L 14 R 728/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 20 R 1493/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 728/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.10.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen das teilweise Ruhen seiner Regelaltersrente aufgrund seiner Entschädigung als Bundestagsabgeordneter nach dem Abgeordnetengesetz (AbgG); hier für die Zeit vom 01.04.2013 (Beginn der Regelaltersrente) bis 31.10.2013 (Monat des Ausscheidens des Klägers aus dem Deutschen Bundestag).

Der am 00.00.1948 geborene Kläger war seit dem 10.11.1994 Mitglied des Deutschen Bundestags und bezog ausweislich einer Bescheinigung vom 15.10.2012 eine monatliche Entschädigung nach § 11 AbgG in Höhe von 7.938,19 EUR. Der Kläger beantragte am 10.10.2012 die Bewilligung einer Regelaltersrente zum 01.04.2013. Die Grundsatzabteilung der Beklagten verfügte die Anwendung der Ruhensvorschrift nach § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG, wonach die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Abgeordnetenbezügen in Höhe von 80 % zum Ruhen kommt. Mit Bescheid vom 08.02.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann Regelaltersrente ab dem 01.04.2013. Zur Höhe der Rente führte die Beklagte aus, der Kläger habe grundsätzlich einen Anspruch auf Rente in Höhe von 770,37 EUR monatlich. Diese Rente ruhe jedoch wegen des Zusammentreffens mit der Abgeordnetenentschädigung, so dass ein Rentenanspruch lediglich in Höhe von 154,07 EUR zur Auszahlung gelange.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 11.03.2013 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 23.05.2013 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente zum 01.07.2013 aufgrund der Rentenanpassung neu. Der Rentenzahlbetrag betrage nun 154,46 EUR. Der Kläger begründete anschließend seinen Widerspruch dahingehend, das teilweise Ruhen der Regelaltersrente aufgrund der Regelung des § 29 Abs. 2 AbgG verletze ihn in seinen Grundrechten. Es verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG), dass er als Bundestagsabgeordneter, der zugleich Altersrentner sei, eine erheblich niedrigere Rente erhalte als ein Rentner, der nicht Bundestagsabgeordneter sei. Üblicherweise erhalte derjenige, der das Rentenalter erreicht habe, die volle Regelaltersrente; unabhängig von sonstigen Hinzuverdiensten. Die faktische Anrechnung der Entschädigung als Abgeordneter auf die Regelaltersrente stelle demgegenüber eine klare Ungleichbehandlung dar. Zudem verstoße die Minderung des Auszahlungsbetrags der Rente gegen den durch Art. 14 GG gewährten Eigentumsschutz. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2013 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie sei an Recht und Gesetz gebunden und dürfe nicht selber prüfen, ob eine Regelung verfassungswidrig sei.

Der Kläger schied am 22.10.2013 aus dem Bundestag aus. Mit Bescheid vom 16.10.2013 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers daraufhin ab dem 01.11.2013 neu und zwar nunmehr ohne Ruhen aufgrund der Bezüge aus dem Bundestagsmandat. Die Beklagte setzte die monatlichen laufenden Leistungen in Höhe von 828,67 EUR fest.

Der Kläger hat am 23.08.2013 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Der Gesetzgeber hat § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG mit Wirkung zum 16.07.2014 dahingehend geändert, dass ein Ruhen eines Anspruchs aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur noch in Höhe von 50 vom Hundert zu erfolgen hat, statt wie bisher in Höhe von 80 vom Hundert.

Der Kläger hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Rentenanwartschaften unterlägen dem Schutz des Art. 14 GG. Eingriffe hierin müssten einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein. Diese Grenzen seien durch § 29 Abs. 2 AbgG nicht beachtet. Hintergrund von § 29 Abs. 2 AbgG sei es, eine Doppelalimentation zu vermeiden. Tatsächlich folge nur die Abgeordnetenentschädigung dem Alimentationsprinzip. Die Rente folge dagegen dem Äquivalenzprinzip und orientiere sich grundsätzlich an der Höhe der in der Erwerbsphase gezahlten Beiträge. Eine Kürzung der Rentenleistungen, weil der Betreffende anderweitige Einkünfte habe, vertrage sich damit nicht. Die "Verhinderung von Überversorgung" der Rentner sei kein Gemeinwohlziel und könne diesen Eingriff nicht rechtfertigen. § 29 Abs. 2 AbgG verstoße zudem gegen Art. 3 GG. Die Vergleichsgruppe könne nicht die der Altersrentner sein, die gleichzeitig eine Pension bezögen. Richtige Vergleichsgruppe sei vielmehr die Gruppe derjenigen, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze Einkünfte aus einer beamtenrechtlich alimentierten Tätigkeit bezögen. Der Kläger sei als aktiver Abgeordneter nicht dem Pensionär vergleichbar, sondern dem aktiven Beamten. Der Beamte, der nach Erreichen des Pensionsalters freiwillig auf Antrag weiterarbeite, könne neben seiner ungekürzten Besoldung eventuelle Altersrenten ungekürzt beziehen. Der Kläger werde insofern z.B. gegenüber einem obersten Bundesrichter, der neben seinem Besoldungsanspruch ungekürzte Altersrente beziehen könne, ungleich behandelt. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass § 29 Abs. 2 AbgG nunmehr geändert worden sei und Renten neben Abgeordnetenentschädigungen nunmehr nur noch zu 50 % ruhen würden. Da die streitgegenständlichen Bescheide noch nicht bestandskräftig seien, sei dies auch rückwirkend noch zu berücksichtigen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.02.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.05.2013 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2013 zu verurteilen, für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.10.2013 ungekürzte Rente sowie auf Basis dieser ungekürzten Rente berechnete Zuschüsse zur Krankenversicherung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung berufen und weiter vorgetragen, ein Verstoß des § 29 Abs. 2 AbgG gegen Art. 3 GG liege nicht vor. Im Vergleich von Abgeordneten des Deutschen Bundestags mit dem weitaus überwiegenden Teil der Rentner in der gesetzlichen Rentenversicherung zeige sich, dass für den überwiegenden Teil der Rentner die Hinzuverdienstmöglichkeit neben dem Bezug der Altersrente regelmäßig eine mehr oder weniger große finanzielle Ergänzung darstelle. Die vom Kläger angesprochene Situation eines Beamten, der nach Erreichen der Regelaltersgrenze freiwillig weiterarbeite, betreffe einen anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liege ebenfalls nicht vor. Zwar greife die Regelung in die durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition ein. Der Eingriff liege jedoch im öffentlichen Interesse, weil damit eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen verhindert werden solle. Davon solle nicht zuletzt auch eine Signalwirkung für die gesamte Öffentlichkeit ausgehen, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestags gewillt seien, auf eine übermäßige und aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger möglicherweise ungerechtfertigte Alimentation aus freien Stücken zu verzichten. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig. Die Gesetzesänderung des § 29 Abs. 2 AbgG sei nur für Zeiträume ab dem Inkrafttreten relevant, nicht aber für die Vergangenheit.

Mit Urteil vom 27.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das am 10.11.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.11.2016 Berufung eingelegt. Der Kläger vertieft seinen Vortrag aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren und hat einen Aufsatz von Frau Prof. Dr. T aus der Zeitschrift für Parlamentsfragen zur Frage der Anrechnung von Altersrenten gemäß § 29 AbgG überreicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.10.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.02.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23.05.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2013, zu verurteilen, für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 21.10.2013 ungekürzte Rente sowie auf Basis dieser ungekürzten Rente berechnete Zuschüsse zur Krankenversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt noch ergänzend vor, Prof. Dr. T beschäftige sich ganz überwiegend mit den unstreitigen Aspekten, dass fortlaufend gezahlte Renten der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG unterfielen, der Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit habe, einschränkend einzugreifen. Soweit die Verfasserin dann zu dem Ergebnis gelange, dass § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG insoweit verfassungsrechtlich bedenklich sei, sei auf die bereits ergangene Rechtsprechung zu dieser Thematik hinzuweisen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 28.02.2018 zum Aktenzeichen 1 BvR 421/16 ohne weitere Begründung die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 26.08.2015 zum Aktenzeichen B 13 R 14/15 R die vom Bayerisches Landessozialgericht im Parallelverfahren (Urteil vom 27.11.2014 - L 14 R 741/12) zugelassene Revision bereits als unzulässig angesehen hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Die Berufung ist fristgerecht innerhalb der Monatsfrist eingelegt worden; § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch wegen Überschreiten des Beschwerdestreitwertes zulässig. Zwar gilt nicht § 144 Abs. 1 S. 2 SGG, da die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft. Streitgegenständlich ist nur die Zeit vom 01.04.2013 (Erreichen der Regelaltersgrenze von 65 Jahre) bis zum 31.10.2013 (Monat des Ausscheidens des Klägers aus dem Deutschen Bundestag). Wie der Vergleich des Rentenanspruchs und des gekürzten Zahlbetrags aus dem Rentenbescheid vom 08.02.2013 ergibt, ist der notwendige Berufungsstreitwert von 750 EUR gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG im hier streitigen Zeitraum von sieben Monaten deutlich überschritten. Der Rentenanspruch bestand in Höhe von 770,37 EUR; der um 80 % gekürzte Zahlbetrag betrug 154,07 EUR.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 08.02.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.05.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2013, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ungekürzte Rentenleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt sich aus dem einfachgesetzlichen Recht des § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG in der hier gültigen Fassung vom 21.12.2004, der ein Ruhen in Höhe von 80 vom Hundert anordnete; § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG in der Fassung vom 11.07.2014, der lediglich noch ein Ruhen in Höhe von 50 vom Hundert vorsieht, findet keine Anwendung. § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen das Gleichheitsgebot nach Art. 3 GG und auch nicht gegen die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. Der Senat sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist nach eigener Prüfung auf die insoweit überzeugenden Ausführungen des SG Düsseldorf im Urteil vom 27.10.2016 und macht diese ebenfalls zum Gegenstand dieser Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§ 160 Abs. 1 S. 1, 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Nach der Entscheidung des BSG vom 26.08.2015 zum Aktenzeichen B 13 R 14/15 R und nachdem das Bundesverfassungsgericht die hierzu erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom 28.02.2018 - 1 BvR 421/16) sieht der Senat für die Zulassung der Revision keinen Raum mehr.
Rechtskraft
Aus
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