L 10 R 4470/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3652/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4470/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Am 14.10.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 23.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides 05.12.2016 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 29.12.2016 Klage beim Sozialgericht (SG) Reutlingen. Zu diesem Zeitpunkt war sie in Freudenstadt wohnhaft. Am 07.06.2017 teilte die Klägerin dem SG ihren Umzug nach B. (S.) mit und bat um Prüfung, ob sich dadurch die örtliche Zuständigkeit ändere. Mit gerichtlicher Verfügung vom 20.06.2017 hat die Kammervorsitzende mitgeteilt, dass es bei einem Wohnsitzwechsel nach Klageerhebung bei der Zuständigkeit des im Zeitpunkt der Klageerhebung örtlich zuständigen SG - hier SG Reutlingen - verbleibe. Mit der Klägerin am 06.11.2018 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 30.10.2018 hat das SG die Klage abgewiesen.

Am 10.12.2018 hat die Klägerin Berufung beim SG Reutlingen eingelegt und neben Ausführungen zu ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen mitgeteilt, dass sie seit dem 01.05.2017, in B. im Saarland lebe und zum Zwecke der besseren Erreichbarkeit und Erleichterung einer anwaltlichen Vertretung um Verweisung des Rechtstreites an das dortige Gericht bitte.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2016 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung ab 14.10.2015 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 19.12.2018 hat die Berichterstatterin die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig sei und eine Berufungsrücknahme angeregt. Hierauf hat die Klägerin nachfolgend nicht mehr reagiert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat verhandelt und entschieden, obwohl die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn die Beteiligten sind mit Hinweis auf diese Möglichkeit geladen worden.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist trotz des Umzuges der Klägerin in den Zuständigkeitsbereich des Landessozialgerichts für das Saarland am 01.05.2017 für das Berufungsverfahren sachlich und örtlich zuständig. Gemäß § 98 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 17 Abs. 1 S. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) wird die sachliche und örtliche Zuständigkeit durch nach Rechtshängigkeit eingetretene Veränderungen (hier Umzug in das Saarland) nicht berührt. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war das SG Reutlingen nach dem damaligen Wohnsitz der Klägerin in Freudenstadt gem. §§ 8, 57 Abs. 1 SGG i. V. m. § 1 des Ausführungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz (AGSGG vom 21.12.1953, Gesetzblatt Baden-Württemberg 1953, S. 235) sachlich und örtlich zuständig. Diese Zuständigkeit blieb durch den Umzug der Klägerin (gem. §§ 98 Abs. 1 SGG, 17 Abs. 1 S. 1 GVG) unberührt. Nichts anderes ergibt sich für das sich anschließende Berufungsverfahren im Hinblick auf die - fortbestehende - örtliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, denn die Regelung des § 98 SGG (mit dem Inhalt der Aufrechterhaltung der ursprünglichen sachlichen und örtlichen Zuständigkeit, sog. perpetuatio fori) gilt über die Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG auch für Verfahren vor den Landessozialgerichten. Darüber hinaus ergibt sich aus den §§ 28, 29 und 31 Abs. 3 SGG, dass für Rechtsmittel gegen Entscheidungen eines Sozialgerichts - hier die Berufung gegen den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid - als gesetzlicher Richter allein und auf Dauer das Landessozialgericht zur Entscheidung berufen ist, in dessen Gerichtsbezirk das SG liegt (Urteil des Senats vom 09.07.2015, L 10 R 2233/14; BSG, Beschluss vom 16.11.2006, B 12 SF 4/06 S, jeweils in juris). Dies ist für das SG Reutlingen gemäß § 2 AGSGG das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart. Eine Verweisung an das Landessozialgericht für das Saarland kommt somit nicht in Frage.

Die Berufung der Klägerin ist bereits unzulässig.

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie - unter anderem - nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt ist. So liegt der Fall hier.

Gemäß § 143 SGG findet gegen Urteile der Sozialgerichte - nach § 105 Abs. 1 S. 3 SGG gilt Gleiches für Gerichtsbescheide - die Berufung statt. Diese ist beim Landesozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 151 Abs. 1 SGG). Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist beim erstinstanzlichen Gericht (hier: SG Reutlingen) eingeht. Diese Frist ist mit Einlegung der Berufung beim SG Reutlingen am 10.12.2018 versäumt.

Nach § 63 Abs. 2 SGG wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt. Dabei kann ein Schriftstück durch Zustellungsauftrag zugestellt werden (§ 176 Abs. 1 ZPO), wobei die Ausführung der Zustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO erfolgt (§ 176 Abs. 2 ZPO). Gemäß § 177 ZPO kann die Zustellung durch Aushändigung des Schriftstücks an jedem Ort vorgenommen werden, an dem der Adressat angetroffen wird. Ist eine Aushändigung an den Adressaten und auch eine Ersatzzustellung in dessen Wohnung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, bspw. an einen Familienangehörigen, nicht möglich, kann die Zustellung gemäß § 180 Satz 1 ZPO durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten erfolgen. In diesem Fall gilt das Schriftstück mit der Einlegung in den Briefkasten als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO).

Hier hat das SG der Post einen Zustellungsauftrag erteilt. Da die Postbedienstete die Klägerin in ihrer Wohnung zur Aushändigung des Schriftstücks am 06.11.2018 nicht angetroffen hat und auch eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht möglich gewesen ist, hat diese das Schriftstück ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde in den zur Wohnung der Klägerin gehörenden Briefkasten eingelegt. Gemäß § 180 Satz 2 ZPO gilt das Schriftstück damit zu diesem Zeitpunkt als zugestellt.

Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung. Gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG).

Die einmonatige Berufungsfrist hat somit am 07.11.2018 begonnen und am Donnerstag, dem 06.12.2018 geendet. Die Berufung der Klägerin ist ausweislich des Posteingangsstempels des SG Reutlingen erst am 10.12.2018 und damit nach Fristablauf dort eingegangen.

Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten (§ 67 SGG), hat die Klägerin nicht vorgebracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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