S 7 R 352/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 R 352/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 137/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2016 werden die Bescheide der Beklagten vom 18.02.2016, 03.06.2016 und vom 06.07.2016 aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat dem Kläger ¾ seiner Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Rentenbewilligungsentscheidungen der Beklagten gegenüber dem Kläger sowie um die Erstattung eines überzahlten Betrages von 8.397,87 Euro.

Der 1950 geborene Kläger war in erster Ehe verheiratet mit C. A. vom xx.xx.1973 bis zur Ehescheidung 1978. Nach der Ehescheidung fand 1979 mit Urteil des Familiengerichts Kassel ein Versorgungsausgleich statt. Seit April 1980 ist der Kläger mit seiner derzeitigen Ehefrau D. A. verheiratet.

Auf seinen erstmaligen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 31.10.1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 04.01.1990 für die Zeit ab dem 02.05.1990 Erwerbsunfähigkeitsrente ohne Berücksichtigung des nach Ehescheidung von seiner ersten Ehefrau ergangenen Versorgungsausgleiches. Im Antragsformular für die Erwerbsunfähigkeitsrente (Blatt 3 Rückseite Beklagtenakte) ist im vorgesehenen Feld zur vorgedruckten Frage, ob ein Versorgungsausgleich geschlossen worden sein, "Nein" angegeben. Ferner gab der Kläger an, verheiratet zu sein. Auf seinen weiteren Antrag vom 22.05.1991 bewilligte die Beklagte dem Kläger weiter bis zum 31.05.1993 befristete Erwerbsunfähigkeitsrente mit Bescheid vom 09.08.1991. Im zugrundeliegenden medizinischen Sachverständigen-Gutachten wird die erste Ehe des Klägers erwähnt (Blatt 68 Beklagtenakte: " ... ein Kind aus erster Ehe "). Auf den weiteren Antrag des Klägers vom November 1992 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 02.02.1993 dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente auf unbestimmte Dauer (über den 31.05.1993 als bisheriges Befristungsende hinaus).

Auf den Antrag des Klägers vom Januar 2001, in welchem der Kläger im Antragsformular der Beklagten (Blatt 138 Beklagtenakte, Rückseite) im vorgesehenen Feld zur Frage der Durchführung eines Versorgungsausgleiches erneut "Nein" angekreuzt hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.02.2010 für die Zeit ab dem 01.03.2010 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Aufgrund einer maschinellen Kontrollmeldung vom 01.05.2015 erfuhr die Beklagte von einem Versorgungsausgleich aufgrund der Rentenantragstellung der geschiedenen Ehefrau des Klägers. Sie stellte ein Auskunftsersuchen an die DRV Hessen zum Versorgungsausgleich der dortigen Versicherten, der früheren Ehefrau des Klägers. Die DRV Hessen übermittelte nach eigenen Ermittlungen das Urteil des Familiengerichts Kassel vom 10.07.1979 (rechtskräftig am 02.10.1979) über den durchgeführten Versorgungsausgleich des Klägers gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau C. A. (Az. 79 B-74-F 963/78). Hierin wurden von der Rentenanwartschaft des Klägers aus seinem Versicherungskonto bei der Beklagten auf das Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau C. A. (geboren 1952) Anwartschaften in Höhe von 60,75 DM monatlich für die Ehezeit vom 01.06.1973 bis 31.07.1978 auf das Konto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen (vormals LVA Hessen) übertragen. Der geschiedenen Ehefrau des Klägers, C. A., wurde von Seiten ihres Rentenversicherungsträgers Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab dem 01.06.2015 bewilligt.

In der Folge berechnete die Beklagte ihre Rentenzahlungen an den Kläger seit Mai 1990 neu. Mit Schreiben vom 27.10.2015 hörte die Beklagte den Kläger zu einer teilweisen Rücknahme der Erwerbsunfähigkeits- und Altersrenten-Bescheide und zur Erstattung erhaltener Rentenleistungen für den Zeitraum vom 02.05.1990 bis 30.11.2015 in Höhe von insgesamt 16.337,08 Euro an.

Sodann erließ die Beklagte einen ersten Rentenbescheid vom 18.02.2016, mit dem sie die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers für die Zeit vom 02.05.1990 bis 31.12.1991 neu berechnete, nunmehr unter Berücksichtigung des Versorgungs-Ausgleiches im Urteil des Familiengerichts Kassel vom 10.07.1979 zu Gunsten der geschiedenen Ehefrau. In der Anlage zum Bescheid führte die Beklagte aus, der Rentenbescheid vom 04.01.1990 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 02.05.1990 nach § 45 SGB X zurückgenommen, die entstandene Überzahlung (aufgrund der Anlage "Berechnung der Rente" in Höhe von 883,12 Euro) sei vom Kläger nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Rücknahme des Rentenbescheides sowohl für die Vergangenheit, als auch für die Zukunft sei zulässig, weil sich der Kläger zum einen auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides nicht berufen könne (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) und zum anderen die Fristen des § 45 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB X nicht abgelaufen seien. Im Rahmen der Anhörung habe der Kläger zwar vorgetragen, seiner Meinung nach sei die 2-Jahres- und die 10-Jahresfrist abgelaufen, die Beklagte sei über den Versorgungsausgleich der Ehefrau informiert gewesen und der Kläger selbst habe keine falschen Angaben gemacht, dieses könne jedoch nicht dazu führen, dass der Kläger auf den Bestand des Rentenbescheides habe vertrauen dürften. Denn im Antrag vom 31.10.1989 habe er unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 60 SGB I, indem er die Frage zum Versorgungsausgleich verneint habe. Die Rücknahmevoraussetzungen für die Vergangenheit, auch nach Ablauf der 10-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, lägen vor. Denn es würden Geldleistungen unter anderem dann als "laufend gezahlt" im Sinne der Vorschrift gelten, wenn nach einer rechtswidrig im Sinne des § 45 SGB X gezahlten Rente im Anschluss eine ebenfalls rechtswidrige Rente gezahlt werde (Nachfolgerente), und es sich dabei um denselben Rentenberechtigten handele. Dieser Sachverhalt liege bei dem Kläger vor, da er seit Erteilung des Rentenbescheides vom 04.01.1990 durchgängig von der Beklagten Rente bezogen habe. Allerdings seien die vom Kläger dargelegten Gründe im Wege des Ermessens insoweit berücksichtigt worden, als der Bescheid nur teilweise zurückgenommen werde; nur der in der Anlage "Berechnung der Rente" ausgewiesene Betrag (in Höhe der Hälfte der eigentlichen Erstattungssumme) sei überzahlt und zu erstatten. Die Ermessensentscheidung begründe sich danach, dass die Beklagte ein Mitverschulden am Entstehen der Überzahlung trage, da die ehemalige LVA Hessen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gekannt, die Beklagte jedoch nicht darüber informiert habe. Dieses Verschulden rechne sich die Beklagte an. Ein vollständiger Verzicht auf die Rückforderung könne jedoch nicht erfolgen. Aus der Anlage zur Berechnung der Rückforderung ergibt sich der Rückforderungsbetrag lediglich in Höhe der Hälfte der überzahlten Rente.

Mit gleichlautender Begründung nahm die Beklagte in der Anlage 10 ihres weiteren zweiten - Rentenbescheides vom 03.06.2016 für die Zeit vom 01.01.1992 bis 28.02.2010 die Leistungsbewilligung teilweise zurück und verlangte die Erstattung der Hälfte der überzahlten Rente.

Mit seinem Widerspruchsschreiben vom 15.06.2016 wandte sich der Kläger gegen den Rentenbescheid vom 03.06.2016.

Daraufhin erließ die Beklagte einen Ergänzungsbescheid vom 06.07.2016, mit dem sie ihre Bescheide vom 18.02.2016 und 03.06.2016 teilweise änderte. Da in beiden Bescheiden vom 18.02.2016 und 03.06.2016 entgegen der anderslautenden Begründung (Erstattung des lediglich halben Überzahlungsbetrages) dennoch - fehlerhaft - der volle Erstattungsbetrag in der Berechnung der überzahlten Rente ausgewiesen war, ermäßigte die Beklagte nunmehr zur Umsetzung des bereits in den Bescheiden vom 18.02.2016 und 03.06.2016 ausgeübten Ermessens den Erstattungsbetrag jeweils auf die Hälfte für die Zeiträume vom 02.05.1990 bis 31.12.1991 (Bescheid vom 18.02.2016 über 441,56 Euro) und vom 01.01.1992 bis 28.02.2010 (Bescheid vom 03.06.2016 über 5.729,89 Euro). Als Gesamtbetrag an Erstattungen für die Zeit bis zum Februar 2010 ergaben sich nunmehr 6.171,45 Euro, was die Hälfte des überzahlten Betrages ausmachte.

Mit weiterem - drittem - Rentenbescheid vom 10.08.2016 stellte die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen des Klägers mit Wirkung ab dem 01.03.2010 neu fest. Ferner nahm sie den Altersrentenbescheid vom 24.02.2010 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.03.2010 nach § 45 SGB X zurück; die entstandene Überzahlung (nach der Anlage "Berechnung der Rente") sei vom Kläger gemäß § 50 SGB X zu erstatten (Erstattungsbetrag von 2.226,42 Euro, als halber Betrag der insgesamt ermittelten Rentenüberzahlung in Höhe von 4.452,84 Euro). Die Begründung der Rücknahme und des Erstattungsverlangens war gleichlautend mit den bereits in den Bescheiden vom 18.02.2016, 03.06.2016 und 06.07.2016 gegebenen Begründungen. Ferner sei im vorliegenden Altersrenten-Verfahren die 10-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X eingehalten, da der Altersrentenbescheid vom 24.02.2010 innerhalb der Frist von 10 Jahren (teilweise) zurückgenommen worden sei. Im Rahmen ihres Ermessens führte die Beklagte erneut aus, aufgrund des ihr zuzurechnenden Mitverschuldens an der Überzahlung sei eine Reduzierung der Gesamtrentenüberzahlung auf die Hälfte vorgenommen worden.

Gegen den (dritten) Renten-Bescheid vom 10.08.2016 (Altersrente) mit der enthaltenen Rücknahmeentscheidung der Beklagten erhob der Kläger mit Schreiben vom 31.08.2016 Widerspruch.

Im Widerspruchsbescheid vom 10.11.2016, mit dem die Beklagte die Widersprüche gegen sämtliche Bescheide, somit gegen die Bescheide vom 18.02.2016, vom 03.06.2016 und vom 10.08.2016, soweit nicht durch Bescheid vom 06.07.2016 abgeholfen, zurückwies, führte die Beklagte zur Begründung aus, es bestünde zu Recht ein Erstattungsbetrag in Höhe von 8.397,87 Euro gemäß § 50 Abs. 1 SGB X in Höhe des halben Betrages der insgesamt überzahlten Rentenbeträge für die Zeit vom 02.05.1990 bis 31.08.2016 (Gesamtbetrag 8.397,87 Euro mit Teilbeträgen von 441,56 Euro, 5.729,89 Euro und 2.226,42 Euro). Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da er die Fehlerhaftigkeit des Rentenbescheides vom 04.01.1990 hätte erkennen müssen, da in ihm der Beschluss des Familiengerichts Kassel vom 10.07.1979 über den Versorgungsausgleich nicht umgesetzt worden sei. Bei der Ermessensentscheidung sei das bereits in den Ausgangsbescheiden berücksichtigte Mitverschulden der Beklagten erneut mitberücksichtigt worden. Daher werde die Rückforderung lediglich in Höhe von 50 vom Hundert der Gesamtüberzahlung geltend gemacht.

Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10.11.2016 richtet sich die am 23.11.2016 bei dem Sozialgericht Kassel erhobene Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe in seinen Anträgen weder unvollständige noch unrichtige Angaben gemacht, da der Beklagten alle erforderlichen Informationen vorgelegen hätten. Im Übrigen sei die 2-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 SGB X zwischenzeitlich abgelaufen, so dass eine Rücknahme der Rentenbescheide ausgeschlossen sei. Ferner sei auch die 10-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 SGB X zumindest teilweise bereits abgelaufen gewesen. Zutreffend sei, dass 1979 ein Versorgungsausgleich zu Gunsten der geschiedenen Ehefrau durchgeführt worden sei. Hierüber sei die Beklagte jedoch unmittelbar informiert gewesen. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass aufgrund dieser Informationslage der Beklagten klar gewesen sei, dass ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei. Er habe daher auf die Informationen der Beklagten vertrauen dürften und damit auch auf die nachfolgenden Rentenbewilligungen. Unvollständige bzw. unrichtige Angaben habe er nicht gemacht, da den Anträgen auf die Erwerbsminderungsrenten kein Hinweis auf den Versorgungsausgleich zu entnehmen gewesen sei. Zutreffend sei, dass er im Antrag angegeben habe, verheiratet zu sein, womit jedoch die Ehe mit seiner derzeitigen Ehefrau nach Heirat im April 1980 gemeint gewesen sei. Auch bei Antragstellung der Altersrente am 27.01.2010 in der Beratungsstelle der Beklagten habe er keine falschen Angaben gemacht. Der Antrag sei im EDV-System der Beklagten durch einen Mitarbeiter aufgenommen worden, wobei ihm nicht aufgefallen sei, dass der Mitarbeiter der Beklagten die Frage nach einem Versorgungsausgleich mit "Nein" beantwortet habe. Offensichtlich sei aufgrund des Familienstandes "verheiratet" davon ausgegangen worden, dass ein Versorgungsausgleich nicht vorliegen könne.

Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 18.02.2016, 03.06.2016, 06.07.2016 und 10.08.2016, sämtlichst in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2016, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung in den angefochtenen Bescheiden fest, wonach der Kläger sowohl falsche Angaben bei seinen Rentenbescheiden gemacht habe, als auch die Fehlerhaftigkeit der Bescheide hätte erkennen müssen, vom 1979 durchgeführten Versorgungsausgleich Kenntnis gehabt habe. Im Übrigen bezieht sie sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Entscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind. Nach der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits ist der Kläger – nach Mitteilung der Beklagten – am xx. xxx 2018 verstorben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage hat teilweise Erfolg.

Die Bescheide der Beklagten vom 18.02.2016, 03.06.2016, 06.07.2016 (Rücknahme der Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 02.05.1990 bis zum 28.02.2010 als Zahlungszeitraum der Erwerbsunfähigkeitsrente) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte mit diesen Bescheiden die teilweise Aufhebung der Erwerbsunfähigkeitsrente für diesen Zeitraum vorgenommen hat.

Hingegen erweist sich der Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10.08.2016 mit in ihm enthaltener teilweiser Rücknahme des Bescheides über die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen vom 24.02.2010 für die Zeit ab dem 01.03.2010 nicht als rechtswidrig, und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Beklagte hat hierin zutreffend festgestellt, dass der Kläger einen Betrag in Höhe von 2.226,42 Euro zu erstatten hat.

Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren sind die Renten-Neuberechnungsbescheide der Beklagten vom 18.02.2016 und 03.06.2016 für die Zeit der Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 02.05.1990 bis 31.12.1991 sowie vom 01.01.1992 bis 28.02.2010, der Teilabhilfe-Bescheid der Beklagten vom 06.07.2016 für diesen Zeitraum sowie der Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10.08.2016, sämtlichst in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 10.11.2016.

Nach Aktenlage der Beklagten ist zunächst ein Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid vom 18.02.2016 nicht festzustellen. Jedoch hat sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 10.11.2016 sachlich auch zum Vorbringen des Klägers gegen die teilweise Rücknahme der Erwerbsunfähigkeitsrentenbewilligung vom 02.05.1990 bis 31.12.1991 im Bescheid vom 18.02.2016 eingelassen, so dass auch dies Streitgegenstand im vorliegenden Klageverfahren ist.

Nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Dabei ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X allerdings nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe nach § 45 Abs. 2 SGB X zurückgenommen werden; bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe ist eine Rücknahme nach § 45 Abs. 2 SGB X möglich, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind (§ 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen des Absatzes 2 Satz 3 und des Absatzes 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Den Altersrentenbescheid vom 24.02.2010 hat die Beklagte rechtmäßig mit ihrem Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10.08.2016 und der darin enthaltenen Verfügung für die Zeit ab dem 01.03.2010 teilweise gemäß § 45 Abs. 1 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen. Denn dieser Bescheid war aufgrund der mangelnden Berücksichtigung des Versorgungsausgleiches, der nach dem Urteil des Familiengerichts Kassel vom 10.07.1979 (Aktenzeichen 79 B 74-F 963/78) vorgenommen war, teilweise von seinem Erlasszeitpunkt an rechtswidrig, weil in ihm die übertragenen Versorgungsanwartschaften auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau des Klägers nicht berücksichtigt waren, was einen zu hohen Rentenzahlbetrag zugunsten des Klägers ausgelöst hat. Hinsichtlich der Begründung der Beklagten zur teilweisen Rücknahme des Altersrentenbescheides vom 24.02.2010 im Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10.08.2016 nimmt das Gericht daher gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2016. Denn hierin hat die Beklagte sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht zutreffend ausgeführt, dass der Altersrentenbescheid vom 24.02.2010 anfänglich rechtswidrig gewesen ist. Bei diesem Bescheid handelte es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne von § 45 Abs. 1 SGB X. Die Beklagte hat zutreffend die Einschränkungen des § 45 Abs. 2 und Abs. 3 SGB X bei der teilweisen Rücknahme berücksichtigt. Denn zur vollen Überzeugung der Kammer liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X bezogen auf die teilweise Rücknahme dieses anfänglich rechtswidrigen Bewilligungsbescheides über die Altersrente für schwerbehinderte Menschen vom 24.02.2010 vor. Im Antragsformular ist das vorgesehene Feld für die Angabe des Versorgungsausgleiches mit "Nein" beantwortet. Der Verwaltungsakt beruht damit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Soweit der Kläger im Klageverfahren vorgetragen hat, er habe die Antragsformulare aufgrund der Computereingabe eines Mitarbeiters der Beklagten nicht lesen können, so vermag dies nicht dazu zu führen, dass er von den falschen Angaben entlastet werden könnte. Denn er ist verpflichtet, seine Antragstellung auf Richtigkeit zu überprüfen und die Beklagte und ihre Mitarbeiter auf mögliche Fehler hinzuweisen. Darüber hinaus hat der Kläger auch bereits im Jahre 1990 bei der erstmaligen Beantragung der Erwerbsunfähigkeitsrente im Antragsformular (Blatt 3 Rückseite Beklagtenakte) die entsprechende Eintragung mit "Nein" zum Versorgungsausgleich vorgenommen. Darüber hinaus musste der Kläger bei Kenntnisnahme und zutreffender Würdigung des Altersrentenbescheides vom 24.02.2010 auch erkennen, dass der Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden ist, so dass auch von einer zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers ausgegangen werden muss. Die Beklagte hat hiernach in den angefochtenen Bescheiden zu Recht ausgeführt, dass der Kläger zumindest grob fahrlässig wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig gemacht hat und Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zumindest wegen grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Auch die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X hat die Beklagte bei der teilweisen Rücknahme der Altersrente rechtmäßig beachtet. Nach dieser Vorschrift kann bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind. Die 10-Jahresfrist für die teilweise Rücknahme des Altersrentenbescheides vom 24.02.2010 war bei der teilweisen Rücknahme durch den Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10.08.2016 offensichtlich noch nicht abgelaufen. Hiernach hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass sich der Kläger nicht auf Vertrauen im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 SGB X auf den Bestand des Altersrentenbescheides vom 24.02.2010 berufen kann, da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X vorliegen. Ebenso zutreffend hat die Beklagte bei der Ermessensausübung ihr eigenes Mitverschulden berücksichtigt. Die Kammer erachtet es für nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte ihr Mitverschulden aufgrund der ihr zuzurechnenden Kenntnis der damaligen Landesversicherungsanstalt Hessen vom Versorgungsausgleich zum Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau in Höhe der Hälfte des Rückforderungsbetrages sich selbst zugerechnet hat, so dass der Kläger auch nur die Hälfte des überzahlten Betrages zu erstatten hat, was einen Gesamtbetrag von 2.226,42 Euro nach der von der Kammer nachvollziehbaren und dem Kläger nicht gerügten Berechnung der Beklagten ausmacht.

Allerdings erweisen sich die Rentenbescheide der Beklagten vom 18.02.2016 und 03.06.2016, in der Fassung des Teilabhilfe-Bescheides vom 06.07.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2016 als rechtswidrig. Zweifellos liegen zur Überzeugung der Kammer auch hier die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X vor, da der Kläger zum einen bereits bei Antragstellung auf Erwerbsunfähigkeitsrente am 31.10.1989 im entsprechenden Antragsformular (Blatt 3, Rückseite, der Beklagtenakte) falsche Angaben zum Versorgungsausgleich gemacht hat bzw. unzutreffend angegeben hat, dass ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt worden sei, und er ferner diesen Umstand bei sorgfältiger Durchsicht der Bescheide hätte erkennen müssen.

Die Bewilligungsbescheide über Erwerbsunfähigkeitsrente vom 04.01.1990 und vom 09.08.1991 bzw. 02.02.1993, mit welchen dem Kläger insgesamt Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 02.05.1990 bis zum 28.02.2010 bewilligt worden ist, liegen jedoch nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X, wonach ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (nur) bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann. Auch wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X im Falle des Klägers vorliegen, ist die 10-Jahres-Frist bei Erlass der Rücknahmebescheide vom 18.02.2016 und 03.06.2016 bereits abgelaufen gewesen. Damit kommt es für die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Erwerbsunfähigkeitsrentenbescheide der Jahre 1989, 1991 und 1993 auf die Vorschrift des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X an. Hiernach kann in den Fällen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Dies ist zur Überzeugung der Kammer jedoch für die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers nicht der Fall, da diese lediglich bis zum 28.02.2010 gezahlt worden ist, wie es die Bescheide der Beklagten vom 04.01.1990, 09.08.1991 und zuletzt vom 02.02.1993 bestimmt haben. Denn ab dem 01.03.2010 war dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt worden (Bescheid vom 24.02.2010).

Bei der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers, die bis zum 28.02.2010 gezahlt wurde, handelt es sich um eine laufende Geldleistung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X in Verbindung mit § 11 Satz 1 SGB I, wonach Gegenstand der sozialen Rechte in dem Gesetzbuch vorgesehene Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen) sind. Vorliegend kommt im Sinne von § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X lediglich eine Geldleistung nach § 11 Satz 1 SGB X in Form der Altersrente, nicht jedoch der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers in Betracht. Die sich dem Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente (bis 28.2.2010) ab dem 1.3.2010 nahtlos anschließende Altersrente ist eine andere Sozialleistung, die mit der ersten Sozialleistung der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht in Zusammenhang steht. Die Beklagte hat in ihrem ersten Rentenbescheid vom 18.02.2016, mit dem sie die Neuberechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente vom 02.05.1990 bis 31.12.1991 durchgeführt hat, die Auffassung vertreten, die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers sei bis zum Zeitpunkt des Beginns des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt worden, weil nahtlos Rentenleistungen, darunter die Altersrente für schwerbehinderte Menschen, als sogenannte Nachfolgerenten bis zu diesem Zeitpunkt gezahlt worden seien.

Dieser Auffassung vermochte sich die Kammer nicht anzuschließen. Denn bei der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers, die bis zum 28.02.2010 und damit nicht bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme im vorliegenden Rechtsstreits geleistet worden ist, handelt es sich nicht im Zusammenhang mit der Altersrente für schwerbehinderte Menschen um eine einheitliche Geldleistung. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer u.a. aus den unterschiedlichen Sicherungszielen der Rentenbewilligung als Sozialleistung, wobei der Erwerbsunfähigkeitsrente und der Altersrente jeweils andere Versicherungsfälle und andere soziale Risiken zugrunde liegen. Weder der Gesetzeswortlaut noch der Sinn und Zweck des Gesetzes noch die Gesetzessystematik stützen die – nicht näher begründete – Auffassung der Beklagten. So unterscheidet § 33 Abs. 1 SGB VI zwischen Renten wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen Todes. Die Renten werden in unterschiedlichen Normen definiert – in § 33 Abs. 2 SGB VI für Renten wegen Alters und in § 33 Abs. 3 SGB VI für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu denen auch die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zählt. Die Unterschiede in den verschiedenen Rentenarten, der jeweils andere Versicherungsfall, das jeweils andere versicherte Risiko und die jeweils andersartig gestalteten (ggfs. besonderen) rentenrechtlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den einzelnen Rentenarten führen nach Auffassung der Kammer dazu, dass nicht von einer einheitlichen Geldleistung der Rente ausgegangen werden kann, sondern lediglich von sich aneinander im Falle des Klägers anschließenden Sozialleistungen für unterschiedliche Risikofälle. Für die Einschätzung der Kammer spricht auch die Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI, wonach nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen wird. Auch § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimmt, dass nur die höchste Rente geleistet wird, wenn für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung bestehen. Die Formulierung "mehrere Renten" spricht dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der jeweiligen Rentenversicherungsarten von unterschiedlichen Sozialleistungen ausgeht. Dementsprechend wird über § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine Rangfolge bei gleich hohen Renten hinsichtlich ihrer Zahlung aufgestellt. Die Kammer vermag daher nicht von derselben Sozialleistung auszugehen, wie es Voraussetzung für die Vorschrift des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X ist.

Dieser Entscheidung der Kammer steht das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 01.07.2010, Aktenzeichen B 13 R 77/09 R, juris, zur Überzeugung der Kammer nicht entgegen. Denn mit ihm hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die rückwirkende Aufhebung einer Rentenbewilligung zu Lasten eines Begünstigten auch nach Ablauf der 10-Jahresfrist trotz Nichtzahlung zu Beginn des Verwaltungsverfahrens nicht ausgeschlossen ist, solange der das Ende der Rentenzahlung verfügende Verwaltungsakt noch nicht bindend ist. Im vorliegenden Falle sind jedoch die Rentenbewilligungsbescheide über die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers vom 04.01.1990, 09.08.1991 und 02.02.1993 ohne Zweifel im Sinne von § 77 SGG bestandskräftig. Das Bundessozialgericht hat unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X ausgeführt, dass nach dem System des § 45 SGB X bereits die 10-Jahresfrist in § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung als Ausnahmeregelung ausgestaltet sei und der Sanktion für ein vom Gesetzgeber missbilligtes Verhalten des Leistungsempfängers diene. Das missbilligte Verhalten führe zum Verlust der in § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X festgelegten Vergünstigung, wonach ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bereits mit Ablauf von 2 Jahren nach seiner Bekanntgabe nicht mehr zu Lasten des Begünstigenden zurückgenommen werden könne (BSG, a.a.O., Rn. 39 ff., 43). Zwar liegt auch im vorliegenden Falle des Klägers ein zu missbilligendes Verhalten im Sinne der Gesetzesbegründung vor (falsche Angaben bei der Antragstellung bzw. zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidungen). Es lässt sich der Entscheidung des Bundessozialgerichtes jedoch nicht entnehmen, ob die dauerhafte Gewährung unterschiedlicher Rentenarten zur gleichzeitigen Annahme einer einheitlichen Sozialleistung und ihrer Zahlung bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme führt. Die Beklagte hat ihre Auffassung, wonach es sich um sogenannte Nachfolgerenten handele, die als einheitliche Geldleistung aufgefasst werden müssten, nicht näher begründet. Angesichts der im vorliegenden Falle unterschiedlichen Rentenarten und der unterschiedlichen Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen vermochte sich die Kammer daher nicht einer einheitlichen Geldleistung bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme anzuschließen. Denn allein der - letztlich zufällig durch Zeitablauf eintretende Fall - der Bewilligung einer Altersrente im Anschluss an eine Erwerbsunfähigkeitsrente kann nach Auffassung der Kammer keine Begründung einer einheitlichen Geldleistung im Sinne von § 11 Satz 1 SGB I darstellen. Hierfür spricht auch, dass für die Feststellung der weiteren Voraussetzungen einer Altersrente - wie im Falle des Klägers - weitere Voraussetzungen hinzutreten müssen, insbesondere eine erneute Antragstellung, mit jeweils neu anzugebenden Angaben über die Anspruchsvoraussetzungen. So war der Kläger anlässlich der Beantragung seiner Altersrente für schwerbehinderte Menschen im Februar 2010 gehalten, einen neuen Antrag zu stellen und hierbei auch erneut Angaben zu einem möglichen Versorgungsausgleich zu machen, wie es sich auch aus der Akte der Beklagten im Antragsformular vom 27.01.2010 zeigt (Blatt 138 Beklagtenakte).

Das Gericht sieht sich auch bestätigt durch die Einschätzung des Bundessozialgerichtes in seinem Urteil vom 02.11.2015 (Az. B 13 R 27/14 R, juris, insb. Rn. 30 ff). Hierin hat das Bundessozialgericht ausgeführt, eine rückwirkende Aufhebung einer Rentenbewilligung zu Lasten eines gesetzwidrig Begünstigenden sei ausgeschlossen, wenn zu Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens die Rente nicht mehr gezahlt wurde, der das Ende der Rentenzahlung verfügende Verwaltungsakt bereits bestandskräftig war, und der aus einem (vermeintlichen) "Rentenstammrecht" fließende monatliche Zahlungsanspruch - aus welchen Rechtsgründen auch immer - vernichtet bzw. untergegangen ist. Das Bundesssozialgericht hat ausgeführt, sei der aus einem "Rentenstammrecht" fließende monatliche Zahlungsanspruch vernichtet oder untergegangen, könne trotz des Weiterbestehens des "Stammrechts" auf Rente auch keine Zahlung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X mehr vorliegen. Aufgrund der im vorliegenden Falle von der Beklagten vorgenommenen Bewilligung der Altersrente ab dem 01.03.2010 und der Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sowie § 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI war der zuvor bestehende Zahlungsanspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente aufgrund der 1990, 1991 und 1993 bewilligten Zahlungen untergegangen.

Somit bleibt zugunsten der Rechtsauffassung der Beklagten einzig der Umstand, dass unterschiedliche Renten nahtlos gezahlt worden sind, was die Beklagte als Nachfolgerente bezeichnet. Zuzugeben ist diesem Standpunkt, dass eine weitergehende Rücknahme möglich gewesen wäre, wenn der Kläger nicht Altersrente beantragt, sondern weiterhin Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen hätte. Dies vermag jedoch den rechtlichen Standpunkt der Kammer nicht zu ändern.

Der Rechtsauffassung der Kammer entgegenstehende Rechtsprechung ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung gegen dieses Urteil bedurfte nicht der Zulassung durch das Sozialgericht, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro übersteigt (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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