Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 P 2695/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2719/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I ab dem 19. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2016.
Der am 1963 geborene, bei der Beklagten sozial pflegeversicherte Kläger litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Wesensveränderung, kognitiven Einschränkungen, einer Antriebsminderung und aggressiven Tendenzen i.V.m. einem Zustand nach (Z.n.) Schädelhirntrauma 2003 mit Verdacht auf (V.a.) eine Commotio cerebri Januar 2014 sowie auf ein hirnorganisches Psychosyndrom.
Am 19. Juni 2015 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Geldleistungen der ambulanten Pflege unter Vorlage eines Befundberichts des Psychologischen Psychotherapeuten Dipl.-Psych. S. vom 15. Juni 2015.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Pflegefachkraft W., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), am 21. Juli 2015 aufgrund einer Untersuchung vom selben Tag ein Gutachten. Als pflegebegründende Diagnosen nannte sie ein Selbstversorgungsdefizit mit posttraumatischer Belastungsstörung mit Wesensveränderung, kognitiven Einschränkungen, Antriebsminderung und aggressiven Tendenzen, einen Z.n. Schädelhirntrauma 2003 und Schädelhirnverletzung im Januar 2014. Es bestehe eine eingeschränkte Alltagskompetenz bei demenzbedingter Fähigkeitsstörung, geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung. Hilfebedarf bestehe für die Anleitung bei der Ganzkörperwäsche, dem Baden, Zähneputzen und Kämmen, der vollen Übernahme des Rasierens, der Teilübernahme bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung sowie in Form der Anleitung bei deren Aufnahme, des Weiteren beim An- und Entkleiden (Teilübernahme, Anleitung und Unterstützung), beim Aufstehen und Zubettgehen (Teilübernahme und Anleitung) sowie der Teilübernahme beim Transfer in die Badewanne. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 24 Minuten täglich (Körperpflege zwölf Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität fünf Minuten).
Mit Bescheid vom 23. Juli 2015 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juni 2015 laufende Leistungen nach "Pflegestufe 0" in Höhe von EUR 123,00 monatlich sowie dem Grunde nach zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen bis zu EUR 208,00 monatlich und lehnte sinngemäß höheres Pflegegeld ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches machte der Kläger Hilfebedarfe beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Rasieren, der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, beim An- und Auskleiden sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche geltend.
Daraufhin wurde ein am 19. Januar 2016 aufgrund einer Untersuchung am selben Tag erstelltes Gutachten der Pflegefachkraft I., MDK, eingeholt, in dem diese die pflegebegründende Diagnose und im Wesentlichen den im Gutachten der Pflegefachkraft W. beschriebenen Grundpflegebedarf bestätigte. Lediglich bei der Zahnpflege wurde ein Hilfebedarf auch in Form der Teilübernahme mit insgesamt drei Minuten zusätzlich berücksichtigt (Grundpflegebedarf insgesamt 27 Minuten).
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Hilfebedarf erreiche nicht den für Leistungen der Pflegestufe I erforderlichen Umfang von mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt.
Hiergegen erhob der Kläger am 9. August 2016 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er Leistungen nach "einer Pflegestufe von mindestens 1" begehrte. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Mu. bestätige gutachterlich (dazu unten) einen Grundpflegebedarf von 50 Minuten täglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der von Dr. Mu. angesetzte Hilfebedarf bei der Ernährung sei zu hoch bemessen, da der Kläger auch nach den dortigen Feststellungen motorisch gesehen selbst essen könne und lediglich Anleitung oder Erinnerung daran benötige. Eine Notwendigkeit, das Kleinschneiden der Nahrung zu übernehmen, sei nicht beschrieben, bei erforderlicher Aufforderung hierzu sei der anfallende Zeitbedarf geringer zu bewerten. Die berücksichtigte Reinigung der Toilette gehöre nicht zu den maßgeblichen Verrichtungen der Grundpflege. Der gerichtliche Sachverständige verkenne, dass der Kläger aufgrund seiner eingeschränkten Alltagskompetenz bereits – zum 1. Januar 2017 erhöhte – monatliche Leistungen erhalte.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sc. teilte unter dem 29. Dezember 2016 mit, den Kläger nur einmalig zur Klärung anamnestischer Fragen ohne Befunderhebung gesehen zu haben, und legte den vorläufigen Entlassungsbericht der Assistenzärztin Ha. über den stationären Aufenthalt vom 17. März bis 20. April 2016 in einem Psychiatrischen Zentrum vom 20. April 2016 (V.a. organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma) vor. Nervenarzt Dr. U. legte eine an die Agentur für Arbeit gerichtete Stellungnahme vom 11. Januar 2016 vor (V.a. histrionische Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung).
Sodann bestellte das SG Dr. Mu. zum Sachverständigen. Dieser beschrieb in seinem aufgrund eines Hausbesuchs am 1. Februar 2017 unter dem 6. Februar 2017 erstatteten Gutachten einen Grundpflegebedarf von 50 (richtig 46) Minuten täglich (Körperpflege 15 Minuten; Ernährung 27 [korrekt summiert 23] Minuten; Mobilität acht Minuten). Beim Kläger bestehe ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma, eine Hypertonie und chronische Kopfschmerzen. Generell seien Anleitungen bzgl. der Hygiene wegen Vergesslichkeit und Fehleinschätzungen nötig. Der Kläger habe unterschiedliche Tagesformen und dabei an schlechten Tagen einen deutlich höheren Motivations-, Anregungs- und Beaufsichtigungsbedarf. Er müsse zu Verrichtungen der Grundpflege aufgefordert werden; aus motorischer Sicht könne er diese tatsächlich ausführen und müsse nicht unterstützt werden. Die kognitiven und mnestischen Einschränkungen und die ausgeprägten Antriebsstörungen seien in den Gutachten der Pflegekräfte W. und I. nicht ausreichend gewürdigt worden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28. April 2017 korrigierte Dr. Mu. den Additionsfehler im Bereich der Ernährung, hielt aber in Auseinandersetzung mit den Einwänden der Beklagten an einem Grundpflegebedarf von insgesamt 46 Minuten täglich fest.
Mit Urteil vom 29. Juni 2017 wies das SG die Klage ab. Beim Kläger sei der nach dem noch anzuwendenden, bis 31. Dezember 2016 geltenden Recht für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich mehr als 45 Minuten seit Antragstellung nicht erreicht. Der von Dr. Mu. angesetzte Hilfebedarf beim Reinigen der Toilette sei der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen und könne daher nicht bei der Grundpflege berücksichtigt werden. Des Weiteren sei bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung nur ein Hilfebedarf von drei Minuten täglich angemessen. Der Grundpflegebedarf betrage daher lediglich 41 Minuten.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 12. Juli 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und Pflegegeld nach Pflegestufe I geltend gemacht. Zur Begründung hat er auf das Gutachten von Dr. Mu. und eine – beigelegte – versorgungsärztliche Stellungnahme vom 25. Juli 2017 über das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms bei Z.n. Schädelhirntrauma 2003 und Schädel-Hirn-Verletzung 2014 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 ab 30. Juli 2015 und Merkzeichen "G" und "B" verwiesen.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016 zu verurteilen, ihm ab dem 19. Juni 2015 bis 31. Dezember 2016 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und darauf hingewiesen, dass der Kläger seit dem 1. Januar 2017 Leistungen (Pflegegeld) nach Pflegegrad 2 erhalte.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da der Kläger die Gewährung von Pflegegeld für einen Zeitraum für mehr als einem Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 19. Juni 2015 (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI]) bis 31. Dezember 2016. Ziel der ursprünglich erhobenen Klage war die Gewährung laufenden Pflegegeldes "mindestens" nach Pflegestufe I, wie in erster Instanz schriftsätzlich vom damaligen Prozessbevollmächtigten beantragt. Während des laufenden Klageverfahrens erfolgte zum 1. Januar 2017 die Überleitung der "Pflegestufe 0" mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz in laufendes Pflegegeld nach Pflegegrad 2 (§ 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB XI). In der Berufungsbegründung vom 14. September 2017 beantragte der zu diesem Zeitpunkt noch rechtkundig vertretene Kläger ausdrücklich die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I. Höheres Pflegegeld als das ab dem 1. Januar 2017 bereits nach Pflegegrad 2 bewilligte beantragte er gerade nicht, auch nicht auf gerichtlichen Hinweis auf diese Gewährung. Streitbefangen ist der Bescheid vom 23. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I für die Zeit vom 19. Juni 2015 bis 31. Dezember 2016. Da der Kläger seinen Antrag auf Pflegegeld am 19. Juni 2015, mithin vor dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sein Anspruch nach den Vorschriften des SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (SGB XI a.F.).
a) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI a.F.) der Hilfe bedürfen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI a.F. Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI a.F.).
Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI a.F.), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI a.F.) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI a.F.). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI a.F. stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I liegen beim Kläger im Zeitraum vom 19. Juni 2015 bis 31. Dezember 2016 nicht vor.
aa) Beim Kläger bestanden im streitbefangenen Zeitraum psychische Leistungs- und Funktionseinschränkungen, die im Zeitablauf unterschiedlich diagnostisch gefasst wurden: zunächst posttraumatische Belastungsstörung mit Wesensveränderung nach Schädelhirntrauma 2003 und Schädelhirnverletzung im Januar 2014 (Gutachten der Pflegekräfte W. und I. aufgrund beigezogener ärztlicher Unterlagen), später V.a. histrionische Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung (Dr. U.), schließlich V.a. hirnorganisches Psychosyndrom mit Z.n. Schädelhirntrauma (Ärztin Ha.; Dr. Mu.). Die genaue diagnostische Zuordnung ist für die maßgebliche Bestimmung des Hilfebedarfs in der Grundpflege nicht entscheidend. Aufgrund der übereinstimmenden Feststellungen in den Gutachten der Pflegekräfte W. und I. (zur Zulässigkeit der Verwertung der vom MDK erstatteten Gutachten: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 12 f.; allgemein zum Urkundsbeweis vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51), in der Stellungnahme von Dr. U., im Gutachten von Dr. Mu. und in den übrigen vorgelegten ärztlichen Unterlagen steht für den Senat fest, dass beim Kläger im streitbefangenen Zeitraum eine Wesensveränderung mit (verbal-)aggressiven Tendenzen, eine Antriebsminderung sowie kognitive Einschränkungen vorlagen. Bereits nach den Feststellungen der Pflegefachkraft W. war der Kläger zwar zur Person und örtlich orientiert, zeitlich hingegen nur unscharf und zur Situation nicht. Der Denkvorgang war verlangsamt. Zunehmende Vergesslichkeit, depressive Verstimmung, Antriebsminderung, Interesselosigkeit, schnelle Ermüdbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen wurden berichtet. Bei komplexen Gesprächszusammenhängen, Veränderungen und besonderen Anforderungen im Alltag zeigte sich der Kläger schnell überfordert. Phasenweise bestanden Orientierungsstörungen und Angstzustände. Der Kläger reagierte bei Überforderung und Unverständnis häufig verbal aggressiv, teilweise nur eingeschränkt kooperativ. Er vergaß Körperpflege und Hygiene, benötigte Unterstützung bei der Tagesstrukturierung sowie viel Anleitung und Motivation. Jedenfalls ab Januar 2016 erfolgte eine Medikation mit einem stimmungsaufhellenden und sedierenden Antidepressivum sowie eine Psychotherapie. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der Pflegefachkraft I ... Eine Anpassung der Therapie wurde während und in Folge des stationären Aufenthalts im Psychiatrischen Zentrum vorgenommen. Dies führte zu einer Besserung der Reizbarkeit, der inneren Unruhe und der Schlafstörungen, nicht aber der kognitiven Defizite. Dies entnimmt der Senat dem vorläufigen Entlassungsbericht der Ärztin Ha. sowie dem Gutachten von Dr. Mu ... Örtliche Orientierungsstörungen beschreibt allerdings auch dieser nur außerhalb der Wohnung über den gewohnten Nahbereich hinaus. Innerhalb der Wohnung konnte sich der Kläger uneingeschränkt selbständig fortbewegen. Die daneben vorliegende Hypertonie und die chronischen Kopfschmerzen sind für die Bestimmung des Pflegebedarfs nicht relevant. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten von Dr. Mu., der insoweit keinen darauf resultierenden Hilfebedarf aufzeigt. Körperliche Gesundheitsstörungen, die pflegerelevante Funktionseinschränkungen begründeten, lagen nicht vor. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Befundbeschreibungen der Gutachten der Pflegekräfte W. und I. sowie des Gutachtens von Dr. Mu ... Ausdrücklich stellte dieser klar, dass der Kläger die Verrichtungen der Grundpflege aus motorischer Sicht tatsächlich ausführen konnte und nicht unterstützt werden musste.
bb) Aus den genannten Gesundheitsstörungen folgen im streitbefangenen Zeitraum verschiedene funktionelle Beeinträchtigungen des Klägers, die einen Grundpflegebedarf begründen. Der Hilfebedarf bestand ganz überwiegend in der Aufforderung und Anleitung des Klägers, Verrichtungen der Grundpflege überhaupt auszuführen. Wie bereits dargelegt, war der Kläger motorisch in der Lage, jegliche Grundpflegeverrichtung selbst vorzunehmen. Lediglich beim Transfer in die und aus der Badewanne zum Duschen sowie tagesformabhängig beim Anziehen von Socken und Schuhen und dem Knöpfen der Bekleidung benötigte er personelle Hilfe bei der eigentlichen Durchführung. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Pflegekräfte W. und I. sowie von Dr. Mu ... Soweit dem Kläger feste Speisen tatsächlich mundgerecht zerkleinert wurden, bestand für eine solche Übernahme keine Notwendigkeit. Auch Dr. Mu. begründete eine solche nicht. Wegen der Vergesslichkeit und der Antriebslosigkeit musste der Kläger zu den Grundpflegeverrichtungen aufgefordert werden, da er sie ansonsten nicht vorgenommen hätte. Dies galt für das Waschen/Duschen, die Zahnpflege (Prothesenreinigung) und das Rasieren, das Aufstehen und Zubettgehen sowie das An- und Auskleiden einschließlich dem regelmäßigen Kleidungswechsels. Nachvollziehbar wies Dr. Mu. darauf hin, dass dieser Hilfebedarf tagesformabhängig schwankte. An "schlechten" Tage hatte der Kläger einen höheren Motivationsbedarf. Des Weiteren reagierte er bei Überforderung und Unverständnis häufig verbal aggressiv und teilweise nur eingeschränkt kooperativ. Überwiegend zeigte er sich nach Aufforderung aber kooperativ und war in der Lage, Aufforderungen adäquat umzusetzen. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Pflegekräfte W. und I ... Die Annahme von Dr. Mu., vor der Umstellung insbesondere der antidepressiven Medikation sei die Kooperationsfähigkeit des Klägers weitergehend eingeschränkt gewesen als zum Zeitpunkt seiner Begutachtung, findet in diesen beiden Gutachten gerade keine Stütze. Teilweise auftretende verbale Aggressionen und fehlende Kooperation wurden von den gutachtenden Pflegekräften aber bereits berücksichtigt. Dass nach der Aufforderung keine Pflegeperson anwesend sein musste, um den Kläger weiterhin aufzufordern, die Verrichtungen weiterzuführen, bestätigte auch Dr. Mu. ausdrücklich. Zur Aufnahme der Nahrung bei drei Haupt- und einer Zwischenmahlzeit musste der Kläger ebenfalls aufgefordert und strukturierend angeleitet werden. Dies entnimmt der Senat der anschaulichen Darstellung von Dr. Mu ... Bereits Pflegefachkraft W. hatte darauf hingewiesen, dass der Kläger bei reduziertem Appetit und Durstempfinden zum ausreichenden Essen und Trinken regelmäßig aufgefordert werden musste. Eine Notwendigkeit eines zusätzlichen Hilfebedarfs beim Waschen über die tägliche Ganzkörperwäsche bzw. das diese ersetzende Duschen hinaus, besteht nicht. Der von Dr. Mu. insoweit angesetzte Hilfebedarf wird auch von diesem nicht begründet.
cc) Der sich daraus ergebende Gesamtgrundpflegebedarf überschritt im streitbefangenen Zeitraum nicht, wie für Pflegestufe I erforderlich, 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt.
Soweit Dr. Mu. für den Hilfebedarf beim Waschen fünf Minuten täglich berücksichtigte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Für eine Gesamtkörperwäsche setzte dieser einen Hilfebedarf von drei Minuten täglich, also 21 Minuten wöchentlich, an. Da aber die Gesamtkörperwäsche dreimal wöchentlich durch Duschen ersetzt wurde, entfielen bei drei Minuten im Wochendurchschnitt auf die einzelne Verrichtung (21/4) mehr als vier Minuten täglich. Dies ist unter Berücksichtigung auch "schlechterer Tage", an denen der Kläger "schwerer führbar" war, nicht nachvollziehbar, zumal der Hilfebedarf auch dann lediglich in der Aufforderung zur Vornahme bestand. Ausdrücklich bestätigte auch Dr. Mu., dass keine Pflegeperson anwesend sein musste, um an seiner Seite zu stehen und ihn weiterhin aufzufordern, die Verrichtungen weiterzuführen. Ohnehin ist bereits den Gutachten der Pflegefachkräfte W. und I. zu entnehmen, dass der Kläger überwiegend kooperativ war. Der Senat legt daher zugunsten des Klägers die vom gerichtlichen Sachverständigen angesetzten drei Minuten pro Verrichtung zugrunde, so dass im Wochendurchschnitt (3*4/7 = 1,7) zwei Minuten täglich zu berücksichtigen sind. Der Bedarf einer zusätzlichen Wäsche bestand aus genannten Gründen nicht. Beim Duschen setzt der Senat den von Dr. Mu. beschriebenen Hilfebedarf von zehn Minuten pro Verrichtung an, da neben der Aufforderung hier nachvollziehbar ein Hilfebedarf auch in Form der Unterstützung und der Beaufsichtigung wegen wiederholt auftretendem Schwindel erforderlich war. Bei dreimaliger Durchführung pro Woche ergibt dies einen täglich Hilfebedarf von fünf Minuten täglich (3*10/7 = 4,3). Den Hilfebedarf bei der Zahnpflege berücksichtigt der Senat unter Berücksichtigung der erforderlichen Prothesenreinigung, dem Gutachten der Pflegefachkraft I. folgend, mit drei Minuten täglich. Weiter bestand ein Hilfebedarf in Form der Anleitung beim Kämmen sowie beim Rasieren von jeweils einer Minute täglich. Beim letzterem ist zu berücksichtigen, dass dieser Hilfebedarf nicht täglich anfiel, sondern nach den eigenen Angaben des Klägers im Widerspruch zweimal wöchentlich, so dass im Wochendurchschnitt eine Minute angemessen ist. Ein Hilfebedarf beim Toilettengang bestand hingegen nicht. Der Kläger benötigte hierzu nach übereinstimmender Feststellung in allen vorliegenden Gutachten auch keinerlei Aufforderung. Der Kläger nahm diese vollständig selbständig wahr. Der von Dr. Mu. angegebene Hilfebedarf von zwei Minuten täglich allein für eine gegebenenfalls erforderliche Aufforderung zur Säuberung der Toilette ist daher schon tatsächlich nicht nachvollziehbar. Auch aus rechtlichen Gründen ist eine Berücksichtigung ausgeschlossen. Nach der Begutachtungs-Richtlinie ist das Entleeren und Säubern eines Toilettenstuhls bzw. eines Stechbeckens oder das Entleeren/Wechseln eines Urinbeutels zu berücksichtigen, nicht aber die Säuberung einer normalen mit Spülung versehenen Toilette. Dies unterfällt der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der Hilfebedarf bei der Körperpflege betrug insgesamt zwölf Minuten täglich.
Im Bereich der Ernährung folgt der Senat dem von Dr. Mu. beschriebenen Hilfebedarf bei der Aufnahme der Nahrung. Der Kläger muss dabei wegen des fehlenden Durst- und Hungergefühls wiederholt und regelmäßig zum Trinken und Essen aufgefordert werden. Darauf hatte bereits Pflegefachkraft W. hingewiesen. Der vom gerichtlichen Sachverständigen berücksichtigte zeitliche Bedarf von je vier Minuten für insgesamt drei Haupt- und drei Minuten für eine Zwischenmahlzeit (insgesamt 15 Minuten) täglich ist daher überzeugend. Die von ihm angesetzten acht Minuten für das mundgerechte Zubereiten sind hingegen nicht nachvollziehbar. Dies entspräche mit zwei Minuten pro Mahlzeit bereits dem Zeitwert für die volle Übernahme. Eine solche ist aber nicht notwendig. Wie in den Gutachten der Pflegefachkräfte W. und I. angeführt, ist insoweit nur ein Hilfebedarf von drei Minuten täglich zu berücksichtigen (Ernährung insgesamt 18 Minuten täglich).
Im Bereich der Mobilität bestand ein Hilfebedarf beim Stehen beim Transfer in die und aus der Badewanne zum Duschen. Der Senat berücksichtigt den von Dr. Mu. angesetzten Zeitwert je Transfer, da hier bei bestehender Unsicherheit auch ein Unterstützungsbedarf bestand. Im Wochendurchschnitt (2*2*3/7) ergibt dies einen Hilfebedarf von zwei Minuten täglich. Zugunsten des Klägers übernimmt der Senat des Weiteren den vom gerichtlichen Sachverständigen im Übrigen beschriebenen Hilfebedarf beim An- und Auskleiden in Form der Anleitung und dem Bereitlegen frischer Bekleidung von zusammen vier Minuten täglich sowie den von den Pflegefachkräften W. und I. angeführten Hilfebedarf in Form der Aufforderung zum Aufstehen von einer Minute täglich. Nicht zu berücksichtigen ist ein Hilfebedarf beim Verlassung und Wiederaufsuchen der Wohnung, insbesondere im Rahmen der im Widerspruch angeführten Arztbesuche. Beim Verlassung und Wiederaufsuchen der Wohnung sind berücksichtigungsfähig nur solche Verrichtungen außerhalb der Wohnung, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind. Erfasst sind damit solche auswärtigen Termine, die Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim vermeiden und die das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen. Dies ist gegeben beim Besuch von Ärzten oder bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, wenn sie zur Behandlung einer Krankheit ärztlich verordnet worden sind (BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 P 6/02 R –, juris Rn. 17). Zu berücksichtigen sind solche Termine nur, wenn sie regelmäßig mindestens einmal wöchentlich anstehen (vgl. § 15 Abs. 3 SGB XI a.F.). Solche wöchentlichen Termine fielen beim Kläger im streitbefangenen Zeitraum jedoch nicht an. Dem Gutachten der Pflegefachkraft W. ist zu entnehmen, dass wöchentliche Arzt- oder sonstige Behandlungstermine nicht stattfanden. Die Psychotherapie nahm der Kläger nur alle zwei Wochen wahr. Nach den Feststellungen von Dr. Mu. fanden Arztbesuche beim Hausarzt und beim Neurologen ein- bis zweimal im Quartal statt. Auch der Kläger gab in der dem SG vorgelegten Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht die Arztbesuche mit einer Häufigkeit von ein- bis zweimal im Quartal an. Der Hilfebedarf im Bereich der Mobilität belief sich daher auf neun Minuten täglich, der Grundpflegebedarf insgesamt auf 39 Minuten täglich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I ab dem 19. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2016.
Der am 1963 geborene, bei der Beklagten sozial pflegeversicherte Kläger litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Wesensveränderung, kognitiven Einschränkungen, einer Antriebsminderung und aggressiven Tendenzen i.V.m. einem Zustand nach (Z.n.) Schädelhirntrauma 2003 mit Verdacht auf (V.a.) eine Commotio cerebri Januar 2014 sowie auf ein hirnorganisches Psychosyndrom.
Am 19. Juni 2015 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Geldleistungen der ambulanten Pflege unter Vorlage eines Befundberichts des Psychologischen Psychotherapeuten Dipl.-Psych. S. vom 15. Juni 2015.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Pflegefachkraft W., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), am 21. Juli 2015 aufgrund einer Untersuchung vom selben Tag ein Gutachten. Als pflegebegründende Diagnosen nannte sie ein Selbstversorgungsdefizit mit posttraumatischer Belastungsstörung mit Wesensveränderung, kognitiven Einschränkungen, Antriebsminderung und aggressiven Tendenzen, einen Z.n. Schädelhirntrauma 2003 und Schädelhirnverletzung im Januar 2014. Es bestehe eine eingeschränkte Alltagskompetenz bei demenzbedingter Fähigkeitsstörung, geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung. Hilfebedarf bestehe für die Anleitung bei der Ganzkörperwäsche, dem Baden, Zähneputzen und Kämmen, der vollen Übernahme des Rasierens, der Teilübernahme bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung sowie in Form der Anleitung bei deren Aufnahme, des Weiteren beim An- und Entkleiden (Teilübernahme, Anleitung und Unterstützung), beim Aufstehen und Zubettgehen (Teilübernahme und Anleitung) sowie der Teilübernahme beim Transfer in die Badewanne. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege belaufe sich auf insgesamt 24 Minuten täglich (Körperpflege zwölf Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität fünf Minuten).
Mit Bescheid vom 23. Juli 2015 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juni 2015 laufende Leistungen nach "Pflegestufe 0" in Höhe von EUR 123,00 monatlich sowie dem Grunde nach zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen bis zu EUR 208,00 monatlich und lehnte sinngemäß höheres Pflegegeld ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches machte der Kläger Hilfebedarfe beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Rasieren, der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, beim An- und Auskleiden sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche geltend.
Daraufhin wurde ein am 19. Januar 2016 aufgrund einer Untersuchung am selben Tag erstelltes Gutachten der Pflegefachkraft I., MDK, eingeholt, in dem diese die pflegebegründende Diagnose und im Wesentlichen den im Gutachten der Pflegefachkraft W. beschriebenen Grundpflegebedarf bestätigte. Lediglich bei der Zahnpflege wurde ein Hilfebedarf auch in Form der Teilübernahme mit insgesamt drei Minuten zusätzlich berücksichtigt (Grundpflegebedarf insgesamt 27 Minuten).
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Hilfebedarf erreiche nicht den für Leistungen der Pflegestufe I erforderlichen Umfang von mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt.
Hiergegen erhob der Kläger am 9. August 2016 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er Leistungen nach "einer Pflegestufe von mindestens 1" begehrte. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Mu. bestätige gutachterlich (dazu unten) einen Grundpflegebedarf von 50 Minuten täglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der von Dr. Mu. angesetzte Hilfebedarf bei der Ernährung sei zu hoch bemessen, da der Kläger auch nach den dortigen Feststellungen motorisch gesehen selbst essen könne und lediglich Anleitung oder Erinnerung daran benötige. Eine Notwendigkeit, das Kleinschneiden der Nahrung zu übernehmen, sei nicht beschrieben, bei erforderlicher Aufforderung hierzu sei der anfallende Zeitbedarf geringer zu bewerten. Die berücksichtigte Reinigung der Toilette gehöre nicht zu den maßgeblichen Verrichtungen der Grundpflege. Der gerichtliche Sachverständige verkenne, dass der Kläger aufgrund seiner eingeschränkten Alltagskompetenz bereits – zum 1. Januar 2017 erhöhte – monatliche Leistungen erhalte.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sc. teilte unter dem 29. Dezember 2016 mit, den Kläger nur einmalig zur Klärung anamnestischer Fragen ohne Befunderhebung gesehen zu haben, und legte den vorläufigen Entlassungsbericht der Assistenzärztin Ha. über den stationären Aufenthalt vom 17. März bis 20. April 2016 in einem Psychiatrischen Zentrum vom 20. April 2016 (V.a. organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma) vor. Nervenarzt Dr. U. legte eine an die Agentur für Arbeit gerichtete Stellungnahme vom 11. Januar 2016 vor (V.a. histrionische Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung).
Sodann bestellte das SG Dr. Mu. zum Sachverständigen. Dieser beschrieb in seinem aufgrund eines Hausbesuchs am 1. Februar 2017 unter dem 6. Februar 2017 erstatteten Gutachten einen Grundpflegebedarf von 50 (richtig 46) Minuten täglich (Körperpflege 15 Minuten; Ernährung 27 [korrekt summiert 23] Minuten; Mobilität acht Minuten). Beim Kläger bestehe ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma, eine Hypertonie und chronische Kopfschmerzen. Generell seien Anleitungen bzgl. der Hygiene wegen Vergesslichkeit und Fehleinschätzungen nötig. Der Kläger habe unterschiedliche Tagesformen und dabei an schlechten Tagen einen deutlich höheren Motivations-, Anregungs- und Beaufsichtigungsbedarf. Er müsse zu Verrichtungen der Grundpflege aufgefordert werden; aus motorischer Sicht könne er diese tatsächlich ausführen und müsse nicht unterstützt werden. Die kognitiven und mnestischen Einschränkungen und die ausgeprägten Antriebsstörungen seien in den Gutachten der Pflegekräfte W. und I. nicht ausreichend gewürdigt worden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28. April 2017 korrigierte Dr. Mu. den Additionsfehler im Bereich der Ernährung, hielt aber in Auseinandersetzung mit den Einwänden der Beklagten an einem Grundpflegebedarf von insgesamt 46 Minuten täglich fest.
Mit Urteil vom 29. Juni 2017 wies das SG die Klage ab. Beim Kläger sei der nach dem noch anzuwendenden, bis 31. Dezember 2016 geltenden Recht für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich mehr als 45 Minuten seit Antragstellung nicht erreicht. Der von Dr. Mu. angesetzte Hilfebedarf beim Reinigen der Toilette sei der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen und könne daher nicht bei der Grundpflege berücksichtigt werden. Des Weiteren sei bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung nur ein Hilfebedarf von drei Minuten täglich angemessen. Der Grundpflegebedarf betrage daher lediglich 41 Minuten.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 12. Juli 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und Pflegegeld nach Pflegestufe I geltend gemacht. Zur Begründung hat er auf das Gutachten von Dr. Mu. und eine – beigelegte – versorgungsärztliche Stellungnahme vom 25. Juli 2017 über das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms bei Z.n. Schädelhirntrauma 2003 und Schädel-Hirn-Verletzung 2014 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 ab 30. Juli 2015 und Merkzeichen "G" und "B" verwiesen.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016 zu verurteilen, ihm ab dem 19. Juni 2015 bis 31. Dezember 2016 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und darauf hingewiesen, dass der Kläger seit dem 1. Januar 2017 Leistungen (Pflegegeld) nach Pflegegrad 2 erhalte.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da der Kläger die Gewährung von Pflegegeld für einen Zeitraum für mehr als einem Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 19. Juni 2015 (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI]) bis 31. Dezember 2016. Ziel der ursprünglich erhobenen Klage war die Gewährung laufenden Pflegegeldes "mindestens" nach Pflegestufe I, wie in erster Instanz schriftsätzlich vom damaligen Prozessbevollmächtigten beantragt. Während des laufenden Klageverfahrens erfolgte zum 1. Januar 2017 die Überleitung der "Pflegestufe 0" mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz in laufendes Pflegegeld nach Pflegegrad 2 (§ 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB XI). In der Berufungsbegründung vom 14. September 2017 beantragte der zu diesem Zeitpunkt noch rechtkundig vertretene Kläger ausdrücklich die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I. Höheres Pflegegeld als das ab dem 1. Januar 2017 bereits nach Pflegegrad 2 bewilligte beantragte er gerade nicht, auch nicht auf gerichtlichen Hinweis auf diese Gewährung. Streitbefangen ist der Bescheid vom 23. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I für die Zeit vom 19. Juni 2015 bis 31. Dezember 2016. Da der Kläger seinen Antrag auf Pflegegeld am 19. Juni 2015, mithin vor dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sein Anspruch nach den Vorschriften des SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (SGB XI a.F.).
a) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI a.F.) der Hilfe bedürfen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI a.F. Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI a.F.).
Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI a.F.), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI a.F.) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI a.F.). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI a.F. stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I liegen beim Kläger im Zeitraum vom 19. Juni 2015 bis 31. Dezember 2016 nicht vor.
aa) Beim Kläger bestanden im streitbefangenen Zeitraum psychische Leistungs- und Funktionseinschränkungen, die im Zeitablauf unterschiedlich diagnostisch gefasst wurden: zunächst posttraumatische Belastungsstörung mit Wesensveränderung nach Schädelhirntrauma 2003 und Schädelhirnverletzung im Januar 2014 (Gutachten der Pflegekräfte W. und I. aufgrund beigezogener ärztlicher Unterlagen), später V.a. histrionische Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung (Dr. U.), schließlich V.a. hirnorganisches Psychosyndrom mit Z.n. Schädelhirntrauma (Ärztin Ha.; Dr. Mu.). Die genaue diagnostische Zuordnung ist für die maßgebliche Bestimmung des Hilfebedarfs in der Grundpflege nicht entscheidend. Aufgrund der übereinstimmenden Feststellungen in den Gutachten der Pflegekräfte W. und I. (zur Zulässigkeit der Verwertung der vom MDK erstatteten Gutachten: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 12 f.; allgemein zum Urkundsbeweis vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51), in der Stellungnahme von Dr. U., im Gutachten von Dr. Mu. und in den übrigen vorgelegten ärztlichen Unterlagen steht für den Senat fest, dass beim Kläger im streitbefangenen Zeitraum eine Wesensveränderung mit (verbal-)aggressiven Tendenzen, eine Antriebsminderung sowie kognitive Einschränkungen vorlagen. Bereits nach den Feststellungen der Pflegefachkraft W. war der Kläger zwar zur Person und örtlich orientiert, zeitlich hingegen nur unscharf und zur Situation nicht. Der Denkvorgang war verlangsamt. Zunehmende Vergesslichkeit, depressive Verstimmung, Antriebsminderung, Interesselosigkeit, schnelle Ermüdbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen wurden berichtet. Bei komplexen Gesprächszusammenhängen, Veränderungen und besonderen Anforderungen im Alltag zeigte sich der Kläger schnell überfordert. Phasenweise bestanden Orientierungsstörungen und Angstzustände. Der Kläger reagierte bei Überforderung und Unverständnis häufig verbal aggressiv, teilweise nur eingeschränkt kooperativ. Er vergaß Körperpflege und Hygiene, benötigte Unterstützung bei der Tagesstrukturierung sowie viel Anleitung und Motivation. Jedenfalls ab Januar 2016 erfolgte eine Medikation mit einem stimmungsaufhellenden und sedierenden Antidepressivum sowie eine Psychotherapie. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der Pflegefachkraft I ... Eine Anpassung der Therapie wurde während und in Folge des stationären Aufenthalts im Psychiatrischen Zentrum vorgenommen. Dies führte zu einer Besserung der Reizbarkeit, der inneren Unruhe und der Schlafstörungen, nicht aber der kognitiven Defizite. Dies entnimmt der Senat dem vorläufigen Entlassungsbericht der Ärztin Ha. sowie dem Gutachten von Dr. Mu ... Örtliche Orientierungsstörungen beschreibt allerdings auch dieser nur außerhalb der Wohnung über den gewohnten Nahbereich hinaus. Innerhalb der Wohnung konnte sich der Kläger uneingeschränkt selbständig fortbewegen. Die daneben vorliegende Hypertonie und die chronischen Kopfschmerzen sind für die Bestimmung des Pflegebedarfs nicht relevant. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten von Dr. Mu., der insoweit keinen darauf resultierenden Hilfebedarf aufzeigt. Körperliche Gesundheitsstörungen, die pflegerelevante Funktionseinschränkungen begründeten, lagen nicht vor. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Befundbeschreibungen der Gutachten der Pflegekräfte W. und I. sowie des Gutachtens von Dr. Mu ... Ausdrücklich stellte dieser klar, dass der Kläger die Verrichtungen der Grundpflege aus motorischer Sicht tatsächlich ausführen konnte und nicht unterstützt werden musste.
bb) Aus den genannten Gesundheitsstörungen folgen im streitbefangenen Zeitraum verschiedene funktionelle Beeinträchtigungen des Klägers, die einen Grundpflegebedarf begründen. Der Hilfebedarf bestand ganz überwiegend in der Aufforderung und Anleitung des Klägers, Verrichtungen der Grundpflege überhaupt auszuführen. Wie bereits dargelegt, war der Kläger motorisch in der Lage, jegliche Grundpflegeverrichtung selbst vorzunehmen. Lediglich beim Transfer in die und aus der Badewanne zum Duschen sowie tagesformabhängig beim Anziehen von Socken und Schuhen und dem Knöpfen der Bekleidung benötigte er personelle Hilfe bei der eigentlichen Durchführung. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Pflegekräfte W. und I. sowie von Dr. Mu ... Soweit dem Kläger feste Speisen tatsächlich mundgerecht zerkleinert wurden, bestand für eine solche Übernahme keine Notwendigkeit. Auch Dr. Mu. begründete eine solche nicht. Wegen der Vergesslichkeit und der Antriebslosigkeit musste der Kläger zu den Grundpflegeverrichtungen aufgefordert werden, da er sie ansonsten nicht vorgenommen hätte. Dies galt für das Waschen/Duschen, die Zahnpflege (Prothesenreinigung) und das Rasieren, das Aufstehen und Zubettgehen sowie das An- und Auskleiden einschließlich dem regelmäßigen Kleidungswechsels. Nachvollziehbar wies Dr. Mu. darauf hin, dass dieser Hilfebedarf tagesformabhängig schwankte. An "schlechten" Tage hatte der Kläger einen höheren Motivationsbedarf. Des Weiteren reagierte er bei Überforderung und Unverständnis häufig verbal aggressiv und teilweise nur eingeschränkt kooperativ. Überwiegend zeigte er sich nach Aufforderung aber kooperativ und war in der Lage, Aufforderungen adäquat umzusetzen. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Pflegekräfte W. und I ... Die Annahme von Dr. Mu., vor der Umstellung insbesondere der antidepressiven Medikation sei die Kooperationsfähigkeit des Klägers weitergehend eingeschränkt gewesen als zum Zeitpunkt seiner Begutachtung, findet in diesen beiden Gutachten gerade keine Stütze. Teilweise auftretende verbale Aggressionen und fehlende Kooperation wurden von den gutachtenden Pflegekräften aber bereits berücksichtigt. Dass nach der Aufforderung keine Pflegeperson anwesend sein musste, um den Kläger weiterhin aufzufordern, die Verrichtungen weiterzuführen, bestätigte auch Dr. Mu. ausdrücklich. Zur Aufnahme der Nahrung bei drei Haupt- und einer Zwischenmahlzeit musste der Kläger ebenfalls aufgefordert und strukturierend angeleitet werden. Dies entnimmt der Senat der anschaulichen Darstellung von Dr. Mu ... Bereits Pflegefachkraft W. hatte darauf hingewiesen, dass der Kläger bei reduziertem Appetit und Durstempfinden zum ausreichenden Essen und Trinken regelmäßig aufgefordert werden musste. Eine Notwendigkeit eines zusätzlichen Hilfebedarfs beim Waschen über die tägliche Ganzkörperwäsche bzw. das diese ersetzende Duschen hinaus, besteht nicht. Der von Dr. Mu. insoweit angesetzte Hilfebedarf wird auch von diesem nicht begründet.
cc) Der sich daraus ergebende Gesamtgrundpflegebedarf überschritt im streitbefangenen Zeitraum nicht, wie für Pflegestufe I erforderlich, 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt.
Soweit Dr. Mu. für den Hilfebedarf beim Waschen fünf Minuten täglich berücksichtigte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Für eine Gesamtkörperwäsche setzte dieser einen Hilfebedarf von drei Minuten täglich, also 21 Minuten wöchentlich, an. Da aber die Gesamtkörperwäsche dreimal wöchentlich durch Duschen ersetzt wurde, entfielen bei drei Minuten im Wochendurchschnitt auf die einzelne Verrichtung (21/4) mehr als vier Minuten täglich. Dies ist unter Berücksichtigung auch "schlechterer Tage", an denen der Kläger "schwerer führbar" war, nicht nachvollziehbar, zumal der Hilfebedarf auch dann lediglich in der Aufforderung zur Vornahme bestand. Ausdrücklich bestätigte auch Dr. Mu., dass keine Pflegeperson anwesend sein musste, um an seiner Seite zu stehen und ihn weiterhin aufzufordern, die Verrichtungen weiterzuführen. Ohnehin ist bereits den Gutachten der Pflegefachkräfte W. und I. zu entnehmen, dass der Kläger überwiegend kooperativ war. Der Senat legt daher zugunsten des Klägers die vom gerichtlichen Sachverständigen angesetzten drei Minuten pro Verrichtung zugrunde, so dass im Wochendurchschnitt (3*4/7 = 1,7) zwei Minuten täglich zu berücksichtigen sind. Der Bedarf einer zusätzlichen Wäsche bestand aus genannten Gründen nicht. Beim Duschen setzt der Senat den von Dr. Mu. beschriebenen Hilfebedarf von zehn Minuten pro Verrichtung an, da neben der Aufforderung hier nachvollziehbar ein Hilfebedarf auch in Form der Unterstützung und der Beaufsichtigung wegen wiederholt auftretendem Schwindel erforderlich war. Bei dreimaliger Durchführung pro Woche ergibt dies einen täglich Hilfebedarf von fünf Minuten täglich (3*10/7 = 4,3). Den Hilfebedarf bei der Zahnpflege berücksichtigt der Senat unter Berücksichtigung der erforderlichen Prothesenreinigung, dem Gutachten der Pflegefachkraft I. folgend, mit drei Minuten täglich. Weiter bestand ein Hilfebedarf in Form der Anleitung beim Kämmen sowie beim Rasieren von jeweils einer Minute täglich. Beim letzterem ist zu berücksichtigen, dass dieser Hilfebedarf nicht täglich anfiel, sondern nach den eigenen Angaben des Klägers im Widerspruch zweimal wöchentlich, so dass im Wochendurchschnitt eine Minute angemessen ist. Ein Hilfebedarf beim Toilettengang bestand hingegen nicht. Der Kläger benötigte hierzu nach übereinstimmender Feststellung in allen vorliegenden Gutachten auch keinerlei Aufforderung. Der Kläger nahm diese vollständig selbständig wahr. Der von Dr. Mu. angegebene Hilfebedarf von zwei Minuten täglich allein für eine gegebenenfalls erforderliche Aufforderung zur Säuberung der Toilette ist daher schon tatsächlich nicht nachvollziehbar. Auch aus rechtlichen Gründen ist eine Berücksichtigung ausgeschlossen. Nach der Begutachtungs-Richtlinie ist das Entleeren und Säubern eines Toilettenstuhls bzw. eines Stechbeckens oder das Entleeren/Wechseln eines Urinbeutels zu berücksichtigen, nicht aber die Säuberung einer normalen mit Spülung versehenen Toilette. Dies unterfällt der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der Hilfebedarf bei der Körperpflege betrug insgesamt zwölf Minuten täglich.
Im Bereich der Ernährung folgt der Senat dem von Dr. Mu. beschriebenen Hilfebedarf bei der Aufnahme der Nahrung. Der Kläger muss dabei wegen des fehlenden Durst- und Hungergefühls wiederholt und regelmäßig zum Trinken und Essen aufgefordert werden. Darauf hatte bereits Pflegefachkraft W. hingewiesen. Der vom gerichtlichen Sachverständigen berücksichtigte zeitliche Bedarf von je vier Minuten für insgesamt drei Haupt- und drei Minuten für eine Zwischenmahlzeit (insgesamt 15 Minuten) täglich ist daher überzeugend. Die von ihm angesetzten acht Minuten für das mundgerechte Zubereiten sind hingegen nicht nachvollziehbar. Dies entspräche mit zwei Minuten pro Mahlzeit bereits dem Zeitwert für die volle Übernahme. Eine solche ist aber nicht notwendig. Wie in den Gutachten der Pflegefachkräfte W. und I. angeführt, ist insoweit nur ein Hilfebedarf von drei Minuten täglich zu berücksichtigen (Ernährung insgesamt 18 Minuten täglich).
Im Bereich der Mobilität bestand ein Hilfebedarf beim Stehen beim Transfer in die und aus der Badewanne zum Duschen. Der Senat berücksichtigt den von Dr. Mu. angesetzten Zeitwert je Transfer, da hier bei bestehender Unsicherheit auch ein Unterstützungsbedarf bestand. Im Wochendurchschnitt (2*2*3/7) ergibt dies einen Hilfebedarf von zwei Minuten täglich. Zugunsten des Klägers übernimmt der Senat des Weiteren den vom gerichtlichen Sachverständigen im Übrigen beschriebenen Hilfebedarf beim An- und Auskleiden in Form der Anleitung und dem Bereitlegen frischer Bekleidung von zusammen vier Minuten täglich sowie den von den Pflegefachkräften W. und I. angeführten Hilfebedarf in Form der Aufforderung zum Aufstehen von einer Minute täglich. Nicht zu berücksichtigen ist ein Hilfebedarf beim Verlassung und Wiederaufsuchen der Wohnung, insbesondere im Rahmen der im Widerspruch angeführten Arztbesuche. Beim Verlassung und Wiederaufsuchen der Wohnung sind berücksichtigungsfähig nur solche Verrichtungen außerhalb der Wohnung, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind. Erfasst sind damit solche auswärtigen Termine, die Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim vermeiden und die das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen. Dies ist gegeben beim Besuch von Ärzten oder bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, wenn sie zur Behandlung einer Krankheit ärztlich verordnet worden sind (BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 P 6/02 R –, juris Rn. 17). Zu berücksichtigen sind solche Termine nur, wenn sie regelmäßig mindestens einmal wöchentlich anstehen (vgl. § 15 Abs. 3 SGB XI a.F.). Solche wöchentlichen Termine fielen beim Kläger im streitbefangenen Zeitraum jedoch nicht an. Dem Gutachten der Pflegefachkraft W. ist zu entnehmen, dass wöchentliche Arzt- oder sonstige Behandlungstermine nicht stattfanden. Die Psychotherapie nahm der Kläger nur alle zwei Wochen wahr. Nach den Feststellungen von Dr. Mu. fanden Arztbesuche beim Hausarzt und beim Neurologen ein- bis zweimal im Quartal statt. Auch der Kläger gab in der dem SG vorgelegten Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht die Arztbesuche mit einer Häufigkeit von ein- bis zweimal im Quartal an. Der Hilfebedarf im Bereich der Mobilität belief sich daher auf neun Minuten täglich, der Grundpflegebedarf insgesamt auf 39 Minuten täglich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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