S 10 SF 54/17 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 10 SF 54/17 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 176/19 B
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf eine Verfahrensgebühr tritt bereits mit der Entstehung der betroffenen Gebühren ein; auf die Erfüllung der anwaltlichen Vergütungsforderung kommt es hierfür nicht an.
2. Gleichwohl können beide Gebühren in voller Höhe geltend gemacht werden, solange insgesamt nicht mehr als die um den Anrechnungsbetrag verringerte Summe verlangt wird.
3. Für die Vergütungsfestsetzung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gelten insoweit dieselben Regeln wie für den abgelösten Anspruch gegen den Auftraggeber.
4. Bis zum Erreichen der Kappungsgrenze wirkt sich der Zufluss einer Teilzahlung auf die Geschäftsgebühr nicht auf die Durchsetzung des Anspruchs auf die volle Verfahrensgebühr gegen die Staatskasse aus.
Auf die Erinnerung wird die Vergütungsfestsetzung vom 23. Mai 2017 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 13 AS 417/15 auf insgesamt 1.142,40 EUR festgesetzt wird.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung für das Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Marburg unter dem Aktenzeichen S 13 AS 417/15. Im Streit steht die Frage, inwieweit die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren auf die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren anzurechnen ist.

In dem genannten Ausgangsverfahren wurden die damaligen Kläger von dem Erinnerungsführer anwaltlich vertreten. Mit der Klageschrift vom 16. November 2015 beantragten sie zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers. Mit Beschluss des Gerichts vom 18. April 2017 wurde dem Prozesskostenhilfeantrag vollumfänglich stattgegeben. In der Sache wurde der Rechtsstreit an diesem Tag während eines Erörterungstermins des Kammervorsitzenden mit den Beteiligten durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beigelegt. Darin verpflichtete sich der Beklagte des Ausgangsverfahrens u.a., den damaligen Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Am 20. April 2017 beantragten die Kläger des Ausgangsverfahrens, die Höhe der ihnen vom Beklagten für das vorangegangene Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten durch gerichtlichen Beschluss festzusetzen. Dabei machten sie folgende Positionen (nebst Zinsen) geltend:
- Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG = 300,00 EUR,
- Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG = 180,00 EUR,
- Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 EUR,
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG = 95,00 EUR, Zwischensumme: 595,00 EUR, davon 50 % = 297,50 EUR.
Daraufhin erklärte der Beklagte des Ausgangsverfahrens, er werde diese Kosten antragsgemäß erstatten.

Mit Formschreiben vom 20. April 2017 beantragte der Erinnerungsführer, Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse für das Ausgangsverfahren in Höhe von insgesamt 1.142,40 EUR festzusetzen. Im Einzelnen machte er folgende Positionen geltend:
- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG = 225,00 EUR (nach Anrechnung der von dem Beklagten geforderten Geschäftsgebühr (50 % von 300,00 EUR) zu 50 %,
- Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG = 135,00 EUR,
- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG = 280,00 EUR,
- Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG = 300,00 EUR,
- Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 EUR,
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG = 182,40 EUR.

Am 23. Mai 2017 nahm die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütungsfestsetzung für das Ausgangsverfahren vor. Dabei wich sie von dem Festsetzungsantrag des Erinnerungsführers ab und setzte insgesamt einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.106,70 EUR fest. Zur Begründung vertrat sie die Ansicht, die entstandene Geschäftsgebühr von 300,00 EUR sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, so das von dieser nicht nur 75,00 EUR, sondern 150,00 EUR abzuziehen seien. Dagegen sei die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG von der ungekürzten Verfahrensgebühr ausgehend zu berechnen. Demnach ergebe sich folgende Vergütungsfestsetzung:
- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG = 150,00 EUR (nach Anrechnung der entstandenen Geschäftsgebühr (300,00 EUR) zu 50 %,
- Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG = 180,00 EUR,
- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG = 280,00 EUR,
- Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG = 300,00 EUR,
- Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 EUR,
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG = 176,70 EUR.

Am 22. Juni 2017 hat der Erinnerungsführer gegen die Vergütungsfestsetzung vom 23. Mai 2017 Erinnerung eingelegt. Er ist der Ansicht, die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr, die er tatsächlich nicht erhalten habe, sei rechtswidrig. Zu berücksichtigen sei lediglich der von dem Beklagten des Ausgangsverfahrens tatsächlich gezahlte Anteil in Höhe von 150,00 EUR. Ein anderes Ergebnis werde dem Wahlrecht des Rechtsanwalts, welche Gebühr er von wem verlange, nicht gerecht.

Die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
die Vergütungsfestsetzung vom 23. Mai 2017 dahingehend abzuändern, dass die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 13 AS 417/15 auf insgesamt 1.142,40 EUR festgesetzt wird.

Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß,
die Erinnerung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Ergänzend stützt er sich auf die einschlägige Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen, die auch vom SG Gießen übernommen worden sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands und insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten zur Begründung ihrer Anträge wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Darüber hinaus wird die beigezogene Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (Aktenzeichen: S 13 AS 417/15) in Bezug genommen. Beide Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II. Die Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung vom 23. Mai 2017 ist zulässig. Sie ist nach § 56 Abs. 1 S. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) statthaft. Der Erinnerungsführer ist den Klägern des Ausgangsverfahrens durch Beschluss des Gerichts vom 18. April 2017 beigeordnet worden und daher zur Erhebung des Rechtsbehelfs berechtigt.

Die Erinnerung ist auch begründet.

Die angegriffene Vergütungsfestsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist abzuändern, da sie die Vergütung des Erinnerungsführers zu niedrig festsetzt. Dem Erinnerungsführer steht gegen die Staatskasse für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt in dem Verfahren S 13 AS 417/15 vor dem Sozialgericht Marburg mindestens ein Vergütungsanspruch in der von ihm geltend gemachten Höhe von insgesamt 1.142,40 EUR zu. Über einen darüber hinaus gehenden Betrag hat die Kammer nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zu befinden.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Es handelt sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Klageverfahren mit kostenprivilegierten Beteiligten im Sinne von § 183 S. 1 SGG, so dass die Anwendung des GKG gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 SGG ausscheidet.

Zutreffend gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass für die anwaltliche Vertretung im Ausgangsverfahren dem Grunde nach folgende Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse zu vergüten sind: - Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG, - Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG, - Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG, - Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG, - Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG, - 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG.

Die Maßstäbe zur Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gebühr lassen sich der Regelung des § 14 RVG entnehmen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebührenhöhe sind nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG alle Umstände des Einzelfalls, vor allem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Bei den hier einschlägigen Betragsrahmengebühren ist außerdem das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG). Nach der Systematik der Betragsrahmengebühren ist in der Praxis im "Normalfall" zunächst von der Mittelgebühr auszugehen (siehe dazu BSG, Urteil vom 1. 7. 2009 - B 4 AS 21/09 R, NJW 2010, 1400 ff.). Der Erinnerungsführer hat sich mit seinem Antrag durchweg an der Mittelgebühr orientiert. Diese Bestimmung entspricht der Billigkeit. Zumindest unter Berücksichtigung eines gewissen Entscheidungsspielraums des Rechtsanwalts (Toleranzgrenze) bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Einschätzung, bei dem Ausgangsverfahren habe es sich in der Gesamtbetrachtung um ein durchschnittliches Verfahren gehandelt. Dagegen hat auch der Erinnerungsgegner keine Einwände erhoben, so dass für die Kammer kein Anlass besteht, von Amts wegen Abschläge von der jeweiligen Mittelgebühr zu erwägen.

Die im vorliegenden Verfahren allein streitige Anrechnung ist von dem Erinnerungsführer korrekt berücksichtigt worden. Entgegen der Ansicht des Erinnerungsgegners ist die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht um 150,00 EUR zu kürzen.

Ausgangspunkt der Problematik ist die einschlägige Bestimmung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Danach wird eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, soweit sie wegen desselben Gegenstands entsteht. Dies ist hier der Fall. Der Erinnerungsführer hat die Kläger des Ausgangsverfahrens bereits in dem dem Klageverfahren vorangegangenen Widerspruchsverfahren anwaltlich vertreten. Für diese Tätigkeit ist eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG in Höhe von 300,00 EUR entstanden. Wie etwa das SG Gießen mit Beschluss vom 15. März 2018 (S 23 SF 13/17 E) unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 1. Februar 2017 L 19 AS 1408/16 B - Rn. 38 in juris) im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, kennt die Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG keine weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen. Die Anrechnung tritt bereits mit der Entstehung der betroffenen Gebühren ein; auf die Erfüllung der anwaltlichen Vergütungsforderung kommt es hierfür nicht an. Auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens ist demnach grundsätzlich ein Betrag von 150,00 EUR anzurechnen.

Entscheidend für das Ergebnis des vorliegenden Erinnerungsverfahrens ist aber, welche Auswirkungen dieser Anrechnungstatbestand nach sich zieht. Diese Frage war bei Inkrafttreten des RVG nicht ausdrücklich geregelt. Daraufhin ist die Rechtsprechung überwiegend davon ausgegangen, eine Verfahrensgebühr, auf die eine andere Gebühr teilweise anzurechnen sei, könne nur in der verringerten Höhe (also der Differenz) geltend gemacht werden. Diese Rechtsprechung, die sich in Kostenfestsetzungsverfahren zugunsten des Kostenschuldners und damit im Ergebnis zu Lasten des im Übrigen zahlungspflichtigen Mandanten des Rechtsanwalts ausgewirkt hat, ist durch den Gesetzgeber sodann bewusst korrigiert worden. Durch die nachträgliche Einfügung des § 15a RVG sollten "unerwünschte Auswirkungen der Anrechnung zum Nachteil des Auftraggebers" vermieden werden. Dabei ging der Gesetzgeber ausweislich der Materialien (BT-Drucks. 16/12717 S. 58) von folgender Zielsetzung aus:

"Die Vorschrift beschränkt die Wirkung der Anrechnung auf den geringst möglichen Eingriff in den Bestand der betroffenen Gebühren. Beide Gebührenansprüche bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Er hat insbesondere die Wahl, welche Gebühr er fordert und - falls die Gebühren von verschiedenen Personen geschuldet werden - welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren nach Abzug des anzurechnenden Betrags ergibt. Soweit seine Forderung jenen Betrag überschreitet, kann ihm der Auftraggeber die Anrechnung entgegenhalten. Mehr ist nicht erforderlich, um die Begrenzung des Vergütungsanspruchs zu erreichen, die mit der Anrechnung bezweckt wird."

Dementsprechend ergibt sich aus § 15a Abs. 1 RVG, dass ein Rechtsanwalt von seinen Auftraggebern nach einem Rechtsstreit wie dem Ausgangsverfahren sowohl eine Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 EUR als auch eine Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 EUR fordern darf. Er könnte auch beide Gebühren anteilig geltend machen. Ihm ist es lediglich verwehrt, für die beiden vorgenannten Gebühren zusammen einen höheren Betrag als 450,00 EUR zu verlangen.

Diese rechtliche Situation hat der Gesetzgeber in § 15a Abs. 2 RVG auf den Fall übertragen, dass nicht der Mandat des Rechtsanwalts, sondern ein Dritter als Kostenschuldner in Anspruch genommen wird (siehe zu den Auswirkungen der Anrechnung in diesem Verhältnis bereits den Kammerbeschluss vom 2. November 2018 - S 10 SF 53/17 E, FA 2019, 30 (Ls.), juris Rn. 23 ff. und dazu (zustimmend) Feddern, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 63 SGB X Rn. 120.2). Darauf kommt es aber hier nicht an, weil die von dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt auf Vergütung in Anspruch genommene Staatskasse nicht Dritter in diesem Sinne ist (siehe nur Enders, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 15a Rn. 13). Zwischen diesen Beteiligten bleibt es daher bei der Regelung des § 15a Abs. 1 RVG für das Innenverhältnis (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 15a Rn. 11).

Im vorliegenden Fall sind dem Erinnerungsführer tatsächlich nur 150,00 EUR zur Erfüllung seines Vergütungsanspruchs auf eine Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 EUR zugeflossen. Daher könnte er von seinen Mandanten nach dem oben Gesagten noch eine ungekürzte Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 EUR fordern, ohne die Kappungsgrenze von insgesamt 450,00 EUR zu überschreiten. Die Durchsetzung dieses Anspruchs gegen die Kläger des Ausgangsverfahrens ist indes nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 122 Abs. 1 Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen. An seine Stelle tritt der streitgegenständliche Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse aus § 45 RVG.

Einen höheren Betrag als die von dem Beklagten des Ausgangsverfahrens gezahlte Geschäftsgebühr von 150,00 EUR muss sich der Erinnerungsführer bei der Vergütungsfestsetzung nicht in Ansatz bringen lassen. Dieser kann die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren höchstens um 75,00 EUR mindern, weil das RVG maximal eine hälftige Anrechnung vorsieht. Soweit die anwaltliche Vergütungsforderung auf eine Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 EUR bislang nicht erfüllt worden ist, wirkt sich der Anrechnungstatbestand dagegen im Ergebnis nicht aus. In diesem Fall kann nach dem oben Gesagten vielmehr ein höherer Anteil der Verfahrensgebühr gefordert werden, solange der Gesamtbetrag von 450,00 EUR nicht erreicht wird. Andernfalls würde sich die Anrechnung wiederum zu Lasten der Kläger des Ausgangsverfahrens auswirken, die dann als Auftraggeber des Rechtsanwalts auf einem größeren Teil der Kosten des Vorverfahrens "sitzen bleiben würden". Genau dieses Ergebnis wollte der Gesetzgeber indes mit der Einfügung des § 15a RVG vermeiden.

Mit ihrer Lösung sieht sich die Kammer im Einklang mit der in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Ansicht (vgl. insbesondere LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – L 7 AS 4/17 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 1. November 2018 – L 1 SF 1358/17 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 26. Juli 2017 - L 8 AS 640/15 B KO; SG Aachen, Beschluss vom 21. Februar 2017 - S 14 SF 80/15 E; Schütz, jurisPR-SozR 16/2018 Anm. 5 m.w.N.; a.A. allerdings im Ergebnis SG Gießen, Beschluss vom 15. März 2018 - S 23 SF 13/17 E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2017 - L 19 AS 1408/16 B, ohne dass diesen Entscheidungen eine tragfähige Begründung zu entnehmen wäre).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

Die Rechtsmittelbelehrung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG. Das Gericht hat die Beschwerde zugelassen, weil es der zur Entscheidung stehenden Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst. Wie oben dargelegt, wird die äußerst praxisrelevante Rechtsfrage in der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
Rechtskraft
Aus
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