L 10 R 3888/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 4420/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3888/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung; im Streit stehen insbesondere der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls und damit zusammenhängend die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Der am.1955 im Beitrittsgebiet geborene Kläger absolvierte nach eigenen Angaben dort in der Zeit von Anfang September 1972 bis Ende Juni 1974 eine Berufsausbildung zum Facharbeiter für Bergbautechnologie und war anschließend in diesem Beruf bzw. als Gaststättenfachkraft - unterbrochen durch Wehrdienstzeiten und Zeiten der Beschäftigungslosigkeit - sozialversicherungspflichtig tätig. Nach eigenen Angaben begann er Anfang 1987 eine Schauspielausbildung. Nach Übersiedlung in das Bundesgebiet im Dezember 1987 war er arbeitslos und sodann nach eigenen Angaben als freiberuflicher Schauspieler tätig. Bis Ende Oktober 2010 (in dem auch zunächst der letzte Pflichtbeitrag entrichtet wurde) war er - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit - künstlersozialversichert (vgl. Bl. 26 VerwA). Danach weist sein Versicherungskonto von Mitte April 2011 - mit Unterbrechung - bis Ende Dezember 2014 geringfügige, versicherungsfreie Beschäftigungen aus. Von Anfang Mai bis Ende Oktober 2014 bezog er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und übte anschließend von Anfang Januar 2015 bis Ende März 2018 wiederum eine geringfügige, versicherungsfreie Tätigkeit aus. In der Zeit von Mitte Juli bis Ende Dezember 2018 sind in seinem Versicherungskonto Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung - mit gemeldeten Einkünften von durchschnittlich rund 1.380 Euro - hinterlegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf Bl. 6 ff. SG-Akte und auf das Sitzungsprotokoll Bl. 43 Senats-Akte Bezug genommen. Im Juli 2014 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 seit Anfang 2014 festgestellt.

Am 04.08.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und begründete diesen mit einer erheblichen Verschlechterung seiner "Erkrankung" seit Juli 2013. Mit Bescheid vom 15.10.2014 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass im Versicherungskonto des Klägers nicht die erforderlichen 36 Monate an Pflichtbeiträgen im Zeitraum vom 01.05.2009 bis 03.08.2014 erreicht - sondern lediglich 18 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt - seien, vorliegend keine Ausnahmebestimmung eingreife und deswegen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Erwerbsminderungsrente nicht vorlägen. Entsprechendes gelte auch für eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Nachdem der Kläger mit seinem Widerspruch vom 30.10.2014 geltend gemacht hatte, dass er (und seine Familie) in der ehemaligen DDR vom dortigen Regime respektive der Staatssicherheit politisch verfolgt und durch seine zahlreichen Rehabilitierungsverfahren seit 2010 retraumatisiert worden sei - weswegen er seit September 2014 auch in psychiatrischer Behandlung stehe -, holte die Beklagte nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizinerin Dr. H. ein (Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr), und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2015 unter Hinweis auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.08.2015 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Im Übrigen hat er auf die Einschätzung seiner behandelnden Ärzte verwiesen.

Das SG hat den Hausarzt des Klägers, Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirurgie Dr. S. , sowie den behandelnden Psychiater, Oberarzt P. (Psychiatrische Institutsambulanz der M. Klinik G. B. ), schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. S. hat über gelegentliche Behandlungen des Klägers berichtet (Hinweis auf Karteikartenauszug Bl. 29 SG-Akte) und u.a. bekundet, dass dieser ihm im Mai 2014 ausführlich über seine Beschwerden (Hinweis auf die "Ärztliche Bescheinigung zur Vorlage bei der Rehabilitierungsbehörde" von Mai 2014, Bl. 30 SG-Akte) berichtet habe, die er - der Kläger - als "Folgeerscheinung" des in der DDR erlittenen Unrechts ansehe. Im August/September 2009 sei der Kläger wegen einer "psychischen Belastungsstörung" arbeitsunfähig gewesen (Hinweis auf AU-Karteikarte, Bl. 28 SG-Akte). Leichte körperliche Arbeiten seien dem Kläger "stundenweise" möglich, in welchem Umfang genau, könne er nicht beurteilen. Dies müsse letztlich ein Psychiater machen. Weitere ärztliche Unterlagen lägen ihm nicht vor. Der Oberarzt P. hat im Wesentlichen mitgeteilt, den Kläger seit September 2014 wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bzw. einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung zu behandeln - weswegen seit Anfang 2015 durchgängig Arbeitsunfähigkeit bestehe -, ohne dass es zu einer wesentlichen Änderung des psychopathologischen Befindens gekommen sei. Die berufliche Belastbarkeit müsse ggf. im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme geklärt werden. Aktuell bzw. seit Behandlungsbeginn sei der Kläger in seinem Beruf als Schauspieler, in dem er vor Publikum auftreten und sich präsentieren müsse, "sicherlich arbeitsunfähig", was er mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" auch "bereits lange Zeit" im Vorfeld der erstmaligen psychiatrischen Behandlung gewesen sei.

Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme (Bl. 38 f. SG-Akte) u.a. darauf hingewiesen, dass der Kläger vor Rentenantragstellung (im Jahr 2012) bei Dr. S. wegen einer Muskelzerrung und nach Rentenantragstellung (im Jahr 2015) wegen einer Schnittverletzung - also nicht wegen psychischer Leiden - behandelt worden sei. Der Facharzt P. habe sich nicht in der Lage gesehen, überhaupt eine Leistungseinschätzung abzugeben, er behandle den Kläger ohnehin erst seit 2014. Der Versicherungsfall habe aber spätestens am 30.11.2012 eintreten müssen, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in der Zeit danach nicht mehr vorlägen (Bl. 45 SG-Akte). Die Klägerseite hat die "Ärztliche Bescheinigung" des Oberarztes P. von Mai 2016 vorgelegt (Bl. 47 SG-Akte) und im Übrigen mitgeteilt, dass der Kläger keine Befundunterlagen aus dem Zeitraum ab 2010 habe (Bl. 43 SG-Akte).

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.09.2016 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass ausgehend von einem Leistungsfall zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung nur 18 Monate Pflichtbeitragszeiten im maßgeblichen, nach § 43 Abs. 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) verlängerten Zeitraum vom 01.05.2009 bis 03.08.2014 im Versichertenkonto hinterlegt seien, sodass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI insoweit nicht vorlägen; Ausnahmetatbestände, die von den erforderlichen Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt von Erwerbsminderung suspendierten, seien ebenfalls nicht erfüllt, namentlich befänden sich Lücken im Versichertenkonto des Klägers im Zeitraum ab 01.01.1984. Ohnehin lasse sich der Eintritt eines Versicherungsfalls nicht begründen, da die Gutachterin Dr. H. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe, dass die beim Kläger bestehende psychische Beeinträchtigung lediglich zu qualitativen Einschränkungen, jedoch zu keiner zeitlichen Leistungseinschränkung führe. Dies gelte auch für die Zeit vor November 2012, zu der die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch vorgelegen hätten. Insoweit lägen schon keine abweichenden Befundunterlagen vor, zumal sich der Kläger erst seit Herbst 2014 in psychiatrischer Behandlung befinde. Aus der Auskunft des Dr. S. ergebe sich nichts, was die Klage stütze. Dieser habe die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht beurteilen können; außerdem sei der Kläger im Jahr des behaupteten Versicherungsfalls (2010) nicht einmal krankgeschrieben gewesen, in den Folgejahren alleine wegen akuter Kreuzschmerzen, Muskelzerrungen und Erkältungen. Auch könne der Kläger keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) beanspruchen, da er als Ungelernter einzustufen und daher auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Ein Anspruch auf Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau (§ 45 SGB VI) bestehe aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ebenfalls nicht. Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 30.09.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.10.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, mit der er seinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 und 1 SGB VI, s. Bl. 35, 43 Senats-Akte) weiter verfolgt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass das Gutachten der Dr. H. wegen einer "gewissen Voreingenommenheit" nicht verwertbar sei und dass er "aktuell" nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich arbeiten könne. Er hat auf die Einschätzung des Facharztes P. verwiesen und dessen "Ärztliche Bescheinigung" von August 2017 vorgelegt (Bl. 26 Senats-Akte).

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst, vgl. Bl. 35, 43 Senats-Akte),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27.09.2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2015 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.08.2014, zumindest auf Zeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 15.10.2014 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2015 nur noch insoweit, als die Beklagte es damit ablehnte, dem Kläger auf dessen Rentenantrag vom 04.08.2014 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 und 1 SGB VI) zu gewähren. Hinsichtlich der von der Beklagten ebenfalls abgelehnten Rente für Bergleute (§ 45 SGB VI) und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) ist der Bescheid vom 15.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2015 bestandskräftig geworden (§ 77 SGG), nachdem der Kläger seine Berufung insoweit ausdrücklich (s. Bl. 43 Senats-Akte) nicht fortgeführt hat.

Soweit die angefochtene Entscheidung noch der Prüfung des Senats unterliegt, hat das SG - wegen der im Versicherungskonto des Klägers hinterlegten knappschaftlichen Zeiten als funktionell und örtlich zuständiges erstinstanzliches Gericht (§ 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 SGG i.V.m. § 3 des Ausführungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz - AGSGG -) - die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 15.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2015 ist hinsichtlich der alleine noch streitigen Ablehnung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn auch zur Überzeugung des Senats ist nicht nachgewiesen, dass beim Kläger eine Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGBVI (sog. Drei-Fünftel-Belegung) noch vorlagen.

Dazu hätte der Kläger, der die allgemeine Wartezeit (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bzw. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt hat, spätestens am 30.11.2012 erwerbsgemindert sein müssen. Denn ausweislich des Versicherungsverlaufs (Bl. 7 SG-Akte) - den die Klägerseite ausdrücklich als nicht zu beanstanden bezeichnet hat (s. Bl. 20 SG-Akte) - sind, ausgehend von Oktober 2010, dem Monat, in dem zunächst letztmalig Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung (vgl. § 55 SGB VI) in seinem Versicherungskonto hinterlegt sind, im Zeitraum (u.a.) von November 2007 bis Oktober 2010 durchgehend Pflichtbeiträge ausgewiesen, wobei nur teilweise mit Pflichtbeiträgen belegte Kalendermonate als volle Monate gelten (§ 122 Abs. 1 SGB VI). Unter Zugrundelegung dessen bemisst sich der Fünfjahreszeitraum des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 122 Abs. 2 SGB VI somit vom 30.11.2007 bis zum 29.11.2012 (§ 26 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X - i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Im Falle eines Eintritts der Erwerbsminderung am 01.12.2012 lägen innerhalb des davor liegenden Fünfjahreszeitraums (01.12.2007 bis 30.11.2012) nur 35 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vor, anders als bei einem noch im November eingetretenen Versicherungsfall. Unerheblich ist, dass der Kläger seit Mitte Juli 2018 wieder einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht (s. Bl. 43 Senats-Akte), denn auch bei einem zu seinen Gunsten angenommenen Versicherungsfall spätestens Ende März 2019 wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt, da im insoweit maßgeblichen Fünfjahreszeitraum (Ende März 2014 bis Ende März 2019) höchstens neun Monate mit Pflichtbeiträgen vorlägen, selbst dann, wenn die sechs Monate des Arbeitslosengeld II-Bezugs (Mai bis Oktober 2014) als Anrechnungszeiten (vgl. § 43 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Halbsatz 1 SGB VI) den Fünfjahreszeitraum entsprechend verlängern.

Der folglich hier alleine versicherungsrechtlich erfüllte Fünfjahreszeitraum vom 30.11.2007 bis zum 29.11.2012 verschiebt sich vorliegend nicht im Hinblick auf die im Versicherungsverlauf hinterlegten Zeiten für die ab Mitte November 2011 vom Kläger ausgeübten geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigungen. Denn diese Zeiten der geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung sind im Rahmen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI von vornherein nicht zu berücksichtigen; bei den vom Arbeitgeber insoweit zu entrichtenden Pauschalbeiträgen (§ 172 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV -) handelt es sich nicht um Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit i.S.d. § 55 SGB VI (Senatsurteil vom 20.09.2018, L 10 R 4488/16 m.w.N.). Die Zeiten der geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigungen des Klägers führen auch nicht zur einer Veränderung des Fünfjahreszeitraums unter dem Gesichtspunkt der Tatbestände des § 43 Abs. 4 SGB VI oder des Tatbestands des § 241 Abs. 1 SGB VI, denn diese Zeiten sind namentlich weder Anrechnungszeiten i.S.d. §§ 43 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. §§ 58, 252 SGB VI noch Berücksichtigungszeiten i.S.d. § 43 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. §§ 57, 249b SGB VI und auch keine Ersatzzeiten i.S.d. § 241 Abs. 1 i.V.m. § 250 Abs. 1 SGB VI (Senatsurteil vom 20.09.2018, L 10 R 4488/16).

Unter Zugrundelegung dessen müsste der Kläger somit spätestens im November 2012, dem letztmaligen Zeitpunkt, zu dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, erwerbsgemindert gewesen sein.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen dargestellt, nach denen ein Versicherter voll bzw. teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB VI) und ebenso zutreffend dargelegt, dass und warum nicht davon ausgegangen werden kann, dass beim Kläger zu einem Zeitpunkt vor Ende November 2012 eine zeitliche Leistungseinschränkung vorgelegen hat, weil Anhaltspunkte dafür der Auskunft des Hausarztes Dr. S. nicht entnommen werden können, medizinische Befundunterlagen aus dem maßgeblichen Zeitraum nicht vorliegen, da der Kläger außer der hausärztlichen Versorgung nicht in ärztlicher Behandlung stand, und der Oberarzt P. den Kläger erst seit Herbst 2014 behandelt. Der Senat nimmt darauf Bezug, sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Vorbringen der Klägerseite im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn auch unter Zugrundelegung dessen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass eine Erwerbsminderung des Klägers spätestens im November 2012 eingetreten ist.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90, in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). So liegt der Fall hier.

Soweit die Klägerseite sich (weiterhin) auf die Einschätzung des Oberarztes P. beruft, merkt der Senat zunächst an, dass seine "Ärztliche Bescheinigung" aus August 2017 (Bl. 26 Senats-Akte) im Wesentlichen gleichlautend ist mit seinen früheren Äußerungen. Ungeachtet dessen, dass der Facharzt P. in keinen seiner Stellungnahmen einen objektiv-klinischen Befund - sondern überwiegend lediglich die subjektiven Beschwerdeschilderungen des Klägers - mitgeteilt hat und ungeachtet dessen, dass er den Kläger erstmals im Herbst 2014 untersuchte, kann keinen seiner Äußerungen eine nachvollziehbare Begründung entnommen werden, dass und warum der Kläger spätestens im November 2012 nicht mehr in der Lage gewesen sein soll, zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Die Beklagte hat schon im SG-Verfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass der Oberarzt P. sich zu einer Leistungseinschätzung gerade nicht in der Lage gesehen hat (s. Auskunft gegenüber dem SG, Bl. 36 SG-Akte), sodass seine Einschätzung schon nicht geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch zu begründen. Nämliches gilt auch hinsichtlich der Auskunft des Dr. S. gegenüber dem SG (s. Bl. 27 SG-Akte), der zudem darauf verwiesen hat, dass die Beurteilung einem Psychiater obliege.

Soweit der Oberarzt P. die Auffassung vertreten hat, der Kläger sei "aktuell" bzw. seit Behandlungsbeginn im Herbst 2014 - was schon nicht relevant ist, weil es auf die Zeit vor Dezember 2012 ankommt (s.o.) - in seinem Beruf als Schauspieler "arbeitsunfähig", ist dies schon deshalb vorliegend nicht maßgeblich, weil es im Rahmen von Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nicht darauf ankommt, ob der Versicherte seinen erlernten Beruf noch ausüben kann; Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung sind die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können. Auch spielt es keine Rolle, ob der Kläger wegen Krankheit oder Behinderung behandlungsbedürftig oder arbeitsunfähig ist (vgl. BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19); der Begriff der Erwerbsminderung unterscheidet sich grundlegend von dem der (krankenversicherungsrechtlichen) Arbeitsunfähigkeit, denn Letztere richtet sich grundsätzlich nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7 m.w.N.), wohingegen - wie dargelegt - für die Frage einer Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entscheidend sind.

Soweit der Oberarzt P. davon ausgegangen ist, die von ihm beim Kläger erstmals im Herbst 2014 diagnostizierte depressive Störung, "gegenwärtig" mittelgradige Episode, auf dem Boden einer PTBS bzw. andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung habe sich mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bereits "Jahre" - freilich ohne dies näher zeitlich einzugrenzen - vor der erstmaligen fachpsychiatrischen Behandlung im September 2014 entwickelt, hilft dies schon deshalb nicht weiter, weil es für die rentenrechtliche Beurteilung von Erwerbsminderung nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung ankommt, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend kommt es auch auf die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht an (BSG, a.a.O.). Indes lassen sich weder den Äußerungen des Facharztes P. noch - wie bereits dargelegt - der Auskunft des Dr. S. gegenüber dem SG belastbare Anhaltspunkte (i.S. objektiv-klinischer Befunde, vgl. Senatsbeschluss vom 21.11.2016, L 10 R 940/15) dafür entnehmen, dass beim Kläger spätestens im November 2012 funktionelle Beeinträchtigungen vorlagen, die geeignet gewesen sind, eine quantitative Leistungsminderung zu begründen. Vielmehr erachtete sich auch der Kläger selbst zunächst ab Juli 2013 für erwerbsgemindert (s. Angabe im Rentenantrag, S. 1 ÄT-VerwA), ebenso wie Dr. S. (s. Bl. 30 SG-Akte: "Erwerbsminderung, Arbeit seit Juni 2013 nur noch im Freien möglich, tgl. 2h"), der im Übrigen lediglich eine einmalige Krankschreibung des Klägers im August/September 2009 wegen einer "Belastungsstörung" (im Zusammenhang mit einer Reiserücktrittsangelegenheit wegen einer vom Kläger gebuchten Reise in die Schweiz) hat bekunden können, die sonstigen dokumentierten Behandlungen/Krankschreibungen im Zeitraum von August 2005 bis Anfang Dezember 2012 betreffen - darauf hat bereits das SG zu Recht hingewiesen - Akuterkrankungen außerhalb der vom Kläger alleine in den Vordergrund gerückten psychiatrischen Leiden (s. Karteikartenauszug Bl. 29 SG-Akte).

Dass beim Kläger für die Zeit ab Anfang 2014 ein GdB festgestellt wurde, lässt ebenfalls keine Rückschlüsse auf sein berufliches Leistungsvermögen in der Zeit vor Dezember 2012 zu, zumal dem GdB eines Versicherten hinsichtlich seiner zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit ohnehin keinerlei Aussagekraft zukommt (BSG, Beschluss vom 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris, Rdnr. 5).

Unter Zugrundelegung all dessen vermag sich der Senat in Übereinstimmung mit dem SG nicht vom Eintritt einer Erwerbsminderung vor Dezember 2012 zu überzeugen.

Soweit die Klägerseite noch gemeint hat, das Gutachten der Dr. H. sei nicht verwertbar, kommt es auf dieses nicht entscheidungserheblich an, zumal auch die Gutachterin den Kläger erstmals untersuchte, als der vorliegend alleine maßgebliche Zeitraum (Eintritt eines Versicherungsfalls spätestens im November 2012) bereits längst abgelaufen war.

Der Senat kann schließlich offenlassen, ob beim Kläger zu einem Zeitpunkt nach November 2012 Erwerbsminderung eingetreten ist. Denn dies wäre nur dann relevant, wenn einer der Tatbestände des § 43 Abs. 5 SGB VI bzw. des § 241 Abs. 2 SGB VI eingreifen würde, was indes nicht der Fall ist.

Nach § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (z.B. Arbeitsunfall, Berufskrankheit; vgl. § 53 SGB VI). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

Gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 241 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 6 SGB VI) belegt ist. Dies ist vorliegend bereits deshalb nicht der Fall, weil das Versicherungskonto des Klägers u.a. hinsichtlich der Monate November 2010 bis März 2011 nicht mehr schließbare (vgl. § 241 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. §§ 197 f. SGB VI) Lücken aufweist, sodass bereits aus diesem Grund eine durchgehende Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht gegeben ist. Die nachfolgenden Zeiten der geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigungen des Klägers sind ohnehin namentlich keine Beitragszeiten i.S.d. § 241 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI - insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen -, keine beitragsfreien Zeiten i.S.d. § 241 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 54 Abs. 4 SGB VI, keine Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist (§ 241 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) und auch keine Berücksichtigungszeiten i.S.d. § 241 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 57 (Kindererziehungszeiten) bzw. § 249b SGB VI (Zeiten der nichterwerbsmäßigen Pflege).

Dass der Kläger bereits vor dem 01.01.1984 erwerbsgemindert war und seitdem durchgängig ist - sodass auch insoweit Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht erforderlich wären (§ 241 Abs. 2 Satz 1 a.E. SGB VI) -, ist nicht ersichtlich, zumal er sich selbst (zuletzt) seit 2010 für erwerbsgemindert hält.

Der Senat hat schließlich auch keinen Anlass gesehen, von Amts wegen ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, wie es die Klägerseite noch mit ihrer Berufungsbegründung angeregt hatte. Denn in Ermangelung bestehender Anknüpfungstatsachen für den Eintritt eines Versicherungsfalls spätestens im November 2012 (insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen) und im Hinblick darauf, dass zusätzliche, noch nicht aktenkundige ärztliche Unterlagen aus dem hier alleine maßgeblichen Zeitraum nicht existieren - dies haben sowohl die Klägerseite als auch Dr. S. eingeräumt -, ist der Sachverhalt hinreichend geklärt; der heutige Gesundheitszustand des Klägers ist ohne Relevanz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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