Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 3459/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1237/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.02.2016 aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 verurteilt, dem Kläger ab 01.02.2013 eine Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE um 10 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen eines am 20.11.2011 erlittenen Unfalls Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat.
Der am 1989 geborene Kläger ist als Profi-Eishockeyspieler bei der M. Eishockey Spielbetrieb GmbH & Co. KG "D. " beschäftigt. In Ausübung dieser Tätigkeit erlitt er während eines Spieles am 20.11.2011 einen zur Arbeitsunfähigkeit führenden Unfall, als er nach einem gegnerischen "Check" mit dem Kopf gegen die Bande prallte (Unfallanzeige, Bl. 3 VwA). Der D-Arzt Dr. K. (T. M. ) diagnostizierte zunächst eine Orbitabodenfraktur rechts, eine Augenbrauenplatzwunde rechts sowie eine Commotio (D-Arztbericht, Bl. 1 VwA) und veranlasste die Verlegung des Klägers in die Universitäts-HNO-Klinik M ... Dort wurde am 22.11.2011 eine Mittelgesichtsrevision rechts vorgenommen. Intraoperativ zeigte sich dann eine Tripoidfraktur rechts (Orbitabodenfraktur rechts mit disloziertem Fragment, Fraktur der lateralen und der Vorderwand des Sinus maxillaris, Fraktur der Orbitawand, Bericht des Klinikdirektors der Universitäts-HNO-Klinik M. Prof. Dr. H. , Bl. 30 VwA), die unter Einbringen von Osteosynthesematerial versorgt wurde (OP-Bericht, Bl. 30 VwA). Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit endete am 11.12.2011 (Bl. 102 VwA). Im Ersten Rentengutachten nach Untersuchung des Klägers am 10.09.2013 beschrieb der Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. S. als Unfallfolgen eine Narbe im Bereich der rechten Augenbraue von ca. drei Zentimetern Länge, eine auf 25 mm eingeschränkte Mundöffnung, Schmerzen bei der Nahrungsaufnahme, druckschmerzhafte Condylen des Kiefergelenks rechts, eine Hypästhesie im Bereich der rechten Wange sowie einen druckschmerzhaften Nervenaustrittspunkt des Nervus infraorbitalis rechts (Bl. 106 VwA). Die unfallbedingte MdE schätzte er für Zeit ab 12.12.2011 (nach Ende der Arbeitsunfähigkeit) dauerhaft mit 10 v.H. ein (Bl. 104 VwA). Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. T. (Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie und spezielle Unfallchirurgie) ging ohne weitere Begründung von einer MdE unter 10 v.H. aus (Bl. 112 VwA).
Der Kläger erlitt in seiner Tätigkeit als Profi-Eishockeyspieler am 18.12.2012 einen weiteren Arbeitsunfall (Bescheid vom 13.08.2014 über die Ablehnung von Verletztenrente, weil keine MdE um 20 v.H. vorliege, anerkannte Unfallfolgen: endgradige Beugeeinschränkung im linken Kniegelenk, leichte, muskulär kompensierbare Instabilität im linken Kniegelenk nach Teilruptur des linken Innenbandes, Bl. 82 LSG-Akte). Nach der gutachterlichen Einschätzung des Facharztes für Orthopädie Dr. S.-F. resultierte hieraus eine dauerhafte MdE um 10 v.H. für die Zeit ab 01.02.2013 (Erstes Rentengutachten vom 30.06.2014, Bl. 84 ff. LSG-Akte). Dieser Bewertung schloss sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 ausdrücklich an (Bl. 92 f. LSG-Akte) an. Sie gewährte dem Kläger nach einem weiteren Arbeitsunfall am 16.10.2015, dessen Folgen von der Beklagten ebenfalls mit einer MdE um 10 v.H. bewertet wurden (Bescheid vom 14.09.2016 über die Gewährung von Verletztenrente, angenommene Unfallfolgen: Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und Restparästhesie der Fingerkuppen drei und vier der rechten Hand nach Schulterluxation der rechten Schulter mit Plexusirritation, Bl. 98 LSG-Akte), ab 16.10.2015 eine Verletztenrente wegen der Folgen des am 18.12.2012 erlittenen Unfalls (Bescheid vom 14.09.2014, Bl. 95 f. LSG-Akte). Schließlich zog sich der Kläger am 13.09.2015 bei einem Eishockey-Spiel einen Bruch des Unterkiefers zu (Arztbrief Prof. Dr. Dr. M.: Unterkiefercollum- und Medianfraktur, Bl. 50 VwA zum Unfall vom 13.09.2015).
Mit Bescheid vom 13.08.2014 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente ab, weil die MdE weniger als 10 v.H. betrage. Als Unfallfolgen erkannte sie ein leichtes Minderempfinden der rechten Wange sowie eine eingeschränkte Mundöffnung nach operativ versorgter Jochbeinfraktur rechts an (Bl. 114 VwA). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. T. (Begründung der MdE unter 10 v.H.: keine motorische Gesichtsnervenlähmung, kein Ernährungshindernis durch eingeschränkte Mundöffnung, keine kosmetische Entstellung durch Gesichtsnarbe, Bl. 129 VwA) mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 zurück.
Die vom Kläger am 10.11.2014 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage hat das SG mit dem Kläger am 02.03.2016 zugestelltem Urteil vom 24.02.2016 abgewiesen. Dabei ist es der MdE-Bewertung des Beratungsarztes Dr. T. aus dem Verwaltungsverfahren gefolgt.
Am 30.03.2016 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Der Kläger beantragt (Bl. 79 LSG-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Versicherungsfalles vom 20.11.2011 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 10 v.H. im Rahmen eines Stützrententatbestandes ab 01.02.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei der Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. K. eingeholt, die als Folgen des Unfalls vom 20.11.2011 neben einem postkommotionellen Belastungssyndrom u.a. eine funktionelle Einschränkung der Kiefergelenke mit Kieferklemme und Schneidekantendistanz von 15 mm sowie eine vier Zentimeter lange Narbe im Bereich des rechten Augenbrauenwulstes und eine 2,5 cm messende operationsbedingte Narbe im Bereich des rechten Unterlidrandes angenommen hat (Bl. 52 LSG-Akte). Hinsichtlich der von ihr formulierten Unfallfolgen wird auf Bl. 53 LSG-Akte Bezug genommen. Die unfallbedingte MdE hat Dr. Dr. K. insgesamt mit 30 bis 35 v.H. eingeschätzt, dabei aber auch Folgen anderer Unfälle einbezogen. Die äußeren Gesichtsnarben seien mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten (Bl. 55 LSG-Akte). In einer auf Anforderung der Beklagten gefertigten Stellungnahme zum Gutachten von Dr. Dr. K. hat Prof. Dr. S. darauf hingewiesen, dass der Kläger zwischen dem Ersten Rentengutachten und dem Gutachten nach § 109 SGG am 13.09.2015 den weiteren Arbeitsunfall im Gesichtsbereich (Unterkieferbruch) erlitten habe und daher zwischen den einzelnen Verletzungsfolgen nicht sicher differenziert werden könne. Die Beurteilung eines postkommotionellen Belastungssyndroms läge außerhalb des chirurgischen Fachgebietes, weshalb er an seiner Einschätzung zur MdE (10 v.H.) festhalte (Bl. 64 f. LSG-Akte).
Die Berichterstatterin hat - in Anwesenheit des Klägers - am 01.02.2019 einen Erörterungstermin durchgeführt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Verletztenrente ablehnte. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (BSG, Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R, in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5).
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf die dauerhafte Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. wegen der nach dem Unfall vom 20.11.2011 bestehenden Unfallfolgen. Entsprechend ist die Beklagte antragsgemäß zur Gewährung dieser Rente ab dem 01.02.2013 zu verurteilen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die Rente beginnt gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII mit dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr. 1) oder der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld besteht (Nr. 2).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger erlitt in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Profi-Eishockeyspieler am 20.11.2011 einen Arbeitsunfall, als er im Spieleinsatz mit dem Kopf gegen die Bande prallte, was zu einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit und multiplen Gesichtsverletzungen führte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Der Kläger hat wegen der Folgen des streitigen Unfallereignisses einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H., weil auch die Folgen des späteren Arbeitsunfalles vom 18.12.2012 eine MdE in diesem Ausmaß verursachen. Ihm steht damit ein sog. Stützrententatbestand zur Seite. Letzteres steht auf Grund der gutachterlichen Feststellungen des Facharztes für Orthopädie Dr. S.-F. (Bl. 84 ff. LSG-Akte) fest und hiervon geht auch die Beklagte aus, da sie mit Bescheid vom 14.09.2016 nach Eintritt eines weiteren Stützrententatbestandes durch den Unfall vom 16.10.2015 (Bl. 95 ff. LSG-Akte) einen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.12.2012 nach einer MdE um 10 v.H. ab 16.10.2015 bewilligte.
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger durch den hier streitigen Arbeitsunfall am 20.11.2011 eine Tripoidfraktur der rechten Gesichtshälfte erlitt und als Folgen des Unfalls - wie von Prof. Dr. S. angeführt (Bl. 103, 106 VwA) - druckschmerzhafte Condylen des Kiefergelenks rechts, eine auf 25 mm eingeschränkte Mundöffnung (die von Dr. Dr. K. beschriebene Verschlechterung auf 15 mm datiert nach dem Unterkieferbruch), Schmerzen beim Kauen fester Nahrung, eine Hypästhesie im Bereich der rechten Wange sowie eine Narbe im Bereich der rechten Augenbraue von drei (bis vier, so die Messung von Dr. Dr. K. ) Zentimetern Länge sowie mehrere Operationsnarben im Oberkiefervestibulum der Mundschleimhaut verblieben sind. Die im Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 angeführten Unfallfolgen sind insoweit unvollständig, als die Beklagte als Unfallfolgen lediglich ein leichtes Minderempfinden im Bereich der rechten Wange sowie eine eingeschränkte Mundöffnung anerkannte. Eine medizinische Begründung für die unvollständige Anerkennung der von Prof. Dr. S. beschriebenen Unfallfolgen lässt sich weder der Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. T. noch den Ausführungen im Bescheid entnehmen, so dass sich der Senat nicht veranlasst sieht, die von Prof. Dr. S. angeführten Unfallfolgen in Zweifel zu ziehen, zumal Dr. Dr. K. nach persönlicher Untersuchung des Klägers sowohl die Gesichtsnarbe im Bereich der rechten Augenbraue (mit einer Längenangabe von vier Zentimetern, Bl. 46 LSG-Akte) als auch die Schmerzschilderungen des Klägers bei der Aufnahme fester Nahrung und Druckschmerzen (Schläfenschmerz und Muskelverspannung verstärkt bei längerem Kauen fester Nahrung, Druckschmerz rechte Schläfe und rechte Kieferhöhlenvorderwand, Bl. 46 LSG-Akte) bestätigt hat. Darüber hinaus berücksichtigt der Senat als weitere Unfallfolge eine Narbe am rechten Augenunterlid mit einer Länge von 2,5 Zentimetern (Dokumentation im Gutachten Dr. Dr. K. , Bl. 46, 52 LSG-Akte), die der Kläger infolge der notwendigen operativen Mittelgesichtsreposition am 22.11.2011 erlitt. Dem entsprechenden Operationsbericht ist dabei zu entnehmen, dass ein transkonjunktival präseptaler Zugang unter Einschneiden der Konjunktiva mit elektrischen Nadeln zwecks operativer Versorgung des verletzten Orbitabodens gewählt und anschließend wieder verschlossen wurde (Bl. 42, 43 VwA). Soweit Dr. Dr. K. weitere Unfallfolgen formuliert und in die MdE-Bewertung einbezogen hat, hat sie die Folgen weiterer Unfälle berücksichtigt, was angesichts der allein streitigen Entschädigung des Arbeitsunfalls vom 20.11.2011 unzulässig ist, bzw. hat sie die Grenzen ihres Fachgebietes überschritten. Hierauf hat Prof. Dr. S. zutreffend hingewiesen.
Der Senat bewertet die genannten, auf den Unfall vom 20.11.2011 zurückzuführenden Funktionseinschränkungen antragsgemäß mit einer MdE von 10 v.H. In Anwendung der oben dargelegten Grundsätze ist es auf Grund der von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze gerechtfertigt, die im Bereich der rechten Gesichtshälfte verbliebenen Unfallfolgen mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen. Nach dem vom Senat bei der Bemessung der MdE regelmäßig zu Grunde gelegten Werk von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 275 f. beträgt die MdE bei Gesichtsentstellungen, die kosmetisch nur wenig störend wirken, 10 v.H. Zur Überzeugung des Senats führen die unfallbedingten Narben zu einer Gesichtsentstellung, die als kosmetisch wenig störend einzustufen sind und daher eine MdE um 10 v.H. rechtfertigen. Der Senat schließt sich insbesondere insoweit der Beurteilung von Dr. Dr. K. an. Die Sachverständige hat - nach persönlicher Untersuchung des Klägers - allein die unfallbedingte Gesichtsentstellung unter Hinweis auf die genannte unfallmedizinische Literatur (Schönberger u. a., a.a.O.) mit einer MdE um 10 v.H. bewertet. Hierzu hat Dr. Dr. K. zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger an einer genetisch bedingten Alopecia totalis (Kahlheit) leidet und daher die Narbe im Bereich der rechten Augenbraue - wegen fehlender natürlicher Augenbrauenhaare - deutlich sichtbar ist (Bl. 57 LSG-Akte) und dadurch entstellend wirkt. Ähnliches gilt für die operationsbedingte Narbe unterhalb des rechten Augenlids. Prof. Dr. S. hat - bei ansonsten geäußerter Kritik am Gutachten von Dr. Dr. K. - gegen diese Beurteilung keine Einwände erhoben und eine MdE um 10 v.H. in seiner im Berufungsverfahren von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme bestätigt. Bereits im Verwaltungsverfahren ging er - ebenfalls nach Untersuchung des Klägers - von einer unfallbedingten MdE um 10 v.H. aus. Insoweit ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte einerseits die Zurückweisung der Berufung beantragt, andererseits jedoch eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. S. einholt, der das Klage-/Berufungsbegehren vollumfänglich stützt und sich in ihrer Stellungnahme dann auf die Ausführungen von Prof. Dr. S. stützt.
Nicht zu überzeugen vermögen hingegen die Ausführungen von Dr. T. , der wegen der Tätigkeit des Klägers als Eishockeyspieler eine gesichtsentstellende Wirkung der Gesichtsnarbe verneinte (Bl. 129 VwA). Zum einen sah Dr. T. den Kläger im Gegensatz zu den Gutachtern (und der Berichterstatterin) zu keinem Zeitpunkt und er konnte sich daher auch keinen Eindruck vom tatsächlichen Ausmaß der gesichtsentstellenden Wirkung verschaffen. Zum anderen wird der Begriff der Entstellung mit einem Abweichen von der Norm unserer ästhetischen Vorstellungen beschrieben (Schönberger u. a., a.a.O., S. 275). Die MdE soll dabei die Integrationseinbuße widerspiegeln, die der Verletzte durch den Unfall bezogen auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld erleidet. Ein Wertungsbezug zu der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit ist damit nicht verbunden, so dass es für die entstellende Wirkung der Narbe - entgegen der Einschätzung von Dr. T. - völlig irrelevant ist, dass der Kläger Eishockeyspieler ist und diese Tätigkeit mit der (hohen) Gefahr von Gesichtsverletzungen und späterer Narbenbildung verbunden ist.
Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Darlegung, dass der Senat den weiteren, auf den Arbeitsunfall vom 20.11.2011 zurückzuführenden Unfallfolgen (insbesondere der von Prof. Dr. S. gemessenen Einschränkung der Mundöffnung und den Schmerzen bei längerem Kauen) keine die MdE erhöhende Bedeutung zumisst.
Damit ist die Beklagte antragsgemäß zur Gewährung von Verletztenrente auf Dauer ab 01.02.2013 nach einer MdE um 10 v.H. zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 verurteilt, dem Kläger ab 01.02.2013 eine Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE um 10 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen eines am 20.11.2011 erlittenen Unfalls Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat.
Der am 1989 geborene Kläger ist als Profi-Eishockeyspieler bei der M. Eishockey Spielbetrieb GmbH & Co. KG "D. " beschäftigt. In Ausübung dieser Tätigkeit erlitt er während eines Spieles am 20.11.2011 einen zur Arbeitsunfähigkeit führenden Unfall, als er nach einem gegnerischen "Check" mit dem Kopf gegen die Bande prallte (Unfallanzeige, Bl. 3 VwA). Der D-Arzt Dr. K. (T. M. ) diagnostizierte zunächst eine Orbitabodenfraktur rechts, eine Augenbrauenplatzwunde rechts sowie eine Commotio (D-Arztbericht, Bl. 1 VwA) und veranlasste die Verlegung des Klägers in die Universitäts-HNO-Klinik M ... Dort wurde am 22.11.2011 eine Mittelgesichtsrevision rechts vorgenommen. Intraoperativ zeigte sich dann eine Tripoidfraktur rechts (Orbitabodenfraktur rechts mit disloziertem Fragment, Fraktur der lateralen und der Vorderwand des Sinus maxillaris, Fraktur der Orbitawand, Bericht des Klinikdirektors der Universitäts-HNO-Klinik M. Prof. Dr. H. , Bl. 30 VwA), die unter Einbringen von Osteosynthesematerial versorgt wurde (OP-Bericht, Bl. 30 VwA). Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit endete am 11.12.2011 (Bl. 102 VwA). Im Ersten Rentengutachten nach Untersuchung des Klägers am 10.09.2013 beschrieb der Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. S. als Unfallfolgen eine Narbe im Bereich der rechten Augenbraue von ca. drei Zentimetern Länge, eine auf 25 mm eingeschränkte Mundöffnung, Schmerzen bei der Nahrungsaufnahme, druckschmerzhafte Condylen des Kiefergelenks rechts, eine Hypästhesie im Bereich der rechten Wange sowie einen druckschmerzhaften Nervenaustrittspunkt des Nervus infraorbitalis rechts (Bl. 106 VwA). Die unfallbedingte MdE schätzte er für Zeit ab 12.12.2011 (nach Ende der Arbeitsunfähigkeit) dauerhaft mit 10 v.H. ein (Bl. 104 VwA). Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. T. (Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie und spezielle Unfallchirurgie) ging ohne weitere Begründung von einer MdE unter 10 v.H. aus (Bl. 112 VwA).
Der Kläger erlitt in seiner Tätigkeit als Profi-Eishockeyspieler am 18.12.2012 einen weiteren Arbeitsunfall (Bescheid vom 13.08.2014 über die Ablehnung von Verletztenrente, weil keine MdE um 20 v.H. vorliege, anerkannte Unfallfolgen: endgradige Beugeeinschränkung im linken Kniegelenk, leichte, muskulär kompensierbare Instabilität im linken Kniegelenk nach Teilruptur des linken Innenbandes, Bl. 82 LSG-Akte). Nach der gutachterlichen Einschätzung des Facharztes für Orthopädie Dr. S.-F. resultierte hieraus eine dauerhafte MdE um 10 v.H. für die Zeit ab 01.02.2013 (Erstes Rentengutachten vom 30.06.2014, Bl. 84 ff. LSG-Akte). Dieser Bewertung schloss sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 ausdrücklich an (Bl. 92 f. LSG-Akte) an. Sie gewährte dem Kläger nach einem weiteren Arbeitsunfall am 16.10.2015, dessen Folgen von der Beklagten ebenfalls mit einer MdE um 10 v.H. bewertet wurden (Bescheid vom 14.09.2016 über die Gewährung von Verletztenrente, angenommene Unfallfolgen: Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und Restparästhesie der Fingerkuppen drei und vier der rechten Hand nach Schulterluxation der rechten Schulter mit Plexusirritation, Bl. 98 LSG-Akte), ab 16.10.2015 eine Verletztenrente wegen der Folgen des am 18.12.2012 erlittenen Unfalls (Bescheid vom 14.09.2014, Bl. 95 f. LSG-Akte). Schließlich zog sich der Kläger am 13.09.2015 bei einem Eishockey-Spiel einen Bruch des Unterkiefers zu (Arztbrief Prof. Dr. Dr. M.: Unterkiefercollum- und Medianfraktur, Bl. 50 VwA zum Unfall vom 13.09.2015).
Mit Bescheid vom 13.08.2014 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente ab, weil die MdE weniger als 10 v.H. betrage. Als Unfallfolgen erkannte sie ein leichtes Minderempfinden der rechten Wange sowie eine eingeschränkte Mundöffnung nach operativ versorgter Jochbeinfraktur rechts an (Bl. 114 VwA). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. T. (Begründung der MdE unter 10 v.H.: keine motorische Gesichtsnervenlähmung, kein Ernährungshindernis durch eingeschränkte Mundöffnung, keine kosmetische Entstellung durch Gesichtsnarbe, Bl. 129 VwA) mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 zurück.
Die vom Kläger am 10.11.2014 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage hat das SG mit dem Kläger am 02.03.2016 zugestelltem Urteil vom 24.02.2016 abgewiesen. Dabei ist es der MdE-Bewertung des Beratungsarztes Dr. T. aus dem Verwaltungsverfahren gefolgt.
Am 30.03.2016 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Der Kläger beantragt (Bl. 79 LSG-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Versicherungsfalles vom 20.11.2011 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 10 v.H. im Rahmen eines Stützrententatbestandes ab 01.02.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei der Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. K. eingeholt, die als Folgen des Unfalls vom 20.11.2011 neben einem postkommotionellen Belastungssyndrom u.a. eine funktionelle Einschränkung der Kiefergelenke mit Kieferklemme und Schneidekantendistanz von 15 mm sowie eine vier Zentimeter lange Narbe im Bereich des rechten Augenbrauenwulstes und eine 2,5 cm messende operationsbedingte Narbe im Bereich des rechten Unterlidrandes angenommen hat (Bl. 52 LSG-Akte). Hinsichtlich der von ihr formulierten Unfallfolgen wird auf Bl. 53 LSG-Akte Bezug genommen. Die unfallbedingte MdE hat Dr. Dr. K. insgesamt mit 30 bis 35 v.H. eingeschätzt, dabei aber auch Folgen anderer Unfälle einbezogen. Die äußeren Gesichtsnarben seien mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten (Bl. 55 LSG-Akte). In einer auf Anforderung der Beklagten gefertigten Stellungnahme zum Gutachten von Dr. Dr. K. hat Prof. Dr. S. darauf hingewiesen, dass der Kläger zwischen dem Ersten Rentengutachten und dem Gutachten nach § 109 SGG am 13.09.2015 den weiteren Arbeitsunfall im Gesichtsbereich (Unterkieferbruch) erlitten habe und daher zwischen den einzelnen Verletzungsfolgen nicht sicher differenziert werden könne. Die Beurteilung eines postkommotionellen Belastungssyndroms läge außerhalb des chirurgischen Fachgebietes, weshalb er an seiner Einschätzung zur MdE (10 v.H.) festhalte (Bl. 64 f. LSG-Akte).
Die Berichterstatterin hat - in Anwesenheit des Klägers - am 01.02.2019 einen Erörterungstermin durchgeführt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Verletztenrente ablehnte. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (BSG, Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R, in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5).
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf die dauerhafte Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. wegen der nach dem Unfall vom 20.11.2011 bestehenden Unfallfolgen. Entsprechend ist die Beklagte antragsgemäß zur Gewährung dieser Rente ab dem 01.02.2013 zu verurteilen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die Rente beginnt gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII mit dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr. 1) oder der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld besteht (Nr. 2).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger erlitt in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Profi-Eishockeyspieler am 20.11.2011 einen Arbeitsunfall, als er im Spieleinsatz mit dem Kopf gegen die Bande prallte, was zu einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit und multiplen Gesichtsverletzungen führte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Der Kläger hat wegen der Folgen des streitigen Unfallereignisses einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H., weil auch die Folgen des späteren Arbeitsunfalles vom 18.12.2012 eine MdE in diesem Ausmaß verursachen. Ihm steht damit ein sog. Stützrententatbestand zur Seite. Letzteres steht auf Grund der gutachterlichen Feststellungen des Facharztes für Orthopädie Dr. S.-F. (Bl. 84 ff. LSG-Akte) fest und hiervon geht auch die Beklagte aus, da sie mit Bescheid vom 14.09.2016 nach Eintritt eines weiteren Stützrententatbestandes durch den Unfall vom 16.10.2015 (Bl. 95 ff. LSG-Akte) einen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.12.2012 nach einer MdE um 10 v.H. ab 16.10.2015 bewilligte.
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger durch den hier streitigen Arbeitsunfall am 20.11.2011 eine Tripoidfraktur der rechten Gesichtshälfte erlitt und als Folgen des Unfalls - wie von Prof. Dr. S. angeführt (Bl. 103, 106 VwA) - druckschmerzhafte Condylen des Kiefergelenks rechts, eine auf 25 mm eingeschränkte Mundöffnung (die von Dr. Dr. K. beschriebene Verschlechterung auf 15 mm datiert nach dem Unterkieferbruch), Schmerzen beim Kauen fester Nahrung, eine Hypästhesie im Bereich der rechten Wange sowie eine Narbe im Bereich der rechten Augenbraue von drei (bis vier, so die Messung von Dr. Dr. K. ) Zentimetern Länge sowie mehrere Operationsnarben im Oberkiefervestibulum der Mundschleimhaut verblieben sind. Die im Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 angeführten Unfallfolgen sind insoweit unvollständig, als die Beklagte als Unfallfolgen lediglich ein leichtes Minderempfinden im Bereich der rechten Wange sowie eine eingeschränkte Mundöffnung anerkannte. Eine medizinische Begründung für die unvollständige Anerkennung der von Prof. Dr. S. beschriebenen Unfallfolgen lässt sich weder der Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. T. noch den Ausführungen im Bescheid entnehmen, so dass sich der Senat nicht veranlasst sieht, die von Prof. Dr. S. angeführten Unfallfolgen in Zweifel zu ziehen, zumal Dr. Dr. K. nach persönlicher Untersuchung des Klägers sowohl die Gesichtsnarbe im Bereich der rechten Augenbraue (mit einer Längenangabe von vier Zentimetern, Bl. 46 LSG-Akte) als auch die Schmerzschilderungen des Klägers bei der Aufnahme fester Nahrung und Druckschmerzen (Schläfenschmerz und Muskelverspannung verstärkt bei längerem Kauen fester Nahrung, Druckschmerz rechte Schläfe und rechte Kieferhöhlenvorderwand, Bl. 46 LSG-Akte) bestätigt hat. Darüber hinaus berücksichtigt der Senat als weitere Unfallfolge eine Narbe am rechten Augenunterlid mit einer Länge von 2,5 Zentimetern (Dokumentation im Gutachten Dr. Dr. K. , Bl. 46, 52 LSG-Akte), die der Kläger infolge der notwendigen operativen Mittelgesichtsreposition am 22.11.2011 erlitt. Dem entsprechenden Operationsbericht ist dabei zu entnehmen, dass ein transkonjunktival präseptaler Zugang unter Einschneiden der Konjunktiva mit elektrischen Nadeln zwecks operativer Versorgung des verletzten Orbitabodens gewählt und anschließend wieder verschlossen wurde (Bl. 42, 43 VwA). Soweit Dr. Dr. K. weitere Unfallfolgen formuliert und in die MdE-Bewertung einbezogen hat, hat sie die Folgen weiterer Unfälle berücksichtigt, was angesichts der allein streitigen Entschädigung des Arbeitsunfalls vom 20.11.2011 unzulässig ist, bzw. hat sie die Grenzen ihres Fachgebietes überschritten. Hierauf hat Prof. Dr. S. zutreffend hingewiesen.
Der Senat bewertet die genannten, auf den Unfall vom 20.11.2011 zurückzuführenden Funktionseinschränkungen antragsgemäß mit einer MdE von 10 v.H. In Anwendung der oben dargelegten Grundsätze ist es auf Grund der von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze gerechtfertigt, die im Bereich der rechten Gesichtshälfte verbliebenen Unfallfolgen mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen. Nach dem vom Senat bei der Bemessung der MdE regelmäßig zu Grunde gelegten Werk von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 275 f. beträgt die MdE bei Gesichtsentstellungen, die kosmetisch nur wenig störend wirken, 10 v.H. Zur Überzeugung des Senats führen die unfallbedingten Narben zu einer Gesichtsentstellung, die als kosmetisch wenig störend einzustufen sind und daher eine MdE um 10 v.H. rechtfertigen. Der Senat schließt sich insbesondere insoweit der Beurteilung von Dr. Dr. K. an. Die Sachverständige hat - nach persönlicher Untersuchung des Klägers - allein die unfallbedingte Gesichtsentstellung unter Hinweis auf die genannte unfallmedizinische Literatur (Schönberger u. a., a.a.O.) mit einer MdE um 10 v.H. bewertet. Hierzu hat Dr. Dr. K. zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger an einer genetisch bedingten Alopecia totalis (Kahlheit) leidet und daher die Narbe im Bereich der rechten Augenbraue - wegen fehlender natürlicher Augenbrauenhaare - deutlich sichtbar ist (Bl. 57 LSG-Akte) und dadurch entstellend wirkt. Ähnliches gilt für die operationsbedingte Narbe unterhalb des rechten Augenlids. Prof. Dr. S. hat - bei ansonsten geäußerter Kritik am Gutachten von Dr. Dr. K. - gegen diese Beurteilung keine Einwände erhoben und eine MdE um 10 v.H. in seiner im Berufungsverfahren von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme bestätigt. Bereits im Verwaltungsverfahren ging er - ebenfalls nach Untersuchung des Klägers - von einer unfallbedingten MdE um 10 v.H. aus. Insoweit ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte einerseits die Zurückweisung der Berufung beantragt, andererseits jedoch eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. S. einholt, der das Klage-/Berufungsbegehren vollumfänglich stützt und sich in ihrer Stellungnahme dann auf die Ausführungen von Prof. Dr. S. stützt.
Nicht zu überzeugen vermögen hingegen die Ausführungen von Dr. T. , der wegen der Tätigkeit des Klägers als Eishockeyspieler eine gesichtsentstellende Wirkung der Gesichtsnarbe verneinte (Bl. 129 VwA). Zum einen sah Dr. T. den Kläger im Gegensatz zu den Gutachtern (und der Berichterstatterin) zu keinem Zeitpunkt und er konnte sich daher auch keinen Eindruck vom tatsächlichen Ausmaß der gesichtsentstellenden Wirkung verschaffen. Zum anderen wird der Begriff der Entstellung mit einem Abweichen von der Norm unserer ästhetischen Vorstellungen beschrieben (Schönberger u. a., a.a.O., S. 275). Die MdE soll dabei die Integrationseinbuße widerspiegeln, die der Verletzte durch den Unfall bezogen auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld erleidet. Ein Wertungsbezug zu der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit ist damit nicht verbunden, so dass es für die entstellende Wirkung der Narbe - entgegen der Einschätzung von Dr. T. - völlig irrelevant ist, dass der Kläger Eishockeyspieler ist und diese Tätigkeit mit der (hohen) Gefahr von Gesichtsverletzungen und späterer Narbenbildung verbunden ist.
Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Darlegung, dass der Senat den weiteren, auf den Arbeitsunfall vom 20.11.2011 zurückzuführenden Unfallfolgen (insbesondere der von Prof. Dr. S. gemessenen Einschränkung der Mundöffnung und den Schmerzen bei längerem Kauen) keine die MdE erhöhende Bedeutung zumisst.
Damit ist die Beklagte antragsgemäß zur Gewährung von Verletztenrente auf Dauer ab 01.02.2013 nach einer MdE um 10 v.H. zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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