L 8 SB 1065/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 SB 1529/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1065/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.02.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 40) seit 02.06.2016 zusteht.

Bei dem 1959 geborenen Kläger, i. Staatsangehöriger (zum Aufenthaltstitel vgl. Blatt 3 der Beklagtenakte) stellte das Landratsamt B. (LRA) mit Bescheid vom 03.06.2015 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) den GdB seit 12.03.2015 mit 30 fest (zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 42/43 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (GdB 30); Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, operiert (GdB 10)).

Am 02.06.2016 beantragte der Kläger beim LRA die höhere (Neu-)Feststellung des GdB (Blatt 49/50 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag verwies er auf ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom, ein Cervoivalsyndrom, eine Gonarthrose beidseits/Lumboischialgie, einen Zustand nach Op-Schulter, Depression und eine Hypertonie.

Das LRA zog vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ö. Befundbeschreibungen (dazu vgl. Blatt 53/65 der Beklagtenakte), darunter den Reha-Bericht vom 13.08.2015 des Z. im M. Bad C., bei.

Der Versorgungsarzt Dr. S. schätzte in seiner Stellungnahme vom 14.08.216 (Blatt 66/67 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (GdB 30); Depression (GdB 20); Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, operiert (GdB 10); Bluthochdruck (GdB 10); kein GdB von mindestens 10: Funktionsbehinderung beider Kniegelenke), woraufhin das LRA mit Bescheid vom 17.08.2016 (Blatt 68/69 der Beklagtenakte) die höhere Feststellung des GdB ablehnte.

Mit seinem Widerspruch vom 12.09.2016 (Blatt 70/71 der Beklagtenakte) machte der Kläger einen GdB von mindestens 50 geltend. Er leide seit Jahren unter erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule, nehme Schmerzmittel (Blatt 75/76 der Beklagtenakte). Jetzt kämen seit 3 Jahren Schmerzen und Einschränkungen im Bereich der Schulter hinzu, er leide trotz Operation noch an einer starken Schmerzsymptomatik. Auch auf seinem Arbeitsplatz führten die Funktionsbeeinträchtigungen zu erheblichen Einschränkungen du Fehlzeiten. Hinzu komme ein erheblicher Leidensdruck. Darüber hinaus leide er seit Jahren unter einer seelischen Störung in Form einer Depression, die durch die organischen Einschränkungen noch verstärkt werde.

Das LRA zog vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ö. erneut Befundbeschreibungen (dazu vgl. Blatt 79/81 der Beklagtenakte) bei.

Die Versorgungsärztin Dr. R. schätzte in ihrer Stellungnahme vom 29.11.2016 (Blatt 83/84 der Beklagtenakte) den GdB nunmehr auf 40 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Depression, psychovegetative Störungen (GdB 20); Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, operiert (GdB 10); Bluthochdruck (GdB 10); kein GdB von mindestens 10: Funktionsbehinderung beider Kniegelenke).

Nachdem der Kläger weitere Befundberichte (Blatt 86/90, 92 der Beklagtenakte) übersandte schätzte Dr. S. den GdB in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.01.2017 (Blatt 96/97 der Beklagtenakte) ebenfalls auf 40 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (GdB 30); Depression (GdB 20); Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, operiert (GdB 10); Bluthochdruck (GdB 10); kein GdB von mindestens 10: Epicondylitis humeri radialis).

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 23.01.2017 (Blatt 100/101 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB mit 40 seit 02.06.2016 fest. Nachdem der Kläger den Widerspruch weiterführte (Blatt 102 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.03.2017, Blatt 104 der Beklagtenakte).

Am 24.03.2017 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben. Seine Gesundheitsstörungen verursachten weitgehende Einschränkungen im täglichen Leben, die einen höheren GdB rechtfertigten. Er leide unter orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule und den Schultern, die Schmerzen verursachten und einen GdB von mindestens 50 verursachten. Er leide auch an einer schweren seelischen Störung, die einen GdB von mindestens 30 bedinge. Unberücksichtigt sei auch die koronare Herzerkrankung mit Angina pectoris, die zusammen mit der Hypertonie ebenfalls mindestens einen GdB von 30 bedinge. Weiter hinzugetreten sei eine Diabeteserkrankung, wofür ein GdB von 10 bis 20 für angemessen erachtet werde. Der Gesamt-GdB betrage mindestens 50. Der Kläger hat ärztliche Berichte vorgelegt (Blatt 31 der SG-Akte)

Das SG hat Beweis aufgenommen durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat mit Schreiben vom 06.06.2017 ausgeführt (Blatt 33/36 der SG-Akte) es bestehe ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, ein Zervikalsyndrom bei Osteochondrose C5/6, eine Gonarthrose beidseits, eine Nachbehandlung nach OP der Schulter, eine Bursitis subacromialis rechts und eine Epicondylitis radialis humerisbeidseits, Der GdB könne von ihm nicht abschließend beurteilt werden. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. hat mitgeteilt (Blatt 54/58 der SG-Akte), der Kläger sei im August 2016 einmalig vorstellig gewesen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ö. hat dem SG am 17.07.2017 (Blatt 59/82 der SG-Akte) geschrieben, die Omarthrose solle mit einem GdB von mindestens 20 beurteilt werden, die neu festgestellte Koronargefäßerkrankung könne möglicherweise ebenfalls mit einem GdB von 20 bewertet werden. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie A. hat dem SG am 11.10.2017 (Blatt 85/87 der SG-Akte) geschrieben, im psychiatrischen Bereich sei ein GdB von 20 anzunehmen.

In der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 10.12.2017 (Blatt 91 der Beklagtenakte) hat dieser den GdB für die Psyche mit 30, den GdB für die Wirbelsäule mit 20, den GdB der oberen Extremitäten mit 10, den für den Bluthochdruck mit 20 und den Gesamt-GdB seit Stentimplantation im Dezember 2016 auf 40 geschätzt. Hiergegen hat sich der Kläger mit Schreiben vom 12.01.2018 (Blatt 96/97 der SG-Akte) gewandt, zu niedrig sei die Herzerkrankung bewertet.

Nach Durchführung eines nichtöffentlichen Erörterungstermins am 08.02.2018 (zur Niederschrift vgl. Blatt 107/108 der SG-Akte) hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 14.02.2018 die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung von GdB-Werten von 20 für ein chronisches Schmerzsyndrom, Depression, von 20 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, von 10 für die Funktionsbehinderung des Schultergelenks und von 20 für Bluthochdruck und Stentimplantation betrage der Gesamt-GdB 40.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 21.02.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.03.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zu niedrig bewertet seien die psychischen Erkrankungen. Es sei gerade nicht so, dass er einen geregelten Tagesablauf habe. Das tägliche Leben werde durch die Schmerzen bestimmt. Er müsse mehrfach Schmerzmittel einnehmen. Er schleppe sich zur Arbeit, leide jedoch diesbezüglich unter einer erheblichen Antriebsschwäche und Konzentrationsstörungen. Im Haushalt ziehe er sich zurück und könne seine Frau nicht unterstützen. Es sei von einer mittelgradigen bis schweren Depression mit einem GdB von 40 auszugehen. Ebenfalls zu niedrig bewertet seien die Einschränkungen der Haltungs- und Bewegungsorgane. Hinsichtlich der Herzerkrankung hätte das SG den Sachverhalt weiter aufklären müssen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.02.2018 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 17.08.2016 in der Fassung des Bescheids vom 23.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2017 zu verurteilen, bei ihm den GdB ab Antragstellung mit mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger hat den Entlassbericht der M.Klinik vom 12.10.2018 vorgelegt (Blatt 35/57 der Senatsakte), wo er vom 11.09.2018 bis zum 29.09.2018 Leistungen der stationären medizinischen Rehabilitation seitens der Deutschen Rentenversicherung erhalten hatte.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten auf internistisch-sozialmedizinischem Fachgebiet bei Dr. G. sowie von Zusatzgutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. H. und auf psychiatrischem Fachgebiet bei Frau F ...

Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 09.07.2018 (Blatt 84/121 der Senatsakte; Untersuchung des Klägers am 04.07.2018) - ein Zervikalsyndrom, degenerative Veränderungen im Bereich der Segment C4 bis C7, muskuläre Verspannungen, keine neurologischen Ausfälle, - eine Dorsalgie, linkskonvexe Skoliose geringer Ausprägung, spondylotische Veränderungen im Bereich der Konkavität der Krümmung, - ein Lumbalsyndrom, rechtskonvexe skoliotische Seitausbiegung geringer Ausprägung und gering ausgeprägte degenerative Veränderungen, - eine Periarthropathie beider Schultergelenke. Zustand nach arthroskopischer Operation des linken Schultergelenkes mit subacromialer Dekompression und Tenodese der langen Bizepssehne am 05.06.14. - ein chronifizierte Epicondylitis humeri radialis rechter Ellenbogen, - eine Gonalgie beidseits, - einen Senk-Spreizfuß beidseits, initial ausgeprägter dorsaler Fersensporn linksseitig und eine - Adipositas diagnostiziert. Die Wirbelsäulenschäden hat er mit einem GdB von 20, die der Schulter mit einem GdB von 10 und die der Füße mit einem GdB von unter 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 40 geschätzt.

Die Fachärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin F. hat in ihrem Gutachten vom 10.01.2019 (Blatt 122/146 der Senatsakte; Untersuchung des Klägers am 15.10.2018) auf fachpsychiatrischem Gebiet eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert sowie eine reaktive depressive Störung, gegenwärtig leicht- bis mittelgradig. Zwar liege eine außergewöhnliche Schmerzstörung vor, die eine spezielle ärztliche Behandlung erfordern würde, diese Behandlung (multimodale Schmerztherapie einschließlich Medikation, Entspannungsverfahren, Psychotherapie) werde allerdings nicht durchgeführt. Die Gutachterin hat die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der chronischen Schmerzstörung und der reaktiv depressiven Störung mit einem GdB von 30 bewertet.

Der Facharzt für Innere Medizin, Sozialmedizin Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 14.01.2019 (Blatt 58/83 der Senatsakte; Untersuchung des Klägers am 15.10.2018) eine behandelte koronare Herzerkrankung (kardiale Funktionsstörung nach behobener Eingefäßerkrankung), einen behandelten Bluthochdruck sowie ein metabolisches Syndrom mit pathologischer Glukosetoleranz angegeben und mit einem GdB von 10 bzw. von unter 10 bewertet.

Nach Anhörung der Beteiligten (zur Stellungnahme des Klägers vgl. Blatt 153/154 = 155/156 der Senatsakte) hat der Senat mit Beschluss vom 19.02.2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 14.02.2018 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch in der schriftlichen Anhörung von den Beteiligten nicht mitgeteilt worden.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid 17.08.2016 in der Fassung des Bescheids vom 23.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2017. Zwar war der Bescheid vom 17.08.2016 ursprünglich rechtswidrig, weil er die eingetretene und zu einem GdB von insgesamt 40 führende Änderung i.S.d. § 48 SGB X nicht berücksichtigt hat. Diese Rechtswidrigkeit und die daraus folgende Rechtsverletzung hat der Beklagte durch den Teil-Abhilfebescheid vom 23.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2017 beseitigt. Damit erweisen sich die Verwaltungsentscheidungen des LRA und des Beklagten als rechtmäßig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 30 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 30 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen noch deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsur-teil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegen-den Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX. Insoweit ist in den Funktionsbehinderungen im Verhältnis zur letzten bestandskräftigen Feststellung des GdB zwar eine Änderung eingetreten. Jedoch hat der Beklagte mit dem Teilabhilfebescheid und dem Widerspruchsbescheid dieser Änderung ausreichend Rechnung getragen.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder an-haltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. H. ein Zervikalsyndrom, degenerative Veränderungen im Bereich der Segment C4 bis C7, muskuläre Verspannungen, keine neurologischen Ausfälle, eine Dorsalgie, linkskonvexe Skoliose geringer Ausprägung, spondylotische Veränderungen im Bereich der Konkavität der Krümmung und ein Lumbalsyndrom, rechtskonvexe skoliotische Seitausbiegung geringer Ausprägung und gering ausgeprägte degenerative Veränderungen feststellen. Dr. H. hat überzeugend ausgeführt, dass die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule auf degenerative Veränderungen in den Segmenten C4 bis C7 und auf muskuläre Verspannungen zurückzuführen sind. Die Funktion ist nur geringgradig eingeschränkt, was sich z.B. an den annähernd das Normalmaß erreichenden Bewegungsmaßen zeigt. Neurologische Ausfälle finden sich nicht. Im Bereich der Brustwirbelsäule ist die Funktion ebenfalls eingeschränkt. Es besteht eine idiopathische linkskonvexe skoliotische Seitausbiegung mit konkavseitig ausgeprägten degenerativen Veränderungen, die über das altersentsprechende Ausmaß hinausgehen. Die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind auf degenerative Veränderungen geringer Ausprägung und muskuläre Verspannungen zurückzuführen, wie Dr. H. mitgeteilt hat. Es besteht eine rechtskonvexe skoliotische Seitausbiegung. Die Funktionseinschränkung ist gering ausgeprägt, wie Dr. H. mitgeteilt hat (vgl. Zeichen nach Ott: 28,5/30/32 cm; Zeichen nach Schober 8,5/10/12 cm; vergleichbare Messwerte hat auch Dr. G. mitgeteilt). Neurologische Ausfälle finden sich auch hier nicht. Damit konnte der Senat, wie auch von Dr. H. beschrieben, lediglich im BWS-Bereich mittelgradige funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden feststellen. Diese sind nach B Nr. 18.9 VG unter Berücksichtigung der vorhandenen Schmerzen mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die geringgradigen Funktionsbeeinträchtigungen an der HWS und LWS erhöhen diesen GdB nicht. Auch den Berichten der behandelnden Ärzte ist kein Befund zu entnehmen, der Anlass gibt, die Funktionsstörungen der Wirbelsäule mit einem höheren GdB zu bewerten.

Im Funktionssystem der Arme besteht eine Periarthropathie beider Schultergelenke, ein Zustand nach arthroskopischer Operation des linken Schultergelenkes mit subacromialer Dekompression und Tenodese der langen Bizepssehne am 05.06.2014 sowie eine chronifizierte Epicondylitis humeri radialis rechter Ellenbogen. Mit dem Gutachten von Dr. H. lassen sich bei nur gering eingeschränkten Bewegungsmaßen der Schultern (140/0/30o bzw. 130/0/30o für Vor-/Rückhebung) und uneingeschränkten Bewegungsmaßen der Ellenbogen keine Funktionsbehinderungen feststellen, die mit einem GdB von mehr als 10 zu bewerten sind. Der Senat konnte daher der Bewertung des Dr. Ö. zur Omarthrose nicht beitreten.

Im Funktionssystem der Beine besteht eine Gonalgie beidseits sowie ein Senk-Spreizfuß beidseits und ein initial ausgeprägter dorsaler Fersensporn linksseitig, wie der Senat mit dem Gutachten von Dr. H. festgestellt hat. Mit dem überzeugenden Gutachten des Dr. H. bestehen nur geringste Beeinträchtigungen durch eine Gonalgie beidseits ohne Bewegungseinschränkung und ohne anhaltende Reizerscheinungen, sowie eine Senk-Spreizfuß-Bildung ohne statische Auswirkungen. Auch der Fersensporn hat keine funktionellen Auswirkungen, wie der Senat festgestellt hat. Daher ist ein GdB von mindestens 10 nicht anzunehmen.

Im Funktionssystem Herz/Kreislauf ist im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 9.3 VG ein Einzel-GdB mit 10 anzunehmen. Hier konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. G. eine behandelte koronare Herzerkrankung (kardiale Funktionsstörung nach behobener Eingefäßerkrankung), einen behandelten Bluthochdruck sowie ein metabolisches Syndrom mit pathologischer Glukosetoleranz feststellen. Die 2016 festgestellte proximale 75 %ige Verengung wurde dilatiert und mit einem Stent versorgt, während die distal liegende 50 %ige Stenose belassen worden war. Im EKG zeigte sich bei der Untersuchung durch Dr. G. unverändert ein lediglich inkompletter Rechtsschenkelblock ohne pathologisch verwertbaren Endteilveränderungen. Die von Dr. G. durchgeführte farbcodierte Dopplerechokardiographie ergab normal große Herzräume mit hochnormaler rechts- und linksventrikulärer Funktion Die vermeintliche Hypertrophie an der Hinterwand wurde im Zusammenhang mit dem Bluthochdruck als hypertensive Herzerkrankung gedeutet. In der Spektralanalyse fand Dr. G. eine Undichtigkeit an der Mitral- und Aortenklappe ohne hämodynamische Bedeutung. Eine Herzinsuffizienz war ausgeschlossen worden.

Eine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung selbst bei gewohnter stärkerer Belastung konnte Dr. G. nicht beschreiben und der Senat nicht feststellen. Rhythmusstörungen liegen ebenfalls nicht vor. Im Hinblick auf die von Dr. G. mitgeteilte Blutdruckwerte – der Blutdruck wird medikamentös behandelt, es liegen keine Folgeveränderungen oder Organbeteiligungen vor – ist der GdB im Funktionssystem Herz/Kreislauf mit 10 anzunehmen.

Eine Diabeteserkrankung liegt nicht vor, da der Blutzucker noch nur leicht erhöht ist. Eine Behandlung erfolgt nicht. Die Hypercholesterinämie wird medikamentös behandelt und ist in der Folge funktionell unbedeutend, wie der Senat mit Dr. G. festgestellt hat. Ein GdB kann insoweit nicht angenommen werden. Auch für die Adipositas ist ein GdB nicht anzunehmen (B Nr. 15.3 VG); Folge- und Begleitschäden hat der Senat – soweit vorhanden – in den betroffenen Funktionssystemen berücksichtigt.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat im Anschluss an das überzeugende Gutachten von Frau F. eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine reaktive depressive Störung, gegenwärtig leicht- bis mittelgradig feststellen und mit einem GdB von 30 bewerten.

Nach B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Die Gutachterin F. hat den Kläger aufgrund ihrer Untersuchung als etwas vorgealtert wirkenden, gepflegten und ordentlich gekleideten Mann beschrieben, der freundlich Kontakt aufnimmt und sich kooperativ zeigt. Er war wach, bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert. Es ergaben sich keine groben kognitiven Einschränkungen während der gesamten Untersuchung, der Kläger berichtete von subjektiven Konzentrationsschwierigkeiten. Das Denken war formal geordnet und nachvollziehbar, inhaltlich auf die Schmerzen und Beschwerden fixiert, kaum ablenkbar. Es bestand kein Anhalt für inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungs- und Ichstörungen. Die Stimmung war leicht gedrückt, affekiv war der Kläger auslenkbar, er selbst gab Freud- und Lustlosigkeit an sowie Antriebsminderung, Grübelneigung, Ängste und Schlafstörungen. In der Untersuchungssituation war die Psychomotorik ungestört, der Antrieb erschien zielgerichtet. Der Kläger gab eine starke Schmerzsymptomatik im ganzen Körper an, sämtliche bisherigen therapeutischen Maßnahmen, wie Medikamente und Gespräche, hätten bisher keine Änderung erbracht, so der Kläger gegenüber der Gutachterin F ... Der Kläger zeigte keinerlei psychosomatisches Krankheitsverständnis und keine Veränderungsmotivation. Anhalt für akute Eigen- und Fremdgefährdung bestand nicht.

Vor diesem Hintergrund hält der Senat eine GdB-Bewertung mit 30 für angemessen; Die behandelnde Neurologin und Psychiaterin A. hat den GdB insoweit lediglich mit 20 bewertet. Die chronische Schmerzstörung ist auch bereits im Bereich der Leiden auf orthopädischem Fachgebiet abgebildet. Gegen das Vorliegen einer schweren Störung spricht die Tatsache, dass bislang bei weitem nicht alle Behandlungsmöglichkeiten ausgenutzt wurden, hierfür auch sprechen die im Blut nicht nachweisbaren Schmerzmedikamente, die fehlende multimodale Schmerztherapie, der Abbruch der Rehabilitationsmaßnahme mit kurdisch sprechendem Arzt nach nur 19 Tagen, das Fehlen einer engmaschigen ambulanten psychiatrischen und einer hochfrequenten psychotherapeutischen Behandlung. Zwar hat die Gutachterin F. eine außergewöhnliche Schmerzstörung beschrieben, die eine spezielle ärztliche Behandlung erfordere, diese Behandlung (multimodale Schmerztherapie einschließlich Medikation, Entspannungsverfahren, Psychotherapie) lässt der Kläger aber nicht durchführen. Auch weist er einen regelmäßigen Tagesablauf mit Kontakten zu Freunden und Kollegen auf; er geht mit diesen 1-2 Stunden spazieren.

Insoweit konnte der Senat auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Befunde und dem Gutachten von Frau F. eine Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zwar feststellen, jedoch nicht am oberen Bewertungsrand bemessen. So spricht auch der vom Kläger z.B. bei der Gutachterin F. mitgeteilte Alltag mit Arbeitslosigkeit, Familie und Freizeitgestaltung gegen eine am oberen Bemessungsrand zu bewertende wesentliche funktionelle Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den eingeholten Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfs (Wirbelsäule) - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme (Schulter) - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs und - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche.

Nachdem beim Kläger vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30, einem Einzel-GdB von 20 auszugehen ist, und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen GdB von mehr als 40 nicht feststellen.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 und mehr vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In seiner Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen des Klägers seit Antragstellung weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen. Dabei war zu berücksichtigen, dass der im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche angenommene GdB bereits Schmerzen mitumfasst, die auch im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule) bewertet wurden, sodass wegen der Überschneidungen selbst dann ein Gesamt-GdB von 50 nicht erreicht würden, selbst wenn man die Herzerkrankung mit einem GdB von 20 bewerten wollte.

Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass eine über die im Teilabhilfebescheid vom 23.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2017 hinausgehende wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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