Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 4918/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2276/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Beweislast beim Streit um den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung, wenn der Rentenversicherungsträger den Eintritt der Erwerbsminderung zu einem früheren Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlagen, behauptet, als den vom Versicherten geltend gemachten Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Mai 2018 und der Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2016 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 1. Mai 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren zu gewähren.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage- und im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1972 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1996 in Deutschland.
Bei der Klägerin wurde 1999 erstmals eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Sie befand sich daher beginnend im Jahre 1999 und zuletzt vom 22. Juni bis 30. August 2002 (zum dritten Mal) im ZfP E. (Diagnose: Akute Exazerbation einer vorbekannten paranoiden Schizophrenie). Ein nochmaliger stationärer Aufenthalt im ZfP E. fand vom 27. Februar bis 21. April 2016 statt.
Im April 2013 beantragte die Klägerin erstmals eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 24. Mai 2013 lehnte diese den Antrag ab, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. In ihrer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom 14. Mai 2013 war die Beklagte zuvor der Auffassung, dass unter Hinweis auf die Berichte des ZfP seit 2000 volle Erwerbsminderung mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden arbeitstäglich bestehe.
Zuletzt war die Klägerin ab dem 14. Dezember 2014 bis 12. Oktober 2015 rentenversicherungspflichtig als Reinigerin bei der Gebäudeservice OHG in F., zuletzt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31,25 Stunden, beschäftigt.
Am 15. Juni 2016 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der Beklagten, da sie seit 15. Oktober 2015 erwerbsgemindert sei. Sie legte ein Attest ihrer behandelnden Neurologin/Psychiaterin Dr. R. vom 30. Oktober 2015 vor, wonach die Klägerin mindestens seit dem 15. Oktober 2015 mit noch nicht absehbarer Dauer arbeitsunfähig sei, eine vorgeschlagene Krankmeldung jedoch kategorisch abgelehnt habe. Es sei der Eindruck entstanden, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, die Notwendigkeit einer Krankmeldung zu erkennen.
Vom 2. Mai bis 1. Juli 2016 befand sich die Klägerin wiederum im ZfP E. (Diagnose: schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv; arzneimittelinduzierte Akatessie) in Behandlung. Der Grund für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin sei die Absetzung der Medikamente durch sie selbst gewesen.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin die Mindestversicherungszeit für diese Rente nicht erfülle. Sie sei seit dem 26. Mai 2000 dauerhaft teilweise erwerbsgemindert. Das Versicherungskonto enthalte statt der erforderlichen 60 Monate jedoch nur sieben Wartezeitmonate. Ein Fall, in dem die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sei, sei nicht gegeben. Zugrunde legte die Beklagte dabei im Wesentlichen die sozialmedizinische Stellungnahme vom 14. Mai 2013.
Am 26. Juli 2016 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch, da sie nach den beigefügten Bescheinigungen ihrer Ärztin Dr. R. bereits seit dem 15. Oktober 2015 arbeitsunfähig mit ungewisser weiterer Dauer sei. Die weitere Arbeitsunfähigkeit werde durch die Aufenthalte im ZfP E. vom 27. Februar bis 21. April 2016 und vom 2. Mai bis 1. Juli 2016 belegt. Seit dem 15. Oktober 2015 sei sie in vollem Umfang erwerbsunfähig und erfülle damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach den Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes sei die Klägerin seit 26. Mai 2000 richtigerweise voll erwerbsgemindert. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Zwischen der Beendigung des Sprachkurses und vor Eintritt des Leistungsfalles habe sie keine Pflichtbeiträge entrichtet. Seit dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung am 26. Mai 2000 habe sie auch nicht die Wartezeit von 20 Jahren (420 Monaten) erfüllt; insoweit seien insgesamt nur 61 Monate anrechenbar.
Die Klägerin hat am 9. Dezember 2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie leide seit Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Die volle Erwerbsminderung aufgrund dieser Erkrankung sei unstreitig. Streitig sei nur, wann die volle Erwerbsminderung eingetreten sei. Der Rentenfall sei am 15. Oktober 2015 eingetreten. Zwar sei 1999 die Erkrankung erstmals diagnostiziert worden. 2001 sei festgestellt worden, dass sie an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose leide. Nach dem Arztbrief vom 21. August 2001 sei sie zum Zeitpunkt der damaligen Untersuchung aber beschwerdefrei gewesen. Da sie während ihrer Schwangerschaft die antipsychotischen Mittel habe absetzen müssen, habe sie sich von Juni bis August 2002 in stationärer Behandlung im ZfP E. befunden, sei aber dort in einem gut stabilisierten Zustand entlassen worden. Auch am Rentenkonto zeige sich, dass sie bis zum 15. Oktober 2015 nicht erwerbsgemindert gewesen sei. Sie habe 2005 eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft aufgenommen und sei bis Oktober 2015 weit überwiegend geringfügig oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. In ihrem Attest vom 30. Oktober 2015 gehe Dr. R. von einer Arbeitsunfähigkeit mindestens ab dem 15. Oktober 2015, wahrscheinlich aber einige Tage früher aus. Zum 15. Oktober 2015 erfülle sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung. Die nur drei Aufenthalte im ZfP von 2000 bis 2002, die fehlenden Befundberichte zwischen 2002 und 2016 und die Erwerbstätigkeit sprächen dagegen, dass sie in dieser Zeit nicht erwerbsfähig gewesen sei. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Erwerbsminderung bereits vor Oktober 2015 angetreten sei, obliege der Beklagten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. N. vom 29. März 2017 und 18. Juli 2017 hingewiesen. Dieser hat ausgeführt, dass der damals behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. G. in seinem Bericht vom 21. August 2001 nicht über subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin berichtet habe (subjektiv beschwerdefrei). Von Dr. G. seien zu diesem Zeitpunkt keine Wahninhalte und keine Vitalstörungen unspezifisch benannt worden; es sei allerdings kein psychopathologischer Befund mitgeteilt worden, der eine sozialmedizinische Schlussfolgerung zweifelsfrei zulasse. Ein Leistungsbild alleine aus den subjektiven Beschwerdeangaben ohne eine Befunderhebung lasse sich nicht zuverlässig ableiten. Aus dem Klinikentlassungsbericht vom 19. März 2003 folge, dass die Klägerin Mitte Januar 2002 relativ kurz nach ihrer zweimonatigen Beschäftigung in die stationäre Behandlung des ZfP E. habe aufgenommen werden müssen. Nachdem schizophrene Psychosen in den meisten Fällen eine teilweise jahrelange Vorlaufzeit hätten, bevor die Symptomatik zu einer stationären psychiatrischen Aufnahme führe, sei kaum davon auszugehen, dass tatsächlich eine durchgreifende Besserung des Leistungsbildes eingetreten sei. Das ZfP E. habe zur stationären Behandlung zum Jahresende 1999 eine paranoide Schizophrenie mit psychotischen Phänomenen diagnostiziert. Dieses Erkrankungsbild sei nach wie vor, z.B. auch im Entlassungsbericht vom 20. April 2016 diagnostiziert worden, wobei von einer vorbeschriebenen paranoiden Schizophrenie ausgegangen worden sei. Typisch für schizophrene Psychosen sei aufgrund der wahnhaften Realitätsverkennung, dass sich die Erkrankten in der Regel nicht für krank hielten und deshalb häufig auch nicht in ärztlicher Behandlung seien, in vielen Fällen auch die Medikation absetzten. Aufgrund der Realitätsverkennung schilderten sich die Patienten als subjektiv beschwerdefrei, so z.B. auch im Schreiben des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 21. August 2001, was nicht heiße, dass automatisch von einer Remission der Erkrankung ausgegangen werden könne. Die Zeugenaussage der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. R. vom 2. Mai 2017 erbringe im Hinblick auf den "Stichtag" für die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen 1. Oktober 2015, dass die Klägerin im Hinblick auf die Psychose am 22. April 2015 sich chronisch residual verändert habe mit einer Antriebsminderung, Affektverflachung und somatoformen Beschwerden. Bei einem schizophrenen Residuum handele es sich um ein chronisches Stadium einer schizophrenen Erkrankung mit eindeutiger Verschlechterung von früheren Symptomen, die im Sinne einer "Defektheilung" die Akutzustände mit früheren psychotischen Phasen überdauert habe. Hieraus könne schon vor dem mitgeteilten Stichtag 1. Oktober 2015 ein deutlicher Hinweis für eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens abgeleitet werden, da es sich bei residualen Schizophrenien nicht um leichtgradige Erkrankungen handele. Auch im Befundbericht von Dr. R. vom 22. April 2015 sei eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie mit Residualzustand, also einer Defektheilung beschrieben, sodass auch zu diesem Zeitpunkt nicht von einem positiven Restleistungsvermögen ausgegangen werden könne. Auch zum früheren Zeitpunkt, nämlich dem 18. Dezember 2012, sei ein Residualzustand dokumentiert worden mit einer unangemessenen Erschöpfung und einer von Seiten der Behandlerin diagnostizierten Antriebsminderung. Hier bestünden doch erhebliche Zweifel dahingehend, inwieweit (abgesehen von kurzen Phasen und vielleicht einer Tätigkeit auf Kosten der Restgesundheit) tatsächlich von einem Leistungsvermögen der Versicherten ausgegangen werden könne. Es ergäben sich insgesamt erhebliche Zweifel daran, dass eine Minderung des qualitativen Leistungsvermögens erst ab dem 1. Oktober 2015 eingetreten sein solle.
Das SG hat von den behandelnden Ärzten der Klägerin sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt. Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. hat in ihrer Auskunft vom 2. Mai 2017 mitgeteilt, durch ihren Vorgänger sei eine Behandlung der Klägerin von 1999 bis April 2006 erfolgt; sie behandle die Klägerin seit Mai 2006. Die letzte Vorstellung sei am 28. April 2017 gewesen. Von 2000 bis Februar 2006 lägen mehrere Befundberichte des Dr. G. vor; diese beschrieben sämtlich einen stabilen, symptomfreien Zustand nach wiederholten Episoden einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie unter kontinuierlicher neuroleptischer Behandlung. Von Mai 2006 bis April 2007 habe sich die Klägerin in drei-wöchigem Abstand vorgestellt. Die in diesem Zeitraum erstellten Befundberichte beschrieben jeweils einen nicht wesentlich auffälligen psychopathologischen Befund. Es werde jeweils Symptomfreiheit bezüglich psychotischer Symptomatik benannt. Im Befund vom 23. Januar 2007 sei sie als antriebsgemindert, affektverarmt, ohne manifeste psychotische Symptomatik beschrieben. Im Befund vom 13. April 2007 sei ausgeführt: "weiterhin kein Anhalt für psychotische Symptomatik, kein Anhalt für Depressivität bei insgesamt flachem Affekt, unauffälligem Antrieb". Bei Wiedervorstellung am 18. Juni 2012 werde eine Antriebsminderung und eine verminderte Belastbarkeit dokumentiert, mit deutlicher Besserung Anfang 2013 (Befundbericht vom 16. Januar 2013). Im Befundbericht vom 22. April 2015 werde folgender Befund erhoben: "Bewusstseinsklare, allseits orientierte Patientin. Inhaltlich und formal geordnet. Aktuell kein psychotisches Erleben. Chronisch resudual verändert mit Antriebsminderung, Affektverflachung, somatoformen Beschwerden. Insbesondere seit Jahren Schwindel und Kopfschmerz in fluktuierender Ausprägung. Kein depressiver Affekt. Patientin wirke eher schwungvoller als sonst, hat Gewicht abgenommen. Schlaf ausreichend und gut. Keine Suizidalität". Eine psychische Dekompensation habe sich im Herbst 2015 entwickelt. Am 28. September 2015 und 15. Oktober 2015 habe sie sich notfallmäßig vorgestellt. Am 27. Februar 2016 sei es zur notfallmäßigen Aufnahme ins ZfP E. gekommen. Die kontinuierlich gestellten Diagnosen seien paranoid-halluzinatorische Schizophrenie und schizoaffektive Störung. Eine Verschlechterung des Zustandes sei am 15. Oktober 2015 eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt sei sie arbeitsunfähig gewesen wegen zunächst ausgeprägter Antriebsarmut, ausgeprägter Zunahme des chronischen Schwindels und deutlicher Abnahme der Belastbarkeit. Seither sei sie psychisch instabil und habe zu ihrem ursprünglichen Funktionsniveau nicht zurückgefunden. Sie sei nicht in der Lage, sechs Stunden arbeitstäglich auch eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, da Ausdauer, Konzentration, psychophysische Belastbarkeit und affektive Stabilität derart herabgesetzt seien. Sie habe Arbeitsunfähigkeit am 26. März 2007 auf nicht absehbare Dauer der Agentur für Arbeit gegenüber bescheinigt. Wann wieder Arbeitsfähigkeit eingetreten gewesen sei, lasse sich ihrerseits nicht beurteilen, weil die Klägerin damals die Behandlung beim Hausarzt fortgesetzt habe und erst wieder am 18. Juni 2012 zur Wiedervorstellung gekommen sei. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Sch. hat in seiner Auskunft vom 18. August 2017 von einer Behandlung ab 1996 bis April 2016 berichtet. Bezüglich der paranoiden Psychose als Grunderkrankung habe es ein Auf und Ab gegeben. Nach Absetzen der Psychopharmaka im Februar 2016 sei es zu einer Exazerbation der Situation gekommen. Die psychische Erkrankung habe die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. In psychisch kompensierten Phasen sei die Arbeitsfähigkeit für eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich gegeben gewesen. Am 28. April 2014 habe eine Phase mit verschiedener Symptomatik respektive AU-Bescheinigungen und dem Wunsch nach weniger Arbeitszeit begonnen. Er habe die Klägerin zwischen 2009 und 2016 achtmal arbeitsunfähig geschrieben wegen Infekten oder Schwindels.
Das SG hat sodann den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin und Rehabilitationswesen Dr. Re. mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 20. Dezember 2017 hat er eine histrionische Persönlichkeitsstörung (Verdacht), und als Differenzialdiagnose eine bipolare affektive Störung mit manischen, depressiven und gemischten Episoden mit psychotischen Symptomen, gegenwärtig remittiert angegeben. Ausreichende Anhaltspunkte für eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie oder eine sonstige psychische Erkrankung mit einem prozesshaft sich verschlimmernden Verlauf lägen nicht vor. Nach der dritten Hospitalisation im ZfP E. 2002 sei der Zustand der Klägerin bis 2016 offenbar relativ stabil geblieben. Lediglich 2012 sei für einige Monate eine depressive Symptomatik aufgetreten. Praktisch seit ihrer Einreise nach Deutschland 1996 leide die Klägerin an einer wechselnden psychischen Störung, die in einem Spektrum von paranoider Schizophrenie bis zu schizoaffektiver Psychose, manisch-depressiver Erkrankung und histrionoscher Persönlichkeit gedeutet worden sei. Aktuell stehe die Persönlichkeitsstörung im Vordergrund. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei eingeschränkt, wobei überwiegend wahrscheinlich sich daran in den letzten 20 Jahren nichts grundlegend verändert habe. Mit den genannten Einschränkungen sei sie in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden bis weniger als sechs Stunden täglich auszuführen. Eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes sei unwahrscheinlich. Im Ergebnis käme sowohl das ZfP E., Hausarzt Sch. und Dr. R. zu dem Ergebnis, das seit vielen Jahren eine zwar eingeschränkte, aber nicht aufgehobene Erwerbsfähigkeit der Klägerin vorliege.
Die Klägerin hat noch vorgebracht, dass ab 1998 immer wieder teilweise Erwerbsminderung vorgelegen habe, sie aber auch immer wieder für längere Zeit erwerbsfähig gewesen sei. Rückschauend könne dies von Dr. R. besser beurteilt werden als vom Sachverständigen. Ab dem 11. Dezember 2014 sei sie als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zunächst 17,5 Stunden und ab 7. Januar 2015 im Umfang von 31,25 Stunden wöchentlich und werktäglich regelmäßig 6,25 Stunden beschäftigt gewesen.
Die Beklagte hat mit der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. N. vom 22. Januar 2018 gegen das Gutachten von Dr. Re. eingewandt, dass die diagnostische Einordnung nicht nachvollzogen werden könne, da sich die behandelnden Fachärzte sonst über Jahre hinweg geirrt haben müssten. Eine histrionische Persönlichkeitsstörung ergebe sich nicht aus den erhobenen Befunden. Die im ZfP E. erhobenen Befunde stützten die dortige Diagnose mehr als die Differenzialdiagnose des Sachverständigen. Aus den von ihm genannten Anknüpfungstatsachen ergebe sich im Rückschluss ein vollschichtiges Leistungsvermögen, weshalb die Darstellung insgesamt nicht nachvollziehbar sei. In seiner Stellungnahme vom 13. April 2018 hat Dr. N. noch für die Beklagte vorgebracht, dass sich die Frage stelle, ob die Erwerbstätigkeit der Klägerin auf Kosten ihrer Restgesundheit ausgeübt worden sei, auch wenn sie tatsächlich ohne Zeichen der Arbeitsunfähigkeit gearbeitet habe. Es sei typisch für den Verlauf von chronischen Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, dass die Betroffenen Krankheitsphänomene für sich nicht wahrnehmen könnten und dass dies auch dem Umfeld nicht möglich sei. Hierzu passe der Befundbericht von Dr. R. vom 30. Oktober 2015 in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum besagten Arbeitsvertrag, bei der sich eine "Zuspitzung der psychischen Erkrankung" dargestellt und die Versicherte sich "notfallmäßig" vorgestellt habe, die Klägerin aber eine Krankmeldung "kategorisch abgelehnt" habe; dies sei typisch für den Verlauf von Psychoseerkrankungen. Wahrscheinlich habe sich unter dem Druck einer auf Kosten der Restgesundheit erfolgten Erwerbstätigkeit der Krankheitszustand erheblich verschlechtert.
Mit Urteil vom 17. Mai 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2016 oder zu einem späteren Zeitpunkt. Das Gericht habe sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die Erwerbsminderung bei der Klägerin zu einem Zeitpunkt (wieder) eingetreten sei, an dem die allgemeinen und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben gewesen seien. Die objektive Beweislast für den geltend gemachten Eintritt der Erwerbsminderung erst zum 15. Oktober 2015 liege nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen bei der Klägerin, da sie für den mit der Klage verfolgten Anspruch geltend machen müsse, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem am 15. Oktober 2015 eingetretenen Leistungsfall gegeben seien. Zu diesem Zeitpunkt seien die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung unstreitig erfüllt, da 118 Monate an Beitragszeiten vorhanden und im nach § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGBVI) maßgeblichen Zeitraum vom 1. November 2003 bis 14. Oktober 2015 38 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Bei einer bereits im Jahre 2000 eingetretenen Erwerbsminderung seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hingegen nicht erfüllt. Die Klägerin leide im Wesentlichen unter einer Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet. Über die genaue diagnostische Einordnung bestehe dabei Uneinigkeit zwischen einer paranoiden Schizophrenie bzw. einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie und differenzialdiagnostisch einer schizoaffektiven Störung, manisch einerseits und einer histrionischen Persönlichkeitsstörung als Verdachtsdiagnose andererseits. Auszugehen sei aber von einer schwerwiegenden Erkrankung in Form einer Spektrumserkrankung aus dem Bereich der Psychosen und des schizophrenen Formenkreises. Dies führe dazu, dass auch körperlich leichte Tätigkeiten zumindest nicht mehr sechs Stunden arbeitstäglich ausgeführt werden könnten. Hierzu stütze sich das Gericht auf die fachärztliche Begutachtung von Dr. Re., der zur Einschätzung gelangt sei, dass die Klägerin nur noch drei bis weniger als sechs Stunden arbeitstäglich leistungsfähig sei. Mit diesem Leistungsvermögen bestehe eine volle Erwerbsminderung aufgrund der Arbeitsmarktlage. Hierüber bestehe im Ergebnis auch kein Streit zwischen den Beteiligten. Das Gericht habe sich jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die volle Erwerbsminderung erst zum 15. Oktober 2015 eingetreten sei. Es spreche vielmehr einiges dafür, dass auch für die Zeit jedenfalls ab 2000 bis 2015 eine durchgehende Erwerbsminderung bestanden habe. Dies ergebe sich bereits aus der von Dr. N. für das Gericht nachvollziehbar dargelegten Natur der Erkrankung der Klägerin und werde im Übrigen auch vom Sachverständigen als wahrscheinlich bezeichnet. Aufgrund der Aussage von Dr. R. habe sich das Gericht jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass eine Erwerbsminderung erst wieder zum 15. Oktober 2015 eingetreten wäre. Der Befundbericht vom 22. April 2015 lasse bereits anhand der dort gestellten Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie "mit Residualzustand" und der genannten Antriebsminderung, Affektverflachung und somatoformen Beschwerden (hier (hier u.a. Schwindel und Kopfschmerz) erkennen, dass das Funktionsniveau auch zum damaligen Zeitpunkt eingeschränkt gewesen sei. Auch die von Januar bis Oktober 2015 tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit führe nicht dazu, dass die Klägerin zumindest in diesem Zeitraum nicht erwerbsgemindert gewesen sei. Zwar komme der Tatsache, dass der Versicherte eine Tätigkeit ausübe, ein stärkerer Beweiswert zu als den dies scheinbar ausschließenden medizinischen Befunden. Allerdings sei allein entscheidend, ob der Versicherte trotz seiner wie auch immer gearteten Gesundheitsstörungen tatsächlich noch erwerbstätig sei, d.h. eine Arbeit leiste, die er leisten könne und die zu einem für andere wirtschaftlich verwertbaren Ergebnis führe und deshalb geeignet sei, für ihn selbst als Erwerbsquelle zu dienen. Dies gelte nicht, wenn es sich um eine Arbeit auf Kosten der Restgesundheit oder eine bloße vergönnungsweise Beschäftigung handele. Ausgehend von der Erkrankung der Klägerin werde die Arbeit im Umfang von insgesamt 6,25 Stunden täglich aber verteilt auf drei Putzstellen zur Überzeugung der erkennenden Kammer jedenfalls auf Kosten der Restgesundheit verrichtet, weil die Klägerin nicht mehr in diesem Umfang leistungsfähig gewesen sei. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Klägerin nach der im Dezember 2014 aufgenommenen Erwerbstätigkeit und Erhöhung des Arbeitsumfangs im Januar 2015 nach der Aussage von Dr. R. bereits im September oder Oktober 2015 dekompensierte, sodass beginnend mit Februar 2016 stationäre Behandlungen im ZfP erforderlich gewesen seien. Die im Befundbericht vom 22. April 2015 referierte gegenteilige subjektive Einschätzung der Klägerin stehe dem aufgrund ihrer Erkrankung nicht entgegen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 28. Mai 2018 zugestellte Urteil hat er am 27. Juni 2018 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung erhoben. Sie trägt vor, die volle Erwerbsminderung sei unstreitig. Sie sei aber erst im Oktober 2015 eingetreten, wohingegen die Beklagte der Auffassung sei, die Klägerin sei bereits seit dem 26. Mai 2000 voll erwerbsgemindert und habe deshalb die Vorversicherungszeiten nicht erfüllt. Bereits im Jahre 2001 sei festgestellt worden, dass die Klägerin an einer paranoiden-halluzinatorischen Psychose leide. Mit Hilfe von Medikamenten und Psychotherapie sei sie aber weitgehend beschwerdefrei gewesen. Sie habe überdies drei Kinder großgezogen und sei bis Oktober 2015 immer wieder erwerbstätig gewesen, zuletzt vom Juli 2014 bis Oktober 2015. Lediglich drei stationäre Aufenthalte aufgrund ihrer Erkrankung von 14 Jahren seien festgestellt, wobei diese alle innerhalb eines zeitlich beschränkten Rahmens von drei Jahren (1999 bis 2002) stattgefunden hätten. Dabei liege die Annahme nahe, dass diese mit abgesetzten Medikamenten zu erklären seien, z.B. wegen der Schwangerschaft der Klägerin. Erst ab Ende 2015 sei es zu einer ersichtlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin und mehreren stationären Aufenthalten gekommen. Zwischenzeitlich sei auch eine Betreuung der Klägerin eingerichtet. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbstätigkeit auf Kosten der Restgesundheit ausgeübt worden sei. Selbst häufigere Krankheitsauffälligkeiten könnten die Annahme einer Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Mai 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Mai 2016 befristet auf drei Jahre Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Letztmals zum 31. Januar 2016 habe die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bezug einer Erwerbsminderungsrente erfüllt. Mit Blick auf einen vor dem Oktober 2015 möglicherweise eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsminderung seien die zusätzlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals im November 2004 erfüllt.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 13. August 2018 die Sach- und Rechtslage erörtert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (drei Hefte) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs.1 und Abs. 3 SGG) erhoben worden.
Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Die Klägerin hat ausgehend von ihrem Rentenantrag am 15. Juni 2016 und Eintritt des Versicherungsfalls der (vollen) Erwerbsminderung im Oktober 2015 einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2016 für die Dauer von drei Jahren.
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).
Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Über den Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI hinaus liegt eine volle Erwerbsminderung nicht erst dann vor, wenn das berufliche Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden täglich abgesunken ist, sondern bereits dann, wenn das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken ist – so dass an sich nach § 43 Abs. 1 SGB VI nur eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt – und kein (leidensgerechter) Teilzeitarbeitsplatz gefunden werden kann (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005 – B 5 RJ 6/05 R – juris, Rdnr. 18). Denn wie nach der bis 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage ist die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen (konkrete Betrachtungsweise), so dass die teilweise Erwerbsminderung, wenn der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen ist, in die volle Erwerbsminderung "durchschlägt". Dies hatte der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 und 10. Dezember 1976 bereits zu dem unter der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltenden Recht entschieden (vgl. BSGE 30, 167 = SozR Nr. 79 zu § 1246 RVO – BB 1970, 535; BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr. 13 = NJW 1977, 2134). Nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 14/4230 S. 25 zu Nr. 10) sollte die konkrete Betrachtungsweise wegen der ungünstigen Arbeitsmarktsituation auch nach dem 31. Dezember 2000 beibehalten werden. Dies ergibt sich auch aus § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI, der auf Renten "unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage" abstellt (vgl. zu alledem Niesel, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB VI § 43 Rdnr. 30ff). Nach der Rechtsprechung des BSG ergibt sich die Beibehaltung der konkreten Betrachtungsweise auch aus einem Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 SGB VI (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005 – aaO). Die konkrete Betrachtungsweise führt dabei dazu, dass bei einem Restleistungsvermögen von drei bis weniger als sechs Stunden – das an sich nur eine teilweise Erwerbsminderung zur Folge hätte – dennoch eine volle Erwerbsminderung besteht.
Die Beurteilung des Leistungsvermögens bezieht sich dabei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieser umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, für die es in nennenswertem Umfang Beschäftigungsverhältnisse gibt (vgl. BT Drucksache 14/4230, S. 25) und damit auch ungelernte Tätigkeiten (vgl. BSG – Großer Senat – Beschluss vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 – BSGE 80, 24 und bei juris). Bezugspunkte ist damit eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nicht die zuletzt ausgeübte Beschäftigung, die etwa für die Frage der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblich sein kann.
Ausgehend von einem Vorliegen des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung im Oktober 2015 liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausweislich des Versicherungsverlaufs bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit (vgl. Aktenseite 13 und 15 der Verwaltungsakte der Beklagten); insbesondere sind im maßgeblichen Zeitraum vom 1. November 2003 bis 14. Oktober 2015 38 Pflichtbeitragsmonate gegeben.
Ausgehend von den hier vorliegenden ärztlichen Unterlagen (Arztauskünften, Befundunterlagen), den sozialmedizinischen Stellungnahmen und dem im Klageverfahren eingeholten Gutachten von Dr. Re. ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin jedenfalls im Oktober 2015 und danach erwerbsgemindert war/ist. Der Auffassung, dass die Klägerin im Oktober 2015 erwerbsgemindert war und seitdem durchgehend ist, wenn auch nicht, dass sie erst ab Oktober 2015 erwerbsgemindert war, ist auch die Beklagte.
Die Klägerin leidet im Wesentlichen unter einer schweren Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet. Wie das SG in seinem Urteil vom 17.Mai 2018 ist der Senat dabei auch mit Blick auf die diagnostische Einordnung der Erkrankung der Klägerin – Dr. R. und die Ärzte im ZfP E. gehen von einer paranoiden Schizophrenie bzw. einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie bzw. differenzialdiagnostisch auch von einer schizoaffektiven Störung, manisch aus; der Sachverständige Dr. Re. geht von einer Verdachtsdiagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung aus – der Überzeugung, dass die Klägerin an einer Erkrankung in Form einer Spektrumserkrankung aus dem Bereich der Psychosen und des schizophrenen Formenkreises leidet. Dies folgt aus den Befundberichten des ZfP und der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. R. vom 22. Mai 2017 sowie aus den von ihr erstellten Befundberichten. Der Senat misst dabei den über viele Jahre der Behandlung hinweg auch im Rahmen von längeren stationären Aufenthalten fachärztlich gestellten Diagnosen das höhere Gewicht zu als der diagnostischen Einordnung seitens des Sachverständigen Dr. Re ... Diese Erkrankung hat sich nach der sachverständigen Zeugenauskunft der die Klägerin behandelnden Fachärztin Dr. R. vom 2. Mai 2017 im Oktober 2015 deutlich verschlechtert; es kam zu einer Dekompensation der Klägerin. Dr. R. hat überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin im Vergleich mit dem Zustand, wie er noch im Befundbericht von Dr. R. vom 22. April 2015 beschrieben ist, nämlich "bewusstseinsklare, allseits orientierte Patientin. Inhaltlich und formal geordnet. Aktuell kein psychotisches Erleben. Chronisch residual verändert mit Antriebsminderung, Affektverflachung, somatoforme Beschwerden, insbesondere seit Jahren Schwindel und Kopfschmerz in fluktuierender Ausprägung. Kein depressiver Affekt. Patientin wirkt eher schwungvoller als sonst, hat Gewicht abgenommen. Schlaf aktuell ausreichend und gut", sich im Herbst 2015 eine psychische Dekompensation entwickelt hat. Am 28. September 2015 und am 15. Oktober 2015 hat sich die Klägerin notfallmäßig bei Dr. R. vorgestellt, wobei sie eine vorgeschlagene Krankmeldung kategorisch ablehnte, wobei sie jedoch krankheitsbedingt nicht in der Lage war, die Notwendigkeit einer Krankmeldung zu erkennen. Bei der Wiedervorstellung im Februar 2016 stand die Klägerin schon mehrere Tage nicht mehr unter Medikation; es lagen ausgeprägte Einschlafstörungen und Krankheitsuneinsichtigkeit vor. Am 27. Februar 2016 kam es zur notfallmäßigen stationären Aufnahme im ZfP E. wegen manisch-aggressiver Symptomatik. Den Zustand der Klägerin hat Dr. R. am 15. Oktober 2015 mit ausgeprägter Antriebsarmut, ausgeprägter Zunahme ihres chronisch bestehenden Schwindels und deutlicher Abnahme ihrer Belastbarkeit beschrieben. Seither ist die Klägerin psychisch instabil geblieben, wobei sich die Antriebsarmut in Antriebssteigerung und manisch-getriebenen Dekompensation mit aggressiven Impulsdurchbrüchen gesteigert hat. Zu ihrem ursprünglichen Funktionsniveau hat die Klägerin bisher nicht mehr zurückgefunden; seit den zweimaligen Krankenhausaufenthalten vom 27. Februar 2016 bis 21. April 2016 und vom 2. Mai 2016 bis 1. Juli 2016 sind die allgemeine Belastbarkeit, Konzentration, Aufmerksamkeitsspannung und Ausdauer deutlich herabgesetzt. Bestätigt wird dieses jedenfalls unter sechs Stunden täglich zeitlich geminderte Leistungsvermögen der Klägerin für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vom 20. Dezember 2017, der nach der Auswertung aller ihm zur Verfügung stehenden ärztlichen Äußerungen über die Behandlung der Klägerin seit 2001 zu der überzeugenden Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin gelangt ist, dass sie einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich nachgehen kann, wobei eine wesentliche Besserung ihres Zustandes unwahrscheinlich ist.
Nicht überzeugt ist der Senat jedoch davon, dass die Klägerin bereits vor dem Oktober 2015 bzw. seit dem 26. Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist (so die Auffassung der Beklagten), wobei insoweit die allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht gegeben wären. Ob diese Annahme der Beklagten zutreffend ist, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht vollständig klären; es spricht einiges für und einiges gegen die Annahme der Beklagten, dass die Klägerin seit 26. Mai 26. Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist. Dabei trägt die Beklagte hierfür nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen die objektive Beweislast. Regelmäßig geht die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen, der daraus eine günstige Rechtsfolge für sich ableitet (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 27/06 R und Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 25/07 R -, veröffentlicht in Juris). Die Klägerin stützt ihr Rentenbegehren auf die (von ihr behauptete) Tatsache, dass sie im Oktober 2015 und seitdem durchgehend erwerbsgemindert war/ist; für diesen (zeitlichen) Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung sind auch die allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seitens der Klägerin erfüllt. Die Beklagte stützt ihre Ablehnung des Rentenbegehrens der Klägerin auf die (rechtsvernichtende) Tatsache, dass die Klägerin seit 26. Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist und noch ist; für diese Tatsache, die für die Beklagte eine "günstige" Rechtsfolge nach sich zöge, trägt die Beklagte die objektive Beweislast. Diese von der Beklagten behaupteten Tatsache hält der Senat nach Berücksichtigung aller im Verfahren angefallenen ärztlichen Unterlagen, sozialmedizinischen Stellungnahmen und dem Sachverständigengutachten des Dr. Re. nur für möglich, ist aber nicht von ihrem Vorliegen überzeugt. Weitere Möglichkeiten der (medizinischen) Aufklärung diesbezüglich zum denkbaren Beweis dieser von der Beklagten behaupteten Tatsache sind nach der Überzeugung des Senats nicht mehr gegeben.
Die Beklagte stützt ihre Auffassung von der seit Mai 2000 durchgehend gegebenen Erwerbsminderung der Klägerin auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. K. vom 14. Mai 2013 und Dr. N. vom 29. März 2017, 18. Juli 2017, 22. Januar 2018 und 13. April 2018. Dabei wird ausgehend von der schon im Entlassungsbericht des ZfP E. vom 26. Mai 2000 über die stationäre Behandlung zum Jahresende 1999 gestellte Diagnose einer paranoiden Schizophrenie mit psychotischen Phänomenen ausgeführt, dass die Klägerin sich im Hinblick auf die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis chronisch residual verändert habe mit Antriebsminderung, Affektverflachung und somatoformen Beschwerden. Hervorgestellt wird, dass es sich bei einem schizophrenen Residuum um ein chronisches Stadium einer schizophrenen Erkrankung mit eindeutiger Verschlechterung von früheren Symptomen, die im Sinne einer Defektheilung die offensichtlichen Akutzustände mit früheren psychotischen Phasen überdauert habe. Darin liege ein deutlicher Hinweis auf eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens, da es sich bei residualen Schizophrenien nicht um leichtgradige Erkrankungen handele, sondern um wesentliche, allerdings auch chronifizierende und chronifizierte Krankheitszustände. Dass das Krankheitsbild insgesamt kontinuierlich als paranoid-halluzinatorische Schizophrenie und/oder schizoaffektive Störung bezeichnet werde, belege ebenfalls einen chronifizierten Verlauf, wobei die Aussage "residual" ein Krankheitsbild beschreibe, in dem offensichtlich vor dem Stichtag nicht mehr veränderbare Symptome eingetreten seien. Daraus leitet Dr. N. in seiner (abschließenden) sozialmedizinischen Stellungnahme vom 13. April 2018 ab, dass die Beschäftigung der Klägerin von 2014 bis Oktober 2015 mit "hoher Wahrscheinlichkeit" zu Lasten der Restgesundheit der Klägerin durchgeführt worden sei und dass "vermutet werden könne", dass der massive Krankheitsschub Oktober 2015 mit mehrmonatigen stationären Aufenthalten im ZfP E. nicht hätten stattfinden müssen, wenn nicht eine chronische Überforderung durch eine inadäquate Arbeit vorgelegen hätte. Abgesehen davon, dass Dr. N. im Ergebnis die Erwerbsminderung der Klägerin schon vor Oktober 2015 letztlich auch nur als wahrscheinlich bezeichnet bzw. diese vermutet, worauf der Senat eine Überzeugung nicht zu stützen vermag, bestätigt diese Annahme der Beklagten auch nur auf den ersten Blick das Gutachten des Sachverständigen Herr Dr. Re. vom 20. Dezember 2017. Zwar kommt er in seiner sozialmedizinischen Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin dazu, dass sie nur noch drei bis unter sechs Stunden in der Lage sei, eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten und dass diese Leistungseinschränkung wahrscheinlich seit der ersten psychiatrischen Hospitalisation 1999 gegeben sei. Diese Einschätzung macht sich aber – zutreffend - nicht einmal die Beklagte zu eigen. Denn diese Schlussfolgerung im Gutachten vom 20. Dezember 2017 ist schon deswegen nicht überzeugend und nachvollziehbar, weil sich der Sachverständige hierfür auf von ihm angeführte Anknüpfungstatsachen stützt, die im Rückschluss ein vollschichtiges Leistungsvermögen ergäben; die Beklagte wie auch der Senat halten die Ausführungen des Sachverständigen in dieser Hinsicht für nicht nachvollziehbar. Andererseits gibt es durchaus Hinweise darauf, dass die Klägerin nicht schon vor Oktober 2015, nämlich seit Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist. Die sie behandelnde Fachärztin Dr. R. hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 22. Mai 2007 – nachvollziehbar anhand der von ihr vorgelegten von ihr angeführten Befundberichte – ausgeführt, dass die von 2000 bis Februar 2006 vorhandenen Befundberichte über die Behandlung der Klägerin durch Dr. G. sämtlich einen stabilen, symptomfreien Zustand nach wiederholten Episoden einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie unter kontinuierlicher neuroleptischer Behandlung beschreiben. Von Mai 2006 bis April 2007 war die Klägerin in Behandlung von Dr. R. in drei-wöchigem Abstand. Die über diese Behandlungen erstellten Befundberichte beschreiben einen nicht wesentlich auffälligen psychopathologischen Befund; es wird jeweils Symptomfreiheit bezüglich psychotischer Symptomatik benannt. So wird beispielsweise im Befundbericht vom 13. April 2007 folgender Befund angeführt: "Weiterhin kein Anhalt für psychotische Symptomatik, kein Anhalt für Depressivität bei insgesamt flachem Affekt. Unauffällig im Antrieb". Aus diesen Befundberichten kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin in diesen Zeiträumen ohne jeden Zweifel erwerbsgemindert gewesen wäre. Als sich die Klägerin im Juni 2012 wieder bei Dr. R. vorgestellt hat – zwischenzeitlich befand sie sich bei ihrem Hausarzt Sch. in Behandlung – dokumentierte Dr. R. eine Antriebsminderung und verminderte Belastbarkeit und im Dezember 2012 eine unverändert starke, unangemessene Erschöpfung, erhöhte Tagesmüdigkeit, chronischen Schwindel und Antriebsminderung. Wenn auch diese Befundberichte auf eine symptomatisch wieder stärker ausgeprägte Erkrankung der Klägerin hindeuten, aus der eher der Schluss auf eine quantitative Leistungsminderung der Klägerin gezogen werden könnte, dokumentiert jedoch Dr. R. am 16. Januar 2013 wiederum eine deutliche Besserung des Zustandes der Klägerin, indem sie folgenden Befund erhoben hat: "Kein depressiver Eindruck. Tagesmüdigkeit deutlich gebessert. Schwindel deutlich gebessert. Antrieb regelrecht. Residual verändert im Sinne einer leichten Affektverflachung. Kein psychotisches Erleben. Keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen". Bei diesem Befund der Klägerin ist zur Überzeugung des Senats durchaus vorstellbar, dass die Klägerin sich wieder in einem erwerbsfähigen Zustand befand. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die tatsächlich von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit von z.B. Juli 2014 bis Oktober 2015 in die Richtung einer gegebenen Erwerbsfähigkeit deutet. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Tatsache, dass der Versicherte eine Tätigkeit ausübte, ein stärkerer Beweiswert zukommen als den dies scheinbar ausschließenden medizinischen Befunden (vgl. z.B. Urteil vom 26. September 1975 – 12 RJ 208/74, SozR 2200 § 1247 Nr.12 und bei Juris). Dies gilt zwar dann nicht, wenn es sich um eine Arbeit auf Kosten der Restgesundheit handelt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1981 – 5b/5 RJ 58/79 -, BSGE 51, 133 bis 135 und auch veröffentlicht bei Juris). Dafür, dass dies so gewesen sein könnte, spricht vielleicht einiges; es steht aber nicht zur Überzeugung des Senats auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Auskünfte fest. Insgesamt vermag sich der Senat nicht von der von der Beklagten aufgestellten Behauptung zu überzeugen, dass die Klägerin bereits seit Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist; dafür trägt jedoch die Beklagte wie oben ausgeführt die objektive Beweislast.
Nach alledem hat somit die Klägerin ausgehend vom Vorliegen des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung im Oktober 2015 gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI einen Anspruch auf die Rente wegen voller (arbeitsmarktbedingter) Erwerbsminderung ab 1. Mai 2016 und für die Dauer von drei Jahren, wie es die Klägerin beantragt hat. Es ist keine tatsächliche Grundlage dafür gegeben, anzunehmen, dass sich der Erkrankungszustand der Klägerin seit Oktober 2015 inzwischen wieder soweit gebessert hat, dass von einer Erwerbsminderung nicht mehr auszugehen ist. Im Gegenteil deutet die Bestellung einer gesetzlichen Betreuerin seitens des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 29. Mai 2018 darauf hin, dass nach wie vor die Erkrankung der Klägerin in einem Ausmaß besteht, dass sie erwerbsgemindert ist.
Nach alledem war der Berufung der Klägerin stattzugheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 1. Mai 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren zu gewähren.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage- und im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1972 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1996 in Deutschland.
Bei der Klägerin wurde 1999 erstmals eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Sie befand sich daher beginnend im Jahre 1999 und zuletzt vom 22. Juni bis 30. August 2002 (zum dritten Mal) im ZfP E. (Diagnose: Akute Exazerbation einer vorbekannten paranoiden Schizophrenie). Ein nochmaliger stationärer Aufenthalt im ZfP E. fand vom 27. Februar bis 21. April 2016 statt.
Im April 2013 beantragte die Klägerin erstmals eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 24. Mai 2013 lehnte diese den Antrag ab, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. In ihrer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom 14. Mai 2013 war die Beklagte zuvor der Auffassung, dass unter Hinweis auf die Berichte des ZfP seit 2000 volle Erwerbsminderung mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden arbeitstäglich bestehe.
Zuletzt war die Klägerin ab dem 14. Dezember 2014 bis 12. Oktober 2015 rentenversicherungspflichtig als Reinigerin bei der Gebäudeservice OHG in F., zuletzt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31,25 Stunden, beschäftigt.
Am 15. Juni 2016 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der Beklagten, da sie seit 15. Oktober 2015 erwerbsgemindert sei. Sie legte ein Attest ihrer behandelnden Neurologin/Psychiaterin Dr. R. vom 30. Oktober 2015 vor, wonach die Klägerin mindestens seit dem 15. Oktober 2015 mit noch nicht absehbarer Dauer arbeitsunfähig sei, eine vorgeschlagene Krankmeldung jedoch kategorisch abgelehnt habe. Es sei der Eindruck entstanden, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, die Notwendigkeit einer Krankmeldung zu erkennen.
Vom 2. Mai bis 1. Juli 2016 befand sich die Klägerin wiederum im ZfP E. (Diagnose: schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv; arzneimittelinduzierte Akatessie) in Behandlung. Der Grund für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin sei die Absetzung der Medikamente durch sie selbst gewesen.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin die Mindestversicherungszeit für diese Rente nicht erfülle. Sie sei seit dem 26. Mai 2000 dauerhaft teilweise erwerbsgemindert. Das Versicherungskonto enthalte statt der erforderlichen 60 Monate jedoch nur sieben Wartezeitmonate. Ein Fall, in dem die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sei, sei nicht gegeben. Zugrunde legte die Beklagte dabei im Wesentlichen die sozialmedizinische Stellungnahme vom 14. Mai 2013.
Am 26. Juli 2016 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch, da sie nach den beigefügten Bescheinigungen ihrer Ärztin Dr. R. bereits seit dem 15. Oktober 2015 arbeitsunfähig mit ungewisser weiterer Dauer sei. Die weitere Arbeitsunfähigkeit werde durch die Aufenthalte im ZfP E. vom 27. Februar bis 21. April 2016 und vom 2. Mai bis 1. Juli 2016 belegt. Seit dem 15. Oktober 2015 sei sie in vollem Umfang erwerbsunfähig und erfülle damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach den Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes sei die Klägerin seit 26. Mai 2000 richtigerweise voll erwerbsgemindert. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Zwischen der Beendigung des Sprachkurses und vor Eintritt des Leistungsfalles habe sie keine Pflichtbeiträge entrichtet. Seit dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung am 26. Mai 2000 habe sie auch nicht die Wartezeit von 20 Jahren (420 Monaten) erfüllt; insoweit seien insgesamt nur 61 Monate anrechenbar.
Die Klägerin hat am 9. Dezember 2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie leide seit Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Die volle Erwerbsminderung aufgrund dieser Erkrankung sei unstreitig. Streitig sei nur, wann die volle Erwerbsminderung eingetreten sei. Der Rentenfall sei am 15. Oktober 2015 eingetreten. Zwar sei 1999 die Erkrankung erstmals diagnostiziert worden. 2001 sei festgestellt worden, dass sie an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose leide. Nach dem Arztbrief vom 21. August 2001 sei sie zum Zeitpunkt der damaligen Untersuchung aber beschwerdefrei gewesen. Da sie während ihrer Schwangerschaft die antipsychotischen Mittel habe absetzen müssen, habe sie sich von Juni bis August 2002 in stationärer Behandlung im ZfP E. befunden, sei aber dort in einem gut stabilisierten Zustand entlassen worden. Auch am Rentenkonto zeige sich, dass sie bis zum 15. Oktober 2015 nicht erwerbsgemindert gewesen sei. Sie habe 2005 eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft aufgenommen und sei bis Oktober 2015 weit überwiegend geringfügig oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. In ihrem Attest vom 30. Oktober 2015 gehe Dr. R. von einer Arbeitsunfähigkeit mindestens ab dem 15. Oktober 2015, wahrscheinlich aber einige Tage früher aus. Zum 15. Oktober 2015 erfülle sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung. Die nur drei Aufenthalte im ZfP von 2000 bis 2002, die fehlenden Befundberichte zwischen 2002 und 2016 und die Erwerbstätigkeit sprächen dagegen, dass sie in dieser Zeit nicht erwerbsfähig gewesen sei. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Erwerbsminderung bereits vor Oktober 2015 angetreten sei, obliege der Beklagten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. N. vom 29. März 2017 und 18. Juli 2017 hingewiesen. Dieser hat ausgeführt, dass der damals behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. G. in seinem Bericht vom 21. August 2001 nicht über subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin berichtet habe (subjektiv beschwerdefrei). Von Dr. G. seien zu diesem Zeitpunkt keine Wahninhalte und keine Vitalstörungen unspezifisch benannt worden; es sei allerdings kein psychopathologischer Befund mitgeteilt worden, der eine sozialmedizinische Schlussfolgerung zweifelsfrei zulasse. Ein Leistungsbild alleine aus den subjektiven Beschwerdeangaben ohne eine Befunderhebung lasse sich nicht zuverlässig ableiten. Aus dem Klinikentlassungsbericht vom 19. März 2003 folge, dass die Klägerin Mitte Januar 2002 relativ kurz nach ihrer zweimonatigen Beschäftigung in die stationäre Behandlung des ZfP E. habe aufgenommen werden müssen. Nachdem schizophrene Psychosen in den meisten Fällen eine teilweise jahrelange Vorlaufzeit hätten, bevor die Symptomatik zu einer stationären psychiatrischen Aufnahme führe, sei kaum davon auszugehen, dass tatsächlich eine durchgreifende Besserung des Leistungsbildes eingetreten sei. Das ZfP E. habe zur stationären Behandlung zum Jahresende 1999 eine paranoide Schizophrenie mit psychotischen Phänomenen diagnostiziert. Dieses Erkrankungsbild sei nach wie vor, z.B. auch im Entlassungsbericht vom 20. April 2016 diagnostiziert worden, wobei von einer vorbeschriebenen paranoiden Schizophrenie ausgegangen worden sei. Typisch für schizophrene Psychosen sei aufgrund der wahnhaften Realitätsverkennung, dass sich die Erkrankten in der Regel nicht für krank hielten und deshalb häufig auch nicht in ärztlicher Behandlung seien, in vielen Fällen auch die Medikation absetzten. Aufgrund der Realitätsverkennung schilderten sich die Patienten als subjektiv beschwerdefrei, so z.B. auch im Schreiben des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 21. August 2001, was nicht heiße, dass automatisch von einer Remission der Erkrankung ausgegangen werden könne. Die Zeugenaussage der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. R. vom 2. Mai 2017 erbringe im Hinblick auf den "Stichtag" für die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen 1. Oktober 2015, dass die Klägerin im Hinblick auf die Psychose am 22. April 2015 sich chronisch residual verändert habe mit einer Antriebsminderung, Affektverflachung und somatoformen Beschwerden. Bei einem schizophrenen Residuum handele es sich um ein chronisches Stadium einer schizophrenen Erkrankung mit eindeutiger Verschlechterung von früheren Symptomen, die im Sinne einer "Defektheilung" die Akutzustände mit früheren psychotischen Phasen überdauert habe. Hieraus könne schon vor dem mitgeteilten Stichtag 1. Oktober 2015 ein deutlicher Hinweis für eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens abgeleitet werden, da es sich bei residualen Schizophrenien nicht um leichtgradige Erkrankungen handele. Auch im Befundbericht von Dr. R. vom 22. April 2015 sei eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie mit Residualzustand, also einer Defektheilung beschrieben, sodass auch zu diesem Zeitpunkt nicht von einem positiven Restleistungsvermögen ausgegangen werden könne. Auch zum früheren Zeitpunkt, nämlich dem 18. Dezember 2012, sei ein Residualzustand dokumentiert worden mit einer unangemessenen Erschöpfung und einer von Seiten der Behandlerin diagnostizierten Antriebsminderung. Hier bestünden doch erhebliche Zweifel dahingehend, inwieweit (abgesehen von kurzen Phasen und vielleicht einer Tätigkeit auf Kosten der Restgesundheit) tatsächlich von einem Leistungsvermögen der Versicherten ausgegangen werden könne. Es ergäben sich insgesamt erhebliche Zweifel daran, dass eine Minderung des qualitativen Leistungsvermögens erst ab dem 1. Oktober 2015 eingetreten sein solle.
Das SG hat von den behandelnden Ärzten der Klägerin sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt. Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. hat in ihrer Auskunft vom 2. Mai 2017 mitgeteilt, durch ihren Vorgänger sei eine Behandlung der Klägerin von 1999 bis April 2006 erfolgt; sie behandle die Klägerin seit Mai 2006. Die letzte Vorstellung sei am 28. April 2017 gewesen. Von 2000 bis Februar 2006 lägen mehrere Befundberichte des Dr. G. vor; diese beschrieben sämtlich einen stabilen, symptomfreien Zustand nach wiederholten Episoden einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie unter kontinuierlicher neuroleptischer Behandlung. Von Mai 2006 bis April 2007 habe sich die Klägerin in drei-wöchigem Abstand vorgestellt. Die in diesem Zeitraum erstellten Befundberichte beschrieben jeweils einen nicht wesentlich auffälligen psychopathologischen Befund. Es werde jeweils Symptomfreiheit bezüglich psychotischer Symptomatik benannt. Im Befund vom 23. Januar 2007 sei sie als antriebsgemindert, affektverarmt, ohne manifeste psychotische Symptomatik beschrieben. Im Befund vom 13. April 2007 sei ausgeführt: "weiterhin kein Anhalt für psychotische Symptomatik, kein Anhalt für Depressivität bei insgesamt flachem Affekt, unauffälligem Antrieb". Bei Wiedervorstellung am 18. Juni 2012 werde eine Antriebsminderung und eine verminderte Belastbarkeit dokumentiert, mit deutlicher Besserung Anfang 2013 (Befundbericht vom 16. Januar 2013). Im Befundbericht vom 22. April 2015 werde folgender Befund erhoben: "Bewusstseinsklare, allseits orientierte Patientin. Inhaltlich und formal geordnet. Aktuell kein psychotisches Erleben. Chronisch resudual verändert mit Antriebsminderung, Affektverflachung, somatoformen Beschwerden. Insbesondere seit Jahren Schwindel und Kopfschmerz in fluktuierender Ausprägung. Kein depressiver Affekt. Patientin wirke eher schwungvoller als sonst, hat Gewicht abgenommen. Schlaf ausreichend und gut. Keine Suizidalität". Eine psychische Dekompensation habe sich im Herbst 2015 entwickelt. Am 28. September 2015 und 15. Oktober 2015 habe sie sich notfallmäßig vorgestellt. Am 27. Februar 2016 sei es zur notfallmäßigen Aufnahme ins ZfP E. gekommen. Die kontinuierlich gestellten Diagnosen seien paranoid-halluzinatorische Schizophrenie und schizoaffektive Störung. Eine Verschlechterung des Zustandes sei am 15. Oktober 2015 eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt sei sie arbeitsunfähig gewesen wegen zunächst ausgeprägter Antriebsarmut, ausgeprägter Zunahme des chronischen Schwindels und deutlicher Abnahme der Belastbarkeit. Seither sei sie psychisch instabil und habe zu ihrem ursprünglichen Funktionsniveau nicht zurückgefunden. Sie sei nicht in der Lage, sechs Stunden arbeitstäglich auch eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, da Ausdauer, Konzentration, psychophysische Belastbarkeit und affektive Stabilität derart herabgesetzt seien. Sie habe Arbeitsunfähigkeit am 26. März 2007 auf nicht absehbare Dauer der Agentur für Arbeit gegenüber bescheinigt. Wann wieder Arbeitsfähigkeit eingetreten gewesen sei, lasse sich ihrerseits nicht beurteilen, weil die Klägerin damals die Behandlung beim Hausarzt fortgesetzt habe und erst wieder am 18. Juni 2012 zur Wiedervorstellung gekommen sei. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Sch. hat in seiner Auskunft vom 18. August 2017 von einer Behandlung ab 1996 bis April 2016 berichtet. Bezüglich der paranoiden Psychose als Grunderkrankung habe es ein Auf und Ab gegeben. Nach Absetzen der Psychopharmaka im Februar 2016 sei es zu einer Exazerbation der Situation gekommen. Die psychische Erkrankung habe die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. In psychisch kompensierten Phasen sei die Arbeitsfähigkeit für eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich gegeben gewesen. Am 28. April 2014 habe eine Phase mit verschiedener Symptomatik respektive AU-Bescheinigungen und dem Wunsch nach weniger Arbeitszeit begonnen. Er habe die Klägerin zwischen 2009 und 2016 achtmal arbeitsunfähig geschrieben wegen Infekten oder Schwindels.
Das SG hat sodann den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin und Rehabilitationswesen Dr. Re. mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 20. Dezember 2017 hat er eine histrionische Persönlichkeitsstörung (Verdacht), und als Differenzialdiagnose eine bipolare affektive Störung mit manischen, depressiven und gemischten Episoden mit psychotischen Symptomen, gegenwärtig remittiert angegeben. Ausreichende Anhaltspunkte für eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie oder eine sonstige psychische Erkrankung mit einem prozesshaft sich verschlimmernden Verlauf lägen nicht vor. Nach der dritten Hospitalisation im ZfP E. 2002 sei der Zustand der Klägerin bis 2016 offenbar relativ stabil geblieben. Lediglich 2012 sei für einige Monate eine depressive Symptomatik aufgetreten. Praktisch seit ihrer Einreise nach Deutschland 1996 leide die Klägerin an einer wechselnden psychischen Störung, die in einem Spektrum von paranoider Schizophrenie bis zu schizoaffektiver Psychose, manisch-depressiver Erkrankung und histrionoscher Persönlichkeit gedeutet worden sei. Aktuell stehe die Persönlichkeitsstörung im Vordergrund. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei eingeschränkt, wobei überwiegend wahrscheinlich sich daran in den letzten 20 Jahren nichts grundlegend verändert habe. Mit den genannten Einschränkungen sei sie in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden bis weniger als sechs Stunden täglich auszuführen. Eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes sei unwahrscheinlich. Im Ergebnis käme sowohl das ZfP E., Hausarzt Sch. und Dr. R. zu dem Ergebnis, das seit vielen Jahren eine zwar eingeschränkte, aber nicht aufgehobene Erwerbsfähigkeit der Klägerin vorliege.
Die Klägerin hat noch vorgebracht, dass ab 1998 immer wieder teilweise Erwerbsminderung vorgelegen habe, sie aber auch immer wieder für längere Zeit erwerbsfähig gewesen sei. Rückschauend könne dies von Dr. R. besser beurteilt werden als vom Sachverständigen. Ab dem 11. Dezember 2014 sei sie als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zunächst 17,5 Stunden und ab 7. Januar 2015 im Umfang von 31,25 Stunden wöchentlich und werktäglich regelmäßig 6,25 Stunden beschäftigt gewesen.
Die Beklagte hat mit der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. N. vom 22. Januar 2018 gegen das Gutachten von Dr. Re. eingewandt, dass die diagnostische Einordnung nicht nachvollzogen werden könne, da sich die behandelnden Fachärzte sonst über Jahre hinweg geirrt haben müssten. Eine histrionische Persönlichkeitsstörung ergebe sich nicht aus den erhobenen Befunden. Die im ZfP E. erhobenen Befunde stützten die dortige Diagnose mehr als die Differenzialdiagnose des Sachverständigen. Aus den von ihm genannten Anknüpfungstatsachen ergebe sich im Rückschluss ein vollschichtiges Leistungsvermögen, weshalb die Darstellung insgesamt nicht nachvollziehbar sei. In seiner Stellungnahme vom 13. April 2018 hat Dr. N. noch für die Beklagte vorgebracht, dass sich die Frage stelle, ob die Erwerbstätigkeit der Klägerin auf Kosten ihrer Restgesundheit ausgeübt worden sei, auch wenn sie tatsächlich ohne Zeichen der Arbeitsunfähigkeit gearbeitet habe. Es sei typisch für den Verlauf von chronischen Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, dass die Betroffenen Krankheitsphänomene für sich nicht wahrnehmen könnten und dass dies auch dem Umfeld nicht möglich sei. Hierzu passe der Befundbericht von Dr. R. vom 30. Oktober 2015 in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum besagten Arbeitsvertrag, bei der sich eine "Zuspitzung der psychischen Erkrankung" dargestellt und die Versicherte sich "notfallmäßig" vorgestellt habe, die Klägerin aber eine Krankmeldung "kategorisch abgelehnt" habe; dies sei typisch für den Verlauf von Psychoseerkrankungen. Wahrscheinlich habe sich unter dem Druck einer auf Kosten der Restgesundheit erfolgten Erwerbstätigkeit der Krankheitszustand erheblich verschlechtert.
Mit Urteil vom 17. Mai 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2016 oder zu einem späteren Zeitpunkt. Das Gericht habe sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die Erwerbsminderung bei der Klägerin zu einem Zeitpunkt (wieder) eingetreten sei, an dem die allgemeinen und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben gewesen seien. Die objektive Beweislast für den geltend gemachten Eintritt der Erwerbsminderung erst zum 15. Oktober 2015 liege nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen bei der Klägerin, da sie für den mit der Klage verfolgten Anspruch geltend machen müsse, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem am 15. Oktober 2015 eingetretenen Leistungsfall gegeben seien. Zu diesem Zeitpunkt seien die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung unstreitig erfüllt, da 118 Monate an Beitragszeiten vorhanden und im nach § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGBVI) maßgeblichen Zeitraum vom 1. November 2003 bis 14. Oktober 2015 38 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Bei einer bereits im Jahre 2000 eingetretenen Erwerbsminderung seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hingegen nicht erfüllt. Die Klägerin leide im Wesentlichen unter einer Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet. Über die genaue diagnostische Einordnung bestehe dabei Uneinigkeit zwischen einer paranoiden Schizophrenie bzw. einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie und differenzialdiagnostisch einer schizoaffektiven Störung, manisch einerseits und einer histrionischen Persönlichkeitsstörung als Verdachtsdiagnose andererseits. Auszugehen sei aber von einer schwerwiegenden Erkrankung in Form einer Spektrumserkrankung aus dem Bereich der Psychosen und des schizophrenen Formenkreises. Dies führe dazu, dass auch körperlich leichte Tätigkeiten zumindest nicht mehr sechs Stunden arbeitstäglich ausgeführt werden könnten. Hierzu stütze sich das Gericht auf die fachärztliche Begutachtung von Dr. Re., der zur Einschätzung gelangt sei, dass die Klägerin nur noch drei bis weniger als sechs Stunden arbeitstäglich leistungsfähig sei. Mit diesem Leistungsvermögen bestehe eine volle Erwerbsminderung aufgrund der Arbeitsmarktlage. Hierüber bestehe im Ergebnis auch kein Streit zwischen den Beteiligten. Das Gericht habe sich jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die volle Erwerbsminderung erst zum 15. Oktober 2015 eingetreten sei. Es spreche vielmehr einiges dafür, dass auch für die Zeit jedenfalls ab 2000 bis 2015 eine durchgehende Erwerbsminderung bestanden habe. Dies ergebe sich bereits aus der von Dr. N. für das Gericht nachvollziehbar dargelegten Natur der Erkrankung der Klägerin und werde im Übrigen auch vom Sachverständigen als wahrscheinlich bezeichnet. Aufgrund der Aussage von Dr. R. habe sich das Gericht jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass eine Erwerbsminderung erst wieder zum 15. Oktober 2015 eingetreten wäre. Der Befundbericht vom 22. April 2015 lasse bereits anhand der dort gestellten Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie "mit Residualzustand" und der genannten Antriebsminderung, Affektverflachung und somatoformen Beschwerden (hier (hier u.a. Schwindel und Kopfschmerz) erkennen, dass das Funktionsniveau auch zum damaligen Zeitpunkt eingeschränkt gewesen sei. Auch die von Januar bis Oktober 2015 tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit führe nicht dazu, dass die Klägerin zumindest in diesem Zeitraum nicht erwerbsgemindert gewesen sei. Zwar komme der Tatsache, dass der Versicherte eine Tätigkeit ausübe, ein stärkerer Beweiswert zu als den dies scheinbar ausschließenden medizinischen Befunden. Allerdings sei allein entscheidend, ob der Versicherte trotz seiner wie auch immer gearteten Gesundheitsstörungen tatsächlich noch erwerbstätig sei, d.h. eine Arbeit leiste, die er leisten könne und die zu einem für andere wirtschaftlich verwertbaren Ergebnis führe und deshalb geeignet sei, für ihn selbst als Erwerbsquelle zu dienen. Dies gelte nicht, wenn es sich um eine Arbeit auf Kosten der Restgesundheit oder eine bloße vergönnungsweise Beschäftigung handele. Ausgehend von der Erkrankung der Klägerin werde die Arbeit im Umfang von insgesamt 6,25 Stunden täglich aber verteilt auf drei Putzstellen zur Überzeugung der erkennenden Kammer jedenfalls auf Kosten der Restgesundheit verrichtet, weil die Klägerin nicht mehr in diesem Umfang leistungsfähig gewesen sei. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Klägerin nach der im Dezember 2014 aufgenommenen Erwerbstätigkeit und Erhöhung des Arbeitsumfangs im Januar 2015 nach der Aussage von Dr. R. bereits im September oder Oktober 2015 dekompensierte, sodass beginnend mit Februar 2016 stationäre Behandlungen im ZfP erforderlich gewesen seien. Die im Befundbericht vom 22. April 2015 referierte gegenteilige subjektive Einschätzung der Klägerin stehe dem aufgrund ihrer Erkrankung nicht entgegen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 28. Mai 2018 zugestellte Urteil hat er am 27. Juni 2018 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung erhoben. Sie trägt vor, die volle Erwerbsminderung sei unstreitig. Sie sei aber erst im Oktober 2015 eingetreten, wohingegen die Beklagte der Auffassung sei, die Klägerin sei bereits seit dem 26. Mai 2000 voll erwerbsgemindert und habe deshalb die Vorversicherungszeiten nicht erfüllt. Bereits im Jahre 2001 sei festgestellt worden, dass die Klägerin an einer paranoiden-halluzinatorischen Psychose leide. Mit Hilfe von Medikamenten und Psychotherapie sei sie aber weitgehend beschwerdefrei gewesen. Sie habe überdies drei Kinder großgezogen und sei bis Oktober 2015 immer wieder erwerbstätig gewesen, zuletzt vom Juli 2014 bis Oktober 2015. Lediglich drei stationäre Aufenthalte aufgrund ihrer Erkrankung von 14 Jahren seien festgestellt, wobei diese alle innerhalb eines zeitlich beschränkten Rahmens von drei Jahren (1999 bis 2002) stattgefunden hätten. Dabei liege die Annahme nahe, dass diese mit abgesetzten Medikamenten zu erklären seien, z.B. wegen der Schwangerschaft der Klägerin. Erst ab Ende 2015 sei es zu einer ersichtlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin und mehreren stationären Aufenthalten gekommen. Zwischenzeitlich sei auch eine Betreuung der Klägerin eingerichtet. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbstätigkeit auf Kosten der Restgesundheit ausgeübt worden sei. Selbst häufigere Krankheitsauffälligkeiten könnten die Annahme einer Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Mai 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Mai 2016 befristet auf drei Jahre Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Letztmals zum 31. Januar 2016 habe die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bezug einer Erwerbsminderungsrente erfüllt. Mit Blick auf einen vor dem Oktober 2015 möglicherweise eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsminderung seien die zusätzlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals im November 2004 erfüllt.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 13. August 2018 die Sach- und Rechtslage erörtert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (drei Hefte) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs.1 und Abs. 3 SGG) erhoben worden.
Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Die Klägerin hat ausgehend von ihrem Rentenantrag am 15. Juni 2016 und Eintritt des Versicherungsfalls der (vollen) Erwerbsminderung im Oktober 2015 einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2016 für die Dauer von drei Jahren.
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).
Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Über den Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI hinaus liegt eine volle Erwerbsminderung nicht erst dann vor, wenn das berufliche Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden täglich abgesunken ist, sondern bereits dann, wenn das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken ist – so dass an sich nach § 43 Abs. 1 SGB VI nur eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt – und kein (leidensgerechter) Teilzeitarbeitsplatz gefunden werden kann (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005 – B 5 RJ 6/05 R – juris, Rdnr. 18). Denn wie nach der bis 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage ist die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen (konkrete Betrachtungsweise), so dass die teilweise Erwerbsminderung, wenn der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen ist, in die volle Erwerbsminderung "durchschlägt". Dies hatte der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 und 10. Dezember 1976 bereits zu dem unter der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltenden Recht entschieden (vgl. BSGE 30, 167 = SozR Nr. 79 zu § 1246 RVO – BB 1970, 535; BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr. 13 = NJW 1977, 2134). Nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 14/4230 S. 25 zu Nr. 10) sollte die konkrete Betrachtungsweise wegen der ungünstigen Arbeitsmarktsituation auch nach dem 31. Dezember 2000 beibehalten werden. Dies ergibt sich auch aus § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI, der auf Renten "unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage" abstellt (vgl. zu alledem Niesel, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB VI § 43 Rdnr. 30ff). Nach der Rechtsprechung des BSG ergibt sich die Beibehaltung der konkreten Betrachtungsweise auch aus einem Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 SGB VI (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005 – aaO). Die konkrete Betrachtungsweise führt dabei dazu, dass bei einem Restleistungsvermögen von drei bis weniger als sechs Stunden – das an sich nur eine teilweise Erwerbsminderung zur Folge hätte – dennoch eine volle Erwerbsminderung besteht.
Die Beurteilung des Leistungsvermögens bezieht sich dabei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieser umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, für die es in nennenswertem Umfang Beschäftigungsverhältnisse gibt (vgl. BT Drucksache 14/4230, S. 25) und damit auch ungelernte Tätigkeiten (vgl. BSG – Großer Senat – Beschluss vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 – BSGE 80, 24 und bei juris). Bezugspunkte ist damit eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nicht die zuletzt ausgeübte Beschäftigung, die etwa für die Frage der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblich sein kann.
Ausgehend von einem Vorliegen des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung im Oktober 2015 liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausweislich des Versicherungsverlaufs bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit (vgl. Aktenseite 13 und 15 der Verwaltungsakte der Beklagten); insbesondere sind im maßgeblichen Zeitraum vom 1. November 2003 bis 14. Oktober 2015 38 Pflichtbeitragsmonate gegeben.
Ausgehend von den hier vorliegenden ärztlichen Unterlagen (Arztauskünften, Befundunterlagen), den sozialmedizinischen Stellungnahmen und dem im Klageverfahren eingeholten Gutachten von Dr. Re. ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin jedenfalls im Oktober 2015 und danach erwerbsgemindert war/ist. Der Auffassung, dass die Klägerin im Oktober 2015 erwerbsgemindert war und seitdem durchgehend ist, wenn auch nicht, dass sie erst ab Oktober 2015 erwerbsgemindert war, ist auch die Beklagte.
Die Klägerin leidet im Wesentlichen unter einer schweren Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet. Wie das SG in seinem Urteil vom 17.Mai 2018 ist der Senat dabei auch mit Blick auf die diagnostische Einordnung der Erkrankung der Klägerin – Dr. R. und die Ärzte im ZfP E. gehen von einer paranoiden Schizophrenie bzw. einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie bzw. differenzialdiagnostisch auch von einer schizoaffektiven Störung, manisch aus; der Sachverständige Dr. Re. geht von einer Verdachtsdiagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung aus – der Überzeugung, dass die Klägerin an einer Erkrankung in Form einer Spektrumserkrankung aus dem Bereich der Psychosen und des schizophrenen Formenkreises leidet. Dies folgt aus den Befundberichten des ZfP und der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. R. vom 22. Mai 2017 sowie aus den von ihr erstellten Befundberichten. Der Senat misst dabei den über viele Jahre der Behandlung hinweg auch im Rahmen von längeren stationären Aufenthalten fachärztlich gestellten Diagnosen das höhere Gewicht zu als der diagnostischen Einordnung seitens des Sachverständigen Dr. Re ... Diese Erkrankung hat sich nach der sachverständigen Zeugenauskunft der die Klägerin behandelnden Fachärztin Dr. R. vom 2. Mai 2017 im Oktober 2015 deutlich verschlechtert; es kam zu einer Dekompensation der Klägerin. Dr. R. hat überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin im Vergleich mit dem Zustand, wie er noch im Befundbericht von Dr. R. vom 22. April 2015 beschrieben ist, nämlich "bewusstseinsklare, allseits orientierte Patientin. Inhaltlich und formal geordnet. Aktuell kein psychotisches Erleben. Chronisch residual verändert mit Antriebsminderung, Affektverflachung, somatoforme Beschwerden, insbesondere seit Jahren Schwindel und Kopfschmerz in fluktuierender Ausprägung. Kein depressiver Affekt. Patientin wirkt eher schwungvoller als sonst, hat Gewicht abgenommen. Schlaf aktuell ausreichend und gut", sich im Herbst 2015 eine psychische Dekompensation entwickelt hat. Am 28. September 2015 und am 15. Oktober 2015 hat sich die Klägerin notfallmäßig bei Dr. R. vorgestellt, wobei sie eine vorgeschlagene Krankmeldung kategorisch ablehnte, wobei sie jedoch krankheitsbedingt nicht in der Lage war, die Notwendigkeit einer Krankmeldung zu erkennen. Bei der Wiedervorstellung im Februar 2016 stand die Klägerin schon mehrere Tage nicht mehr unter Medikation; es lagen ausgeprägte Einschlafstörungen und Krankheitsuneinsichtigkeit vor. Am 27. Februar 2016 kam es zur notfallmäßigen stationären Aufnahme im ZfP E. wegen manisch-aggressiver Symptomatik. Den Zustand der Klägerin hat Dr. R. am 15. Oktober 2015 mit ausgeprägter Antriebsarmut, ausgeprägter Zunahme ihres chronisch bestehenden Schwindels und deutlicher Abnahme ihrer Belastbarkeit beschrieben. Seither ist die Klägerin psychisch instabil geblieben, wobei sich die Antriebsarmut in Antriebssteigerung und manisch-getriebenen Dekompensation mit aggressiven Impulsdurchbrüchen gesteigert hat. Zu ihrem ursprünglichen Funktionsniveau hat die Klägerin bisher nicht mehr zurückgefunden; seit den zweimaligen Krankenhausaufenthalten vom 27. Februar 2016 bis 21. April 2016 und vom 2. Mai 2016 bis 1. Juli 2016 sind die allgemeine Belastbarkeit, Konzentration, Aufmerksamkeitsspannung und Ausdauer deutlich herabgesetzt. Bestätigt wird dieses jedenfalls unter sechs Stunden täglich zeitlich geminderte Leistungsvermögen der Klägerin für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vom 20. Dezember 2017, der nach der Auswertung aller ihm zur Verfügung stehenden ärztlichen Äußerungen über die Behandlung der Klägerin seit 2001 zu der überzeugenden Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin gelangt ist, dass sie einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich nachgehen kann, wobei eine wesentliche Besserung ihres Zustandes unwahrscheinlich ist.
Nicht überzeugt ist der Senat jedoch davon, dass die Klägerin bereits vor dem Oktober 2015 bzw. seit dem 26. Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist (so die Auffassung der Beklagten), wobei insoweit die allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht gegeben wären. Ob diese Annahme der Beklagten zutreffend ist, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht vollständig klären; es spricht einiges für und einiges gegen die Annahme der Beklagten, dass die Klägerin seit 26. Mai 26. Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist. Dabei trägt die Beklagte hierfür nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen die objektive Beweislast. Regelmäßig geht die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen, der daraus eine günstige Rechtsfolge für sich ableitet (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 27/06 R und Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 25/07 R -, veröffentlicht in Juris). Die Klägerin stützt ihr Rentenbegehren auf die (von ihr behauptete) Tatsache, dass sie im Oktober 2015 und seitdem durchgehend erwerbsgemindert war/ist; für diesen (zeitlichen) Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung sind auch die allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seitens der Klägerin erfüllt. Die Beklagte stützt ihre Ablehnung des Rentenbegehrens der Klägerin auf die (rechtsvernichtende) Tatsache, dass die Klägerin seit 26. Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist und noch ist; für diese Tatsache, die für die Beklagte eine "günstige" Rechtsfolge nach sich zöge, trägt die Beklagte die objektive Beweislast. Diese von der Beklagten behaupteten Tatsache hält der Senat nach Berücksichtigung aller im Verfahren angefallenen ärztlichen Unterlagen, sozialmedizinischen Stellungnahmen und dem Sachverständigengutachten des Dr. Re. nur für möglich, ist aber nicht von ihrem Vorliegen überzeugt. Weitere Möglichkeiten der (medizinischen) Aufklärung diesbezüglich zum denkbaren Beweis dieser von der Beklagten behaupteten Tatsache sind nach der Überzeugung des Senats nicht mehr gegeben.
Die Beklagte stützt ihre Auffassung von der seit Mai 2000 durchgehend gegebenen Erwerbsminderung der Klägerin auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. K. vom 14. Mai 2013 und Dr. N. vom 29. März 2017, 18. Juli 2017, 22. Januar 2018 und 13. April 2018. Dabei wird ausgehend von der schon im Entlassungsbericht des ZfP E. vom 26. Mai 2000 über die stationäre Behandlung zum Jahresende 1999 gestellte Diagnose einer paranoiden Schizophrenie mit psychotischen Phänomenen ausgeführt, dass die Klägerin sich im Hinblick auf die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis chronisch residual verändert habe mit Antriebsminderung, Affektverflachung und somatoformen Beschwerden. Hervorgestellt wird, dass es sich bei einem schizophrenen Residuum um ein chronisches Stadium einer schizophrenen Erkrankung mit eindeutiger Verschlechterung von früheren Symptomen, die im Sinne einer Defektheilung die offensichtlichen Akutzustände mit früheren psychotischen Phasen überdauert habe. Darin liege ein deutlicher Hinweis auf eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens, da es sich bei residualen Schizophrenien nicht um leichtgradige Erkrankungen handele, sondern um wesentliche, allerdings auch chronifizierende und chronifizierte Krankheitszustände. Dass das Krankheitsbild insgesamt kontinuierlich als paranoid-halluzinatorische Schizophrenie und/oder schizoaffektive Störung bezeichnet werde, belege ebenfalls einen chronifizierten Verlauf, wobei die Aussage "residual" ein Krankheitsbild beschreibe, in dem offensichtlich vor dem Stichtag nicht mehr veränderbare Symptome eingetreten seien. Daraus leitet Dr. N. in seiner (abschließenden) sozialmedizinischen Stellungnahme vom 13. April 2018 ab, dass die Beschäftigung der Klägerin von 2014 bis Oktober 2015 mit "hoher Wahrscheinlichkeit" zu Lasten der Restgesundheit der Klägerin durchgeführt worden sei und dass "vermutet werden könne", dass der massive Krankheitsschub Oktober 2015 mit mehrmonatigen stationären Aufenthalten im ZfP E. nicht hätten stattfinden müssen, wenn nicht eine chronische Überforderung durch eine inadäquate Arbeit vorgelegen hätte. Abgesehen davon, dass Dr. N. im Ergebnis die Erwerbsminderung der Klägerin schon vor Oktober 2015 letztlich auch nur als wahrscheinlich bezeichnet bzw. diese vermutet, worauf der Senat eine Überzeugung nicht zu stützen vermag, bestätigt diese Annahme der Beklagten auch nur auf den ersten Blick das Gutachten des Sachverständigen Herr Dr. Re. vom 20. Dezember 2017. Zwar kommt er in seiner sozialmedizinischen Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin dazu, dass sie nur noch drei bis unter sechs Stunden in der Lage sei, eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten und dass diese Leistungseinschränkung wahrscheinlich seit der ersten psychiatrischen Hospitalisation 1999 gegeben sei. Diese Einschätzung macht sich aber – zutreffend - nicht einmal die Beklagte zu eigen. Denn diese Schlussfolgerung im Gutachten vom 20. Dezember 2017 ist schon deswegen nicht überzeugend und nachvollziehbar, weil sich der Sachverständige hierfür auf von ihm angeführte Anknüpfungstatsachen stützt, die im Rückschluss ein vollschichtiges Leistungsvermögen ergäben; die Beklagte wie auch der Senat halten die Ausführungen des Sachverständigen in dieser Hinsicht für nicht nachvollziehbar. Andererseits gibt es durchaus Hinweise darauf, dass die Klägerin nicht schon vor Oktober 2015, nämlich seit Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist. Die sie behandelnde Fachärztin Dr. R. hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 22. Mai 2007 – nachvollziehbar anhand der von ihr vorgelegten von ihr angeführten Befundberichte – ausgeführt, dass die von 2000 bis Februar 2006 vorhandenen Befundberichte über die Behandlung der Klägerin durch Dr. G. sämtlich einen stabilen, symptomfreien Zustand nach wiederholten Episoden einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie unter kontinuierlicher neuroleptischer Behandlung beschreiben. Von Mai 2006 bis April 2007 war die Klägerin in Behandlung von Dr. R. in drei-wöchigem Abstand. Die über diese Behandlungen erstellten Befundberichte beschreiben einen nicht wesentlich auffälligen psychopathologischen Befund; es wird jeweils Symptomfreiheit bezüglich psychotischer Symptomatik benannt. So wird beispielsweise im Befundbericht vom 13. April 2007 folgender Befund angeführt: "Weiterhin kein Anhalt für psychotische Symptomatik, kein Anhalt für Depressivität bei insgesamt flachem Affekt. Unauffällig im Antrieb". Aus diesen Befundberichten kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin in diesen Zeiträumen ohne jeden Zweifel erwerbsgemindert gewesen wäre. Als sich die Klägerin im Juni 2012 wieder bei Dr. R. vorgestellt hat – zwischenzeitlich befand sie sich bei ihrem Hausarzt Sch. in Behandlung – dokumentierte Dr. R. eine Antriebsminderung und verminderte Belastbarkeit und im Dezember 2012 eine unverändert starke, unangemessene Erschöpfung, erhöhte Tagesmüdigkeit, chronischen Schwindel und Antriebsminderung. Wenn auch diese Befundberichte auf eine symptomatisch wieder stärker ausgeprägte Erkrankung der Klägerin hindeuten, aus der eher der Schluss auf eine quantitative Leistungsminderung der Klägerin gezogen werden könnte, dokumentiert jedoch Dr. R. am 16. Januar 2013 wiederum eine deutliche Besserung des Zustandes der Klägerin, indem sie folgenden Befund erhoben hat: "Kein depressiver Eindruck. Tagesmüdigkeit deutlich gebessert. Schwindel deutlich gebessert. Antrieb regelrecht. Residual verändert im Sinne einer leichten Affektverflachung. Kein psychotisches Erleben. Keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen". Bei diesem Befund der Klägerin ist zur Überzeugung des Senats durchaus vorstellbar, dass die Klägerin sich wieder in einem erwerbsfähigen Zustand befand. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die tatsächlich von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit von z.B. Juli 2014 bis Oktober 2015 in die Richtung einer gegebenen Erwerbsfähigkeit deutet. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Tatsache, dass der Versicherte eine Tätigkeit ausübte, ein stärkerer Beweiswert zukommen als den dies scheinbar ausschließenden medizinischen Befunden (vgl. z.B. Urteil vom 26. September 1975 – 12 RJ 208/74, SozR 2200 § 1247 Nr.12 und bei Juris). Dies gilt zwar dann nicht, wenn es sich um eine Arbeit auf Kosten der Restgesundheit handelt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1981 – 5b/5 RJ 58/79 -, BSGE 51, 133 bis 135 und auch veröffentlicht bei Juris). Dafür, dass dies so gewesen sein könnte, spricht vielleicht einiges; es steht aber nicht zur Überzeugung des Senats auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Auskünfte fest. Insgesamt vermag sich der Senat nicht von der von der Beklagten aufgestellten Behauptung zu überzeugen, dass die Klägerin bereits seit Mai 2000 durchgehend erwerbsgemindert gewesen ist; dafür trägt jedoch die Beklagte wie oben ausgeführt die objektive Beweislast.
Nach alledem hat somit die Klägerin ausgehend vom Vorliegen des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung im Oktober 2015 gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI einen Anspruch auf die Rente wegen voller (arbeitsmarktbedingter) Erwerbsminderung ab 1. Mai 2016 und für die Dauer von drei Jahren, wie es die Klägerin beantragt hat. Es ist keine tatsächliche Grundlage dafür gegeben, anzunehmen, dass sich der Erkrankungszustand der Klägerin seit Oktober 2015 inzwischen wieder soweit gebessert hat, dass von einer Erwerbsminderung nicht mehr auszugehen ist. Im Gegenteil deutet die Bestellung einer gesetzlichen Betreuerin seitens des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 29. Mai 2018 darauf hin, dass nach wie vor die Erkrankung der Klägerin in einem Ausmaß besteht, dass sie erwerbsgemindert ist.
Nach alledem war der Berufung der Klägerin stattzugheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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