Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 1734/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheids vom 12.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2016 in Fassung des Änderungsbescheids vom 23.05.2016 verurteilt, der Klägerin höhere Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai 2016 bis Januar 2017 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 280,00 EUR zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung höherer Unterkunftskosten bei der Bewilligung ihrer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Streitig sind die Erforderlichkeit eines Umzugs und die darauffolgende Deckelung des Mietpreises sowie die Schlüssigkeit des Konzepts der Stadt L1 zur Ermittlung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft vom 14.08.2014.
Die am 00.00.1987 geborene Klägerin stand im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnte zunächst die Wohnung in der H Str. 000 in L1. Die Kaltmiete betrug 210,00 EUR monatlich, die Heizkosten 60,00 EUR monatlich und die Betriebskosten 70,00 EUR monatlich.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 07.12.2015 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Februar 2016 bis Januar 2017. Dabei berücksichtigte der Beklagte Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 210,00 EUR kalt, 70,00 EUR Betriebskosten und 60,00 EUR Heizkosten.
Die Klägerin sprach am 25.01.2016 beim Beklagten vor. Sie reichte eine Mietbescheinigung vom 22.01.2016 ein für eine Wohnung in der L2 Str. 00 in L1. Sie beabsichtige eine Anmietung der Wohnung zum 01.05.2016 und beantrage die Zustimmung zum geplanten Wohnungswechsel. Der Umzug sei notwendig, da es Oktober 2014 durch einen anderen Mieter im Haus zu einem Wasserschaden gekommen sei, die Mängel seien nicht beseitigt worden. Sie habe ihren Vermieter nur mündlich zu Mängelbeseitigung aufgefordert. Auch sei die Heizleistung dort ungenügend.
Der Beklagte lehnte die Zustimmung mit Bescheid vom 25.01.2016 ab. Die Kosten der neuen Wohnung lägen grundsätzlich im angemessenen Bereich. Die Notwendigkeit des Umzugs sei jedoch nicht nachgewiesen. Der Ermittlungsdienst werde beauftragt.
Der Ermittlungsdienst berichtete von Feuchtigkeitsschäden im Schlafzimmer, einer nassen Außenwand und Schimmelbildung. Die Heizung sei mehr als warm gewesen. Der alte Wasserschaden sei abgetrocknet gewesen. Die Klägerin habe den Vermieter schriftlich über die Mängel in Kenntnis zu setzen und eine Frist zur Behebung zu setzen.
Die Klägerin schloss am 28.01.2016 den Mietvertrag über die Wohnung in der L2 Str, 00 in L1 ab. Mietbeginn sei der 01.05.2016. Die Kaltmiete betrage 280,00 EUR monatlich, die Betriebskostenvorauszahlung 115,00 EUR monatlich.
Die Klägerin sprach am 09.02.2016 beim Beklagten vor. Sie teilte die Unterzeichnung des Mietvertrags mit und erhob Widerspruch gegen die Ablehnung der Zustimmung durch Bescheid vom 25.01.2016.
Mit Bescheid vom 12.02.2016 änderte der Beklagte die Bewilligung für die Monate Mai 2016 bis Januar 2017. Dabei berücksichtigte der Beklagte die Kaltmiete in bisheriger Höhe von 210,00 EUR und die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 115,00 EUR. Die Kaltmiete sei aufgrund des nicht erforderlichen Umzugs auf die bisherige Miete zu deckeln. Die neuen Heizkosten seien noch nicht mitgeteilt.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 24.02.2016 Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 12.02.2016. Es seien die tatsächlichen, höheren Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Der Umzug sei notwendig gewesen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2016 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 03.05.2016 Klage erhoben.
Die Klägerin legte dem Beklagten am 07.05.2016 die Vertragsbestätigung ihres Gasversorgers für die Heizung vor. Der monatlich Abschlag beträgt danach 71,00 EUR und wird erstmals im Juni 2016 fällig.
Mit Bescheid vom 23.05.2016 änderte der Beklagte die Bewilligung für den Zeitraum von Juni 2016 bis Januar 2017 und berücksichtigte nunmehr den Abschlag für die Heizkosten in Höhe von 71,00 EUR monatlich.
Die Klägerin trägt vor, der Umzug sei notwendig gewesen. Trotz mehrfacher Aufforderungen habe der Vermieter die Mängel nicht beseitigt. Das Konzept des Beklagten sei zudem nicht schlüssig.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 12.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2016 in Fassung des Änderungsbescheids vom 23.05.2016 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai 2016 bis Januar 2017 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 280,00 EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass ein verständiger Dritter im Niedriglohnbereich vor einem Umzug schriftlich zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung aufgefordert hätte und ggf. Mietminderungen angedroht hätte, um einen Umzug zu vermeiden. Der Umzug sei daher nicht erforderlich gewesen. Die Deckelung fuße zudem auf einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Kaltmiete beruhe auf einem zutreffenden Angebotsmietenkonzept. Auf eine Auswertung der Bestandsmieten sei verzichtet worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F und E L3, die Eltern der Klägerin, sowie des Zeugen Q, dem ehemaligen Vermieter der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Beweisaufnahmetermins vom 12.01.2018 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 12.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2016 in Fassung des Änderungsbescheids vom 23.05.2016 im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Denn der Bescheid ist teilweise rechtswidrig. Die Klägerin hat für den Zeitraum von Mai 2016 bis Januar 2017 einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II.
Der Streitgegenstand wurde in zulässigerweise auf die Unterkunftskosten beschränkt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R).
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach §§ 7, 19, 20, 22 SGB II. Sie erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum 29 Jahre alt, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Bei der Klägerin sind monatlich 395,00 EUR Bruttokaltmiete und ab Juni 2016 zusätzlich 71,00 EUR monatliche Heizkosten als Bedarfe für Unterkunft und Heizung anzuerkennen.
Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Die tatsächlichen Aufwendungen belaufen sich auf monatlich 395,00 EUR Bruttokaltmiete sowie ab Juni 2016 zusätzlich 71,00 EUR monatliche Heizkosten. Diese Aufwendungen sind – auch nach der Einschätzung des Beklagten - angemessen. Sie liegen sowohl innerhalb der Angemessenheitsgrenze des Konzepts des Beklagten als auch innerhalb der hilfsweise anzuwendenden Werte der Wohngeldtabelle nebst Sicherheitszuschlag.
Die tatsächlichen Aufwendungen sind - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht auf die bisherigen Aufwendungen für die Wohnung in der H Str. zu begrenzen.
Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur der bisherige Bedarf anerkannt.
Der Umzug war nicht erforderlich.
Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 186 m.w.N.). Bei Mängeln am Mietobjekt erscheint ein Umzug erst erforderlich, wenn der Vermieter eine ihm obliegende Mängelbeseitigung ablehnt bzw. diese unmöglich ist bzw. weitere Beseitigungsmaßnahmen wegen deren Umfang bzw. nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen nicht mehr zugemutet werden können und damit ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach den §§ 543, 569 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besteht (a.a.O. m.w.N.).
Ein solcher plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde, ist nicht gegeben.
Es steht zwar zur Überzeugung des Gerichts fest, dass Mängel an der Wohnung in der H Str. vorhanden waren, die erheblich und nicht auf Dauer tolerierbar waren. Die Anschauung der zur Verwaltungsakte genommenen Bildaufnahmen der Wohnung sowie der Bericht des Ermittlungsdienstes weisen Wasserschäden und Schimmelbildung nach.
Es steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin keine ausreichenden Bemühungen unternommen hat, um eine Abhilfe durch den Vermieter zu erreichen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin den damaligen Vermieter nicht schriftlich zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Dies haben die Zeugen in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin ausgesagt.
Das Gericht ist der Ansicht, dass ein verständiger Nichtleistungsempfänger die mit einem Umzug verbundenen Kosten erst auf sich nehmen würde, wenn eine ernstliche Mängelanzeige mit Beseitigungsaufforderung erfolglos geblieben ist. Eine ernstliche Mängelanzeige erfolgt grundsätzlich schriftlich und enthält eine Aufforderung zur Beseitigung der genau bezeichneten Mängel unter Fristsetzung, ggf. sollte auch eine Mietminderungsandrohung enthalten sein. Das Gericht hält eine schriftliche Aufforderung für angezeigt, weil eine solche grundsätzlich eine höhere Erfolgsaussicht hat. Mündliche Gespräche bergen sowohl das Risiko, dass sie von Seiten des Vermieters als weniger verbindlich wahrgenommen werden als auch das Risiko eines Missverständnisses. Entsprechend divergierten die Zeugenaussagen der Eltern der Klägerin sowie des damaligen Vermieters erheblich voneinander bezüglich dessen, was die Klägerin bzw. ihre Eltern mündlich für Mängel angezeigt hätten. Die Klägerin war auch in der Lage, eine entsprechende schriftliche Mängelanzeige zu machen. Sie wurde vom Beklagten dahingehend beraten, schriftlich vorzugehen.
Trotz der fehlenden Erforderlichkeit des Umzugs ist eine Deckelung der Unterkunftskosten ausgeschlossen. Denn die Stadt L1 verfügt nicht über ein schlüssiges Konzept.
Der Zweck von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist darin zu sehen, eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen zu verhindern und den Kommunen im Hinblick auf die Kostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Steuerungsfunktion zu belassen. Insbesondere findet die Vorschrift von vornherein keine Anwendung auf Fallgestaltungen, bei denen ein Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums hinaus vorgenommen wird. Im Hinblick auf diesen Schutzzweck kann die Norm auch bei einem Umzug innerhalb desselben Vergleichsraums Anwendung nur dann finden, wenn und soweit zutreffend ermittelte kommunale Angemessenheitsgrenzen bestehen (BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 6/14 R m.w.N.).
Zu prüfen ist das Konzept des Beklagten vom 14.08.2014. Denn dieses Konzept fand Anwendung sowohl zum Zeitpunkt der Anmietung der neuen Wohnung als aus zum Zeitpunkt des Umzugs in die neue Wohnung.
Bezugszeitpunkt des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist der Zeitpunkt des Auszugs aus der bisherigen Unterkunft und des Einzugs in die neue Wohnung. Für diesen Zeitpunkt ist zu beurteilen, ob eine durch den Beklagten transparent ermittelte Angemessenheitsgrenze vorhanden gewesen ist, die die Mietpreise auf dem örtlichen Wohnungsmarkt im Vergleichsraum realitätsgerecht wiedergeben hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016, B 4 AS 12/15 R). Eine Nachbesserung dürfte bei dieser Konstellation von vornherein ausscheiden. Anders als bei der Kostensenkung geht es nicht um den Dialog über die angemessenen Unterkunftskosten, sondern darum, ob die damals aktuellen Richtwerte zutreffend ermittelt waren oder nicht. Denn zu beurteilen ist die Entscheidung des Betroffenen zum Bezugszeitpunkt.
Das von der Empirica AG erstellte Konzept zur Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II und § 35 SGB XII für die Stadt L vom 14.08.2014 ist nicht schlüssig.
Ein schlüssiges Konzept befasst sich mit der Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze. Sie ist nach der sogenannten Produkttheorie durch Multiplikation der abstrakt angemessenen Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter im örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln (BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Für einen Ein-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist nach Nr. 8.2 der insoweit maßgeblichen (BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 109/11 R) Wohnraumnutzungsbestimmungen eine Wohnfläche von 50 m² abstrakt angemessen. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis soll den Preis wiedergeben, den ein Leistungsberechtigter auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufwenden muss (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R). Das Bundessozialgericht hat Verfahrensregeln für das methodische Vorgehen zur Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises entwickelt, ohne eine bestimmte Methode der Ermittlung vorzugeben. Es hat Mindestanforderungen an die empirische Ableitung der angemessenen Bruttokaltmiete definiert, die sicherstellen sollen, dass die ermittelten Daten die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes tatsächlich wiedergeben. Die Ermittlung der regional angemessenen Unterkunftskosten muss danach auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statischer Grundsätze erfolgen. Der kommunale Grundsicherungsträger muss im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn gleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall, planmäßig vorgehen (BSG, Urteil vom 16.06.2015, a.a.O. m.w.N.). Schlüssig ist das Konzept, wenn es gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich der Datenerhebung und -auswertung sowie der Folgerichtigkeit erfüllt. Es muss ein Vergleichsraum genau eingegrenzt werden. Die Datenerhebung darf ausschließlich in diesem Vergleichsraum erfolgen. Sie muss sich über den gesamten Vergleichsraum erstrecken. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art der Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße). Der Beobachtungszeitraum ist anzugeben. Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel) sind festzulegen. Die Datenerhebung muss valide sein, die einbezogenen Daten müssen repräsentativ sein. Das Konzept muss Angaben zu den gezogenen Schlüssen enthalten (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze). Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze sind bei der Datenauswertung einzuhalten. Es handelt sich um verallgemeinerbare (d.h. nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängige) und entwicklungsoffene Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe, die Raum für die Berücksichtigung regionaler Bedingungen lassen; sie eröffnen dem Grundsicherungsträger eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Methodenfreiheit bei Methodenvielfalt. Bei der Prüfung eines schlüssigen Konzepts sind die mit Wirkung zum 01.04.2011 eingefügten Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu beachten. Denn die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird durch das Regelungssystem der §§ 22a bis 22c SGB II gesetzlich begrenzt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R).
Das Konzept ist nicht bereits deshalb unschlüssig, weil Zweifel an der Unabhängigkeit des mit der Erstellung beauftragten Unternehmens bestünden. Denn unabhängig davon, ob Zweifel bestehen oder nicht, muss ein mit der Erstellung eines Konzepts beauftragtes Unternehmen nicht unabhängig sein. Es ist die originäre Aufgabe des Beklagten bzw. dessen kommunalen Trägers, ein schlüssiges Konzept zu erstellen. Sich zur Erfüllung dieser Aufgabe der Hilfe eines Drittanbieters zu bedienen ändert nichts an der Aufgabenwahrnehmung durch den Beklagten.
Das streitige Konzept wählt das gesamte Stadtgebiet L1 als Vergleichsraum. Es begegnet seitens des Gerichts keinen Bedenken, das gesamte Stadtgebiet L1 als homogenen Wohn- und Lebensraum zu betrachten.
Der Beobachtungsgegenstand ist definiert. Das Konzept berücksichtigt nur die Nettokaltmiete. Zu ermitteln ist jedoch die Bruttokaltmiete (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R). Eine Nachbesserung scheidet grundsätzlich aus (s.o.). Doch auch anderenfalls, wenn eine Erweiterung des Konzepts durch Berücksichtigung von Betriebskostenspiegelwerten in der vorliegenden Konstellation zulässig sein sollte, ist das Konzept des Beklagten auch im Übrigen nicht schlüssig.
Der Wohnungsstandard als Beobachtungsgegenstand ist definiert. Es wird der gesamte Wohnungsmarkt ermittelt und durch einen Bruchteil davon wird das einfache Segment dargestellt. Die Datenerhebung erfolgt differenziert nach den Wohnungsgrößen. Dabei wird für jede Wohnungsgrößenklasse (50 qm, 65 qm, 80 qm ...) der Bereich von +/- 5 qm berücksichtigt. Der Beobachtungszeitraum ist mit dem Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2013 angegeben.
Die Art und Weise der Datenerhebung ist festgelegt. Es handelt sich um ein reines Angebotsmietenkonzept. Erkenntnisquellen sind die Empirica-Preisdatenbank, die öffentlich im Internet inserierte Angebote verschiedener Portale enthält sowie die Daten des Wohnungsunternehmens Wohnstätte L1 AG. Das Konzept verzichtet ausdrücklich auf eine Auswertung von Bestandsmieten.
Ein reines Angebotsmietenkonzept genügt nicht den Anforderungen an eine realitätsnahe Ermittlung des gesamten Wohnungsmarkts (vgl. Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2018, L 8 SO 193/13; entgegen LSG NRW, Urteil vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16).
Die Methodenfreiheit für den Grundsicherungsträger besteht nur innerhalb der für schlüssige Konzepte aufgestellten Grundsätze (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R).
Bei der Ermittlung der erforderlichen Miete für eine abstrakt angemessene Wohnung ist nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 24). Normativer Anknüpfungspunkt für die Notwendigkeit der Auswertung auch von Bestandsmieten ist § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R, Rn. 22). Nach § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II sollen in die Datenauswertung sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen. Diese Norm gilt zwar nur unmittelbar für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten durch Satzung gem. § 22a SGB II. Die Regelungen der §§ 22a bis c SGB II sind jedoch auch bei der Auslegung der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, Rn. 17).
Es ist auch kein überzeugender Grund ersichtlich, weshalb ausnahmsweise auf eine Datenauswertung von Bestandsmieten verzichtet werden dürfte. Das LSG NRW stellt in seiner Entscheidung vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16, darauf ab, dass Angebotsmieten im Mittel meist höher als der Mittelwert von repräsentativ erhobenen Neuvertragsmieten liegen. Ähnlich argumentiert der Beklagte mit dem Vortrag, dass die Berücksichtigung von Bestandsmieten dazu führen könnte, dass Mieten mit einkalkuliert würden, die geringer seien als die aktuell am Markt erzielbaren Mieten. Diese Annahmen sind jedoch nicht zwingend (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2018, L 8 SO 193/13, Rn. 52). Sie können auch keine Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Für den hier streitigen Vergleichsraum zum streitigen Erhebungszeitpunkt ist in keiner Weise verifiziert oder mit verhältnismäßigem Aufwand verifizierbar, ob die Angebotsmieten über den Neuvertragsmieten oder Bestandsmieten liegen. Nur ein Abgleich mit repräsentativ erhobenen Neuvertrags- bzw. Bestandsmieten im Vergleichsraum zum Erhebungszeitpunkt könnte einen entsprechenden Schluss zulassen. Diese Erhebung hat nicht stattgefunden. Eine vollständige Datenerhebung und –auswertung unter Berücksichtigung auch der Bestandsmieten wird nicht durch eine (womöglich häufig) zutreffende Vermutung obsolet. Die Einbeziehung sowohl von Neuvertrags- als auch Bestandsmieten zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen ist auch sachgerecht, weil die Daten von Bestandsmieten geeigneter sind, den Gesamtbestand von preiswertem Wohnraum und damit auch die Nachfragekonkurrenz realitätsnah abzubilden (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. m.w.N.). Nur die Betrachtung der verfügbaren Angebote ohne realitätsnahe Abbildung der Nachfrageseite überschreitet die Grenzen der Methodenfreiheit.
Auf eine Nachbesserungsmöglichkeit kommt es nicht an (s.o.).
Eine Nachbesserung wäre aber auch nicht möglich, da keine repräsentativen Bestandsmieten erhoben worden sind oder auf andere Weise verfügbar wären.
Auch das ab Juli 2017 von dem Beklagten angewandte Konzept wäre nicht zur Nachbesserung geeignet. Der dortige Erhebungszeitraum liegt zwar größtenteils vor dem hier streitigen Zeitraum, so dass die dort erhobenen Daten für den streitigen Zeitraum - auch unter Berücksichtigung einer etwaigen angespannteren Wohnungsmarktlage durch Migration - aktuell wären. Gleichwohl ist das dortige Konzept ebenfalls nicht schlüssig. Ausgangslage des dortigen Konzepts ist wie im vorherigen Konzept die Ermittlung angemessener Nettokaltmieten anhand von Angebotsmieten. Zusätzlich wurden Bestandsmieten erhoben. Erkenntnisquellen für die Angebotsmieten sind die Empirica-Preisdatenbank, die öffentlich im Internet inserierte Angebote verschiedener Portale enthält sowie die Daten des Wohnungsunternehmens Wohnstätte L1 AG. Die Bestandsmietdaten werden aus dem Datenbestand des Beklagten zum SGB II-Bezug erhoben.
Obgleich das Konzept vom 14.03.2017 Bestandsmieten darstellt, handelt es sich konzeptionell um ein Angebotsmietenkonzept.
Das Konzept des Beklagten sieht vor, die aus den Angebotsmieten ermittelten Werte mit den Bestandsmieten zu vergleichen. Es handelt sich lediglich um eine deskriptive und komparative Darstellung der Bestandsmietdaten, ohne dass konzeptionell eine Rückkoppelung zwischen beiden Datensätzen definiert wäre.
In der Stellungnahme der Empirica AG vom 05.06.2018 führt das Unternehmen aus, dass das entsprechende Kapitel des Konzepts zu den Bestandsmieten methodisch überflüssig sei. Der Vergleich der Bestandsmieten zu den Angebotsmieten solle nur zeigen, dass vermietete Wohnungen im Vergleich zu den am Markt angebotenen Wohnungen günstiger seien.
Das Konzept ist zusammengefasst von der Ansicht getragen, dass sich im Vergleich beider Datenquellen nur zeigt, wie viele Leistungsempfänger unangemessen teuer wohnen. Einen definierten Mechanismus für einen Rückschluss von den Bestandsmieten auf die Festlegung der angemessenen Mietkosten gibt es nicht. Es besteht zwar Methodenfreiheit, aber diese beinhaltet nicht, dass ein Teil der notwendigerweise erhobenen Daten keinen entscheidenden Einfluss auf die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze haben kann.
Ein reines Angebotsmietenkonzept genügt nicht den Anforderungen an eine realitätsnahe Ermittlung des gesamten Wohnungsmarkts (s.o.). Auch eine Plausibilisierung der aus den Angebotsmieten erhobenen Daten mithilfe der Bestandsdaten aus dem SGB II-Leistungsbezug ohne definierte Rückkoppelung gelingt dem Beklagten nicht.
Die aus den beiden Datenquellen erhobenen Mietwerte lassen sich nicht einfach vergleichen. Die aus dem SGB II-Bezug gewonnen Daten sind nicht repräsentativ für den gesamten Wohnungsmarkt. Sie stellen allenfalls das einfache Segment dar (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Damit wären diese Daten vom Beobachtungsgegenstand her nicht kongruent mit dem Beobachtungsgegenstand dieses Konzepts, das den gesamten Wohnungsmarkt abbilden möchte. Soweit also der Beklagte ausführt, dass der Median der erhobenen Bestandsmieten niedriger sei als der Median der Angebotsmieten, so trifft dies zu. Es lässt sich daraus aber keineswegs schlussfolgern, dass aus diesem Grund die maßgebliche Auswertung der Angebotsmieten im Vergleich zu den Bestandsmieten lediglich vorteilhaft für den Leistungsempfänger wäre, denn der eine Median soll sich auf den gesamten Wohnungsmarkt beziehen und der andere Median bezieht sich nur auf das einfache Segment.
Der Umstand, dass rund 28% der Wohnungen im Leistungsbezug um 50 qm nach dem Konzept des Beklagten unangemessen teuer sein sollen, ist angesichts dessen, dass die Daten der Leistungsempfänger bereits das untere Wohnsegment abbilden, bedenklich. Es trifft zwar zu, dass es theoretisch möglich ist, dass 28% der Leistungsempfänger unangemessen teuer wohnen. Ein solcher Wert sollte jedoch Anlass geben, an der bisher ermittelten Angemessenheitsgrenze durch die Angebotsmieten zu zweifeln. Das Ergebnis wird auch nicht dadurch unzweifelhaft, dass es sein kann, dass mehrere Personen im Leistungsbezug zusammen eine zu kleine Wohnung (um 50 qm) bewohnen, die dann aber einen höheren qm-Preis hat.
Auch die Gegenüberstellung der Anzahl der Fälle, in denen tatsächlich eine Kostensenkung durchgeführt wird mit der Anzahl der als angemessen erachteten Wohnungsangebote, führt nicht zu einer Plausibilisierung des Konzepts. Nach Angaben des Beklagten stünden hier 285 Wohnungsangebote für 50 qm- Wohnungen innerhalb eines Jahres 221 Fällen gegenüber, bei denen die Unterkunftskosten nicht anerkannt sind.
Die Gegenüberstellung überzeugt in mehreren Punkten nicht. Die Angebote wurden aus vier Quartalen addiert, die Kostensenkung obliegt den Betroffenen jedoch grundsätzlich binnen zwei Quartalen. Bei den 285 Wohnungsangeboten aus den Daten der Empirica Preisdatenbank und dem Angebot von Wohnungsunternehmen konnte keine Doppelbereinigung vorgenommen werden, so dass nicht bekannt ist, ob es nicht tatsächlich deutlich weniger als 285 Wohnungsangebote sind. Weiterhin ist nicht berücksichtigt, dass und in welchem Umfang eine erhebliche Nachfragekonkurrenz um günstigen Wohnraum besteht. Es ist zwar auch so, dass die berücksichtigten Angebote nicht alle zur Verfügung stehenden Wohnungen darstellen, da nicht alle Angebote öffentlich inseriert werden oder von Wohnungsbauunternehmen stammen. Jedoch ändert dies nichts daran, dass der Vergleich nicht schlüssig und überzeugend darlegen kann, dass für jeden von der Kostensenkung Betroffenen in angemessener Zeit eine verfügbare Wohnung am Markt vorhanden gewesen wäre.
Außerdem muss zuerst eine schlüssige angemessene Miete ermittelt werden. Jedem Betroffenen mit gesenkten Kosten eine verfügbare Wohnung nachzuweisen und damit die Senkung zu legitimieren, entspräche nicht einem planmäßig Vorgehen, wie es für das schlüssige Konzept notwendig ist.
Mangels repräsentativ erhobener Bestandsmietdaten liegt ein Erkenntnisausfall vor. Im Falle eines Erkenntnisausfalls sind zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) nebst Sicherheitszuschlag in Höhe von 10% im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R m.w.N.). Für die Stadt L1 war im streitigen Zeitraum die Mietstufe IV zu berücksichtigen. Für eine Person lag die Bruttokaltmietobergrenze daher bereits ohne Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags bei 434,00 EUR monatlich und damit oberhalb der tatsächlichen Bruttokaltmietkosten der Klägerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Berufung wird zugelassen. Die Berufung bedarf gem. § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Vorliegend übersteigt der Wert der Beschwer 750,00 EUR nicht. Es sind auch keine laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen.
Die Berufung ist gem. § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Das hiesige Urteil divergiert von dem Urteil des LSG NRW vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16, hinsichtlich der Schlüssigkeit reiner Angebotsmietenkonzepte und beruht auf dieser Abweichung.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung höherer Unterkunftskosten bei der Bewilligung ihrer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Streitig sind die Erforderlichkeit eines Umzugs und die darauffolgende Deckelung des Mietpreises sowie die Schlüssigkeit des Konzepts der Stadt L1 zur Ermittlung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft vom 14.08.2014.
Die am 00.00.1987 geborene Klägerin stand im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnte zunächst die Wohnung in der H Str. 000 in L1. Die Kaltmiete betrug 210,00 EUR monatlich, die Heizkosten 60,00 EUR monatlich und die Betriebskosten 70,00 EUR monatlich.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 07.12.2015 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Februar 2016 bis Januar 2017. Dabei berücksichtigte der Beklagte Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 210,00 EUR kalt, 70,00 EUR Betriebskosten und 60,00 EUR Heizkosten.
Die Klägerin sprach am 25.01.2016 beim Beklagten vor. Sie reichte eine Mietbescheinigung vom 22.01.2016 ein für eine Wohnung in der L2 Str. 00 in L1. Sie beabsichtige eine Anmietung der Wohnung zum 01.05.2016 und beantrage die Zustimmung zum geplanten Wohnungswechsel. Der Umzug sei notwendig, da es Oktober 2014 durch einen anderen Mieter im Haus zu einem Wasserschaden gekommen sei, die Mängel seien nicht beseitigt worden. Sie habe ihren Vermieter nur mündlich zu Mängelbeseitigung aufgefordert. Auch sei die Heizleistung dort ungenügend.
Der Beklagte lehnte die Zustimmung mit Bescheid vom 25.01.2016 ab. Die Kosten der neuen Wohnung lägen grundsätzlich im angemessenen Bereich. Die Notwendigkeit des Umzugs sei jedoch nicht nachgewiesen. Der Ermittlungsdienst werde beauftragt.
Der Ermittlungsdienst berichtete von Feuchtigkeitsschäden im Schlafzimmer, einer nassen Außenwand und Schimmelbildung. Die Heizung sei mehr als warm gewesen. Der alte Wasserschaden sei abgetrocknet gewesen. Die Klägerin habe den Vermieter schriftlich über die Mängel in Kenntnis zu setzen und eine Frist zur Behebung zu setzen.
Die Klägerin schloss am 28.01.2016 den Mietvertrag über die Wohnung in der L2 Str, 00 in L1 ab. Mietbeginn sei der 01.05.2016. Die Kaltmiete betrage 280,00 EUR monatlich, die Betriebskostenvorauszahlung 115,00 EUR monatlich.
Die Klägerin sprach am 09.02.2016 beim Beklagten vor. Sie teilte die Unterzeichnung des Mietvertrags mit und erhob Widerspruch gegen die Ablehnung der Zustimmung durch Bescheid vom 25.01.2016.
Mit Bescheid vom 12.02.2016 änderte der Beklagte die Bewilligung für die Monate Mai 2016 bis Januar 2017. Dabei berücksichtigte der Beklagte die Kaltmiete in bisheriger Höhe von 210,00 EUR und die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 115,00 EUR. Die Kaltmiete sei aufgrund des nicht erforderlichen Umzugs auf die bisherige Miete zu deckeln. Die neuen Heizkosten seien noch nicht mitgeteilt.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 24.02.2016 Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 12.02.2016. Es seien die tatsächlichen, höheren Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Der Umzug sei notwendig gewesen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2016 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 03.05.2016 Klage erhoben.
Die Klägerin legte dem Beklagten am 07.05.2016 die Vertragsbestätigung ihres Gasversorgers für die Heizung vor. Der monatlich Abschlag beträgt danach 71,00 EUR und wird erstmals im Juni 2016 fällig.
Mit Bescheid vom 23.05.2016 änderte der Beklagte die Bewilligung für den Zeitraum von Juni 2016 bis Januar 2017 und berücksichtigte nunmehr den Abschlag für die Heizkosten in Höhe von 71,00 EUR monatlich.
Die Klägerin trägt vor, der Umzug sei notwendig gewesen. Trotz mehrfacher Aufforderungen habe der Vermieter die Mängel nicht beseitigt. Das Konzept des Beklagten sei zudem nicht schlüssig.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 12.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2016 in Fassung des Änderungsbescheids vom 23.05.2016 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai 2016 bis Januar 2017 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 280,00 EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass ein verständiger Dritter im Niedriglohnbereich vor einem Umzug schriftlich zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung aufgefordert hätte und ggf. Mietminderungen angedroht hätte, um einen Umzug zu vermeiden. Der Umzug sei daher nicht erforderlich gewesen. Die Deckelung fuße zudem auf einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Kaltmiete beruhe auf einem zutreffenden Angebotsmietenkonzept. Auf eine Auswertung der Bestandsmieten sei verzichtet worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F und E L3, die Eltern der Klägerin, sowie des Zeugen Q, dem ehemaligen Vermieter der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Beweisaufnahmetermins vom 12.01.2018 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 12.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2016 in Fassung des Änderungsbescheids vom 23.05.2016 im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Denn der Bescheid ist teilweise rechtswidrig. Die Klägerin hat für den Zeitraum von Mai 2016 bis Januar 2017 einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II.
Der Streitgegenstand wurde in zulässigerweise auf die Unterkunftskosten beschränkt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R).
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach §§ 7, 19, 20, 22 SGB II. Sie erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum 29 Jahre alt, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Bei der Klägerin sind monatlich 395,00 EUR Bruttokaltmiete und ab Juni 2016 zusätzlich 71,00 EUR monatliche Heizkosten als Bedarfe für Unterkunft und Heizung anzuerkennen.
Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Die tatsächlichen Aufwendungen belaufen sich auf monatlich 395,00 EUR Bruttokaltmiete sowie ab Juni 2016 zusätzlich 71,00 EUR monatliche Heizkosten. Diese Aufwendungen sind – auch nach der Einschätzung des Beklagten - angemessen. Sie liegen sowohl innerhalb der Angemessenheitsgrenze des Konzepts des Beklagten als auch innerhalb der hilfsweise anzuwendenden Werte der Wohngeldtabelle nebst Sicherheitszuschlag.
Die tatsächlichen Aufwendungen sind - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht auf die bisherigen Aufwendungen für die Wohnung in der H Str. zu begrenzen.
Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur der bisherige Bedarf anerkannt.
Der Umzug war nicht erforderlich.
Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 186 m.w.N.). Bei Mängeln am Mietobjekt erscheint ein Umzug erst erforderlich, wenn der Vermieter eine ihm obliegende Mängelbeseitigung ablehnt bzw. diese unmöglich ist bzw. weitere Beseitigungsmaßnahmen wegen deren Umfang bzw. nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen nicht mehr zugemutet werden können und damit ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach den §§ 543, 569 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besteht (a.a.O. m.w.N.).
Ein solcher plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde, ist nicht gegeben.
Es steht zwar zur Überzeugung des Gerichts fest, dass Mängel an der Wohnung in der H Str. vorhanden waren, die erheblich und nicht auf Dauer tolerierbar waren. Die Anschauung der zur Verwaltungsakte genommenen Bildaufnahmen der Wohnung sowie der Bericht des Ermittlungsdienstes weisen Wasserschäden und Schimmelbildung nach.
Es steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin keine ausreichenden Bemühungen unternommen hat, um eine Abhilfe durch den Vermieter zu erreichen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin den damaligen Vermieter nicht schriftlich zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Dies haben die Zeugen in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin ausgesagt.
Das Gericht ist der Ansicht, dass ein verständiger Nichtleistungsempfänger die mit einem Umzug verbundenen Kosten erst auf sich nehmen würde, wenn eine ernstliche Mängelanzeige mit Beseitigungsaufforderung erfolglos geblieben ist. Eine ernstliche Mängelanzeige erfolgt grundsätzlich schriftlich und enthält eine Aufforderung zur Beseitigung der genau bezeichneten Mängel unter Fristsetzung, ggf. sollte auch eine Mietminderungsandrohung enthalten sein. Das Gericht hält eine schriftliche Aufforderung für angezeigt, weil eine solche grundsätzlich eine höhere Erfolgsaussicht hat. Mündliche Gespräche bergen sowohl das Risiko, dass sie von Seiten des Vermieters als weniger verbindlich wahrgenommen werden als auch das Risiko eines Missverständnisses. Entsprechend divergierten die Zeugenaussagen der Eltern der Klägerin sowie des damaligen Vermieters erheblich voneinander bezüglich dessen, was die Klägerin bzw. ihre Eltern mündlich für Mängel angezeigt hätten. Die Klägerin war auch in der Lage, eine entsprechende schriftliche Mängelanzeige zu machen. Sie wurde vom Beklagten dahingehend beraten, schriftlich vorzugehen.
Trotz der fehlenden Erforderlichkeit des Umzugs ist eine Deckelung der Unterkunftskosten ausgeschlossen. Denn die Stadt L1 verfügt nicht über ein schlüssiges Konzept.
Der Zweck von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist darin zu sehen, eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen zu verhindern und den Kommunen im Hinblick auf die Kostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Steuerungsfunktion zu belassen. Insbesondere findet die Vorschrift von vornherein keine Anwendung auf Fallgestaltungen, bei denen ein Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums hinaus vorgenommen wird. Im Hinblick auf diesen Schutzzweck kann die Norm auch bei einem Umzug innerhalb desselben Vergleichsraums Anwendung nur dann finden, wenn und soweit zutreffend ermittelte kommunale Angemessenheitsgrenzen bestehen (BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 6/14 R m.w.N.).
Zu prüfen ist das Konzept des Beklagten vom 14.08.2014. Denn dieses Konzept fand Anwendung sowohl zum Zeitpunkt der Anmietung der neuen Wohnung als aus zum Zeitpunkt des Umzugs in die neue Wohnung.
Bezugszeitpunkt des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist der Zeitpunkt des Auszugs aus der bisherigen Unterkunft und des Einzugs in die neue Wohnung. Für diesen Zeitpunkt ist zu beurteilen, ob eine durch den Beklagten transparent ermittelte Angemessenheitsgrenze vorhanden gewesen ist, die die Mietpreise auf dem örtlichen Wohnungsmarkt im Vergleichsraum realitätsgerecht wiedergeben hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016, B 4 AS 12/15 R). Eine Nachbesserung dürfte bei dieser Konstellation von vornherein ausscheiden. Anders als bei der Kostensenkung geht es nicht um den Dialog über die angemessenen Unterkunftskosten, sondern darum, ob die damals aktuellen Richtwerte zutreffend ermittelt waren oder nicht. Denn zu beurteilen ist die Entscheidung des Betroffenen zum Bezugszeitpunkt.
Das von der Empirica AG erstellte Konzept zur Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II und § 35 SGB XII für die Stadt L vom 14.08.2014 ist nicht schlüssig.
Ein schlüssiges Konzept befasst sich mit der Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze. Sie ist nach der sogenannten Produkttheorie durch Multiplikation der abstrakt angemessenen Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter im örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln (BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Für einen Ein-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist nach Nr. 8.2 der insoweit maßgeblichen (BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 109/11 R) Wohnraumnutzungsbestimmungen eine Wohnfläche von 50 m² abstrakt angemessen. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis soll den Preis wiedergeben, den ein Leistungsberechtigter auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufwenden muss (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R). Das Bundessozialgericht hat Verfahrensregeln für das methodische Vorgehen zur Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises entwickelt, ohne eine bestimmte Methode der Ermittlung vorzugeben. Es hat Mindestanforderungen an die empirische Ableitung der angemessenen Bruttokaltmiete definiert, die sicherstellen sollen, dass die ermittelten Daten die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes tatsächlich wiedergeben. Die Ermittlung der regional angemessenen Unterkunftskosten muss danach auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statischer Grundsätze erfolgen. Der kommunale Grundsicherungsträger muss im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn gleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall, planmäßig vorgehen (BSG, Urteil vom 16.06.2015, a.a.O. m.w.N.). Schlüssig ist das Konzept, wenn es gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich der Datenerhebung und -auswertung sowie der Folgerichtigkeit erfüllt. Es muss ein Vergleichsraum genau eingegrenzt werden. Die Datenerhebung darf ausschließlich in diesem Vergleichsraum erfolgen. Sie muss sich über den gesamten Vergleichsraum erstrecken. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art der Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße). Der Beobachtungszeitraum ist anzugeben. Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel) sind festzulegen. Die Datenerhebung muss valide sein, die einbezogenen Daten müssen repräsentativ sein. Das Konzept muss Angaben zu den gezogenen Schlüssen enthalten (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze). Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze sind bei der Datenauswertung einzuhalten. Es handelt sich um verallgemeinerbare (d.h. nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängige) und entwicklungsoffene Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe, die Raum für die Berücksichtigung regionaler Bedingungen lassen; sie eröffnen dem Grundsicherungsträger eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Methodenfreiheit bei Methodenvielfalt. Bei der Prüfung eines schlüssigen Konzepts sind die mit Wirkung zum 01.04.2011 eingefügten Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu beachten. Denn die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird durch das Regelungssystem der §§ 22a bis 22c SGB II gesetzlich begrenzt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R).
Das Konzept ist nicht bereits deshalb unschlüssig, weil Zweifel an der Unabhängigkeit des mit der Erstellung beauftragten Unternehmens bestünden. Denn unabhängig davon, ob Zweifel bestehen oder nicht, muss ein mit der Erstellung eines Konzepts beauftragtes Unternehmen nicht unabhängig sein. Es ist die originäre Aufgabe des Beklagten bzw. dessen kommunalen Trägers, ein schlüssiges Konzept zu erstellen. Sich zur Erfüllung dieser Aufgabe der Hilfe eines Drittanbieters zu bedienen ändert nichts an der Aufgabenwahrnehmung durch den Beklagten.
Das streitige Konzept wählt das gesamte Stadtgebiet L1 als Vergleichsraum. Es begegnet seitens des Gerichts keinen Bedenken, das gesamte Stadtgebiet L1 als homogenen Wohn- und Lebensraum zu betrachten.
Der Beobachtungsgegenstand ist definiert. Das Konzept berücksichtigt nur die Nettokaltmiete. Zu ermitteln ist jedoch die Bruttokaltmiete (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R). Eine Nachbesserung scheidet grundsätzlich aus (s.o.). Doch auch anderenfalls, wenn eine Erweiterung des Konzepts durch Berücksichtigung von Betriebskostenspiegelwerten in der vorliegenden Konstellation zulässig sein sollte, ist das Konzept des Beklagten auch im Übrigen nicht schlüssig.
Der Wohnungsstandard als Beobachtungsgegenstand ist definiert. Es wird der gesamte Wohnungsmarkt ermittelt und durch einen Bruchteil davon wird das einfache Segment dargestellt. Die Datenerhebung erfolgt differenziert nach den Wohnungsgrößen. Dabei wird für jede Wohnungsgrößenklasse (50 qm, 65 qm, 80 qm ...) der Bereich von +/- 5 qm berücksichtigt. Der Beobachtungszeitraum ist mit dem Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2013 angegeben.
Die Art und Weise der Datenerhebung ist festgelegt. Es handelt sich um ein reines Angebotsmietenkonzept. Erkenntnisquellen sind die Empirica-Preisdatenbank, die öffentlich im Internet inserierte Angebote verschiedener Portale enthält sowie die Daten des Wohnungsunternehmens Wohnstätte L1 AG. Das Konzept verzichtet ausdrücklich auf eine Auswertung von Bestandsmieten.
Ein reines Angebotsmietenkonzept genügt nicht den Anforderungen an eine realitätsnahe Ermittlung des gesamten Wohnungsmarkts (vgl. Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2018, L 8 SO 193/13; entgegen LSG NRW, Urteil vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16).
Die Methodenfreiheit für den Grundsicherungsträger besteht nur innerhalb der für schlüssige Konzepte aufgestellten Grundsätze (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R).
Bei der Ermittlung der erforderlichen Miete für eine abstrakt angemessene Wohnung ist nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 24). Normativer Anknüpfungspunkt für die Notwendigkeit der Auswertung auch von Bestandsmieten ist § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R, Rn. 22). Nach § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II sollen in die Datenauswertung sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen. Diese Norm gilt zwar nur unmittelbar für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten durch Satzung gem. § 22a SGB II. Die Regelungen der §§ 22a bis c SGB II sind jedoch auch bei der Auslegung der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, Rn. 17).
Es ist auch kein überzeugender Grund ersichtlich, weshalb ausnahmsweise auf eine Datenauswertung von Bestandsmieten verzichtet werden dürfte. Das LSG NRW stellt in seiner Entscheidung vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16, darauf ab, dass Angebotsmieten im Mittel meist höher als der Mittelwert von repräsentativ erhobenen Neuvertragsmieten liegen. Ähnlich argumentiert der Beklagte mit dem Vortrag, dass die Berücksichtigung von Bestandsmieten dazu führen könnte, dass Mieten mit einkalkuliert würden, die geringer seien als die aktuell am Markt erzielbaren Mieten. Diese Annahmen sind jedoch nicht zwingend (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2018, L 8 SO 193/13, Rn. 52). Sie können auch keine Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Für den hier streitigen Vergleichsraum zum streitigen Erhebungszeitpunkt ist in keiner Weise verifiziert oder mit verhältnismäßigem Aufwand verifizierbar, ob die Angebotsmieten über den Neuvertragsmieten oder Bestandsmieten liegen. Nur ein Abgleich mit repräsentativ erhobenen Neuvertrags- bzw. Bestandsmieten im Vergleichsraum zum Erhebungszeitpunkt könnte einen entsprechenden Schluss zulassen. Diese Erhebung hat nicht stattgefunden. Eine vollständige Datenerhebung und –auswertung unter Berücksichtigung auch der Bestandsmieten wird nicht durch eine (womöglich häufig) zutreffende Vermutung obsolet. Die Einbeziehung sowohl von Neuvertrags- als auch Bestandsmieten zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen ist auch sachgerecht, weil die Daten von Bestandsmieten geeigneter sind, den Gesamtbestand von preiswertem Wohnraum und damit auch die Nachfragekonkurrenz realitätsnah abzubilden (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. m.w.N.). Nur die Betrachtung der verfügbaren Angebote ohne realitätsnahe Abbildung der Nachfrageseite überschreitet die Grenzen der Methodenfreiheit.
Auf eine Nachbesserungsmöglichkeit kommt es nicht an (s.o.).
Eine Nachbesserung wäre aber auch nicht möglich, da keine repräsentativen Bestandsmieten erhoben worden sind oder auf andere Weise verfügbar wären.
Auch das ab Juli 2017 von dem Beklagten angewandte Konzept wäre nicht zur Nachbesserung geeignet. Der dortige Erhebungszeitraum liegt zwar größtenteils vor dem hier streitigen Zeitraum, so dass die dort erhobenen Daten für den streitigen Zeitraum - auch unter Berücksichtigung einer etwaigen angespannteren Wohnungsmarktlage durch Migration - aktuell wären. Gleichwohl ist das dortige Konzept ebenfalls nicht schlüssig. Ausgangslage des dortigen Konzepts ist wie im vorherigen Konzept die Ermittlung angemessener Nettokaltmieten anhand von Angebotsmieten. Zusätzlich wurden Bestandsmieten erhoben. Erkenntnisquellen für die Angebotsmieten sind die Empirica-Preisdatenbank, die öffentlich im Internet inserierte Angebote verschiedener Portale enthält sowie die Daten des Wohnungsunternehmens Wohnstätte L1 AG. Die Bestandsmietdaten werden aus dem Datenbestand des Beklagten zum SGB II-Bezug erhoben.
Obgleich das Konzept vom 14.03.2017 Bestandsmieten darstellt, handelt es sich konzeptionell um ein Angebotsmietenkonzept.
Das Konzept des Beklagten sieht vor, die aus den Angebotsmieten ermittelten Werte mit den Bestandsmieten zu vergleichen. Es handelt sich lediglich um eine deskriptive und komparative Darstellung der Bestandsmietdaten, ohne dass konzeptionell eine Rückkoppelung zwischen beiden Datensätzen definiert wäre.
In der Stellungnahme der Empirica AG vom 05.06.2018 führt das Unternehmen aus, dass das entsprechende Kapitel des Konzepts zu den Bestandsmieten methodisch überflüssig sei. Der Vergleich der Bestandsmieten zu den Angebotsmieten solle nur zeigen, dass vermietete Wohnungen im Vergleich zu den am Markt angebotenen Wohnungen günstiger seien.
Das Konzept ist zusammengefasst von der Ansicht getragen, dass sich im Vergleich beider Datenquellen nur zeigt, wie viele Leistungsempfänger unangemessen teuer wohnen. Einen definierten Mechanismus für einen Rückschluss von den Bestandsmieten auf die Festlegung der angemessenen Mietkosten gibt es nicht. Es besteht zwar Methodenfreiheit, aber diese beinhaltet nicht, dass ein Teil der notwendigerweise erhobenen Daten keinen entscheidenden Einfluss auf die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze haben kann.
Ein reines Angebotsmietenkonzept genügt nicht den Anforderungen an eine realitätsnahe Ermittlung des gesamten Wohnungsmarkts (s.o.). Auch eine Plausibilisierung der aus den Angebotsmieten erhobenen Daten mithilfe der Bestandsdaten aus dem SGB II-Leistungsbezug ohne definierte Rückkoppelung gelingt dem Beklagten nicht.
Die aus den beiden Datenquellen erhobenen Mietwerte lassen sich nicht einfach vergleichen. Die aus dem SGB II-Bezug gewonnen Daten sind nicht repräsentativ für den gesamten Wohnungsmarkt. Sie stellen allenfalls das einfache Segment dar (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Damit wären diese Daten vom Beobachtungsgegenstand her nicht kongruent mit dem Beobachtungsgegenstand dieses Konzepts, das den gesamten Wohnungsmarkt abbilden möchte. Soweit also der Beklagte ausführt, dass der Median der erhobenen Bestandsmieten niedriger sei als der Median der Angebotsmieten, so trifft dies zu. Es lässt sich daraus aber keineswegs schlussfolgern, dass aus diesem Grund die maßgebliche Auswertung der Angebotsmieten im Vergleich zu den Bestandsmieten lediglich vorteilhaft für den Leistungsempfänger wäre, denn der eine Median soll sich auf den gesamten Wohnungsmarkt beziehen und der andere Median bezieht sich nur auf das einfache Segment.
Der Umstand, dass rund 28% der Wohnungen im Leistungsbezug um 50 qm nach dem Konzept des Beklagten unangemessen teuer sein sollen, ist angesichts dessen, dass die Daten der Leistungsempfänger bereits das untere Wohnsegment abbilden, bedenklich. Es trifft zwar zu, dass es theoretisch möglich ist, dass 28% der Leistungsempfänger unangemessen teuer wohnen. Ein solcher Wert sollte jedoch Anlass geben, an der bisher ermittelten Angemessenheitsgrenze durch die Angebotsmieten zu zweifeln. Das Ergebnis wird auch nicht dadurch unzweifelhaft, dass es sein kann, dass mehrere Personen im Leistungsbezug zusammen eine zu kleine Wohnung (um 50 qm) bewohnen, die dann aber einen höheren qm-Preis hat.
Auch die Gegenüberstellung der Anzahl der Fälle, in denen tatsächlich eine Kostensenkung durchgeführt wird mit der Anzahl der als angemessen erachteten Wohnungsangebote, führt nicht zu einer Plausibilisierung des Konzepts. Nach Angaben des Beklagten stünden hier 285 Wohnungsangebote für 50 qm- Wohnungen innerhalb eines Jahres 221 Fällen gegenüber, bei denen die Unterkunftskosten nicht anerkannt sind.
Die Gegenüberstellung überzeugt in mehreren Punkten nicht. Die Angebote wurden aus vier Quartalen addiert, die Kostensenkung obliegt den Betroffenen jedoch grundsätzlich binnen zwei Quartalen. Bei den 285 Wohnungsangeboten aus den Daten der Empirica Preisdatenbank und dem Angebot von Wohnungsunternehmen konnte keine Doppelbereinigung vorgenommen werden, so dass nicht bekannt ist, ob es nicht tatsächlich deutlich weniger als 285 Wohnungsangebote sind. Weiterhin ist nicht berücksichtigt, dass und in welchem Umfang eine erhebliche Nachfragekonkurrenz um günstigen Wohnraum besteht. Es ist zwar auch so, dass die berücksichtigten Angebote nicht alle zur Verfügung stehenden Wohnungen darstellen, da nicht alle Angebote öffentlich inseriert werden oder von Wohnungsbauunternehmen stammen. Jedoch ändert dies nichts daran, dass der Vergleich nicht schlüssig und überzeugend darlegen kann, dass für jeden von der Kostensenkung Betroffenen in angemessener Zeit eine verfügbare Wohnung am Markt vorhanden gewesen wäre.
Außerdem muss zuerst eine schlüssige angemessene Miete ermittelt werden. Jedem Betroffenen mit gesenkten Kosten eine verfügbare Wohnung nachzuweisen und damit die Senkung zu legitimieren, entspräche nicht einem planmäßig Vorgehen, wie es für das schlüssige Konzept notwendig ist.
Mangels repräsentativ erhobener Bestandsmietdaten liegt ein Erkenntnisausfall vor. Im Falle eines Erkenntnisausfalls sind zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) nebst Sicherheitszuschlag in Höhe von 10% im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R m.w.N.). Für die Stadt L1 war im streitigen Zeitraum die Mietstufe IV zu berücksichtigen. Für eine Person lag die Bruttokaltmietobergrenze daher bereits ohne Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags bei 434,00 EUR monatlich und damit oberhalb der tatsächlichen Bruttokaltmietkosten der Klägerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Berufung wird zugelassen. Die Berufung bedarf gem. § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Vorliegend übersteigt der Wert der Beschwer 750,00 EUR nicht. Es sind auch keine laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen.
Die Berufung ist gem. § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Das hiesige Urteil divergiert von dem Urteil des LSG NRW vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16, hinsichtlich der Schlüssigkeit reiner Angebotsmietenkonzepte und beruht auf dieser Abweichung.
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