Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 2226/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1180/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I ab dem 15. Januar 2015 und nach Pflegegrad 2 ab dem 1. Januar 2017.
Bei dem am 1960 geborenen Kläger besteht ein Zustand nach (Z.n.) traumatischer distaler Oberarmamputation links (seit Februar 2015 prothetisch versorgt), ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Hypertonie, ein Z.n. Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulen(HWS)-Bereich, ein Z.n. Prostatakarzinom sowie eine depressive Erkrankung. Er lebt gemeinsam mit seiner berufstätigen Ehefrau. Therapietermine nimmt er selbständig wahr.
Am 15. Januar 2015 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Pflegefachkraft F., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), am 30. Januar 2015 aufgrund einer Untersuchung am selben Tag ein Gutachten. Als pflegebegründende Diagnose nannte sie einen Z.n. traumatischer distaler Oberarmamputation links bei ausstehender Prothesenversorgung. Der Kläger habe Rücken- und ausgeprägte Phantomschmerzen. Die rechte Hand sei uneingeschränkt bewegungsfähig. Der Kläger benötige Unterstützung beim Transfer in die Badewanne. Die Körperpflege sei mit der rechten Hand überwiegend selbständig möglich. Hilfe werde benötigt beim Schließen des Gürtels und der mundgerechten Zubereitung der Mahlzeiten. Das Auskleiden erfolge selbständig, beim Ankleiden sei Unterstützung nötig. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 22 Minuten (Körperpflege sechs Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität sechs Minuten). Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2015 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers unter Hinweis auf das Gutachten ab, da der Grundpflegebedarf 45 Minuten täglich nicht übersteige.
Auf den dagegen eingelegten, nicht begründeten Widerspruch des Klägers wurde ein am 18. März 2015 aufgrund einer Untersuchung am Vortag erstelltes Gutachten der Pflegefachkraft St., MDK, eingeholt, in dem dieser die pflegebegründende Diagnose und den im Gutachten der Pflegefachkraft F. beschriebenen Grundpflegebedarf bestätigte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, er benötige Hilfe bei der Ganzkörperwäsche und beim Duschen im Umfange von jeweils 15 Minuten täglich, beim Richten der Bekleidung zehn Minuten täglich sowie bei der Zubereitung der Nahrung 30 Minuten täglich. Dipl. Pflegewirt M. (dazu unten) bestätige einen Grundpflegebedarf nach Pflegestufe I.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage eines nach Aktenlage erstatteten Gutachtens der Pflegefachkraft Ha., MDK, vom 20. Januar 2016 entgegen. Der Einschätzung von Dipl. Pflegewirt M. könne nicht gefolgt werden. Dieser nehme zu weitgehenden Hilfebedarf beim rechtsseitigen Waschen, Richten der Kleidung nach Toilettengang, An- und Auskleiden, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung und bei Transfers an. Eine vermehrte Urinausscheidung mit der Folge häufiger Toilettengänge sei nicht nachvollziehbar. Blutzuckermessung und das Spritzen von Insulin seien als Behandlungspflege nicht zu berücksichtigen. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 24 Minuten (Körperpflege 14 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität sechs Minuten).
Das SG bestellte Dipl. Pflegewirt M. zum Sachverständigen. Dieser beschrieb in seinem aufgrund eines Hausbesuchs am 14. November 2015 unter dem 17. November 2015 erstatteten Gutachten einen Grundpflegebedarf von 58 Minuten täglich (Körperpflege 30 Minuten; Ernährung acht Minuten; Mobilität zwölf Minuten; Blutzuckermessung und Spritzen von Insulin acht Minuten). Zusätzlich zu den Gutachten des MDK seien zu berücksichtigen eine Teilwäsche abends, eine Teilwäsche der Hand nach dem Toilettengang, zusätzliche Toilettengänge wegen Diabetes mellitus, ein zweimal tägliches An- und Auskleiden. Eine Hypertonie führe in der Regel zu "dicken Füßen" am Abend, was das Ausziehen der Strümpfe mit einer Hand erschwere.
Mit Urteil vom 20. Februar 2017 wies das SG die Klage ab. Beim Kläger liege kein Grundpflegebedarf von mindestens 45 Minuten vor. Zugunsten des Klägers folge es im Wesentlichen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Jedoch habe dieser den Hilfebedarf für das Richten der Bekleidung nach Toilettengang zu hoch angesetzt. Ein Hilfebedarf hierbei von mehr als einer Minute sei im Hinblick auf die Möglichkeit des Klägers zur Mithilfe mit der rechten Hand unrealistisch. Da dieser Hilfebedarf siebenmal täglich angenommen worden sei, entfielen sieben Minuten des beschriebenen Grundpflegebedarfs. Die Hilfe bei der Blutzuckermessung und Gabe von Insulin könne aus rechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden. Ob weitere Zeitansätze des Sachverständigen, insbesondere bzgl. des Ankleidens, zu hoch bemessen seien, könne offenbleiben. Da höchstens ein Grundpflegebedarf von insgesamt 43 Minuten täglich vorliege.
Gegen dieses ihm am 27. Februar 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. März 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung auf die Einschätzungen von Dipl. Pflegewirt M. und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. R. (dazu unten) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 zu verurteilen, ihm ab dem 15. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 Pflegegeld nach Pflegestufe I und ab 1. Januar 2017 nach Pflegegrad 2 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Dem Gutachten von Dr. R. seien keine Gründe für einen von ihm zugrunde gelegten zweimal täglichen Hilfebedarf einer Teilwäsche des Oberkörpers sowie des An- und Auskleidens zu entnehmen. Alleine bei Abzug der für diese Teilbereiche angesetzten Zeiten, liege der Grundpflegebedarf unter 46 Minuten täglich.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. R. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. In seinem aufgrund einer häuslichen Untersuchung vom 2. November 2018 unter dem 16. November 2018 erstatteten Gutachten hat dieser einen Z.n. traumatischer Unterarm-Amputation links mit massiven Phantomschmerzen, eine medikamentenpflichtige chronische Depression, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2 mit deutlichen Schwitzanfällen, eine arterielle Hypertonie, einen Z.n. Prostatakarzinom, eine schwere Insomie, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine Polyarthrose sowie rezidivierende Schwindelattacken diagnostiziert. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 48 Minuten (Körperpflege 27 Minuten, Ernährung acht Minuten, Mobilität 13 Minuten). Der von ihm festgestellte Hilfebedarf bestehe in dieser Ausprägung seit ca. sechs Monaten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da der Kläger die Gewährung von Pflegegeld für einen Zeitraum für mehr als einem Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 15. Januar 2015 (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI]) bis 31. Dezember 2016 sowie nach Pflegegrad 2 ab 1. Januar 2017. Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I für die Zeit vom 15. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 (siehe hierzu a) noch nach Pflegegrad 2 ab 1. Januar 2017 (siehe hierzu b).
Da der Kläger seinen Antrag auf Pflegegeld am 15. Januar 2015, mithin vor dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sein Anspruch nach den Vorschriften des SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (SGB XI a.F.).
a) aa) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI a.F.) der Hilfe bedürfen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI a.F. Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI a.F.).
Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI a.F.), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI a.F.) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI a.F.). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI a.F. stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).
bb) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I liegen beim Kläger im Zeitraum vom 15. Januar bis 31. Dezember 2016 nicht vor.
(1) Beim Kläger bestehen ein Z.n. traumatischer distaler Oberarmamputation links, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Hypertonie, ein Z.n. Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulen(HWS)-Bereich, ein Z.n. Prostatakarzinom sowie eine depressive Erkrankung. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen in den Gutachten der Pflegefachkräfte F., St. und Ha., von Dipl. Pflegewirt M. und von Dr. R ... Ob des Weiteren die von letzterem angegebenen Polyarthrose und rezidivierenden Schwindelattacken tatsächlich vorliegen, kann der Senat offenlassen. Entsprechende objektive Befunde werden im Gutachten von Dr. R. nicht angeführt. Jedenfalls leitet der Sachverständige aus diesen Diagnosen keinen weitergehenden Pflegebedarf ab.
(2) Hieraus folgen im streitbefangenen Zeitraum verschiedene funktionelle Beeinträchtigungen des Klägers, die einen Grundpflegebedarf begründen. Der Z.n. distaler Oberarmamputation links bedingt einen Hilfebedarf bei Verrichtungen, die den Einsatz der linken Hand oder beider Hände erfordern. Trotz Insulinbehandlung bedingt der Diabetes mellitus mit siebenmal täglich eine erhöhte Zahl an Toilettengängen. Dies entnimmt der Senat den Feststellungen im Gutachten von Dipl. Pflegewirt M., was mit denen von Dr. R. übereinstimmt. Des Weiteren legt der Senat das von Dipl. Pflegewirt M. beschriebene nächtliche Schwitzen aufgrund des Diabetes mellitus zugrunde, das ebenfalls von Dr. R. zumindest dem Grunde nach bestätigt wird. Der Z.n. Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich begründet keine dauerhaften, einen Grundpflegebedarf begründenden funktionellen Beeinträchtigungen. Pflegefachkraft St. beschrieb den Nacken- und Schürzengriff als endgradig möglich. Der Kläger erreichte beim Bücken im Sitzen die Fußzehen. Eine weitergehende Einschränkung ist dem Gutachten von Dipl. Pflegewirt M. nicht zu entnehmen. Dr. R. stellte zwar im Bereich der HWS hälftige Einschränkungen der Beweglichkeit fest. Der Nacken- und Schürzengriff rechtsseitig war jedoch, wenn auch mit Problemen, möglich, die grobe Kraftentfaltung vorhanden. Funktionelle Auswirkungen des Z.n. Prostatakarzinom werden in keinem der vorliegenden Gutachten beschrieben. Die depressive Erkrankung löst keinen zusätzlichen Hilfebedarf aus. Die Pflegefachkräfte F. und St. konnten keine relevanten psychischen Befunde erheben. Solche finden sich auch nicht im Gutachten von Dipl. Pflegewirt M ... Überzeugend wies daher Pflegefachkraft Ha. darauf hin, dass unter antidepressiver Medikation Stimmung und Antrieb weitestgehend unauffällig waren. Die Gutachten der Pflegefachkräfte konnte der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten (zur Zulässigkeit der Verwertung der vom MDK erstatteten Gutachten: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 12 f.; allgemein zum Urkundsbeweis vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Der Einwand von Dr. R., im letztgenannten Gutachten werde als beteiligte Gutachterin neben Pflegefachkraft Ha. unter Punkt 8 eine weitere Person geführt, die nirgends sonst eingeführt werde, steht der Einbeziehung dieses Gutachtens in die Überzeugungsbildung des Senats nicht entgegen. Dieses wurde nach Aktenlage erstellt, so dass es gerade nicht auf die eigene Befunderhebung durch die Gutachterin ankam. Darüber hinaus stellt die Namensbezeichnung am Ende des Gutachtens Pflegefachkraft Ha. als verantwortende Gutachterin klar. Einen zusätzlichen Hilfebedarf wegen der depressiven Erkrankung erkannte auch Dr. R. nicht. Er beschrieb zwar eine depressive Grundstimmung und einen sozialen Rückzug, benannte aber keine weiteren Verrichtungen, bei deren der Kläger hierdurch personelle Unterstützung bedürfte. Eine eingeschränkte Alltagskompetenz schloss er auch unter Berücksichtigung der medikamentös behandelten Depression ausdrücklich aus.
(3) Aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen besteht beim Kläger ein Hilfebedarf in Form der Teilübernahme im Bereich der Körperpflege, so beim Waschen und Abtrocknen der rechten Körperseite, soweit diese mit der verbliebenen rechten Hand nicht erreichbar ist (rechter Arm, rechte Achsel, Teile des Rückens), sowie beim Waschen der rechten Hand selbst. Dieser Hilfebedarf fällt auch beim Baden an. Der Kläger badet täglich, was schon aufgrund des nächtlichen Schwitzens nachvollziehbar ist. Bei einem Zeitkorridor von 20 bis 25 Minuten für die volle Übernahme hält der Senat die von Dipl. Pflegewirt M. angesetzten vier Minuten täglich für die Teilübernahme beim Baden für überzeugend. Zusätzlich berücksichtigt der Senat, diesem Gutachten insoweit folgend, eine zusätzliche Wäsche des Oberkörpers mit Teilübernahme im beschriebenen Umfang, die Dipl. Pflegewirt M. mit drei Minuten zutreffend bewertet hat. Eine zweite Oberkörperwäsche, wie von Dr. R. berücksichtigt, ist hingegen nicht nachvollziehbar. Deren Notwendigkeit wurde von ihm nicht begründet. Nach dem Gutachten des Dipl. Pflegewirts M. tritt das vermehrte Schwitzen nachts auf. Feststellungen über ein derart vermehrtes Schwitzen tagsüber, dass zwischen dem morgendlichen Baden und der abendlichen Teilwäsche noch eine zusätzliche erforderlich wäre, sind dem Gutachten von Dr. R. nicht zu entnehmen. Soweit Dipl. Pflegewirt M. darauf verweist, dass dem Kläger für die Reinigung des Genitalbereichs die für Muslime unreine linke Hand fehle, führt dies nicht zu einem zusätzlichen Pflegebedarf. Der Kläger kann die Reinigung mit der rechten durchführen und tut dies nach den Feststellungen in sämtlichen Gutachten auch. Die Reinigung der rechten Hand ist in den Bedarfen Baden und Oberkörperwäsche bereits berücksichtigt (zur Reinigung nach Toilettengang sogleich). Ein Hilfebedarf beim Rasieren für die Reinigung des Rasierapparates ist nicht nachvollziehbar, da dies ohne Weiteres mit einer Hand möglich ist. Der Senat berücksichtigt aber, insoweit der Pflegefachkraft Ha. folgend, einen täglichen Hilfebedarf von jeweils einer Minute für das Straffziehen der Haut bei der Rasur sowie beim Zähneputzen für das Auftragen der Zahncreme. Hilfebedarf besteht des Weiteren beim Waschen der rechten Hand und beim Richten der Bekleidung nach dem Toilettengang. Wie oben ausgeführt, legt der Senat eine tägliche Frequenz von sieben Toilettengängen zugrunde. Trotz der von Pflegefachkraft Ha. beschriebenen Mitwirkungsmöglichkeit des Klägers beim Waschen der Hand (Wasserhahn öffnen, Seife aufnehmen, Handtuch greifen, durch Bewegen der Finger Waschen und Abtrocknen unterstützen) verbleibt nachvollziehbar ein Fremdhilfebedarf, den der Senat, dem Gutachten von Dipl. Pflegewirt M. folgend, mit einer Minute pro Verrichtung ansetzt, mithin mit sieben Minuten täglich. In gleichem zeitlichem Umfang besteht ein Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung. Zutreffend hat das SG bereits darauf hingewiesen, dass sich dies maßgeblich auf die Handhabung von Verschlüssen und des Gürtels bezieht. Der von Dipl. Pflegewirt M. angesetzte Zeitwert von zwei Minuten pro Verrichtung entspräche bereits dem für eine volle Übernahme und ist daher nicht nachvollziehbar. Der Senat legt, insoweit in Übereinstimmung mit der Pflegefachkraft Ha. und Dr. R., einen täglichen Hilfebedarf von insgesamt sieben Minuten hierfür zugrunde. Der Hilfebedarf für die Körperpflege ist somit mit 23 Minuten täglich im Wochendurchschnitt anzusetzen. Im Bereich der Ernährung besteht ein Hilfebedarf nur in Form der Übernahme der mundgerechten Zubereitung fester Speisen. Unter Berücksichtigung von drei Haupt- und diabetesbedingt zwei Zwischenmahlzeiten erachtet der Senat die von den gerichtlichen Sachverständigen M. und Dr. R. angesetzten insgesamt acht Minuten (je zwei Minuten für die Haupt- und je eine Minute für die Zwischenmahlzeiten) als angemessen. Im Bereich der Mobilität besteht ein Hilfebedarf in Form der Unterstützung beim Transfer in die und aus der Badewanne von insgesamt zwei Minuten täglich. Zwar ist der Kläger in der Mobilität selbst insoweit nicht eingeschränkt und kann selbständig hinein- und hinaussteigen. Wegen der Unsicherheit beim Festhalten mit nur einer Hand ist der Hilfebedarf in diesem Umfang aber nachvollziehbar. Beim An- und Auskleiden benötigt der Kläger nachvollziehbar Hilfe beim Öffnen und Schließen von Verschlüssen sowie beim Anziehen von Strümpfen. Der von Dipl. Pflegewirt M. angenommene Hilfebedarf auch beim Ausziehen von Strümpfen ist nicht überzeugend begründet. Dass aufgrund der Hypertonie tatsächlich abendliche periphere Ödeme ("dicke Füße") auftreten, hat der Sachverständige nicht festgestellt. Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, dass solche – bei tatsächlichem Auftreten – ein einhändiges Ausziehen normaler Strümpfe ausschlössen. Zutreffend weist Pflegefachkraft Ha. darauf hin, dass der Kläger keine Kompressionsstrümpfe trägt. Der Senat berücksichtigt insoweit, der überzeugenden Darstellung der Pflegekräfte St. und Ha. folgend, für das Ankleiden drei und das Auskleiden eine Minute täglich. Dass dieser Hilfebedarf, wie von der gerichtlichen Sachverständigen angenommen, zweimal täglich bestehe, ist nicht überzeugend. Eine solche Notwendigkeit wird von ihnen auch nicht begründet. Sollte diese zumindest von Dr. R. aus der zweimaligen Oberkörperwäsche abgeleitet sein, stehen dem schon die oben genannten Gründe entgegen. Nach der Begutachtungs-Richtlinie beinhaltet das Ankleiden das Ausziehen der Nachtwäsche und umgekehrt. Eine zweimalige Berücksichtigung ist insoweit daher nicht möglich. Der Hilfebedarf für die Mobilität ist somit mit sechs Minuten täglich im Wochendurchschnitt anzusetzen.
Bei Diabetikern rechnen auch Blutzuckertests sowie die Gabe von Insulin sowohl als Basisinsulin als auch als Korrekturinsulin zu den Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen auch bei dem Kläger kein unmittelbarer Zusammenhang mit der "Aufnahme der Nahrung" im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI besteht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 – B 3 P 10/98 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 P 6/02 R –juris, Rn. 18; BSG, Urteil vom 28. September 2017 – B 3 P 3/16 R – juris, Rn. 21) und die daher nicht beim Grundpflegebedarf zu berücksichtigen sind.
Soweit Dr. R. die Zeitwerte für den Hilfebedarf bei den jeweiligen Verrichtungen wegen der depressiven Erkrankung jeweils erhöhte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Sachverständige führte zur Begründung aus, die depressive Erkrankung unterliege in ihrer Intensität Schwankungen. Dies wirke sich auf die vom Kläger bei der Pflege geleistete Mithilfe aus und sei in den bisherigen Gutachten nicht adäquat berücksichtigt worden. Für die durchschnittliche Bemessung der Pflegezeiten werde daher jeweils hälftig von "guten Tagen" mit höherer und "schlechten Tagen" mit geringerer Mithilfe ausgegangen. Dies lässt außer Acht, dass in den Gutachten der Pflegefachkräfte F. und St. unter Medikation keine Einschränkungen festgestellt wurden. Der Sachverständige selbst beschreibt im Befund lediglich eine depressive Grundstimmung und erfragte ein "Morgentief". Angaben zum behaupteten sozialen Rückzug sind nicht dokumentiert; ein Tagesablauf wurde nicht erfragt. Die Häufigkeit der "schlechten Tage" wurde ohne nachvollziehbare Grundlage mit der Hälfte angenommen. Dies lässt sich aus der bloßen Angabe, der Kläger müsse pro Monat für einige Tage mit der antidepressiven Medikation pausieren, gerade nicht ableiten. Jedenfalls hat der Sachverständige hierzu keine schlüssige Begründung abgegeben. Feststellungen zu den tatsächlich bestehenden Beeinträchtigungen an schlechten Tagen sind dem Gutachten nicht zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, worauf sich dessen Annahme über die Auswirkungen und deren Umfang bei der Mitwirkung bei der Pflege stützt.
Der Grundpflegebedarf liegt somit bei insgesamt 37 Minuten täglich im Wochendurchschnitt anzusetzen. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I liegen daher nicht vor.
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegegrad 2 ab 1. Januar 2017. Der Kläger besitzt auch mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2424) mit Wirkung zum 1. Januar 2017 nicht den geltend gemachten Anspruch. Die Voraussetzungen der Überleitung in die seit 1. Januar 2017 geltenden Pflegegrade sind nicht erfüllt.
Nach § 140 Abs. 2 Satz 1 SGB XI werden Versicherte der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflege-Pflichtversicherung, 1. bei denen das Vorliegen einer Pflegestufe im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung oder einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt worden ist und 2. bei denen spätestens am 31. Dezember 2016 alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung der Pflegeversicherung vorliegen, mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 ohne erneute Antragstellung und ohne erneute Begutachtung nach Maßgabe von Satz 3 einem Pflegegrad zugeordnet. Für die Zuordnung gelten nach § 140 Abs. 2 Satz 3 SGB XI die folgenden Kriterien: 1. Versicherte, bei denen eine Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, aber nicht zusätzlich eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurde, werden übergeleitet a) von Pflegestufe I in den Pflegegrad 2, b) von Pflegestufe II in den Pflegegrad 3, c) von Pflegestufe III in den Pflegegrad 4 oder d) von Pflegestufe III in den Pflegegrad 5, soweit die Voraussetzungen für Leistungen nach § 36 Abs. 4 oder § 43 Abs. 3 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurden; 2. Versicherte, bei denen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurde, werden übergeleitet a) bei nicht gleichzeitigem Vorliegen einer Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 2, b) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe I nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 3, c) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe II nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 4, d) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe III nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, auch soweit zusätzlich die Voraussetzungen für Leistungen nach § 36 Abs. 4 oder § 43 Abs. 3 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurden, in den Pflegegrad 5.
Das Vorliegen einer Pflegestufe im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI a.F. – wie bereits unter 3. a) ausgeführt – konnte der Senat nicht feststellen. Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI a.F. liegt nicht vor und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Der Kläger erfüllte am 31. Dezember 2016 nicht alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung der Pflegeversicherung. Damit scheidet auch eine Zuordnung zu Pflegegrad 2 aus.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I ab dem 15. Januar 2015 und nach Pflegegrad 2 ab dem 1. Januar 2017.
Bei dem am 1960 geborenen Kläger besteht ein Zustand nach (Z.n.) traumatischer distaler Oberarmamputation links (seit Februar 2015 prothetisch versorgt), ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Hypertonie, ein Z.n. Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulen(HWS)-Bereich, ein Z.n. Prostatakarzinom sowie eine depressive Erkrankung. Er lebt gemeinsam mit seiner berufstätigen Ehefrau. Therapietermine nimmt er selbständig wahr.
Am 15. Januar 2015 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Pflegefachkraft F., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), am 30. Januar 2015 aufgrund einer Untersuchung am selben Tag ein Gutachten. Als pflegebegründende Diagnose nannte sie einen Z.n. traumatischer distaler Oberarmamputation links bei ausstehender Prothesenversorgung. Der Kläger habe Rücken- und ausgeprägte Phantomschmerzen. Die rechte Hand sei uneingeschränkt bewegungsfähig. Der Kläger benötige Unterstützung beim Transfer in die Badewanne. Die Körperpflege sei mit der rechten Hand überwiegend selbständig möglich. Hilfe werde benötigt beim Schließen des Gürtels und der mundgerechten Zubereitung der Mahlzeiten. Das Auskleiden erfolge selbständig, beim Ankleiden sei Unterstützung nötig. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 22 Minuten (Körperpflege sechs Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität sechs Minuten). Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2015 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers unter Hinweis auf das Gutachten ab, da der Grundpflegebedarf 45 Minuten täglich nicht übersteige.
Auf den dagegen eingelegten, nicht begründeten Widerspruch des Klägers wurde ein am 18. März 2015 aufgrund einer Untersuchung am Vortag erstelltes Gutachten der Pflegefachkraft St., MDK, eingeholt, in dem dieser die pflegebegründende Diagnose und den im Gutachten der Pflegefachkraft F. beschriebenen Grundpflegebedarf bestätigte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, er benötige Hilfe bei der Ganzkörperwäsche und beim Duschen im Umfange von jeweils 15 Minuten täglich, beim Richten der Bekleidung zehn Minuten täglich sowie bei der Zubereitung der Nahrung 30 Minuten täglich. Dipl. Pflegewirt M. (dazu unten) bestätige einen Grundpflegebedarf nach Pflegestufe I.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage eines nach Aktenlage erstatteten Gutachtens der Pflegefachkraft Ha., MDK, vom 20. Januar 2016 entgegen. Der Einschätzung von Dipl. Pflegewirt M. könne nicht gefolgt werden. Dieser nehme zu weitgehenden Hilfebedarf beim rechtsseitigen Waschen, Richten der Kleidung nach Toilettengang, An- und Auskleiden, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung und bei Transfers an. Eine vermehrte Urinausscheidung mit der Folge häufiger Toilettengänge sei nicht nachvollziehbar. Blutzuckermessung und das Spritzen von Insulin seien als Behandlungspflege nicht zu berücksichtigen. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 24 Minuten (Körperpflege 14 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität sechs Minuten).
Das SG bestellte Dipl. Pflegewirt M. zum Sachverständigen. Dieser beschrieb in seinem aufgrund eines Hausbesuchs am 14. November 2015 unter dem 17. November 2015 erstatteten Gutachten einen Grundpflegebedarf von 58 Minuten täglich (Körperpflege 30 Minuten; Ernährung acht Minuten; Mobilität zwölf Minuten; Blutzuckermessung und Spritzen von Insulin acht Minuten). Zusätzlich zu den Gutachten des MDK seien zu berücksichtigen eine Teilwäsche abends, eine Teilwäsche der Hand nach dem Toilettengang, zusätzliche Toilettengänge wegen Diabetes mellitus, ein zweimal tägliches An- und Auskleiden. Eine Hypertonie führe in der Regel zu "dicken Füßen" am Abend, was das Ausziehen der Strümpfe mit einer Hand erschwere.
Mit Urteil vom 20. Februar 2017 wies das SG die Klage ab. Beim Kläger liege kein Grundpflegebedarf von mindestens 45 Minuten vor. Zugunsten des Klägers folge es im Wesentlichen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Jedoch habe dieser den Hilfebedarf für das Richten der Bekleidung nach Toilettengang zu hoch angesetzt. Ein Hilfebedarf hierbei von mehr als einer Minute sei im Hinblick auf die Möglichkeit des Klägers zur Mithilfe mit der rechten Hand unrealistisch. Da dieser Hilfebedarf siebenmal täglich angenommen worden sei, entfielen sieben Minuten des beschriebenen Grundpflegebedarfs. Die Hilfe bei der Blutzuckermessung und Gabe von Insulin könne aus rechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden. Ob weitere Zeitansätze des Sachverständigen, insbesondere bzgl. des Ankleidens, zu hoch bemessen seien, könne offenbleiben. Da höchstens ein Grundpflegebedarf von insgesamt 43 Minuten täglich vorliege.
Gegen dieses ihm am 27. Februar 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. März 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung auf die Einschätzungen von Dipl. Pflegewirt M. und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. R. (dazu unten) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 zu verurteilen, ihm ab dem 15. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 Pflegegeld nach Pflegestufe I und ab 1. Januar 2017 nach Pflegegrad 2 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Dem Gutachten von Dr. R. seien keine Gründe für einen von ihm zugrunde gelegten zweimal täglichen Hilfebedarf einer Teilwäsche des Oberkörpers sowie des An- und Auskleidens zu entnehmen. Alleine bei Abzug der für diese Teilbereiche angesetzten Zeiten, liege der Grundpflegebedarf unter 46 Minuten täglich.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. R. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. In seinem aufgrund einer häuslichen Untersuchung vom 2. November 2018 unter dem 16. November 2018 erstatteten Gutachten hat dieser einen Z.n. traumatischer Unterarm-Amputation links mit massiven Phantomschmerzen, eine medikamentenpflichtige chronische Depression, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2 mit deutlichen Schwitzanfällen, eine arterielle Hypertonie, einen Z.n. Prostatakarzinom, eine schwere Insomie, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine Polyarthrose sowie rezidivierende Schwindelattacken diagnostiziert. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 48 Minuten (Körperpflege 27 Minuten, Ernährung acht Minuten, Mobilität 13 Minuten). Der von ihm festgestellte Hilfebedarf bestehe in dieser Ausprägung seit ca. sechs Monaten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da der Kläger die Gewährung von Pflegegeld für einen Zeitraum für mehr als einem Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 15. Januar 2015 (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI]) bis 31. Dezember 2016 sowie nach Pflegegrad 2 ab 1. Januar 2017. Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I für die Zeit vom 15. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 (siehe hierzu a) noch nach Pflegegrad 2 ab 1. Januar 2017 (siehe hierzu b).
Da der Kläger seinen Antrag auf Pflegegeld am 15. Januar 2015, mithin vor dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sein Anspruch nach den Vorschriften des SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (SGB XI a.F.).
a) aa) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI a.F.) der Hilfe bedürfen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI a.F. Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI a.F.).
Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI a.F.), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI a.F.) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI a.F.). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI a.F. stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).
bb) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I liegen beim Kläger im Zeitraum vom 15. Januar bis 31. Dezember 2016 nicht vor.
(1) Beim Kläger bestehen ein Z.n. traumatischer distaler Oberarmamputation links, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Hypertonie, ein Z.n. Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulen(HWS)-Bereich, ein Z.n. Prostatakarzinom sowie eine depressive Erkrankung. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen in den Gutachten der Pflegefachkräfte F., St. und Ha., von Dipl. Pflegewirt M. und von Dr. R ... Ob des Weiteren die von letzterem angegebenen Polyarthrose und rezidivierenden Schwindelattacken tatsächlich vorliegen, kann der Senat offenlassen. Entsprechende objektive Befunde werden im Gutachten von Dr. R. nicht angeführt. Jedenfalls leitet der Sachverständige aus diesen Diagnosen keinen weitergehenden Pflegebedarf ab.
(2) Hieraus folgen im streitbefangenen Zeitraum verschiedene funktionelle Beeinträchtigungen des Klägers, die einen Grundpflegebedarf begründen. Der Z.n. distaler Oberarmamputation links bedingt einen Hilfebedarf bei Verrichtungen, die den Einsatz der linken Hand oder beider Hände erfordern. Trotz Insulinbehandlung bedingt der Diabetes mellitus mit siebenmal täglich eine erhöhte Zahl an Toilettengängen. Dies entnimmt der Senat den Feststellungen im Gutachten von Dipl. Pflegewirt M., was mit denen von Dr. R. übereinstimmt. Des Weiteren legt der Senat das von Dipl. Pflegewirt M. beschriebene nächtliche Schwitzen aufgrund des Diabetes mellitus zugrunde, das ebenfalls von Dr. R. zumindest dem Grunde nach bestätigt wird. Der Z.n. Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich begründet keine dauerhaften, einen Grundpflegebedarf begründenden funktionellen Beeinträchtigungen. Pflegefachkraft St. beschrieb den Nacken- und Schürzengriff als endgradig möglich. Der Kläger erreichte beim Bücken im Sitzen die Fußzehen. Eine weitergehende Einschränkung ist dem Gutachten von Dipl. Pflegewirt M. nicht zu entnehmen. Dr. R. stellte zwar im Bereich der HWS hälftige Einschränkungen der Beweglichkeit fest. Der Nacken- und Schürzengriff rechtsseitig war jedoch, wenn auch mit Problemen, möglich, die grobe Kraftentfaltung vorhanden. Funktionelle Auswirkungen des Z.n. Prostatakarzinom werden in keinem der vorliegenden Gutachten beschrieben. Die depressive Erkrankung löst keinen zusätzlichen Hilfebedarf aus. Die Pflegefachkräfte F. und St. konnten keine relevanten psychischen Befunde erheben. Solche finden sich auch nicht im Gutachten von Dipl. Pflegewirt M ... Überzeugend wies daher Pflegefachkraft Ha. darauf hin, dass unter antidepressiver Medikation Stimmung und Antrieb weitestgehend unauffällig waren. Die Gutachten der Pflegefachkräfte konnte der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten (zur Zulässigkeit der Verwertung der vom MDK erstatteten Gutachten: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 12 f.; allgemein zum Urkundsbeweis vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Der Einwand von Dr. R., im letztgenannten Gutachten werde als beteiligte Gutachterin neben Pflegefachkraft Ha. unter Punkt 8 eine weitere Person geführt, die nirgends sonst eingeführt werde, steht der Einbeziehung dieses Gutachtens in die Überzeugungsbildung des Senats nicht entgegen. Dieses wurde nach Aktenlage erstellt, so dass es gerade nicht auf die eigene Befunderhebung durch die Gutachterin ankam. Darüber hinaus stellt die Namensbezeichnung am Ende des Gutachtens Pflegefachkraft Ha. als verantwortende Gutachterin klar. Einen zusätzlichen Hilfebedarf wegen der depressiven Erkrankung erkannte auch Dr. R. nicht. Er beschrieb zwar eine depressive Grundstimmung und einen sozialen Rückzug, benannte aber keine weiteren Verrichtungen, bei deren der Kläger hierdurch personelle Unterstützung bedürfte. Eine eingeschränkte Alltagskompetenz schloss er auch unter Berücksichtigung der medikamentös behandelten Depression ausdrücklich aus.
(3) Aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen besteht beim Kläger ein Hilfebedarf in Form der Teilübernahme im Bereich der Körperpflege, so beim Waschen und Abtrocknen der rechten Körperseite, soweit diese mit der verbliebenen rechten Hand nicht erreichbar ist (rechter Arm, rechte Achsel, Teile des Rückens), sowie beim Waschen der rechten Hand selbst. Dieser Hilfebedarf fällt auch beim Baden an. Der Kläger badet täglich, was schon aufgrund des nächtlichen Schwitzens nachvollziehbar ist. Bei einem Zeitkorridor von 20 bis 25 Minuten für die volle Übernahme hält der Senat die von Dipl. Pflegewirt M. angesetzten vier Minuten täglich für die Teilübernahme beim Baden für überzeugend. Zusätzlich berücksichtigt der Senat, diesem Gutachten insoweit folgend, eine zusätzliche Wäsche des Oberkörpers mit Teilübernahme im beschriebenen Umfang, die Dipl. Pflegewirt M. mit drei Minuten zutreffend bewertet hat. Eine zweite Oberkörperwäsche, wie von Dr. R. berücksichtigt, ist hingegen nicht nachvollziehbar. Deren Notwendigkeit wurde von ihm nicht begründet. Nach dem Gutachten des Dipl. Pflegewirts M. tritt das vermehrte Schwitzen nachts auf. Feststellungen über ein derart vermehrtes Schwitzen tagsüber, dass zwischen dem morgendlichen Baden und der abendlichen Teilwäsche noch eine zusätzliche erforderlich wäre, sind dem Gutachten von Dr. R. nicht zu entnehmen. Soweit Dipl. Pflegewirt M. darauf verweist, dass dem Kläger für die Reinigung des Genitalbereichs die für Muslime unreine linke Hand fehle, führt dies nicht zu einem zusätzlichen Pflegebedarf. Der Kläger kann die Reinigung mit der rechten durchführen und tut dies nach den Feststellungen in sämtlichen Gutachten auch. Die Reinigung der rechten Hand ist in den Bedarfen Baden und Oberkörperwäsche bereits berücksichtigt (zur Reinigung nach Toilettengang sogleich). Ein Hilfebedarf beim Rasieren für die Reinigung des Rasierapparates ist nicht nachvollziehbar, da dies ohne Weiteres mit einer Hand möglich ist. Der Senat berücksichtigt aber, insoweit der Pflegefachkraft Ha. folgend, einen täglichen Hilfebedarf von jeweils einer Minute für das Straffziehen der Haut bei der Rasur sowie beim Zähneputzen für das Auftragen der Zahncreme. Hilfebedarf besteht des Weiteren beim Waschen der rechten Hand und beim Richten der Bekleidung nach dem Toilettengang. Wie oben ausgeführt, legt der Senat eine tägliche Frequenz von sieben Toilettengängen zugrunde. Trotz der von Pflegefachkraft Ha. beschriebenen Mitwirkungsmöglichkeit des Klägers beim Waschen der Hand (Wasserhahn öffnen, Seife aufnehmen, Handtuch greifen, durch Bewegen der Finger Waschen und Abtrocknen unterstützen) verbleibt nachvollziehbar ein Fremdhilfebedarf, den der Senat, dem Gutachten von Dipl. Pflegewirt M. folgend, mit einer Minute pro Verrichtung ansetzt, mithin mit sieben Minuten täglich. In gleichem zeitlichem Umfang besteht ein Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung. Zutreffend hat das SG bereits darauf hingewiesen, dass sich dies maßgeblich auf die Handhabung von Verschlüssen und des Gürtels bezieht. Der von Dipl. Pflegewirt M. angesetzte Zeitwert von zwei Minuten pro Verrichtung entspräche bereits dem für eine volle Übernahme und ist daher nicht nachvollziehbar. Der Senat legt, insoweit in Übereinstimmung mit der Pflegefachkraft Ha. und Dr. R., einen täglichen Hilfebedarf von insgesamt sieben Minuten hierfür zugrunde. Der Hilfebedarf für die Körperpflege ist somit mit 23 Minuten täglich im Wochendurchschnitt anzusetzen. Im Bereich der Ernährung besteht ein Hilfebedarf nur in Form der Übernahme der mundgerechten Zubereitung fester Speisen. Unter Berücksichtigung von drei Haupt- und diabetesbedingt zwei Zwischenmahlzeiten erachtet der Senat die von den gerichtlichen Sachverständigen M. und Dr. R. angesetzten insgesamt acht Minuten (je zwei Minuten für die Haupt- und je eine Minute für die Zwischenmahlzeiten) als angemessen. Im Bereich der Mobilität besteht ein Hilfebedarf in Form der Unterstützung beim Transfer in die und aus der Badewanne von insgesamt zwei Minuten täglich. Zwar ist der Kläger in der Mobilität selbst insoweit nicht eingeschränkt und kann selbständig hinein- und hinaussteigen. Wegen der Unsicherheit beim Festhalten mit nur einer Hand ist der Hilfebedarf in diesem Umfang aber nachvollziehbar. Beim An- und Auskleiden benötigt der Kläger nachvollziehbar Hilfe beim Öffnen und Schließen von Verschlüssen sowie beim Anziehen von Strümpfen. Der von Dipl. Pflegewirt M. angenommene Hilfebedarf auch beim Ausziehen von Strümpfen ist nicht überzeugend begründet. Dass aufgrund der Hypertonie tatsächlich abendliche periphere Ödeme ("dicke Füße") auftreten, hat der Sachverständige nicht festgestellt. Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, dass solche – bei tatsächlichem Auftreten – ein einhändiges Ausziehen normaler Strümpfe ausschlössen. Zutreffend weist Pflegefachkraft Ha. darauf hin, dass der Kläger keine Kompressionsstrümpfe trägt. Der Senat berücksichtigt insoweit, der überzeugenden Darstellung der Pflegekräfte St. und Ha. folgend, für das Ankleiden drei und das Auskleiden eine Minute täglich. Dass dieser Hilfebedarf, wie von der gerichtlichen Sachverständigen angenommen, zweimal täglich bestehe, ist nicht überzeugend. Eine solche Notwendigkeit wird von ihnen auch nicht begründet. Sollte diese zumindest von Dr. R. aus der zweimaligen Oberkörperwäsche abgeleitet sein, stehen dem schon die oben genannten Gründe entgegen. Nach der Begutachtungs-Richtlinie beinhaltet das Ankleiden das Ausziehen der Nachtwäsche und umgekehrt. Eine zweimalige Berücksichtigung ist insoweit daher nicht möglich. Der Hilfebedarf für die Mobilität ist somit mit sechs Minuten täglich im Wochendurchschnitt anzusetzen.
Bei Diabetikern rechnen auch Blutzuckertests sowie die Gabe von Insulin sowohl als Basisinsulin als auch als Korrekturinsulin zu den Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen auch bei dem Kläger kein unmittelbarer Zusammenhang mit der "Aufnahme der Nahrung" im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI besteht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 – B 3 P 10/98 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 P 6/02 R –juris, Rn. 18; BSG, Urteil vom 28. September 2017 – B 3 P 3/16 R – juris, Rn. 21) und die daher nicht beim Grundpflegebedarf zu berücksichtigen sind.
Soweit Dr. R. die Zeitwerte für den Hilfebedarf bei den jeweiligen Verrichtungen wegen der depressiven Erkrankung jeweils erhöhte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Sachverständige führte zur Begründung aus, die depressive Erkrankung unterliege in ihrer Intensität Schwankungen. Dies wirke sich auf die vom Kläger bei der Pflege geleistete Mithilfe aus und sei in den bisherigen Gutachten nicht adäquat berücksichtigt worden. Für die durchschnittliche Bemessung der Pflegezeiten werde daher jeweils hälftig von "guten Tagen" mit höherer und "schlechten Tagen" mit geringerer Mithilfe ausgegangen. Dies lässt außer Acht, dass in den Gutachten der Pflegefachkräfte F. und St. unter Medikation keine Einschränkungen festgestellt wurden. Der Sachverständige selbst beschreibt im Befund lediglich eine depressive Grundstimmung und erfragte ein "Morgentief". Angaben zum behaupteten sozialen Rückzug sind nicht dokumentiert; ein Tagesablauf wurde nicht erfragt. Die Häufigkeit der "schlechten Tage" wurde ohne nachvollziehbare Grundlage mit der Hälfte angenommen. Dies lässt sich aus der bloßen Angabe, der Kläger müsse pro Monat für einige Tage mit der antidepressiven Medikation pausieren, gerade nicht ableiten. Jedenfalls hat der Sachverständige hierzu keine schlüssige Begründung abgegeben. Feststellungen zu den tatsächlich bestehenden Beeinträchtigungen an schlechten Tagen sind dem Gutachten nicht zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, worauf sich dessen Annahme über die Auswirkungen und deren Umfang bei der Mitwirkung bei der Pflege stützt.
Der Grundpflegebedarf liegt somit bei insgesamt 37 Minuten täglich im Wochendurchschnitt anzusetzen. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I liegen daher nicht vor.
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegegrad 2 ab 1. Januar 2017. Der Kläger besitzt auch mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2424) mit Wirkung zum 1. Januar 2017 nicht den geltend gemachten Anspruch. Die Voraussetzungen der Überleitung in die seit 1. Januar 2017 geltenden Pflegegrade sind nicht erfüllt.
Nach § 140 Abs. 2 Satz 1 SGB XI werden Versicherte der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflege-Pflichtversicherung, 1. bei denen das Vorliegen einer Pflegestufe im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung oder einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt worden ist und 2. bei denen spätestens am 31. Dezember 2016 alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung der Pflegeversicherung vorliegen, mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 ohne erneute Antragstellung und ohne erneute Begutachtung nach Maßgabe von Satz 3 einem Pflegegrad zugeordnet. Für die Zuordnung gelten nach § 140 Abs. 2 Satz 3 SGB XI die folgenden Kriterien: 1. Versicherte, bei denen eine Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, aber nicht zusätzlich eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurde, werden übergeleitet a) von Pflegestufe I in den Pflegegrad 2, b) von Pflegestufe II in den Pflegegrad 3, c) von Pflegestufe III in den Pflegegrad 4 oder d) von Pflegestufe III in den Pflegegrad 5, soweit die Voraussetzungen für Leistungen nach § 36 Abs. 4 oder § 43 Abs. 3 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurden; 2. Versicherte, bei denen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurde, werden übergeleitet a) bei nicht gleichzeitigem Vorliegen einer Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 2, b) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe I nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 3, c) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe II nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 4, d) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe III nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, auch soweit zusätzlich die Voraussetzungen für Leistungen nach § 36 Abs. 4 oder § 43 Abs. 3 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurden, in den Pflegegrad 5.
Das Vorliegen einer Pflegestufe im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI a.F. – wie bereits unter 3. a) ausgeführt – konnte der Senat nicht feststellen. Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI a.F. liegt nicht vor und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Der Kläger erfüllte am 31. Dezember 2016 nicht alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung der Pflegeversicherung. Damit scheidet auch eine Zuordnung zu Pflegegrad 2 aus.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
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