L 33 R 24/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 8 R 374/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 33 R 24/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Dezember 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung höherer Arbeitsentgelte für die Jahre 1973 bis 1989 unter Berücksichtigung der gewährten Jahresendprämie (JEP).

Dem 1942 geborenen Kläger war durch Urkunde der Ingenieurschule für Gummi- und Plasttechnologie F vom 23. Juli 1966 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung Chemieingenieur der Fachrichtung Technologie der Plaste zu führen. Vom 1. Januar 1973 bis zum 30. Juni 1985 war der Kläger beim VEB Braunkohlenbohrungen und Schachtbau (BuS) Welzow als Gruppenleiter Vorbereitung und vom 1. Juli 1985 bis zum 30. Juni 1990 beim VEB Braunkohlenwerk (BKW) Cottbus als Leiter Projektvorbereitung und -planung beschäftigt. Beide Betriebe waren Kombinatsbetriebe des VE Braunkohlenkombinat (VE BKK) Senftenberg.

Mit Feststellungsbescheid vom 11. Dezember 2001 stellte die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Träger der Zusatzversorgung auf der Grundlage der Entgeltbescheinigungen der S GmbH (1. September 1966 bis 31. Dezember 1972) und der L Hauptverwaltung (1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990) die in der Zeit vom 1. September 1966 bis 30. Juni 1990 erzielten Arbeitsentgelte des Klägers nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) fest.

Im Juni 2010 beantragte der Kläger beim Rentenversicherungsträger – der Knappschaft Bahn See - die Neuberechnung seiner Rente unter Einbeziehung der JEP und des Bergmanngeldes. Diesem Antrag fügte er als Nachweis für den Bezug der JEP und des Bergmanngeldes sowie als Berechnungsgrundlage die eidesstattliche Erklärung des ehemaligen Generaldirektors (H P) und des Direktors für Sozialökonomie (Dr. D W) des VE BKK Senftenberg vom 11./26. April 2010 bei. Der Rentenversicherungsträger leitete diesen Antrag an die Beklagte weiter, die den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 22. November 2010 ablehnte. Im Widerspruchsverfahren übersandte der Kläger die Entgeltbescheinigung der V E M AG vom 4. März 2011, in der es u.a. heißt, dass von JEP keine Unterlagen vorhanden seien. Die Beklagte stellte die darin bescheinigten zusätzlichen Arbeitsentgelte (Bergmannprämie) mit Feststellungsbescheid vom 24. Juni 2011 fest und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2011 zurück. Die R O S GmbH teilte der Beklagten unter dem 24. Februar 2012 mit, dass von dem Kläger keine Unterlagen im Archivbestand vorhanden seien.

Im Dezember 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 12. November 2013 (L 5 RS 622/10) erneut die Neuberechnung seiner Rente unter Vorlage einer Erklärung zu den Zahlungen der JEP im BuS Welzow und BKW Jugend/C vom 11. Dezember 2013. Darin gab der Kläger an, dass die Auszahllisten für die JEP zwar nicht archiviert worden seien, den im Bundesarchiv vorliegenden Unterlagen jedoch für die Jahre 1967 bis 1989 die in der VVB Braunkohle/dem BKK Senftenberg gezahlten JEP-Prozentsätze zu entnehmen seien, nach denen sich aus den vorliegenden Bruttoverdiensten für jeden Mitarbeiter die JEP neu errechnen ließen. Er räumte allerdings auch ein, dass die von der VVB Braunkohle/dem BKK Senftenberg für die einzelnen Braunkohlenwerke getroffenen geringen Differenzierungen dabei verloren gingen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20. März 2014 die Anerkennung höherer Arbeitsverdienste unter Berücksichtigung der JEP ab, denn die Überprüfung des Bescheides vom 24. Juni 2011 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei, weil es keine gesetzliche Grundlage zur Berücksichtigung einer pauschal ermittelten JEP gebe, sondern die Feststellung zusätzlicher Entgelte den Nachweis erfordere, dass ein bestimmter berücksichtigungsfähiger Betrag tatsächlich gezahlt worden sei. Da dieser Nachweis nicht erbracht worden sei, könne keine Feststellung erfolgen. Bei der angegebenen Entscheidung des Sächsischen LSG handele es sich um eine Einzelfallentscheidung, die sie nicht binde.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2014).

Mit seiner am 23. Juni 2014 beim Sozialgericht Cottbus(SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und eine undatierte schriftliche Erklärung des Zeugen H D eingereicht.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2016 abgewiesen, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf Änderung des Feststellungsbescheides vom 24. Juni 2011 unter zusätzlicher Berücksichtigung von JEP. Die Beklagten habe neben den in diesem Bescheid bereits bescheinigten Arbeitsentgelten keine weiteren Arbeitsentgelte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu berücksichtigen, weil dem Kläger der Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung des Zuflusses einer jährlichen JEP nicht gelungen sei. Um das Gericht von einer Zahlung der JEP zu überzeugen, müsse im Einzelnen nachgewiesen werden, dass die genannten Voraussetzungen für jedes geltend gemachte Jahr vorgelegen hätten und dem Betroffenen die geltend gemachten Beträge auch tatsächlich gezahlt worden seien. Ein solcher Nachweis sei nicht gelungen, denn der Kläger habe bezeichnenderweise lediglich angegeben, immer fast 100 % als JEP bekommen zu haben. Auch die allgemeinen Erklärungen von Vorgesetzten und Kollegen über die Zahlungsweise reichten nicht aus, die tatsächliche Zahlung und den Erhalt der Prämie jeweils nachzuweisen. Mit den allgemeinen Angaben, die keinerlei Rückschlüsse auf eine konkrete Zahlung von JEP im streitigen Zeitraum zuließen, sei die behauptete Zahlung von JEP für die Jahre 1973 bis 1989 auch nicht glaubhaft gemacht, denn das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit reiche nicht aus. Die Zweifel, die an dem tatsächlichen Zufluss der Prämien in der behaupteten Höhe bestünden, stünden auch einer Glaubhaftmachung des tatsächlichen Zuflusses entgegen, sodass insoweit auch nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden könne (Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2013 – L 33 R 508/12).

Gegen das dem Kläger am 30. Dezember 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Januar 2017 eingegangene Berufung, mit der er geltend macht, dass sich die Urteilsbegründung überwiegend auf ältere Urteile beziehe, während für seine Auffassung zahlreiche Urteile des Sächsischen LSG aus neuerer Zeit sprächen, die eine Glaubhaftmachung auf der Basis der eidesstattlichen Erklärung des Generaldirektors und des Direktors Sozialökonomie des BKK Senftenberg aus April 2010 zuließen, insbesondere das rechtskräftige Urteil des Sächsischen LSG - L 5 RS 806/15 - vom 14. (richtig: 6.) Dezember 2016 eines Kollegen, der in den gleichen Betrieben, Direktionsbereichen und Abteilungen wie er tätig gewesen sei. Er sei auch nie von der Zahlung der JEP ausgeschlossen gewesen, was sich auch daraus ergebe, dass in seinen SV-Ausweisen keine Fehlschichten verzeichnet seien, die zu einem Ausschluss vom Bezug der JEP geführt hätten. Der Kläger hat die von dem Direktor Sozialökonomie Dr. W erstellte, wegen dessen Todes aber nur von dem Generaldirektor H P unterschriebene Ergänzung zur Erklärung vom 11./26. April 2010 vom 13. Februar 2012 eingereicht, auf die Bezug genommen wird.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2014 zu verpflichten, unter Änderung des Feststellungsbescheides vom 24. Juni 2011 für die Jahre 1973 bis 1989 weitere Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien nach dem AAÜG wie folgt als glaubhaft gemacht festzustellen:

1973 835,15 Mark 1974 858,41 Mark 1975 880,58 Mark 1976 921,64 Mark 1977 962,85 Mark 1978 1.103,23 Mark 1979 1.057,06 Mark 1980 1.061,30 Mark 1981 1.023,98 Mark 1982 740,26 Mark 1983 1.063,65 Mark 1984 944,90 Mark 1985 1.095,95 Mark 1986 1.144,53 Mark 1987 1.162,55 Mark 1988 1.295,50 Mark 1989 1.294,98 Mark

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält dem entgegen, dass die Erklärung der Zeugen P und Dr. W keinen Beweiswert habe. Der Zeuge P habe, in einem anderen Verfahren als Zeuge geladen, über seine Anwälte ausrichten lassen, er könne zum Gegenstand der Vernehmung keinerlei Aussagen machen, sodass die von ihm unterschriebenen Erklärungen vor diesem Hintergrund keinerlei Beweiswert hätten. Sie habe anhand der von Anspruchsstellern in einer Vielzahl anderer Verwaltungsverfahren durch Prämienschreiben - die in den Prämienverordnungen vorgegeben gewesen seien -nachgewiesener JEP erkennen können, dass die dort bestätigten JEP mit den errechneten JEP auf der Basis der Durchschnittsmonatsverdienste in der Erklärung vom 11./26. April 2010 nicht übereinstimmten. Die von ihr durchgeführten Plausibilitätsprüfungen hätten regelmäßig Abweichungen ergeben.

Auf Anforderung der Berichterstatterin hat die Beklagte neben dem – nicht veröffentlichten, rechtskräftigen – Urteil des Sächsischen LSG vom 6. Dezember 2016 – Aktenzeichen L 5 RS 806/15 – u. a. die im dortigen Verfahren erstinstanzlich eingeholten schriftlichen Aussagen der Zeugen Dr. H-J N vom 9. Februar 2015 und H D vom 12. Februar 2015 übersandt, auf die Bezug genommen wird (Blatt 118 bis 122 der Gerichtsakte).

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. H-J N, der der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers beim BKK Senftenberg war. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage 1 der Sitzungsniederschrift vom 6. März 2018 Bezug genommen. Der Zeuge H P hat über seine Rechtsanwälte erklären lassen, dass er zum Gegenstand der Vernehmung keinerlei Aussage treffen könne, und sodann schriftlich erklärt, der Direktor Sozialökonomie und der Hauptbuchhalter hätten über mehrere Monate unter Nutzung einer Vielzahl vorhandener Unterlagen verantwortungsvoll und gewissenhaft die jeweiligen Prozentsätze pro Jahr für die JEP ermittelt. Er selbst sei an der Ermittlung der Prozentsätze nicht beteiligt gewesen. Allerdings sei er von der Integrität sowie der Sach- und Fachkenntnis des damaligen Hauptbuchhalters und des Direktors Sozialökonomie überzeugt gewesen und habe sich auf die Richtigkeit der von ihnen ermittelten Ergebnisse verlassen, da beide stets zuverlässig und ordnungsgemäß gearbeitet hätten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie den übrigen Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten rekonstruierten Verwaltungsakten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Gründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§ 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn die Beklagte ist in dem Feststellungsbescheid vom 24. Juni 2011 weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt, sodass der Überprüfungsbescheid vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2014 den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung höherer Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung der ihm in nicht bekannter Höhe gewährten JEP für die Zeit vom 01. Januar 1973 bis 31. Dezember 1989 nach § 6 AAÜG.

Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 44 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach hat die Beklagte einen Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar (und damit zugleich bindend) geworden ist, mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wenn bei seinem Erlass u.a. das Recht unrichtig angewandt worden ist.

Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der u.a. für das Zusatzversorgungssystem der AVItech zuständige Versorgungsträger durch jeweils ein¬zel¬ne Verwaltungs¬akte bestimmte Feststellungen zu treffen. Nachdem sie zuvor den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG (§ 1 Abs. 1 AAÜG) bejaht und die Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem, die – fiktive - Pflichtbeitragszeiten zur bundesdeutschen Rentenversicherung begründen (§ 5 AAÜG), festgestellt hat, hat sie u.a. auch das wäh¬rend dieser Zeiten erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen (= Arbeitsverdienste) festzustellen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Zwar dürften die Voraussetzungen für die Feststellung der Zugehörigkeit des Klägers zur AVItech während seiner Beschäftigung beim VEB BuS Welzow vom 1. Januar 1973 bis zum 30. Juni 1985 nicht vorliegen, weil dieser VEB kein Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech war (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Juli 2018 - L 22 R 78/14 -nach juris), jedoch ist das Gericht im Rahmen der Berufung des Klägers nicht befugt, diese rechtswidrig begünstigende Feststellung zu seinen Lasten zu korrigieren. Sollte der Kläger für die Zeit seiner Beschäftigung bei dem VEB BuS Welzow nicht in das Versorgungssystem der AVItech einzubeziehen sein, würde dies allerdings bereits die Berücksichtigung zusätzlicher Entgelte – über den von der Beklagten festgestellten Umfang hinaus – ausschließen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2011 – L 31 R 986/10 – Rn. 38 nach juris).

Maßstabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem Versorgungssystem der DDR zuzuordnen sind, ist § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die wei¬tere Einschränkung, dieses höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zu berücksichtigen, wird erst im Leistungsverfahren bedeutsam (dazu stellvertretend: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001, SozR 3-8570 § 8 Nr. 7 mwN.); insoweit hat der Versorgungsträger ggf. nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze festzustellen.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (§ 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit seiner Entscheidung vom 23. August 2007 (- B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4) festgestellt, dass auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten JEP Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG darstellen, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankomme, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besage, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen sei. Aus dem Wort "erzielt" folge im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln müsse, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden sei. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung". Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 AGB-DDR) und damit auch für die JEP (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Die JEP diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf JEP, wenn

- die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als JEP gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt der Empfänger nach der Rechtsprechung des BSG die objektive Beweislast (sogenannte Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren).

Da die Zahlung von JEP von mehreren Voraussetzungen abhing, hat der Kläger, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist. Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Kläger konnte keinerlei Belege, etwa in Form von Begleitschreiben, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an ihn geflossene Prämienzahlungen vorlegen. Er selbst hat angegeben, dass ihm keinerlei Nachweise über die Zahlung der JEP und deren Höhe vorliegen. Der Nachweis ist dem Kläger damit nach Auffassung des erkennenden Senats vorliegend nicht gelungen.

Nach Auffassung des Senats ist vorliegend neben dem Vollbeweis, d. h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus JEP gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Allerdings konnte der Senat auch nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger die Zahlung einer JEP in den Jahren 1973 bis 1989 in der behaupteten Höhe glaubhaft gemacht hat. Erforderlich hierfür ist nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), dass das Vorliegen der behaupteten Tatsache nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Hierfür ist die gute Möglichkeit erforderlich, dass bei mehreren ernstlich in Betracht kommenden Möglichkeiten eine am relativ wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht.

Der Kläger konnte ebenso wie die von ihm benannten Zeugen H D und H P in ihren schriftlichen Erklärungen und Dr. N in seiner Vernehmung am 6. März 2018 keine Angaben über die tatsächliche Höhe der ihm in den Jahren 1973 bis 1989 gezahlten JEP machen. Die Angaben beschränkten sich vielmehr letztlich darauf, dass JEP in den fraglichen Jahren gezahlt wurden. Bereits bei deren ungefährer Höhe gehen die Angaben geringfügig auseinander. Während der Zeuge Dr. N aussagte, die JEP habe mindestens 90 % des Brutto(monats)gehalts betragen, gab der Zeuge D an, die Prämie habe sich auf 100% des Netto(monats)gehalts belaufen und der Kläger selbst trug in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht vor, es seien fast immer fast 100 % des Bruttoverdienstes als JEP gewährt worden. Diese Angaben sind mithin nicht geeignet, die Zahlung einer JEP in einer bestimmten Höhe glaubhaft zu machen.

Aber auch die vom Kläger eingereichte Erklärung des früheren Betriebsdirektors H Pund des Direktors Sozialökonomie Dr. W vom 11./26. April 2010, dass die Prozentsätze der JEP nach den Ermittlungen des Direktors Sozialökonomie (und des Hauptbuchhalters) zwischen 1969 und 1989 zwischen 79,10 % im Jahr 1972 und 94,30 % im Jahr 1978 schwankten und sich überwiegend um 90 % des Bruttomonatsgehalts bewegt haben sollen, sind zur Glaubhaftmachung allein nicht geeignet. Zwar heißt es in der Erklärung: "Ausgehend von den in dem jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinats wurde jeweils der zutreffende Prozentsatz zur Ermittlung der JEP festgestellt. Bezugsgröße dieses Prozentsatzes war dabei immer das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Beschäftigten im Vorjahr." Dies erweckt den Eindruck, als sei die Ermittlung der JEP für den einzelnen Arbeitnehmer ein bloßer Rechenvorgang gewesen, was allerdings mit der gesetzlichen Regelung in § 118 Abs. 2 AGB-DDR nicht in Einklang zu bringen ist, wonach die JEP für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt wurde und der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung bedurfte, es sich also um eine individuell festgesetzte Prämie gehandelt hat. Es dürfte danach bereits fraglich sein, ob überhaupt ein einheitlicher Prozentsatz der JEP für die Beschäftigten eines gesamten Kombinats Geltung gehabt haben kann. Auch der Kläger räumt ein, dass es sich bei den rechnerisch ermittelten JEP lediglich um Durchschnittswerte handelt, nicht jedoch um die tatsächlich im jeweiligen Jahr dem einzelnen Betriebsangehörigen gewährte JEP. Dies bestätigt auch die von dem Direktor Sozialökonomie erstellte Ergänzung zur Erklärung über den Nachweis von jährlichen Zahlungen an Angehörige der technischen Intelligenz vom 13. Februar 2012, in der es unter anderem heißt, dass sich eine formale Differenzierung ohne jeden Leistungsbezug durch die Auf- bzw. Abrundung auf die Zehnerstelle der errechneten Summe für die gezahlte JEP ergeben habe. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist nach Überzeugung des Senats die Einlassung des Klägers im Erörterungstermin als widerlegt anzusehen, das Kuvert mit der JEP habe auch Hartgeld enthalten. Vielmehr wird die Aussage des Zeugen Dr. Nbestätigt, dass in der Regel gerundete Beträge ausgezahlt wurden. Damit wird jedoch offenbar, dass es sich bei der unter Berücksichtigung des in der Erklärung vom 11./26. April 2010 genannten Prozentsatzes für das jeweilige Kalenderjahr durch Multiplikation mit dem durchschnittlichen Monatsbruttogehalt des Vorjahres des Klägers errechneten JEP lediglich um einen Näherungswert handelt, der nicht mit dem tatsächlich ausgezahlten Betrag der JEP übereinstimmt, weil weder das Rundungsergebnis - das zwar auch rechnerisch ermittelt werden könnte – noch ein eventuell daneben für besondere Leistungen gewährter individueller Festbetrag berücksichtigt ist und zudem völlig offen ist, ob der genannte Prozentsatz für alle Kombinatsbetriebe in gleicher Höhe gewährt wurde.

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bleibt die Höhe der dem Kläger tatsächlich gewährten JEP damit offen und es ist allenfalls die rechnerische Bestimmung eines Mindestwertes möglich, der aber in keiner Weise die tatsächliche Prämienhöhe widerspiegelt und daher nicht zur Glaubhaftmachung der tatsächlich zugeflossenen JEP geeignet ist. Die rechnerische Bestimmung eines letztlich für ein gesamtes Kombinat geltenden einheitlichen prozentualen Durchschnittswertes für die in den Jahren 1969 bis 1989 gewährten JEP auf der Grundlage eines durch den Direktor Sozialökonomie und den Hauptbuchhalter anhand nicht offen gelegter Unterlagen ermittelten Prozentsatzes ist bezogen auf den Kläger rein fiktiv und kann daher nicht zur Glaubhaftmachung der Höhe der ihm tatsächlich zugeflossenen JEP dienen. Die Auffassung des Sächsischen LSG in seinem Urteil vom 6. Dezember 2016 – L 5 R 806/15 - überzeugt den Senat ebenso wenig wie die des LSG Berlin-Brandenburg in dessen Urteil vom 19. Oktober 2017 – L 27 R 124/15 - (zitiert nach juris), weil beide letztlich nicht ausreichend berücksichtigen, dass aufgrund der in der Erklärung vom 11./26. April 2010 genannten Prozentsätze allenfalls durch weitere Rechenschritte die den einzelnen Betriebsangehörigen individuell gezahlten JEP ermittelt werden können, die individuelle JEP aber gerade nicht glaubhaft gemacht wird. Diese Vorgehensweise führt zu einer im Rahmen der Glaubhaftmachung nach § 6 Abs. 6 AAÜG nicht zulässigen Schätzung der individuellen JEP, die bereits deshalb nicht eingreift, weil § 6 Abs. 6 AAÜG als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend regelt und keinen Raum für die Anwendung der allgemeinen Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO lässt (BSG Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R - Rn. 19 nach juris).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da es sich insbesondere unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweiserhebung um eine Einzelfallentscheidung handelt.
Rechtskraft
Aus
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