L 8 SB 3026/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 1973/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3026/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.07.2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 100 statt 30) seit 17.04.2014 zusteht.

Der 1962 geborene Kläger beantragte am 17.04.2014 beim Landratsamt L. (LRA) die Feststellung des GdB. Zu diesem Antrag verwies er auf einen Arbeitsunfall 1981 mit Fraktur des Übergangs von BWS zu LWS, Hepatitis C und B, einen Zustand nach Leistenhernieektomie beidseits, eine 2013 durchgeführte knöcherne Dekompression L5 links, degenerative Veränderungen der LWS, eine Nierenarteriensklerose und eine Aortensklerose. Der Kläger legte Unterlagen, u.a. den übersetzten Bericht über den Unfall im Karabulsker Zuckerkombinat und Arztberichte, darunter den Entlassbericht der F.klinik vom 08.04.2014 vor, wo der Kläger vom 18.03.2014 bis zum 08.04.2014 durch die Deutsche Rentenversicherung stationäre Leistungen der medizinischen Rehabilitation erhalten hatte.

Das LRA zog den Befundschein vom 14.07.2014 von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. (dazu vgl. Blatt 27/33 der Beklagtenakte: Ein Nierenschaden sowie eine Nierenarteriensklerose seien nicht bekannt) mit weiteren Arztbriefen bei, woraufhin der Versorgungsarzt S. in seiner Stellungnahme vom 25.08.2014 (Blatt 35/36 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 schätzte (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 30); Leberschaden, Fettleber (GdB 10); kein GdB von mindestens 10 für Nierenerkrankung, Herzleistungsminderung und Leistenbruch).

Mit Bescheid vom 01.09.2014 (Blatt 37/38 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB seit 17.04.2014 mit 30 fest.

Hiergegen erhob der Kläger am 11.09.2014 Widerspruch (Blatt 40, 41 der Beklagtenakte), zu dessen Begründung er ausführte (Blatt 47 der Beklagtenakte), es solle unbedingt noch eine Stellungnahme des Hausarztes Dr. B. eingeholt werden.

Auf Anfrage durch das LRA teilte Dr. B. mit Schreiben vom 02.02.2015 (Blatt 49/53 der Beklagtenakte) u.a. auch ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich des Abdomens mit Ausstrahlung in den Rücken mit, für das keine eindeutige Ursache zu finden sei. Der Kläger gebe auch immer wieder Schmerzen im BWS-Bereich und im Schulter-Arm-Bereich an.

Der Versorgungsarzt Dr. M.-T. schätzte nunmehr den GdB auf 40 (Stellungnahme vom 08.03.2015, Blatt 55/56 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 30); Leberschaden, Fettleber (GdB 10); depressive Verstimmung, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 20)).

Das LRA stellte mit Abhilfebescheid vom 08.04.2015 (Blatt 57/58 der Beklagtenakte) den GdB seit 17.04.2014 mit 40 fest.

Der Kläger teilte nunmehr mit, dass es sich nicht um eine vollständige Abhilfe handele, da "mit dem Widerspruch immer ein GdB von mindestens 50 verlangt" werde, "weil die darunter befindlichen Werte ohne Bedeutung" sind (Schreiben vom 05.05.2015, Blatt 62 der Beklagtenakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2015 (Blatt 64/66 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 15.06.2015 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erhoben und begehrt, ihm einen GdB von 100, hilfsweise mindestens 50 zuzuerkennen. Der Zustand habe sich weiter dramatisch verschlechtert.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. hat dem SG mit Schreiben vom 30.09.2015 (Blatt 22/30 der SG-Akte) mitgeteilt, es liege ein chronisches Schmerzsyndrom, eine somatoforme Funktionsstörung der Abdominalorgane, ein Zustand nach Gallenblasengries (Operation am 02.07.2015), ein Morbus Bechterew, ein Reizdarmsyndrom, ein depressives Syndrom und eine chronische Virushepatitis C (Zustand nach Therapie) vor. Der Kläger werde engmaschig im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung betreut und medikamentös behandelt. Aufgrund der Sprachbarrieren seien tiefergehende psychosomatische Explorationen nur sehr schwer möglich.

Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 22.12.2015 (Blatt 34 der SG-Akte) vor, woraufhin der Kläger ärztliche Unterlagen einreichte (Blatt 36/39, 43/46 der SG-Akte).

Vom SG schriftlich als sachverständiger Zeuge befragt, hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. mit Schreiben vom 18.05.2106 (Blatt 49 der SG-Akte) mitgeteilt, beim Kläger sei eine Alkoholkrankheit bekannt, wobei er nach Angaben der Ehefrau seit mindestens 7 Jahren trocken sei. Im Juli 2015 habe er einen Grand Mal Anfall nach einer Narkose erlitten. Bei Ableitung im EEG habe sich ein normale EEG und keine allgemeine oder umschriebene Funktionsstörung gezeigt, sodass als Diagnose ein epileptischer Gelegenheitsanfall genannt werde und Antiepileptika nicht erforderlich seien.

In der vom Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 07.07.2016 (Blatt 53 der SG-Akte) hat der Versorgungsarzt Dr. F. ausgeführt, für den Krampfanfall sei ein GdB nicht abzuleiten. Jetzt hat der Kläger Berichte des Wirbelsäulenzentrums des D.Klinikums S. (Blatt 55/58 der SG-Akte) vorgelegt.

Vom SG angefordert, hat der Arzt für Innere Medizin, Rheumatologie Dr. S. (Blatt 63/64 der SG-Akte) den Befundbericht vom 25.11.2016 (Zur Zeit kein sicherer Hinweis für eine entzündlich-rheumatische Erkrankung.) vorgelegt.

Nachdem der Kläger (Blatt 74 der SG-Akte) gegen die Beauftragung von Dr. S. und Dr. T. in M. unter Vorlage eines Attestes von Dr. B. (Blatt 77 der SG-Akte) u.a. wegen seiner Schmerzen darauf hingewiesen hat, er könne aus gesundheitlichen Gründen keine Autostrecken, die mehr als 30-45 Minuten dauerten, absolvieren, hat das SG Dr. N. mit der Erstellung eines Gutachten über den Kläger beauftragt (zu den weiter vom Kläger vorgelegten Arztberichten vgl. Blatt 83/89 der SG-Akte); Dr. V. wurde zum Zusatzgutachter bestellt.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. hat in seinem Gutachten vom 12.10.2017 (Blatt 131/139 der SG-Akte; Untersuchung des Klägers am 10.07.2017) eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, DD eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert und für das psychiatrische Fachgebiet einen GdB von 30 vorgeschlagen.

Der Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Sozialmedizin Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 14.10.2017 (Blatt 92/130 der SG-Akte; Untersuchung des Klägers am 10.07.2017) und unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens von Dr. V. folgende Erkrankungen mitgeteilt: - bildgebend degenerative Veränderungen an HWS, BWS und LWS ohne eindeutig nerval tangierenden Befund, überbrückende Verkalkungen/Verknöcherungen (Spondylose) in BWS-Mitte ohne Hinweise auf entzündliche/rheumatische Erkrankung, mit Streckfehlhaltungen der HWS/LWS, laut Akte Dekompression L4/5 (LWS) von links 23.10.2014, ohne senso-motorisches Defizit, ohne aktuell erkennbare sichere Wurzelreizsymptomatik, ohne aktuelle Verspannungsauffälligkeiten, bei Normgewicht (BMI ca. 23) vorgetragener Rumpfwirbelsäulen-Bewegungseinschränkung v.a. für die Rumpfbeuge, wechselnd eingenommene Körperhaltungen und den o.a. geklagten lokalen Beschwerden mit anzunehmender Überlagerung durch Dysthymie/Schmerzstörung - Nebendiagnosen ohne Rückwirkung auf die Funktion: o Ausgeheilte Hepatitis C (ohne Viruslast (HCV-RNA), Z.n. akuter Hepatitis B, ohne Lebersynthesestörung, ohne sichere erhöhte Leberenzyme, ohne Zeichen der Leberzirrhose o Z.n. nicht näher bekannte Knieoperation links 1994, evtl. Meniskus-Teilresektion ohne Funktionsstörung/Reizzeichen o Laparoskopische Appendektomie 2010, Leistenhernienoperation beidseits mit TAPP-Verfahren 07.07.2008, Laparoskopische Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) 2.7.2015, diagnostische Laparoskopie und Adhäsiolyse am 10.03.2016, subjektiv chronische Bauchschmerzen ohne ätiologische Zuordnung nach maximaler Diagnostik o Nebennierenadenome beidseits o Nierenzysten beidseits o Zustand nach erosiver Antrumgastritis und Duodenitis 07/2013 o Osteome in der Schädelkalotte bifrontal und links ethmoidal o Glycogenakanthosen im Gesicht o Zustand nach Grand mal Anfall im Rahmen von Propofolgabe 06/2015 (Narkoseeinleitung) o Nikotinabusus ohne bekannte Lungenfunktionseinschränkungen o mitgeteilte Alkoholkarenz seit Jahren bei vormals Abusus mit nicht sicherem Ausschluss eines anhaltenden Gebrauchs o Radiologisch linke Schulter 19.10.2016 geringe degenerative Veränderungen ohne aktuelle Funktionseinschränkungen - Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.40) - DD Alkoholabhängigkeit (Fl 0.2) Dr. N. hat den GdB für die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, den operierten Bandscheibenschaden, das chronisches Schmerzsyndrom und die seelische Störung mit 50 seit Antragstellung bewertet. Ein "Leberschaden" sei durch einen einzigen, evtl. nur reaktiven Wert (GGT), ohne Einwirkung auf die Gesamt-GdB-Bildung.

Der Kläger hat nunmehr den Bericht des Arztes M. vom 23.10.2017, der Assistenzärztin K. , Krankenhaus B. , vom 07.06.2017 und des Assistenzarztes Dr. H. , Krankenhaus B. , vom 18.08.2017 sowie den Bericht über eine Kontrastmittelsonographie vom 06.09.2017 vorgelegt (Blatt 143/144, 152/155, 156/159, 159 der SG-Akte) und darum gebeten, über das Gericht eine Magenspiegelung zu bekommen (Blatt 142 der SG-Akte). Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 12.12.2017 und Dr. W. vom 22.03.2018 (Blatt 149, 168/169 der SG-Akte) keine Veranlassung gesehen, seine bisherige Auffassung zu ändern.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2018 hat der Kläger die Berichte des Arztes M. vom 23.10.2017 und vom 15.03.2018 (Blatt 180, 181 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat mit Urteil vom 19.07.2018 den Bescheid vom 01.09.2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 08.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.05.2015 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, beim Kläger seit dem 10.07.2017 den GdB mit 50 festzustellen; im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche sei seit der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung am 10.07.2017 der GdB mit 30 anzunehmen, im Funktionssystem des Rumpfes sei der GdB ebenfalls mit 30 anzunehmen. Die beiden GdB verstärkten sich gegenseitig und führten zu einem GdB von 50.

Gegen das ihm am 09.08.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. vom 13.08.2018 (Blatt 4/5 der Senatsakte) am 23.08.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er habe zuletzt für den rein organischen Befund an der Wirbelsäule nur einen GdB von 20 angesetzt. Für den Leberschaden werde (unstreitig) ein GdB von 10 angenommen. Zur Bildung des Gesamt-GdB führe das SG widersprüchlich aus, die Beeinträchtigungen der Psyche und der Wirbelsäule verstärkten sich einerseits gegenseitig, anderseits bestünden teilweise auch gegenseitige Überschneidungen. Warum bei wechselseitiger Verstärkung ein Gesamt-GdB von 50 dann allerdings erst ab der Begutachtung des Klägers bei Dr. N. gelten solle, führe das SG nicht näher aus. Auch im Übrigen könne der Auffassung des SG keinesfalls zugestimmt werden. Selbst wenn man theoretisch sowohl für die Wirbelsäule als auch für die Psyche einschließlich der Schmerzen GdB-Werte von jeweils 30 ansetzen würde, so könnte hieraus gleichwohl kein Gesamt-GdB von 50 gebildet werden. Denn es liege eher eine Überschneidung der Beeinträchtigungen vor, keinesfalls eine gegenseitige ungünstige Verstärkung. Im Übrigen sei die Verurteilung zu einer hälftigen Kostenerstattung bei einer angenommenen Verschlimmerung im Laufe des Klageverfahrens nicht recht nachvollziehbar.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.07.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hält die Angriffe gegen das Urteil erster Instanz für substanzlos und irrelevant. Der Kläger hat den Sprechstundenbrief des Dr. L. vom 10.10.2018, S.-Kliniken, den vorläufigen Entlassbericht der Assistenzärztin J. , S.-Kliniken, vom 27.09.2018 und den vorläufigen Entlassbericht der Assistenzärztin M. , S.-Kliniken, vom 01.10.2018 (Blatt 19, 20/26, 27/29 der Senatsakte) vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2019 hat der Kläger das Attest des Arztes Y. N. , in Vertretung von Dr. B. , vom 04.04.2019 vorgelegt, in dem ausgeführt wird: "Aus gesundheitlichen Gründen kann der o.g. Patient nicht länger als 1 Stunde am Stück sitzen und nur kurze Strecken bis 500m Laufen".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 01.09.2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 08.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.05.2015. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 30 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 30 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen noch deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. N. feststellen, dass beim Kläger degenerative Veränderungen an HWS, BWS und LWS, überbrückende Verkalkungen/Verknöcherungen (Spondylose) in der BWS-Mitte, Streckfehlhaltungen der HWS/LWS, eine Dekompression L4/5 (LWS) von links bestehen. Den von Dr. B. gegenüber dem SG diagnostizierten Morbus Bechterew – das D.Klinikum konnte dies lediglich als Differenzialdiagnose annehmen (vgl. Bericht vom 28.07.2016, Blatt 55/56 der SG-Akte) - konnte der Senat angesichts der Befunde und Beurteilungen von Dr. N. nicht feststellen. Auch wurde eine rheumatisch-entzündliche Erkrankung ausgeschlossen (Bericht Dr. K. vom 25.11.2016, Blatt 63/64 der SG-Akte).

Dr. N. hat aus seiner Untersuchung des Klägers von verlangsamten und auch anteilig funktionsgestörten Bewegungsabläufen der Wirbelsäule berichtet, wobei dies wohl der Schmerzvermeidung bzw. –ausgestaltung geschuldet sei. Der Kläger konnte jedoch, wie Dr. N. berichtet hat, während des Anamnesegesprächs mit Dr. N. über ca. 100 Minuten ohne besondere oder schmerzbedingte Änderung der Körperhaltung sitzen bleiben, auch hat er sich beim An-/Ausziehen aus dem Stand einzeln auch weit nach vornüber gebückt, ohne generelles Vermeiden des Weit-Nachvornebeugens. Der Kläger schaute spontan an sich zum Boden herunter, wobei im Liegen in Rückenlage der Kopf spontan kurz zum Zuschauen angehoben und auch bei der Racheninspektion spontan nach hinten genommen worden war. Die Bewegungsanalyse war, so Dr. N. , nur unterschwellig durch Lautäußerungen überlagert und zur HWS nicht, und zur Rumpf-Wirbelsäule endgradig schmerzbedingt im Vortrag limitiert, was nach Dr. N. keinem organmorphologischen Geschehen zuzuordnen war. Der Bewegungsablauf hatte auf Dr. N. aber inkarzeriert und gewohnheitsmäßig gewirkt; Dr. N. hat dies unter schmerzvermeidendem Verhalten am ehesten für die gezeigten Einschränkungen verantwortlich gehalten, wobei er eine demonstrative Ausgestaltung dabei auch nicht gänzlich ausgeschlossen hat. Bei der Untersuchung hat Dr. N. beim Kläger eine aufrechte Oberkörperhaltung im Stand und Sitzen, keine erkennbare S-förmige Seitauslenkung im Wirbelsäulen-Bereich, eine mäßige Rundrückenbildung mit wenig vertiefter Lendenlordose, der Gesamtstatur ansonsten entsprechende Schulter-Rückenkulisse mit Hautfaltensymmetrie gefunden. Ein Hautfaltenüberschuss bestand nicht, die Schulterblätter lagen beidseits normal an. Beim Vornüberbeugen bestand kein auffallender seitlicher Rippenbuckel oder ein Auslenken der Dornfortsätze; das Lot von Dornfortsatz C7 fiel im Stand in die Rima ani. Die Rückenstreckermuskulatur war nur mäßig trainiert ausgebildet, im BWS/LWS-Bereich war keine vermehrte Tonisierung spürbar, die Trapeziusmuskulatur war nicht verspannt. Muskelatrophien waren nicht erkennbar, die gluteale Anspannung war nach Aufforderung gut spürbar. Beim seitlicher Widerstandsbewegung des Kopfes gegen die Untersucherhand gab der Kläger an, es ziehe ihm am linken Trapezius, was nach Dr. N. auf vermehrt empfundene muskuläre Anspannung/Verspannung hinweist. Bei Berührungen bestand eine diffus vermehrte Berührungsüberempfindlichkeit der Rückenpartie, am nuchalen Bandansatz bei Druckprovokation wurde jedoch kein Druckschmerz angegeben. Der Muskulus trapezius war im Verlauf nicht druckschmerzhaft, eine Verhärtung im Muskulus sternocleidomastoideus in Ruhe und beim Kopfdrehen fand Dr. N. nicht. Bezüglich HWS wurde kein Klopfschmerz über den Dornfortsätzen angegeben, auch kein HWS-Stauchungsschmerz, und beidseits im Bereich der HWS-Querfortsätze keine Druckdolenzen. Am Knorpel-Knochenübergang der ersten 4 Rippen sowie am Beckenkamm fand Dr. N. keine Druckschmerzen, auch beidseits paravertebral war eher kein Klopfschmerz aber ein Druckschmerz reproduzierbar. Ein lokaler Klopfschmerz bestand auch nicht über den Dornfortsätzen von BWS/LWS, jedoch ein Druckschmerz. Die Valleix schen Druckpunkte waren negativ, Auffälligkeiten bezüglich der Tender-Points hat Dr. N. nicht berichtet. Bei passiv-assistierten HWS-Auslenkungen bestand kein Gegenspannen, passiv und aktiv bei Auslenkungen zur Seite und als Rotation fand Dr. N. keine Limitierungen und dabei eine konkordante und nicht eingeschränkte HWS-Beweglichkeit. Bei der aktiven Rumpfseitneigung bestand endgradig ein schmerzbedingt limitierter Vortrag aktiv wie passiv. Beim gekreuzten Wadengriff war die aktive Rumpf-Seitneigung ebenso limitiert und konnte nicht komplettiert werden. Es bestand ein negativer Verlauf, Reklinationsschmerzen wurden nicht spontan angegeben. Bei der Wirbelsäulen-Funktionsuntersuchung erreichte der Kläger mit Mühe mit der ipsilateralen Hand die Wade, mit der kontralateralen Hand jedoch nicht. Im Liegen konnte der Kläger die unteren Extremitäten nicht gleichzeitig kurz einige Zeit gestreckt von der Unterlage abheben und halten, sondern nur ein Bein; dazu gab der Kläger Bauchschmerzen als Grund an. Der Kläger klagte bei der Untersuchung durch Dr. N. bis ca. 60-70 Grad nicht über positive Lasègue-Zeichen, im Sitzen auf der Liege konnte der Kläger bei Hüftbeugung von ca. 80 Grad die Kniegelenke ohne Abstützen mit den Armen und ohne spontane Schmerzangabe gestreckt halten, zum Aufrichten aus der Rückenlage wurde ein mühevoller Armeinsatz gezeigt, beim Hinlegen dagegen nur kurz ein einseitiger Armeinsatz, beim Aufrichten zeigte der Kläger eine gute eigene HWS-Kontrolle ohne Unterstützung, die vergleichsweise auch beim Hinlegen zu sehen war. Der Kläger saß im Langsitz über den Beobachtungszeitraum von mehr als 20 Sekunden ohne Abstützen. Zum Aufheben nach Aufforderung eines am Boden liegenden Gegenstands wurde aus dem Stand eine tiefe Hocke mit Abknien rechts – rückengerecht - eingenommen und unter Abstützen mit rechts an der Liege der Gegenstand mit links aufgehoben, wobei sich der Kläger unter mühevoller Abstützung daraus wiederaufgerichtet hat.

Dr. N. hat folgende aktive Bewegungsmaße (Normalmaße in Klammer) erhoben: Kinn-Jugulum-Abstand aktiv 0/18cm, HWS (Normalwerte in Klammer) Streckung/Beugung 35/0/55o (35-45/0/45-70o) Seitneigung 30/0/30o (40/0/40o) Drehung (HWS maximal gestreckt) 55/0/55o (60-80/0/60-80o) (bei Dr. P. , Bericht vom 29.01.2016, Blatt 38 der SG-Akte: 60/0/70o) Drehung (HWS maximal gebeugt) 25/0/25o (25/0/25o) Dazu hat Dr. N. angegeben, dass bei der Beobachtung der HWS-Funktion keine erkennbare Limitierung und keine spontanen Beschwerdeangaben oder Funktionsbehinderungen, auch im Weiteren eine hinlänglich freie HWS-Beweglichkeit zu erkennen war. Dagegen waren die Maße nach Ott und Schober nicht abnehmbar, da der Kläger nach Aufforderung zur Rumpfbeuge mit gestreckten Kniegelenken sich nur ganz untergeordnet vorgeneigt hatte und gebremst wirkte. Dr. N. war in der Gesamtschau, zum Beispiel beim Sitzen und spontanem weiten Herunterlangen, der Auffassung, dass der Kläger dies jedoch besser hätte ausführen können. Auch auf der Liege hatte der Kläger sich nicht im Sitz platziert -wegen rechten Bauchschmerzen-, so dass weder Finger-Fuß- noch Finger-Boden-Abstände gemessen werden konnten.

Aus der radiologischen Befundung hat Dr. N. mitgeteilt, dass an der HWS keine über die Altersnorm hinausgehenden degenerativen Verschleißveränderungen der HWS bei monosegmentaler ventraler Spondylose C6 und HWS-Streckfehlhaltung bestünden. An der BWS bestünden mehrsegmentale rechtsseitige und ventrale Deck- und Grundplattenausziehungen (Spondylose) ohne Fehlhaltung und an der LWS eine ggf. Anlagevariante an L5/S1 mit entweder Sakralisation oder degenerativ bedingte ZWR-Verschmälerung ohne ansonsten über die Altersnorm hinausgehende degenerative Verschleißerscheinungen der LWS bei LWS-Streckfehlhaltung. Es fanden sich keine belangvollen bzw. sicheren Residuen nach der früheren Wirbelfraktur 1982 im BWS-/LWS-Übergang, so Dr. N. , und auch keine Folgeveränderungen nach knöcherner Dekompression l4/5 links.

Dr. N. konnte auch keine relevante Tragschwäche des Achsorgans oder objektivierbare Verspannungen oder maßgeblich erhöhte Tonisierungen der Muskulatur feststellen, wobei bei der Untersuchung auch kein Missverhältnis zwischen abdominellem BMI und der Rückenstreckermuskulatur bestand. Anamnestische Hinweise auf eine einsetzende Claudicatio spinalis oder Blasen-/Mastdarmauffälligkeiten konnte Dr. N. nicht feststellen. Auch über die typischen Beschwerden einer Spinalkanalstenose oder anhaltend relevanten konkret radikulären Wurzelreizsymptomatik wurde nicht berichtet, eine solche hat Dr. N. auch nicht gefunden. Klinisch waren die Fußpulse im Doppler gut anlotbar, die Füße waren warm und ohne messbare Temperaturauffälligkeiten. Hinweise auf eine klinische arterielle Verschlusskrankheit haben sich nicht Dr. N. aufgetan.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat keine mittelschweren Funktionsbeeinträchtigungen durch Wirbelsäulenschäden in mindestens 2 Wirbelsäulenabschnitten und auch keine Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt feststellen. Das wäre aber erforderlich, um die von B Nr. 18.9 VG mit GdB-Rahmen ab 30 bemessenen Bewertungsstufen zu erreichen, sodass der Senat nicht feststellen konnte, dass der GdB mit mehr als 20 anzunehmen war.

Gegen diese Bewertung sprechen auch nicht die Angaben des Arztes Y. N. , der in Vertretung für Dr. B. das Attest vom 04.04.2019 erstellt hatte, das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegt worden war. Soweit der Arzt Y. N. angibt, der Kläger könne noch eine Stunde sitzen, so zeigt dies, dass die Wirbelsäulenschäden sich, wie Dr. N. ausgeführt hat, nicht auf die Tragfähigkeit des Achsenorgans auswirken. Auch zeigt das Attest, dass der Kläger durchaus noch erhebliche Sitzleistungen erbringen kann. Denn auch Dr. N. hat von einem langen Sitzen während seiner Begutachtung berichtet, das auch nicht schmerzbedingt durch Bewegungs-/Positionsänderungen unterbrochen worden war. Soweit Arzt Y. N. auf eine eingeschränkte Wegstrecke abstellt, ist dies auch von ihm nicht auf Schäden der Wirbelsäule zurückgeführt worden. Im Übrigen kann die Einschränkung der Wegstrecke durchaus auch ein Zeichen des sich aus dem bei Dr. V. geschilderten Tagesablaufs unschwer ergebenden mangelhaften Trainingszustandes des Klägers sein, der als solcher keinen Behinderungswert hat. Letztlich muss der Senat aber auch darauf hinweisen, dass sich aus dem Attest des Arztes Y. N. , der als Vertreter von Dr. B. attestiert hatte, nicht ergibt, dass das Attest vom 04.04.2019 aufgrund einer eigenen Untersuchung erstellt worden war, oder lediglich das Vorbringen des Klägers wiedergibt. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat angesichts der Ausführungen des Gutachters Dr. N. und den sonstigen vorliegenden ärztlichen Befunden nicht feststellen, dass gesundheitliche Gründe die Wegstrecke des Klägers limitieren, sodass sich die behauptete Einschränkung der zu Fuß zurücklegbaren Wegstrecke insoweit auch nicht als funktionelle Auswirkung einer Behinderung darstellt.

Auch Dr. N. hat aufgrund seiner Untersuchung des Klägers am 10.07.2017 ausgeführt, dass der Kläger zwar leidend, abstützend, entlastend, vorgebeugt bewegend und sehr langsam ausgestaltend bei seinen Bewegungen agiert habe. In den Einzelbeobachtungen und Einzeltestungen hätten sich dagegen widersprüchliche, wechselhafte, diskonkordante Funktionsfähigkeiten, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht organischen Befunden geschuldet seien (so auch Bericht des Krankenhauses B. , Dr. H. , vom 18.08.2017, Blatt 156/158 der SG-Akte), gezeigt. Dr. N. hat vielmehr ausgeführt, dass kein die Beschwerde erklärender organischer Befund erhoben werden konnte, sondern dieser einer bewussten oder unbewussten Ausgestaltung entspreche. Auch der vom LRA befragte Dr. B. konnte diagnostische Ursachen für die Schmerzen nicht darlegen. Die unterschiedlichen Fähigkeiten, die zum Teil Einschränkungen und dann auch zum Teil wieder keine Einschränkungen vermittelt hätten, ließen zum einen weder einen zweifelsfreien Schluss auf tatsächlich zu Grunde liegende chirurgisch-orthopädische Störungen zu, noch erlaubten sie deren Genese auf diesen Fachgebieten näher zu ergründen, so Dr. N ... So hat der Kläger bei der mehrstündigen (sechsstündigen) Evaluation den Eindruck einer entweder gewohnheitsmäßigen funktionellen Ausgestaltung, oder einer psychiatrisch bedingten Ausgestaltung im Rahmen einer dann echten psychiatrischen Erkrankung erweckt, so Dr. N ... Jedoch hat Dr. V. eine originäre psychische Erkrankung nicht finden können, lediglich eine Schmerzkrankheit. Nachdem sich die Schmerzen des Klägers aber gerade nicht alleine im Funktionssystem des Rumpfes bezüglich der Wirbelsäule zeigen, sondern auch im Bauchraum bestehen, konnte der Senat eine Erhöhung des GdB im Funktionssystem des Rumpfes im Hinblick auf ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom nicht annehmen. Vielmehr war der funktionelle Befund der Wirbelsäule zugrunde zu legen und mit allenfalls 20 zu bewerten. Befunde, die eine höhere GdB-Bewertung erfordern bzw. rechtfertigen, ergeben sich auch nicht aus dem Rehabericht der F.klinik und dem Bericht des Gesundheitszentrums F. von 2014, wo der Kläger als arbeitsfähig entlassen wurde (Blatt 50 der Beklagtenakte). Neurologische oder sensorische Ausfälle bzw. Beeinträchtigungen kann der Senat auch nicht den Berichten des D. Klinikums, Dr. V. , vom 22.09.2013 und 30.09.2013 sowie dem Bericht des Dr. K. vom 04.02.2016 (Blatt 36, 43 der SG-Akte) entnehmen.

Dem entspricht letztlich auch die Bewertung des Dr. N ... Denn dieser hatte den GdB hinsichtlich der Wirbelsäule im Hinblick auf die ableitbare Beweglichkeit und Funktion "maximal in einer Größenordnung von 20-30" gesehen. Soweit Dr. N. dann aber wegen der übersteigenden – für ihn nachvollziehbaren Schmerzsymptomatik - zusammenfassend den Gesamt-GdB mit 50 bewertet, ist dies bei der Einzel-GdB-Bewertung im Funktionssystem noch ohne Belang.

Eine belangvolle Erkrankung, die im Funktionssystem der Arme einen GdB von wenigstens 10 bedingt, konnte der Senat nicht feststellen. Soweit in dem Bericht des Dr. P. vom 29.01.2016 (Blatt 38 der SG-Akte) eine Schulter/Armhebung von nur bis 90o mitgeteilt ist, konnte dies durch frühere bzw. spätere Befunde nicht als dauerhafter, einen Zeitraum von 6 Monaten überdauernder Zustand festgestellt werden. So war bei der Begutachtung durch Dr. N. die Armhebung beidseits wieder bis 170/0/40o bzw. 170/0/30o möglich. Auch das vom Arzt M. beschriebene Impingement der Schulter (Bericht vom 23.10.2017 und 15.03.2018, Blatt 180, 181 der SG-Akte) lässt bei durchführbarem Schürzen-/Nackengriff andere als schmerzbedingte Funktionsbeeinträchtigungen der Schultergelenke nicht erkennen. So hat der Arzt M. im Bericht vom 15.03.2018 angegeben, dass alle Gelenke der oberen Extremitäten aktiv und passiv in sämtlichen Ebenen frei beweglich seien.

Im Funktionssystem Beine war im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben in B Nr. 18.14 VG ein Einzel-GdB von mindestens 10 nicht anzunehmen. Zwar hat Dr. N. einen Zustand nach nicht näher bekannte Knieoperation links 1994, evtl. Meniskus-Teilresektion ohne Funktionsstörung/Reizzeichen beschrieben, doch konnte weder er noch die behandelnden Ärzte konkrete funktionelle Beeinträchtigungen darlegen. Auch die zuletzt angegebene Einschränkung der zu Fuß zurücklegbaren Wegstrecke auf 500 m konnte der Senat nicht Gesundheitsstörungen der Beine zuordnen; solche waren auch im Attest vom 04.04.2019 nicht behauptet worden.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat mit dem Gutachter Dr. V. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung feststellen, die nach den Bewertungsvorgaben von B Nr. 3.7 VG zu bewerten ist. Auch der Sozialmediziner Dr. N. und der Neurologe und Psychiater Dr. V. konnten eine manifeste psychische Erkrankung nicht feststellen, obwohl er diese umfassend erwogen hatte. Die von Dr. V. differenzialdiagnostisch angegebene Alkoholkrankheit ist bei seit Jahren bestehender Abstinenz dagegen nicht nach B Nr. 3.8 VG zu bewerten, denn es liegt keine Abhängigkeit mehr vor, als die Voraussetzungen der dort definierten Abhängigkeit beim Kläger gerade nicht mehr bestehen.

Nach B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Ob der Senat die Auffassung von Dr. V. und Dr. W. sowie des SG teilt und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit einen GdB von 30 für zutreffend und nicht zu hoch bewertet hält, musste nicht entschieden werden; einen höheren GdB konnte der Senat jedoch nicht feststellen. Einerseits mögen die nicht bestimmten Organen zuzuordnenden Schmerzen (vgl. Bericht des Krankenhauses B. vom 13.02.2015, Blatt 29/30 der SG-Akte) – dabei zeigen gerade bei Dr. N. dargestellten Bewegungsmuster und die häufigen Arzt- bzw. Krankenhausbesuche durchaus einen gewissen Leidensdruck - und die bei Dr. B. in Anspruch genommene psychosomatische Grundversorgung samt Medikation, auch wenn bisher keine Schmerztherapie aufgenommen wurde, auf einen durchaus nicht zu vernachlässigenden Ausprägungsgrad der Schmerzerkrankung hinweisen. Doch konnte der Senat nicht feststellen, dass der GdB mit mehr als 30 zu bewerten wäre. Denn dem Gutachten von Dr. V. ist zu entnehmen, dass der Kläger noch nahezu täglich seine Freunde - dazu hat der Kläger die Zahl von 10 Freunden angegeben – sieht. Das aber spricht gegen einen ausgeprägteren sozialen Rückzug und eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die am oberen Bewertungsrand des für stärker behindernde Störungen vorgesehenen Bewertungsrahmens. Insoweit hat auch Dr. V. darauf hingewiesen, dass der Kläger angegeben habe, seine Aktivitäten zum größeren Teil eingestellt zu haben. Allerdings hat Dr. V. diese Anamneseerhebung nicht als eindeutig nachvollziehbar beschrieben, als doch tägliche Kontakte zu Freunden und Nachbarn angegeben worden waren. Insoweit bestehen – wie auch bei den orthopädischen Befunden – Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten im Vorbringen des Klägers, die der Senat nicht weiter aufklären konnte, denn bereits die Fachgutachter haben sich außer Stande gesehen, diese Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten medizinisch zu fassen. Damit konnte der Senat sich nicht davon überzeugen, dass die anhaltende somatoforme Schmerzstörung bzw. die Störungen auf psychiatrischem Fachgebiet mit einem höheren GdB als 30 zu bewerten sind.

Der einmalige Krampfanfall im Jahr 2015 nach Narkosegabe ist, wie der Neurologe Dr. K. gegenüber dem SG (Blatt 49 der SG-Akte) dargestellt hat, ohne funktionelle Folgen (vgl. dazu auch den Bericht des Klinikums S. vom 11.07.2015, Blatt 25/27 der SG-Akte) und ohne Rezidiv geblieben. Insoweit gilt mit den Bestimmungen zu B Nr. 3.1 VG ein Anfallsleiden als abgeklungen, wenn ohne Medikation drei Jahre Anfallsfreiheit besteht. Das ist beim Kläger der Fall. Zuvor war aber bei dem einmaligen anlassbezogenen Anfall aber auch schon keine epileptische Erkrankung festzustellen gewesen, die einen GdB von mindestens 10 rechtfertigt.

Der Senat konnte anhand der vorliegenden Befunde auch nicht feststellen, dass die Leberschädigung (Hepatitis C und B; vgl. auch Sonographiebefund vom 06.09.2017, Blatt 159 der SG-Akte) Funktionsbeeinträchtigungen verursacht, die mit einem höheren GdB als 10, wie vom Beklagten angenommen, zu bewerten wären. Die Beschwerden im Oberbauch sind – bis auf eine vermehrte Flüssigkeitsfüllung einzelner Darmschlingen im rechten Mittelbauch - ärztlich nicht objektivierbar auf eine organische oder psychische Ursache zurückführbar. Insoweit hat auch der Sozialmediziner Dr. N. ausgeführt, dass vonseiten der ehemaligen Hepatitis C und B die Beschwerden und vor allem die Schmerzen im Oberbauch mit Ausstrahlung zur Flanke nicht näher zu erklären sind und auch nicht von den bisherigen Magen-/Darmspiegelungsbefunden – so hat z.B. der Rehabericht der F.klinik von 2014 mitgeteilt, dass dort im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts die durchgeführte Gastroskopie keine Auffälligkeiten gezeigt hatte, auch beschreibt der Bericht des Krankenhauses B. vom 07.06.2017 eine Gastro- und Koloskopie ohne wesentlich pathologischen Befund (Blatt 83/84 = 152/155 der SG-Akte) und der Bericht der S. Kliniken vom 27.09.2018 (Blatt 20/26 der Senatsakte) beschreibt, dass sich sonographisch, endoskopisch und im MRT eine Ursache der Schmerzen nicht hat finden lassen -, so dass sich auch hier die Annahme einer Somatisierungsstörung bzw. Anpassungsstörung weiter aufdrängt, die bereits im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche bewertet wurde. Im Funktionssystem der Verdauung konnte der Senat aber keine 6 Monate überdauernden Gesundheitsstörung feststellen, die mit einem GdB zu bewerten wäre. Die im Gutachten von Dr. N. angegebenen Glykogenakanthosen, also knötchenartige Verdickungen der Schleimhaut der Speiseröhre durch Einlagerungen von Glykogen (vgl. https://www.pschyrembel.de/Glykogenakanthose/K0R07), bedingen ebenfalls keine funktionellen Beeinträchtigungen und sind daher nicht mit einem GdB zu bewerten. Auch die operierten Leistenhernien bedingen nach den Bewertungsvorgaben von B Nr. 11 VG keinen GdB von wenigstens 10. Das im Bericht des Krankenhauses B. vom 20.01.2015 angegebene Nebennierenadenom und die Nierenzysten beidseits haben bislang funktionell keine Auswirkungen gezeigt und bedingen im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 12.1 VG keinen GdB von mindestens 10; Gleiches gilt für das von Dr. B. gegenüber dem SG angegebene Reizdarmsyndrom. Dem Bericht der S. Lungenklinik L. vom 01.102.018 (Blatt 27/29 der Senatsakte) ist auch eine belangvolle Lungenerkrankung mit Funktionseinschränkung nicht entnehmen, was auch Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Begutachtung bestätig hat. Die im Gutachten von Dr. N. angegebenen Osteome in der Schädelkalotte bifrontal und links ethmoidal, also benigne Knochentumore (https://flexikon.doccheck.com/de/Osteom), sind nicht mit einem GdB von 10 zu bewerten, denn auch diese haben keine funktionellen Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit des Klägers.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten des SG dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Verdauung (Lebererkrankung) und - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem bei dem Kläger vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30 auszugehen ist, ein GdB von 20 vorliegt, und kein Fall besteht, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen GdB von mehr als 40 nicht feststellen.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei dem Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In seiner Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen des Klägers seit Antragstellung weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 bzw. mehr bewerteten Gesundheitsstörungen.

Der Senat folgt damit nicht der zusammenfassenden Bewertung des Dr. N ... Zwar mag man dem Kläger einen gewissen Leidensdruck nicht absprechen wollen, doch kommt eine Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 erst dann in Betracht, wenn durch entsprechend schwere und objektivierte Erkrankungen funktionelle Teilhabebeeinträchtigungen verursacht und nachgewiesen sind, die denjenigen gleichkommen, für die die VG einen GdB von 50 vorsehen. Jedenfalls konnte der Senat im Fall des Klägers keine solchen Gesundheitsstörungen und hieraus folgende Funktionsbeeinträchtigungen objektiviert sehen. Daher wäre auch der GdB von 50 nicht erreicht, wenn der Senat die Wirbelsäulenschäden des Klägers mit einem GdB von 30 bewerten würde. Denn dies ließe sich nur unter Annahme von Schmerzen als großzügig rechtfertigen, wobei die Schmerzen aber sich nicht eindeutig der Wirbelsäulenerkrankung zuordnen lassen, wie Dr. N. selbst ausgeführt hat. Damit aber bestünden wiederum Überschneidungen in der Bewertung der Schmerzen im Funktionssystem des Rumpfes und im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, die einer Erhöhung des GdB auf 50 entgegenständen. Eine Verstärkung von Funktionsbeeinträchtigungen kann jedenfalls dort nicht angenommen werden, wo dieselben Symptome – hier dieselben Schmerzen der Wirbelsäule – in mehreren Funktionssystemen berücksichtigt werden und keine darüber hinausgehende Gesundheitsstörung verursachen bzw. verstärken (z.B. Schmerzen eine Depression verstärken); solches liegt beim Kläger schon alleine deshalb nicht vor, weil beim Kläger gar keine Depression besteht, die durch die Schmerzen verstärkt würde. Dass sich der Kläger dennoch, wie vom Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angegeben, als schwer leidender Mann darstellt, führt nicht zur Annahme der Schwerbehinderung, denn Gesundheitsstörungen bzw. daraus abzuleitende teilhabebezogene Funktionsbeeinträchtigungen, die den Kläger als mit denjenigen Gesundheitsstörungen und Funktionsbehinderungen vergleichbar erscheinen lassen, für die die VG die Schwerbehinderungseigenschaft, mithin einen GdB von 50 vorsehen, konnte der Senat nicht feststellen.

Auch die vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung dargestellte Tendenz zur Verschlechterung bedingt keinen höheren GdB. Denn nach A Nr. 2 Buchst. h) VG sind Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, beim GdB nicht zu berücksichtigen; Gleiches gilt für zu erwartende Verschlechterungen des Gesundheitszustandes.

Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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