingesellschafter ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R juris, Rn. 23 m.w.N.; BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 12 RA 1/04 R – juris, Rn. 13), wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSG, Urteil vom 25. Mai 1965 – 2 RU 176/59 – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 30. April 1976 – 8 RU 78/75 – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R – juris, Rn. 15; weitere Nachweise bei BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 18) und wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 18. April 1991 – 7 RAr 32/90 – juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 16, m.w.N.).

Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine abhängige Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon sei insbesondere bei demjenigen auszugehen, der – obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt – aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 25/86 – juris, Rn. 31). Diese Rechtsprechung hat das BSG inzwischen zugunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R – juris, Rn. 26, 30 sowie Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R – juris, Rn. 31; in diese Richtung bereits BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 32; Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 – L 4 R 2959/14 – nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund kann die von den für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senaten des BSG entwickelte sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht herangezogen werden. Soweit auch der für das Statusrecht zuständige Senat des BSG in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat, hat er dies inzwischen ausdrücklich aufgegeben (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R – juris, Rn. 29).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen waren die Beigeladenen zu 1 bis 3 bei der Klägerin vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 abhängig beschäftigt.

(1) Bereits satzungsrechtlich lag eine weisungsfreie Tätigkeit nicht vor. Maßgeblich sind hierfür die Regelungen des GV im streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014. Die erst später erfolgten Änderungen vom 23. Juni 2015 bleiben daher vorliegend außer Betracht.

(a) Die Gesellschafter einer GmbH haben eine in jeder Hinsicht übergeordnete Geschäftsführungskompetenz, weil die Geschäftsführer der GmbH grundsätzlich weisungsgebunden sind, was sich mittelbar aus §§ 6 Abs. 3, 37 Abs. 1, 46 Nr. 5 und 6 GmbHG ergibt (Altmeppen in Roth/Altmeppen GmbHG, 8. Aufl., 2015, § 37 Rn. 3). Die Gesellschafter sind von Gesetzes wegen frei, in jeder beliebigen Geschäftsführungsangelegenheit zu entscheiden. Ein derartiger Beschluss bindet den Geschäftsführer als Weisung im Sinne des § 37 Abs. 1 GmbHG (Roth in Roth/Altmeppen GmbHG, 8. Aufl., 2015, § 45 Rn. 6). Die Regelungen der §§ 46 ff. GmbHG sind zwar dispositiv (§ 45 Abs. 2 GmbHG), aber nur gegenüber dem Gesellschaftsvertrag (Satzung). Diese Entscheidungsbefugnis der Gesellschafter kann also durch den Gesellschaftsvertrag verengt werden; dem Geschäftsführer können weitergehend die Geschäftsführungsangelegenheiten – gewöhnliche oder sogar außergewöhnliche – vorbehalten werden (Roth, a.a.O., Rn. 10). Die Satzung der Klägerin hat diese grundlegende Entscheidungsbefugnis der Gesellschafter in Geschäftsführungsangelegenheiten nicht beschränkt. Der GV enthält keine Bestimmung, die Einzelweisungen an den Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss untersagt. Die Beigeladenen zu 1 bis 3 waren als Geschäftsführer somit satzungsrechtlich verpflichtet, den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten und von den Gesellschaftern als zustimmungspflichtig bezeichnete Geschäfte auch nur mit deren Zustimmung vorzunehmen (vgl. § 6 GV über zustimmungsbedürftige Geschäfte, die inhaltlich die in § 2 Ziff. 4 und 5 GFV genannten Geschäfte bezeichnen).

Den Beigeladenen zu 1 bis 3 kam jeweils alleine keine Rechtsmacht zu, Weisungen der Gesellschaft zu verhindern oder Zustimmungserfordernisse aufzuheben. Beschlüsse der Gesellschaft wurden mit einfacher Mehrheit gefasst, wenn nicht gesetzlich oder nach den Bestimmungen dieses Vertrages eine höhere Mehrheit vorgeschrieben war (§ 9 Ziff. 5 GV). Je EUR 100,00 eines Stammanteils ergaben eine Stimme (§ 9 Ziff. 7 GV). Da Beigeladenen zu 1 bis 3 jeweils mit EUR 10.000,00 und damit mit lediglich ein Drittel an der Stammeinlage beteiligt waren, verfügten sie jeweils alleine nicht über die einfache Mehrheit der Stimmen. Auch durch Abwesenheit bei Gesellschafterversammlungen konnte einer alleine einen Gesellschafterbeschluss nicht verhindern. Denn die beiden anderen verfügten über zwei Drittel der Stimmanteile, so dass sie die Beschlussfähigkeit einer Gesellschafterversammlung herbeiführen konnten (9 Ziff. 3 GV). Eine Sperrminorität war satzungsrechtlich nicht geregelt. Auch die Zustimmung zu den in § 6 GV geregelten zustimmungsbedürftigen Geschäften bedurfte einer Zwei-Drittel-Mehrheit, so dass ein Gesellschafter mit einem Stimmanteil von einem Drittel eine solche Zustimmung nicht verhindern konnte.

(b) Diese rechtlich zulässigen Satzungsregelungen sind verbindlich. Hinweise auf ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) liegen nicht vor. Die genannten Gesellschaftsvertragsregelungen sind auch nicht (wirksam) abbedungen worden. Hierzu hätte es nach § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG einer notariellen Beurkundung bedurft. Notariell beurkundete Vertragsänderungen liegen jedoch nicht vor. In der von der Klägerin behaupteten weisungsfreien Durchführung der Geschäftsführertätigkeit durch die Beigeladenen zu 1 bis 3 kann schon mangels Einhaltung des Formerfordernisses keine wirksame Abbedingung der genannten gesellschaftsvertraglichen Regelungen liegen. Gleiches gilt für die lediglich schriftliche, aber nicht notariell beurkundete Vereinbarung einer Sperrminorität vom 30. Juli 2008.

(c) Die Rechtsmacht, eine Weisungsfreiheit der Geschäftsführertätigkeit durchzusetzen, erlangten die Beigeladenen zu 1 bis 3 auch nicht durch den Beschluss vom 30. Juli 2008. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die dort getroffenen Vereinbarungen nach ihrem Wortlaut die daran beteiligten Parteien nicht zu einer bestimmten Stimmabgabe verpflichteten. Eine "Stimmrechts-" oder "Stimmbindungsvereinbarung", wie von der Klägerin nunmehr im Verfahren angeführt, lag damit nicht vor. Geregelt wurde eine Sperrminorität für bestimmte Geschäfte und Gegenstände. Nach dem Wortlaut wurde den Beigeladenen zu 1 bis 3 somit (schuldrechtlich) ein Veto-Recht eingeräumt, das sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich ist (z.B. BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - juris, Rn. 31). Insoweit unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt von dem in den von der Klägerin angeführten Urteilen (Sächsisches LSG, Urteil vom 4. März 2014 – L 1 KR 9/11 –, LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. November 2014 – L 4 R 556/13 –; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2014 – L 5 KR 2911/13 – alle juris). Ohnehin war das BSG der dortigen Rechtsauffassung nicht gefolgt (BSG, Urteile vom 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R – juris, Rn. 22 ff.).

Des Weiteren ist die am 30. Juli 2008 vereinbarte Sperrminorität keine umfassende ("echte"), sondern war auf bestimmte Geschäfte und Gegenstände beschränkt. Sie galt für jegliche Bankkredite und Darlehen zugunsten bzw. zulasten der Klägerin sowie "bezüglich dem Geschäftsführervertrag und dessen Kündigung". Zweck dieser Regelung war nach dem weiteren Wortlaut des Beschlusses eine langfristige Sicherung der Einkünfte aus dem GFV vor dem Hintergrund der Haftung der Beigeladenen zu 1 bis 3 für ein Bankdarlehen der GbR. Neben den genannten Bankgeschäften erfasste die Sperrminorität somit nur den GFV und dessen Kündigung. Die bisher geltenden Regelungen sollten – entsprechend dem genannten Zweck – nicht gegen den Willen eines der Beigeladenen zu 1 bis 3 geändert oder der Vertrag insgesamt ordentlich gekündigt werden können. Die Geschäftsführung selbst, also die Wahrnehmung der Geschäftsführungstätigkeit im Einzelfall, blieb aber unberührt. Auch die bereits vertraglich vereinbarte Bindung an Gesellschafterbeschlüsse bei der Durchführung der Geschäftsführung nach § 2 Ziff. 2 GFV wurde nicht geändert (s.o.) und konnte durch ein "Veto" nicht verhindert werden. Die Beigeladenen zu 1 bis 3 waren daher weiterhin jeweils nicht in der Lage, ihnen nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung auf dem Gebiet der Geschäftsführung zu verhindern. Des Weiteren blieb die Möglichkeit einer Kündigung des GFV aus wichtigem Grund ohne Sperrminorität erhalten. Eine solche "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität ist – wie oben ausgeführt – nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 21, m.w.N.).

(d) Angesichts der den Beigeladenen zu 1 bis 3 jeweils fehlenden Rechtsmacht fallen die ihnen eingeräumten Befugnisse als Geschäftsführer nicht ins Gewicht. Es entspricht dem Wesen der Tätigkeit eines Geschäftsführers einer GmbH, dass es sich hierbei nicht um eine Tätigkeit für ein eigenes Unternehmen (des Geschäftsführers) handelt, sondern um eine Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen, nämlich die GmbH als juristischer Person mit der Gesellschafterversammlung als willensbildendes Organ (Beschluss des Senats vom 30. Oktober 2015 – L 4 R 4015/15 – nicht veröffentlicht). Die Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH verliert also den Charakter als abhängige Beschäftigung nicht dadurch, dass der Geschäftsführer – wie hier die Beigeladenen zu 1 bis 3 – einzelvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit waren. Auch (andere) leitende Angestellte verfügen über derartige Freiheiten und Befugnisse, ohne dass dies den Charakter als abhängige Beschäftigung berühren würde (vgl. etwa BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris, Rn. 30; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 29 m.w.N.).

(2) Die Beigeladenen zu 1 bis 3 waren in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin jeweils in eine vorgegebene Betriebsordnung eingegliedert und weisungsgebunden.

(a) Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind zunächst die Regelungen des jeweiligen GFV vom 30. März 2007, teilweise geändert durch den Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2008. Danach waren die Beigeladenen zu 1 bis 3 in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer in eine vorgegebene Betriebsordnung eingegliedert und weisungsgebunden. Nach § 2 Ziff. 2 GFV war der Geschäftsführer verpflichtet, die Geschäfte nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung zu führen und die ihm aufgrund Gesetz, Vertrag und Satzung der Gesellschaft übertragenen Pflichten zu erfüllen. Die Gesellschafterversammlung war damit rechtlich in der Lage, den Beigeladenen zu 1 bis 3 jeweils verbindliche Vorgaben zu Zeit, Dauer, Ort oder Art der Ausführung der Tätigkeit zu machen. Zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgingen (u.a. Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten; Abschluss von Verträgen und Geschäften jeder Art, die im Einzelfall Verpflichtungen von mehr als EUR 30.000,00 für die Gesellschaft mit sich bringen; Aufnahme und Hingabe von Krediten über einen Betrag von EUR 10.000,00 hinaus), bedurfte der Kläger der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 2 Ziff. 4 GFV). Verträge, die die Gesellschaft ohne Rücksicht auf deren Wert länger als ein Jahr verpflichteten, konnten rechtswirksam nur durch mindestens zwei Geschäftsführer gemeinsam abgeschlossen werden (§ 2 Ziff. 5 GFV). Diese Regelung des GFV erfuhren durch den Beschluss vom 30. Juli 2008 keine Änderung. In diesem räumten sich die Beigeladenen zu 1 bis 3 "eine umfassende Sperrminorität bezüglich dem Geschäftsführervertrag und dessen Kündigung" ein, die auch für jegliche Bankkredite und Darlehen zugunsten bzw. zulasten der Klägerin gelten sollte. Geändert wurde am 30. Juli 2008 ausdrücklich nur die Regelung des § 6 GFV. Danach konnten die Beigeladenen zu 1 bis 3 nicht mehr ohne ihre eigene Zustimmung durch einfachen Gesellschafterbeschluss von ihren Aufgaben als Geschäftsführer entbunden und nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

(2) Eine entscheidende Bedeutung gewinnendes unternehmerisches Risiko, das im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten war (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – juris Rn. 10, m.w.N.; ferner z.B. Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 4 R 1787/14 – nicht veröffentlicht), trugen die Beigeladenen zu 1 bis 3 nicht. Sie erhielten zwar eine gewinnabhängige Tantieme. Dies spricht aber noch nicht für ein die Selbständigkeit indizierendes wirtschaftliches Risiko. Erfolgsabhängige Vergütungsanteile sind bei leitenden Angestellten nicht untypisch. Angesichts der Höhe der festen Vergütung von monatlich EUR 5.000,00 und der Begrenzung der Tantieme auf 25% der Gesamtbezüge kam dem erfolgsabhängigen Vergütungsanteil kein maßgebliches Gewicht zu. Reisekosten, Spesen, Bücher- und Unterlagenmaterial zur Fortbildung und Seminarteilnahme trug die Klägerin. Die (Mit-)Haftung der Beigeladenen zu 1 bis 3 für Verbindlichkeiten aus dem vorgelegten Darlehensvertrag vom 30. Juli 2008 betrifft nicht das Verhältnis zur Klägerin. Schuldner der Darlehensverbindlichkeit aus diesem Vertrag ist die GbR.

(3) Angesichts der fehlenden gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht, der Weisungsabhängigkeit und des vertraglichen Anspruchs auf eine monatliche Vergütung kommt den weiteren Umständen der Tätigkeit keine entscheidende Bedeutung zu. Dies gilt auch für die klägerseits angeführten jeweiligen Spezialkenntnisse der Beigeladenen zu 1 bis 3. Diese begründeten schon nach dem Vortrag der Klägerin keine "Machtposition", die es ihnen erlaubt hätte, als "Kopf und Seele" (zur Unbeachtlichkeit dieses Gesichtspunkts siehe oben b) bb)) des Unternehmens dieses jeweils nach eigenem Gutdünken zu leiten. Vielmehr beschränkten sich diese speziellen Kenntnisse jeweils nur auf einen Teilbereich der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin, so dass sie schon aus diesem Grund jeweils alleine nicht die Klägerin als Ganzes leiten konnten. Die weiteren vertraglichen Regelungen (Entgeltfortzahlung über sechs Wochen im Falle von Krankheit nach § 8 Abs. 1 GFV; Anspruch auf bezahlten Urlaub von 30 Tagen nach § 7 Abs. 1 GFV) sprechen als arbeitnehmertypische Ansprüche ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung. Diese vertraglichen Regelungen sind tatsächlich umgesetzt worden. Anhaltspunkte, die Zweifel hieran wecken könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beteiligten haben Abweichendes auch nicht behauptet.

c) Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlagen wurde von der Beklagten jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin errechnet. Abweichendes macht diese auch nicht geltend. Nicht zu prüfen hat der Senat, ob andere Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 bis 3 als Selbständige oder als abhängig Beschäftigte Auswirkungen auf die Höhe des zu entrichtenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Umlagen hat (Urteil des Senats vom 9. Dezember 2016 – L 4 R 2528/14 –, nicht veröffentlicht).

d) Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stehen den angefochtenen Bescheiden nicht entgegen.

aa) Die Prüfmitteilung vom 4. März 2011 über den hier nicht streitbefangenen Prüfzeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 begründet keinen Vertrauensschutz in diesem Sinne. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG können Arbeitgeber aus Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte ableiten, weil Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu und kann ihnen schon deshalb nicht zukommen, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend zu sein braucht und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken darf. Betriebsprüfungen – ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger – bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa – mit Außenwirkung – "Entlastung" zu erteilen. Eine materielle Bindungswirkung kann sich lediglich dann und insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (zum Ganzen z.B. BSG, Beschluss vom 17. März 2017 – B 12 R 44/16 B – juris, Rn. 20 m.w.N.; vgl auch z.B. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 R 7/14 R – juris, Rn. 18). Betriebsprüfungen, die die versicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 bis 3 zum Gegenstand hatten, sind vor den angefochtenen Bescheiden nicht erfolgt. Insbesondere sind der Prüfmitteilung vom 4. März 2011 Feststellungen solchen Inhalts nicht zu entnehmen. Ausdrücklich wird eine nur stichprobenweise Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und Aufzeichnungen der von der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer als Grundlage angeführt. Dass der GV und der GFV zu den geprüften Unterlagen gehörten hätten, ist weder der Mitteilung zu entnehmen noch wird dies von der Klägerin substantiiert behauptet. Da die Beigeladenen zu 1 bis 3 von der Klägerin nicht als Arbeitnehmer angesehen wurden, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die diese betreffenden Verträge als "Unterlagen der von der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer" vorgelegt wurden.

bb) Soweit die Klägerin Vertrauensschutz wegen einer "Änderung der Rechtsprechung des BSG" geltend macht, kann dem nicht gefolgt werden. Sie lässt bereits nicht erkennen, auf welche Gesichtspunkte früherer Rechtsprechung sie konkret abstellen will. Soweit sie sich auf die sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung beziehen sollte, ist dieses Vorbringen vor dem Hintergrund der tatsächlichen Gegebenheiten nicht relevant, da ein solcher Sachverhalt hier gerade nicht gegeben war (s.o.). Ohnehin handelte es sich insoweit im Rahmen des hier allein maßgeblichen Beitragsrechts nicht um eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung, die Vertrauensschutz auslösen könnte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Dezember 2017 – L 10 R 1637/17 – juris, Rn. 30 m.w.N.). Eine Änderung der Rechtsprechung des BSG zur Frage von schuldrechtlichen Stimmbindungsverträgen hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Auch eine solche Konstellation lag aber hier nicht vor. Schließlich hat sich die Rechtsprechung des BSG zur hier vorliegenden "unechten" Sperrminorität nicht geändert. Durchgehend hat das BSG in seinen Entscheidungen darauf abgestellt, dass nur eine nicht auf bestimmte Gegenstände beschränkte Sperrminorität maßgeblich ist, die den betreffenden Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, ihm unliebsame Weisungen abzuwehren (so schon BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 – juris, Rn. 21; Urteil vom 18. April 1991 – 7 RAr 32/90 – juris, Rn. 25).

cc) Im Übrigen hätte die Klägerin unmittelbar nach ihrer Gründung die Möglichkeit gehabt, die Frage der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 bis 3 in einem Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV zu klären und damit diesbezüglich frühzeitig eine verbindliche Entscheidung und Sicherheit zu erhalten. Von dieser Möglichkeit machte sie keinen Gebrauch. Es ist widersprüchlich, von den gesetzlichen Möglichkeiten nicht Gebrauch zu machen und sich nachträglich auf Vertrauensschutz berufen zu wollen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt; es entspricht daher der Billigkeit, ihre Kosten nicht der Klägerin aufzulegen.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 200.795,89 festgesetzt. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63, Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 23, 47 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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