L 1 R 149/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 762/12 WA, S 6 R 259/14, S 6 R 269/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 149/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, welche Beitragszeiten dem Versicherungskonto des Klägers zugrunde zu legen sind.

Der am ... 1960 geborene Kläger war am 1. März 1990 ausweislich der Handwerkskarte vom 14. November 1994 in die Handwerksrolle der Handwerkskammer D. als selbstständiger Handwerker - Elektromechaniker - eingetragen worden.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 28. Januar 2010 rentenrechtliche Zeiten des Klägers fest. Sie teilte mit: "nach § 149 Abs. 5 SGB VI stellen wir die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeit bis 31.12.2003, verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind. Die Verbindlichkeit der übrigen Daten wird zu gegebener Zeit in einem weiteren Bescheid geregelt werden." Der Kläger erhob hiergegen am 2. Februar 2010 Widerspruch, ohne diesen weiter zu begründen. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2010 den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 12. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben (S 13 R 406/10). Er hat sich gegen die Nichtberücksichtigung von Rentenversicherungszeiten für den Zeitraum vom 1. Mai 1988 bis zum 31. März 2003 gewandt.

Mit Beschluss des Sozialgerichts vom 10. Mai 2011 ist das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Überprüfungsverfahrens hinsichtlich der Beitragszeiten des Klägers ab dem 1. März 1990 angeordnet worden.

Am 28. September 2012 hat die Beklagte das Verfahren wieder aufgenommen (S 13 R 762/12 WA) und mitgeteilt, dass die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch den Kläger bislang nicht erfolgt sei.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 1. Juli 2013 festgestellt, dass der Kläger gemäß § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 27. März 2003 als selbstständig Tätiger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen habe. Pflichtbeiträge könnten jedoch nicht mehr gezahlt bzw. gefordert werden, weil die Beitragsforderung verjährt sei. Mit einem weiteren Bescheid vom 1. Juli 2013 hat die Beklagte das Ende der Versicherungspflicht als selbstständig Tätiger gemäß § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI zum 27. März 2003 festgestellt, da die Eintragung des Klägers in die Handwerksrolle zum 27. März 2003 gelöscht worden sei. Gegen den Bescheid vom 1. Juli 2013 über das Ende der Versicherungspflicht zum 27. März 2003 erhob der Kläger am 8. Juli 2013 Widerspruch. Er führte an, eine Löschung der Eintragung sei für ihn nicht nachvollziehbar. Diesbezüglich sei ein Rechtsmittelverfahren bei der Handwerkskammer D. anhängig.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Oktober 2013 erneut rentenrechtliche Zeiten des Klägers festgestellt. Es sind vom 1. November 1979 bis zum 30. April 1988 Pflichtbeitragszeiten, vom 1. April 2003 bis zum 30. April 2013 Zeiten für eine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung bzw. vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2010 Bezugszeiten des Arbeitslosengeldes II ohne Arbeitslosigkeit berücksichtigt worden.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2014 die Klage abgewiesen. Die Vormerkung selbstständiger Tätigkeiten für den Zeitraum vom 1. Mai 1988 bis zum 31. März 2003 könne nicht berücksichtigt werden, da Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 27. März 2003 nicht mehr wirksam gezahlt werden könnten.

Der Kläger hat gegen den ihm am 1. März 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 24. März 2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt (L 1 R 149/14). Er ist der Auffassung, Pflichtbeitragszeiten seien auch bei Nichtzahlung der Beiträge zu berücksichtigen. Es sei ausreichend, wenn eine versicherungspflichtige Zeit zurückgelegt worden sei. Die Eintragung in der Handwerksrolle sei grundsätzlich zum Nachweis der Pflichtbeitragszeiten geeignet und ausreichend. Die Höhe der zu berücksichtigenden Einkünfte ergebe sich aus den gesetzlichen Bemessungsgrenzen.

Die Beklagte hatte bereits mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2014 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 1. Juli 2013 über das Ende der Versicherungspflicht zum 27. März 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Nach Auskunft der Handwerkskammer in D. mit Schreiben vom 16. April 2013 habe für die Zeit vom 1. März 1990 bis zum 27. März 2003 eine Eintragung des Klägers in die Handwerksrolle als Elektromechaniker bestanden. Seitens der Handwerkskammer D. sei dem Kläger die von Amts wegen vorgenommene Löschung (wegen eintragspflichtigen Umsätzen) mitgeteilt worden. Die Löschungsmitteilung sei ihm übersandt worden. Die Löschung aus der Handwerksrolle sei bestandskräftig. Dies sei von der Handwerkskammer D. nochmals bestätigt worden. Die Versicherungspflicht habe daher korrekt zum 27. März 2003 geendet.

Hiergegen hat der Kläger am 24. März 2014 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben (S 6 R 259/14).

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2015 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers als Handwerker bis zum 27. März 2003 begrenzt.

Gegen den ihm am 24. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Dezember 2015 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt (L 1 R 536/15).

Den ohne Begründung gegen den Bescheid vom 22. Oktober 2013 erhobenen Widerspruch vom 5. November 2013 hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 24. März 2014 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben (S 6 R 269/14). Es sei darüber zu befinden, dass Beitragszeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für Handwerker ab 1989 bzw. 1990 (Eintragung in der Handwerksrolle der Handwerkskammer D.) zu berücksichtigen seien.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2015 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht weitere rentenrechtlich relevante Zeiten für den Kläger nicht festgestellt, da solche nicht ersichtlich zurückgelegt worden und demgemäß auch nicht nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) festzustellen gewesen seien.

Gegen den ihm am 24. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Dezember 2015 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt (L 1 R 538/15).

Mit Beschluss des Senats vom 22. März 2018 sind die Berufungen der Berichterstatterin übertragen worden.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2018 sind die Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 26. Februar 2014 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 abzuändern, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2013 - das Ende der Versicherungspflicht zum 27. März 2003 betreffend - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2014 abzuändern sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 19. November 2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2014 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. März 1990 bis zum 27. März 2003 als Pflichtbeitragszeit aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für Handwerker festzustellen,

wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Gerichtsbescheide und ihre Bescheide für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht den Zeitraum vom 1. März 1990 bis zum 27. März 2003 nicht als Pflichtbeitragszeit aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für Handwerker in den o.g. Feststellungsbescheiden berücksichtigt. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010, der Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2014 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2014 sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Beitragszeiten können nur dann als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden, wenn für diese Zeiten auch tatsächlich Beiträge gezahlt wurden oder als gezahlt gelten (z.B. bei Kindererziehungszeiten). Gemäß § 63 Sechstes Buch SGB VI richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (Abs. 1). Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird dann in Entgeltpunkte umgerechnet (Abs. 2 Satz 1). Pflichtbeitragszeiten für eine selbstständige Tätigkeit werden somit nur anerkannt, wenn auch die entsprechenden Beiträge gezahlt worden sind.

Vorliegend kann die geltend gemachte Zeit vom 1. März 1990 bis zum 27. März 2003 nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden. Der Kläger ist als Handwerker zwar versicherungspflichtig gewesen. Da die Beiträge verjährt sind, können diese nicht mehr entrichtet werden. Auch eine Nachzahlung nach dem Mindestbeitrag ist nicht mehr möglich. Der Kläger bestreitet im Übrigen nicht, dass für die geltend gemachte Zeit keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind. Allein die Eintragung in die Handwerksrolle ist jedoch für die Berücksichtigung als Pflichtbeitragszeit nicht ausreichend.

Die Wirkungsweise der gesetzlichen Rentenversicherung wird durch das Versicherungsprinzip geprägt: Deren Mitglieder sind gegen das Risiko versichert, bei Erwerbsminderung oder im Alter ihr Arbeitseinkommen zu verlieren. Bei Eintritt des Versicherungsfalls erfolgt die Leistung in Form einer Versichertenrente. Die Finanzierung erfolgt über die Beiträge. Die individuelle Rentenhöhe errechnet sich nach dem Grundsatz der Äquivalenz: Höhe und Dauer des durch Beitragszahlungen belegten Arbeitseinkommens sind die dafür eigentlich bestimmenden Faktoren. Zwischen Vorleistung (Beitrag) und Gegenleistung (Rente) besteht somit eine direkte Beziehung. Es gilt der Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten.

Allein die Tatsache, dass ein Versicherter versicherungspflichtige Zeiten zurücklegt, ohne jedoch Beiträge zu entrichten, begründet keine rentenrechtliche Berücksichtigung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere liegt kein Fall des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vor.
Rechtskraft
Aus
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