L 6 KR 10/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 25 KR 105/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 10/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, mit dem die Beklagte die Familienversicherung der beigeladenen Kinder der Klägerin ab dem 1. Mai 2010 festgestellt hatte.

Die Klägerin beantragte unter dem 5. März 2010 die Durchführung der Familienversicherung für ihre beiden Kinder. Im Antrag gab sie an, der Ehemann sei bisher gesetzlich krankenversichert. In dem Antrag verpflichtete sich die Klägerin mit ihrer Unterschrift dazu, die Beklagte zu informieren, " wenn sich etwas ändert, z. B. die Höhe des Einkommens oder der Beginn einer eigenen Mitgliedschaft meiner Familienangehörigen."

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 29. März 2010 mit, für ihre Kinder " besteht ab dem 1. Mai 2010 ein umfassender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz im Rahmen der TK-Familienversicherung.". Zudem enthielt das Schreiben der Beklagten folgenden Hinweis: "Bitte teilen Sie uns alle Änderungen mit, die Auswirkungen auf die Familienversicherung haben können. Dazu gehören unter anderem der Beginn einer eigenen Mitgliedschaft, jede Änderung des Familienstandes sowie Änderungen in den Einkommensverhältnissen Ihres mitversicherten Angehörigen." Das Schreiben erging ohne Unterschrift. An welchem Tag das Schreiben zur Post aufgegeben wurde, lässt sich der Verwaltungsakte der Beklagten nicht entnehmen, da das Schreiben dort fehlt.

Der Ehemann der Klägerin war bis zum 30. April 2010 bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Knappschaft-Bahn-See freiwillig versichert. Er stellte am 29. März 2010 einen Antrag auf Mitgliedschaft bei einer privaten Krankenversicherung. Diese übersandte dem Ehemann den Versicherungsschein vom 31. März 2010 für die ab 1. Mai 2010 abgeschlossene Versicherung.

Die Klägerin gab im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung der Voraussetzungen der Familienversicherung unter dem 2. April 2013 an, ihr Ehemann sei nicht gesetzlich krankenversichert, sein monatliches Bruttoeinkommen liege über 4.237,50 EUR und sei höher als ihre eigenen monatlichen Bruttoeinnahmen. Im April reichte die Klägerin die Lohnsteuerbescheinigungen des Ehemannes für die Jahre 2010, 2011 und 2012 ein, welche einen durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitslohn von über 5.000 EUR auswiesen. Weiterhin legte sie die Einkommenssteuerbescheide für sich und ihren Ehemann betreffend die Jahre 2010 und 2011 vor, wonach die Klägerin in beiden Jahren ein geringeres Einkommen als ihr Ehemann erhielt.

Die Beklagte teilte mit Bescheid vom 24. Mai 2013 gegenüber der Klägerin mit bzw. stellte fest, die Familienversicherungen der "Kinder endeten zum 30. April 2010 ". Zur Begründung führte sie aus, der Ehemann sei nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert, sein durchschnittliches Einkommen liege über der Jahresarbeitsentgeltgrenze und übersteige die Einkünfte der Klägerin. Gleichzeitig bot die Beklagte an, die Kinder als eigene Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1. Mai 2013 zu versichern und übersandte entsprechende Anträge.

Die Klägerin beantragte unter dem 15. Juni 2013 die eigene Mitgliedschaft der Kinder ab dem 1. April 2013.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2013 legte sie gegen den Bescheid vom 24. Mai 2013 Widerspruch ein. Sie könne nicht alle Gesetzmäßigkeiten selbst prüfen, habe auf die Aussagen der Beklagten vertraut und sehe den Fehler nicht bei sich. Zudem stimmte sie einer freiwilligen Pflichtversicherung der Kinder ab dem 1. April 2013 bis zur vollständigen Klärung zu und verwies auf die vorliegenden Anträge.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 erläuterte die Beklagte nochmals, dass eine Familienversicherung nicht möglich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2014 wies die Beklagte den Widerspruch, " mit dem Sie sich gegen die Stornierung der Familienversicherung für Ihre Kinder zum 1. Mai 2010 wenden, " sinngemäß zurück. Sie stellte in der Begründung den Sachverhalt dahingehend klar, dass mit Bescheid vom 24. Mai 2013 die Familienversicherung rückwirkend zum 1. Mai 2010 storniert worden sei. Zudem wies sie im Rahmen der Darstellung der gesetzlichen Grundlagen u.a. darauf hin, dass Bestätigungen der Durchführung der Familienversicherung begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung seien. Weiter führte sie aus, ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt dürfe nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 3 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 SGB X bis zum Ablauf von 10 Jahren nach Erlass auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, auf die sie sowohl im Antrag als auch in dem diesem beigefügten Beratungsblatt zur TK-Familienversicherung hingewiesen worden sei. Somit sei die Familienversicherung der Kinder zu stornieren.

In dem der Klägerin vorliegenden Informationsblatt zur TK-Familienversicherung wird die Bitte geäußert: " alle Änderungen mit[zuteilen], die sich auf die Familienversicherung auswirken können. Das kann zum Beispiel sein, wenn ein Angehöriger sich erstmals selbst versichert, oder sich ihr Familienstand oder Ihr Einkommen ändern.". Das Informationsblatt enthält unter der Überschrift "Welche Besonderheiten gelten bei Kindern?" den Hinweis, dass eine Familienversicherung nicht möglich ist, wenn der mit dem Kind verwandte Ehegatte nicht gesetzlich versichert ist, ein regelmäßiges Einkommen von mehr als 4.350 Euro und damit mehr erhielt als das Mitglied.

Die Klägerin hat am 13. März 2014 bei dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und begehrt die Aufhebung des Bescheides vom 24. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2014. Sie meint, die Voraussetzungen einer Stornierung der Familienversicherung für ihre Kinder haben nicht vorgelegen. Die Klägerin habe im März 2010 bei der Beklagten die Versicherung für sich selbst sowie für die Kinder die Familienversicherung beantragt. Der Ehemann hätte erst einen Monat nach diesem Antrag einen Wechsel in die private Krankenversicherung vorgenommen. Ihrem Ehemann sei von einem Versicherungsmakler der privaten Krankenversicherung mitgeteilt worden, die Kinder könnten bei der Klägerin familienversichert bleiben.

Das SG hat mit Urteil vom 19. Dezember 2017 den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2014 aufgehoben. Es hat dies damit begründet, die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 4 SGB X für die rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 29. März 2010 hätten nicht vorgelegen, weil die Klägerin ihre Mitteilungspflichten nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I und § 206 SGB V nicht grob fahrlässig verletzt habe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 24. Januar 2018 zugestellte Urteil am 26. Januar 2018 Berufung eingelegt. Das SG habe zu Unrecht angenommen, der Klägerin seien weder grobe Fahrlässigkeit noch Vorsatz vorzuwerfen betreffend die Nichtmitteilung der Tatsache, dass der Ehemann ab 1. Mai 2010 privat krankenversichert war und ein höheres Einkommen als sie bezog. Die Klägerin habe mit ihrer Unterschrift bestätigt, Änderungen mitzuteilen. Dies beziehe sich auch auf die Versicherung des Ehemannes, denn dies dränge sich bereits aus dem Umstand auf, dass auf dem Formularbogen detaillierte Angaben zu der Versicherung des Ehepartners abgefragt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des SG. Die Hinweise der Beklagten zu den Meldepflichten seien nicht hinreichend deutlich.

Die Klägerin hat im Erörterungstermin am 26. November 2018 zu den Gründen des Wechsels aus der gesetzlichen Krankenversicherung 2010 von der D. zur Beklagten erklärt: Die D. habe Zusatzbeiträge erheben wollen. Sie sei daher auf der Suche nach einer Krankenkasse gewesen, die gute Leistungen für ihre Kinder und sie selber erbringe und die keine Zusatzbeiträge erhebe. Sie sei deshalb auf die Beklagte gestoßen und habe den Wechsel vollzogen. Schließlich habe sie vor der Stellung des Antrages auf die Krankenversicherung bei der Beklagten für sich und ihre Kinder, welcher online gestellt worden sei, bei der Beklagten angerufen. Sie habe dort angegeben, dass sie sich nicht sicher gewesen sei, ob die Voraussetzungen für eine Familienversicherung für ihre Kinder vorliegen würden, weil ihr Mann bei der Knappschaft freiwillig versichert gewesen sei. Dazu sei ihr die Auskunft erteilt worden, die Einkommensverhältnisse würden geprüft und sie werde dann einen Bescheid erhalten. Den genauen Zeitpunkt des Telefonates und den Namen des gesprochenen Mitarbeiters der Beklagten hat die Klägerin aus der Erinnerung heraus nicht mehr angeben können. Die Klägerin hat ergänzend erklärt, ihr sei der Umstand, dass die Familienversicherung wegfällt, wenn ihr Ehegatte aus der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung in die private Krankenversicherung wechselt, nicht bekannt gewesen. Für sie habe immer die Höhe des Einkommens eine Rolle gespielt. Danach sei es so gewesen, dass sich die Beiträge der freiwilligen gesetzlichen Versicherung gegenüber der privaten Versicherung nicht derart relevant änderten, als dass dies hätte irgendwelche Auswirkungen auf die Familienversicherung haben können.

Der Vertreter der Beklagten hat im Erörterungstermin darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der Angabe der Klägerin, dass der Ehemann freiwillig gesetzlich krankenversichert sei, telefonisch eine korrekte Auskunft von Seiten der Beklagten gegeben worden sei.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2014 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von § 157 S. 1, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin die Familienversicherung für die beiden Kinder der Klägerin rückwirkend stornierte, ohne den Bescheid über die Feststellung der Familienversicherung aufzuheben.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist nach § 202 SGG i.V.m. § 51 Zivilprozessordnung (ZPO) prozessführungsbefugt. Streitig ist das Bestehen der Familienversicherung für die beiden Kinder der Klägerin nach § 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Klägerin kann sich als Stammversicherte aus eigenem Recht gegen die Aufhebung der mit Verwaltungsakt vom 29. März 2010 festgestellten Familienversicherung ihrer beiden Kinder wenden (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 1997 – 3 RK 1/96SozR 3-2500 § 33 Nr. 22 = juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 29. Juni 1993 – 12 RK 48/91BSGE 72, 292-297 = juris Rn. 15). Der Stammversicherte ist rechtlich durch die Familienversicherung insoweit selbst betroffen, als er gegenüber unterhaltsberechtigten Kindern und gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten einen Teil seiner Unterhaltspflicht, nämlich die Sorge für die finanzielle Sicherung im Krankheitsfall, durch die Familienversicherung erfüllt (BSG, Urteil vom 6. Februar 1997 – 3 RK 1/96 – juris Rn. 14). Die Familienversicherung nach § 10 SGB V ist trotz ihrer Ausgestaltung als eigene Versicherung des Familienangehörigen zur Versicherung des Stammversicherten streng akzessorisch und hängt in ihrem Beginn und ihrem Ende von dieser ab. Ihr Bestehen oder Nichtbestehen betrifft damit zugleich die Ausgestaltung und den Umfang der Stammversicherung. Die Familienversicherung ist daher auch ein eigenes Recht des Stammversicherten, so dass ihre Feststellung oder Ablehnung seine eigene Rechtsposition unmittelbar berührt und auch er die Befugnis hat, ihr Bestehen klären zu lassen. Im Verfahren haben daher Stammversicherter und Familienangehöriger das Recht, beteiligt zu werden (BSG, Urteil vom 29. Juni 1993 – 12 RK 48/91 – juris Rn. 15).

Der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2014 ist rechtswidrig, weil die Beklagte darin eine Rückabwicklung der Familienversicherung anordnet, ohne ihren Bescheid vom 29. März 2010 aufzuheben.

Die Beklagte hätte zur Rückabwicklung der Familienversicherung der Beigeladenen diesen Bescheid rückwirkend aufheben müssen. Die bloße "Stornierung" der Familienversicherung genügte dafür nicht.

Soweit die Familienversicherung bei Bestehen einer Stammversicherung kraft Gesetzes entsteht und endet (Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 11/17, § 10 SGB V, Rn. 2) kann die Krankenkasse auch rückwirkend durch Bescheid feststellen, dass eine Familienversicherung in der Vergangenheit nicht bestanden hat, ohne die aus den §§ 45, 48 Abs. 1 SGB X folgenden Einschränkungen beachten zu müssen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3 /99 R – juris Rn. 33 ff.). Diese Möglichkeit bestand hier aber nicht. Denn die Beklagte hat die Familienversicherung der Beigeladenen mit Schreiben vom 29. März 2010 verbindlich ab 1. Mai 2010 festgestellt.

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist u.a. Voraussetzung für einen Verwaltungsakt, dass er zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erlassen wird. Entscheidendes Merkmal der "Regelung" ist, ob die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, d.h. ob durch sie Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte mit Außenwirkung abgelehnt wird (vgl. BSG, Urteil vom 21. Mai 1996 – 12 RK 67/94SozR 3-2200 § 306 Nr. 2 = juris Rn. 21 m.w.N.).

Das Schreiben der Beklagten vom 29. März 2010 enthält die Regelung, dass ab dem 1. Mai 2010 die Familienversicherung der Beigeladenen durchgeführt wird und ist somit ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X. Die Beklagte hat in dem Schreiben nach seinem objektiven Sinngehalt eine potentiell verbindliche Rechtsfolge setzen wollen. Denn die Formulierung " besteht ab dem 1. Mai 2010 ein umfassender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz im Rahmen der TK-Familienversicherung " musste die Klägerin bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv so verstehen, dass ab dem 1. Mai 2010 die Familienversicherung durchgeführt wird (zur Auslegung siehe Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 31 Rn. 25). Bei dieser Feststellung der kostenfreien Familienversicherung handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 58; vgl. LSG NRW, Urteil vom 31. Oktober 2007 – L 11 KR 92/06 – juris Rn. 21; Urteil vom 18. Januar 2007 – L 16 KR 227/06 – juris Rn. 35 ff.). Das gilt auch dann, wenn das Schreiben nicht unterzeichnet war. Unterschrift und Namenswiedergabe sind nach § 33 Abs. 5 SGB X bei mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassener Verwaltungsakte entbehrlich (LSG NRW, Urteil vom 18. Januar 2007 – L 16 KR 227/06 – juris Rn. 37). Ob es sich hier um einen solchen Fall handelt, lässt das Gericht mangels näherer Informationen offen. Jedenfalls ist das Schreiben nicht nichtig. Dies folgt zum einen im Umkehrschluss aus § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB X, wonach Nichtigkeit ohne Berücksichtigung von Zusammenhängen im Einzelfall nur dann gegeben wäre, wenn – anders als vorliegend – die erlassene Behörde nicht erkennbar ist. Zum anderen bietet die Übersendung des Schreibens vom 29. März 2010 keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie nicht im Rahmen einer Verbindlichkeit ihres Inhalts erfolgen sollte. Die insoweit vorzunehmende Abgrenzung zur Absendung eines Entwurfs stützt sich zunächst darauf, dass die Beklagte zu keiner Zeit behauptet hat, das Schreiben nur versehentlich abgesandt zu haben. Auch im Übrigen fügt sich die Absendung folgerichtig in den Ablauf des Verwaltungsverfahrens ein. Die Bestätigung der (Familien-)Versicherung folgt der Prüfung, wie sie sich aus dem Antragsvordruck ergibt, den die Klägerin vorher ausgefüllt und übersandt hatte. Anlass zu Nachfragen hat die Beklagte im zeitlichen Umfeld des Schreibens vom 29. März 2010 weder vorher noch nachher gesehen. Dass sie die Erklärung im Schreiben vom 29. März 2010 zu dieser Zeit (noch) nicht abgeben wollte, wird durch keinerlei Hinweis auch nur angedeutet.

Das BSG hat zwar in der Übersendung sogenannter Begrüßungsschreiben noch keine Entscheidung über das Versicherungsverhältnis gesehen (vgl. zu Begrüßungsschreiben BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 – B 12 KR 37/00 RSozR 3-2500 § 9 Nr. 3 = Juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 21. Mai 1996 – 12 RK 67/94SozR 3-2200 § 306 Nr. 2 = juris Rn. 21) und dies mit der Begründung verneint, es fehle an der Regelung der Versicherungspflicht, da häufig vor Eintritt der Versicherungspflicht die Mitgliedschaft beantragt und diese in der Regel daraufhin bestätigt werde, ohne den Zeitpunkt des Eintritts in die Beschäftigung abzuwarten oder gar zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Versicherungspflicht tatsächlich erfüllt worden seien. Sehe man in derartigen Bestätigungen der Mitgliedschaft einen Verwaltungsakt über das Vorliegen der Versicherungspflicht, wären die Krankenkassen erst nach verwaltungsaufwendigen länger dauernden Verfahren zur Bestätigung einer beantragten Mitgliedschaft in der Lage. Solches werde den Anforderungen an eine Massenverwaltung nicht gerecht. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Bescheid vom 29. März 2010 dagegen erst nach individueller Prüfung des Antrages der Klägerin erteilt. Um ein bloßes Begrüßungsschreiben handelte es sich nicht.

Die Rückabwicklung der Familienversicherung hätte die Beklagte danach nur durch eine rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 29. März 2010 erreichen können. Eine solche Aufhebung ist dem Bescheid vom 24. Mai 2013 im Wege der Auslegung nicht zu entnehmen. Im Verfügungssatz dieses Bescheides hat die Beklagte dem reinen Wortlaut nach das Ende der Familienversicherung der Beigeladenen zum 30. April 2010 festgestellt. Diese rückwirkende Feststellung reicht jedoch wegen des erlassenen, die Familienversicherung feststellenden, Bescheides vom 29. März 2010 – wie bereits dargelegt – allein nicht aus; eine Aufhebung dieses Bescheides fehlt gänzlich. Die Formulierung müsste – und würde wohl auch – nicht anders lauten, wenn hier kein Feststellungsbescheid über die Familienversicherung ergangen wäre.

Im Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2014 spricht die Beklagte dagegen die Stornierung der Familienversicherung rückwirkend zum 1. Mai 2010 als Regelungsgehalt aus. Die Stornierung der Familienversicherung muss sicher dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte die Durchführung der Familienversicherung rückgängig machen wollte. Dass sie aber den Bescheid vom 29. März 2010 aufheben wollte, ist nicht erkennbar. Denn die Stornierung einer Familienversicherung kann auch allein bedeuten, die Beklagte wollte feststellen, dass seit dem 1. Mai 2010 keine Familienversicherung bestanden hat und daher nicht durchgeführt werden kann bzw. rückgängig gemacht werden muss. Die Ansicht des LSG NRW, die Formulierung "Stornierung" könne nach ihrem Sinngehalt auch so verstanden werden, dass damit eine frühere Entscheidung zurückgenommen werden sollte (LSG NRW, Urteil vom 31. Oktober 2007 – L 11 KR 92/06 – juris Rn. 21) überzeugt den Senat nicht. In Anbetracht des Umstandes, dass es nur im Fall des Erlasses eines die Familienversicherung feststellenden Verwaltungsaktes dessen gesonderter (ausdrücklicher) Aufhebung bedarf, während ohne einen solchen Verwaltungsakt die bloße rückwirkende Feststellung des Nichtbestehens der Familienversicherung ausreicht, kann die Sammelbezeichnung des "Stornierens" nicht zugleich als ggf. damit ausgesprochene Aussage zur Aufhebung einer bestimmten früheren Entscheidung verstanden werden. Aus der Formulierung "Stornierung" ergibt sich daher nicht hinreichend, dass die Beklagte den Bescheid vom 29. März 2010 aufheben wollte. Daraus lässt sich schon nicht ableiten, dass sich die Beklagte überhaupt des erlassenen Bescheides vom 29. März 2010 bewusst gewesen ist. Denn der Bescheid wird weder in dem im Widerspruchsbescheid dargestellten Sachverhalt erwähnt, noch findet sich dieser Bescheid überhaupt in der Verwaltungsakte der Beklagten. Allein in den Gründen des Widerspruchsbescheides hat die Beklagte im Rahmen der Darstellung der Rechtsgrundlagen u.a. allgemeine Ausführungen zur Rücknahme von anfänglich rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten, mit denen die Durchführung der Familienversicherung bestätigt worden ist, gemacht. Welche Bedeutung diesen abstrakten Gedanken im Rahmen der ausgesprochenen Stornierung zukommen soll, bleibt der zufälligen Zuordnung eines nicht juristisch vorgebildeten Empfängers überlassen. Die Beklagte erwähnt weder im Bescheid vom 24. Mai 2013 noch im Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2014 eine konkrete beseitigte Entscheidung. Es wird nicht deutlich, dass die Beklagte überhaupt einen Verwaltungsakt aufheben wollte.

Der erlassene und nicht aufgehobene Bescheid der Beklagten vom 29. März 2010 stand danach einer rückwirkenden Feststellung des Nichtbestehens der Familienversicherung der Beigeladenen entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris Rn. 33; BSG, Urteil vom 3. Februar 1994 – 12 RK 5/92SozR 3-2500 § 10 Nr. 4 = juris Rn. 29). Der Bescheid vom 24. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2014 war daher rechtswidrig und aufzuheben.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt hier dem Obsiegen der Klägerin.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf einer durch die angeführte Rechtsprechung gesicherten Rechtslage beruht.
Rechtskraft
Aus
Saved