Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 27/18 K
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 169/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Vergütungsgruppen M 1 bis M 3 sind nicht Medizinern und Psychologen vorbehalten, sondern werden im Fall der Einholung eines Gutachtens auf medizinischem oder psychologischem Gebiet angewandt.
2. Die Zuordnung zu einer Honorargruppe ist abschließend im Vorabentscheidungsverfahren durch Beschluss möglich, sie steht nicht systemimmanent unter einer späteren Überprüfung im Festsetzungsverfahren.
3. Eine nicht förmliche Zusage eines Richters zur Zuordnung einer Honorargruppe ist in der Regel nicht bindend, auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten.
2. Die Zuordnung zu einer Honorargruppe ist abschließend im Vorabentscheidungsverfahren durch Beschluss möglich, sie steht nicht systemimmanent unter einer späteren Überprüfung im Festsetzungsverfahren.
3. Eine nicht förmliche Zusage eines Richters zur Zuordnung einer Honorargruppe ist in der Regel nicht bindend, auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 14. August 2018 abgeändert und die Vergütung des Antragstellers für das im Rechtsstreit S 8 U 1/17 erstattete Gutachten auf 1.528,20 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung eines Sachverständigengutachtens.
In der Unfallversicherungsstreitsache C. C. gegen Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (Sozialgericht Fulda, Az.: S 8 U 1/17) erstellte der Antragsteller, Diplom-Ingenieur und Sachverständiger für Arbeitssicherheit, ein Gutachten von Amts wegen zur Frage der Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit nebst Tinnitus als Berufskrankheit. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens bestritt das Vorliegen einer vorausgesetzten Lärmeinwirkung. Die Vorsitzende der 8. Kammer beauftragte zunächst Privatdozent Dr. med. D. mit der Erstellung des Gutachtens und führte im Begleitschreiben aus: "Ihre Vergütung richtet sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz. Im Hinblick auf § 9 erfolgt die Honorierung nach M 3 (Stundensatz 100,00 Euro)." Sie stellte fünf Beweisfragen, hiervon: "1. Welcher Lärmexposition war der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt? und 2. War die Lärmexposition geeignet, beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit nach Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung hervorzurufen?." Nachdem sich herausgestellt hatte, dass PD Dr. D. keine Gutachten mehr erstellt, bestellte die Vorsitzende der 8. Kammer den Antragsteller mit Begleitschreiben gleichen Inhalts. Der Antragsteller erstellte das Gutachten am 20. November 2017 und machte mit Kostenrechnung vom 23. November 2017 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 2.581,48 EUR geltend.
Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Aktenstudium, Vorbereitungszeit Termin 5 Stunden zu 100,00EUR 500,00 EUR
Ortstermin/Verhandlung 2,5 Stunden zu 100,00 250,00 EUR
Fahrtzeit 4,5 Stunden zu 100,00 EUR 450,00 EUR
Ausarbeitung des Gutachtens 6 Stunden zu 100,00 EUR 600,00 EUR
Diktat und Korrektur 2 Stunden zu 100,00 EUR 200,00 EUR
Zwischensumme 2.000,00 EUR
Reisekosten 471 km zu 0,30 EUR 141,30 EUR
Fotografien 5 Fotos a 2,00 EUR 10,00 EUR
Schreibkosten 10.685 Anschläge zu 0,70 EUR 8,01 EUR
Porto 10,00 EUR
Zwischensumme 169,31 EUR
Umsatzsteuer 412,17 EUR
Gesamtbetrag 2.581,48 EUR
Die Rechnung wurde von der Kostenbeamtin mit Schreiben vom 22. März 2018 wie folgt gekürzt:
Aktenstudium, Vorbereitungszeit Termin 3,3 Stunden zu 100,00EUR 330,00 EUR
Ortstermin/Verhandlung 2,5 Stunden zu 100,00 250,00 EUR
Fahrtzeit 4,5 Stunden zu 100,00 EUR 450,00 EUR
Ausarbeitung des Gutachtens 2 Stunden zu 100,00 EUR 200,00 EUR
Diktat und Korrektur 1,2 Stunden zu 100,00 EUR 120,00 EUR
Zwischensumme 1.350,00 EUR
Reisekosten 404 km zu 0,30 EUR 121,20 EUR
Fotografien 4 Fotos a 2,00 EUR 8,00 EUR
Schreibkosten 10.685 Anschläge zu 0,90 EUR 9,90 EUR
Porto 5,00 EUR
Zwischensumme 144,10 EUR
Umsatzsteuer 283,88 EUR
Gesamtbetrag 1.777,98 EUR
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 5. April 2018 die richterliche Festsetzung der Vergütung. Er führte aus, dass die Ermittlungen an zwei Betriebsstätten hätten durchgeführt werden müssen, so dass sich eine weitere Fahrtstrecke ergebe. Zudem sei eine Standardisierung bei Berücksichtigung der aufzuwendenden Arbeitszeit fragwürdig, vielmehr müssten die Auswertung von Messdaten und deren Interpretation berücksichtigt werden. Die Vergütungsgruppe M 3 sei bei Beauftragung zugesagt worden.
Mit Schreiben vom 12. April 2018 lehnte die Urkundsbeamtin eine Abhilfe ab.
Der Antragsgegner beanstandete die Vergütung nach der Honorargruppe M 3, es sei vielmehr die Honorargruppe 4 (Akustik, Lärmschutz) mit einem Stundesatz von 80,00 EUR gemäß Nr. 2 der Anlage 1 zu § 9 JVEG einschlägig. Er erachtete einen Zeitaufwand von 14 Stunden für angemessen und errechnete daher ein Leistungshonorar in Höhe von 1.120,00 EUR. Er beantragte die Festsetzung der Vergütung auf insgesamt 1.504,28 EUR.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 14. August 2017 die Entschädigung des Antragstellers für die Erstattung seines Gutachtens im Verfahren S 8 U 1/17 auf 1.861,40 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Vergütungsgruppe M 3 aus Vertrauensschutzgründen zu berücksichtigen sei, da dem Antragsteller diese Vergütungsgruppe von der Kammervorsitzenden zugesagt worden sei. Den Angaben zum Zeitaufwand des Antragstellers sei wiederum nicht zu folgen, vielmehr seien die Ausführungen des Antragsgegners zutreffend, so dass nur die Erhöhung der Zeit für Aktenstudium/Vorbereitung des Termins auf 13,7 = gerundet 14 Stunden zu berücksichtigen sei. Die Reisekosten seien jedoch in der beantragten Höhe (141,30 Euro) festzusetzen.
Der Antragsgegner hat am 3. September 2018 Beschwerde beim Sozialgericht Fulda eingelegt, welcher das Sozialgericht am 25. September 2018 nicht abgeholfen hat.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass für die Entschädigung des Antragstellers kein Stundensatz nach der Honorargruppe M 3 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG mit 100,00 EUR zugrunde gelegt werden könne. Dies ergebe sich daraus, dass der Antragsteller als Nichtmediziner kein Gutachten auf medizinischem oder psychologischem Gebiet habe erstellen können. Es sei die Honorargruppe 4 heranzuziehen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Denn zum einen habe dem Antragsteller als öffentlich bestelltem Sachverständigen klar sein müssen, dass er nicht nach der Honorargruppe M 3 entschädigt werden könne. Zum anderen stehe eine Vorabentscheidung des Gerichts über den Stundensatz systemimmanent unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung. Dementsprechend habe die Kammervorsitzende auch darauf hingewiesen, dass die Vergütung nach dem JVEG erfolge. Die weiteren Berechnungselemente würden nicht angegriffen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 14. August 2018, S 4 SF 27/18 K, abzuändern und die Vergütung des Antragstellers für das im Rechtsstreit S 8 U 1/17 erstattete arbeitstechnische Gutachten auf 1.528,20 EUR festzusetzen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass seine Leistung nicht eindeutig der Honorargruppe 4 zugeordnet werden könne. Er habe gehörschädigenden Lärm beurteilen müssen und dies werde nicht vom Begriff des Lärmschutzes umfasst. Es handele sich vielmehr um eine disziplinübergreifende Frage aus Arbeitsmedizin und Arbeitstechnik, die sowohl von einem Mediziner als auch von einem Ingenieur mit medizinischer Sachkenntnis beantwortet werden könne. Seine Ausbildung könne daher nicht maßgeblich sein; sonst liege zudem ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Letztlich würden seine Leistungen stets nach der Vergütungsgruppe M 3 entschädigt.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Antragsakte sowie die Gerichtsakte S 8 U 1/17, die vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.
Die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 JVEG zulässige Beschwerde ist begründet.
Anwendbar sind die Regelungen des JVEG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013.
Das JVEG regelt gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG die Vergütung von Sachverständigen, die von dem Gericht herangezogen worden sind. Eine solche Heranziehung des Beschwerdegegners nach § 1 JVEG ist durch Beweisanordnung vom 1. Juni 2017 erfolgt.
Gemäß § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige
1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG),
2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG),
3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie
4. Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG).
Nachdem nur die Staatskasse Beschwerde eingelegt hat, kommt eine Erhöhung der Vergütung über den vom Sozialgericht festgesetzten Betrag in Höhe von 1.861,40 EUR nicht in Betracht. Im Gegensatz zur erstmaligen gerichtlichen Vergütungsfestsetzung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG gilt im Beschwerdeverfahren das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) mit der Folge, dass der von der Vorinstanz festgesetzte Betrag nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers geändert werden kann (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013, L 15 SB 40/13 B, juris; Thüringer LSG, Beschluss vom 20. Februar 2008, L 6 B 186/07 SF, juris). Das Beschwerdegericht hat aber alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer angegriffen hat (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, JVEG § 4 Rn. 16).
Die von dem Beschwerdeführer begehrte Kürzung auf 1.528,20 EUR beruht auf der Annahme der Honorargruppe 4 anstelle M 3. Hinsichtlich der anzusetzenden Stunden und der sonstigen Kosten schließt sich der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts an, so dass sich der zugrunde zu legenden Zeitaufwand auf 14 Stunden und die sonstigen Kosten auf 164,20 EUR belaufen.
Zur Einstufung in die zutreffende Honorargruppe gilt folgendes:
Gemäß § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige für jede Stunde ein Honorar
Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann
in der Honorargruppe ... in Höhe von ... Euro 1 65 2 70 3 75 4 80 (.) ( ...) M 1 65 M 2 75 M 3 100 Die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe bestimmt sich entsprechend der Entscheidung über die Heranziehung nach der Anlage 1: Nr. Sachgebietsbezeichnung Honorar- gruppe 1 Abfallstoffe – soweit nicht Sachgebiet 3 oder 18 – einschließlich Altfahrzeuge und -geräte 11 2 Akustik, Lärmschutz – soweit nicht Sachgebiet 4 4
Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten Honorar- gruppe Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere M 1
- zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung, Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten M 2
- in Verfahren nach dem SGB IX,
- zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten M 3
- zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen,
- zu ärztlichen Behandlungsfehlern,
- in Verfahren nach dem OEG,
- zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten,
Tabellenende
Ist die Leistung auf einem Sachgebiet zu erbringen, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen; dies gilt entsprechend, wenn ein medizinisches oder psychologisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe genannt wird. Ist die Leistung auf mehreren Sachgebieten zu erbringen oder betrifft das medizinische oder psychologische Gutachten mehrere Gegenstände und sind die Sachgebiete oder Gegenstände verschiedenen Honorargruppen zugeordnet, bemisst sich das Honorar einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit nach der höchsten dieser Honorargruppen; jedoch gilt Satz 3 entsprechend, wenn dies mit Rücksicht auf den Schwerpunkt der Leistung zu einem unbilligen Ergebnis führen würde. § 4 JVEG gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Beschwerde auch zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro nicht übersteigt. Die Beschwerde ist nur zulässig, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist.
Für die Zuordnung zu einer Honorargruppe ist allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, wie sie sich aus dem Inhalt des Beweisbeschlusses oder der Beweisanordnung ergibt, abzustellen (BT-Drs. 17/11471(neu), S. 260; Schneider, JVEG, 3. Auflage 2018, § 9 Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. September 2015, 15 W 57/15, juris).
Die Honorargruppen M 1 bis M 3 umfassen nach ihrer Überschrift Gegenstände medizinischer und psychologischer Gutachten (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, JVEG § 9 Rn. 4). Nicht ausschlaggebend ist die Ausbildung des Sachverständigen, denn die Vergütungsgruppen M 1 bis M 3 sind nicht Medizinern und Psychologen vorbehalten, sondern werden im Fall der Einholung eines Gutachtens auf medizinischem oder psychologischem Gebiet angewandt. Entscheidend ist damit, ob inhaltlich ein solches Gutachten angefordert wurde und nicht, welchen beruflichen Abschluss der Sachverständige hat. Er muss für die Erstellung des Gutachtens die erforderliche Sachkompetenz haben, jedoch ist eine medizinische oder psychologische Sachkompetenz nicht ausschließlich Medizinern oder Psychologen vorbehalten, wenn es um die Einholung eines Sachverständigengutachtens geht. Gerade im unfallversicherungsrechtlichen Sachgebiet ergeben sich Fragestellungen, die medizinische Fragen mit anderweitigen Sachfragen verknüpfen. So auch hier: die Prüfung, ob die Berufskrankheit Nr. 2301 vorliegt, erfordert die Eruierung arbeitstechnischer und medizinischer Voraussetzungen. Eine Lärmschwerhörigkeit im Sinne der Nr. 2301 entwickelt sich nur bei ausreichend hoher und ausreichend langer Lärmbelastung. Erforderlich ist der Nachweis, dass die Lärmbelastung entsprechend hoch gewesen ist. Für die Beurteilung der beruflichen Lärmexposition maßgebend ist der auf acht Stunden bezogene äquivalente Dauerschallpegel. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem Achtstundentag über viele Arbeitsjahre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 348). Nachgewiesen sein muss zudem eine lärmbedingte Hörstörung. Ausweislich der Beweisfragen wurde kein medizinisches Gutachten angefordert und der Beschwerdegegner erstellte auch kein medizinisches Gutachten. Er sollte die Lärmexposition ermitteln, der der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt war und stellte diesbezüglich entsprechend dem Auftrag fest, dass diese unter dem maßgeblichen Grenzwert blieb, so dass sie schon abstrakt nicht geeignet war, eine Lärmschwerhörigkeit auszulösen. Der Beschwerdegegner nahm keine Untersuchung des Klägers hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen vor und traf auch keine eigenen Feststellungen zu einer Lärmschwerhörigkeit des Klägers; solche Erkenntnisse wurden ausweislich der Beweisfragen auch nicht angefordert. Schon gar nicht wurde der Beschwerdegegner mit wissenschaftlichen medizinischen Fragen beauftragt; die Honorargruppe M 3 kommt nur zur Anwendung bei Beweisfragen, die über ärztliche Routine hinausgehen, die also wissenschaftliche Anforderungen stellen und nicht bloßes Fachwissen abfragen. Im Ergebnis äußerte sich der Beschwerdegegner ausschließlich zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der im Streit stehenden Berufskrankheit, was auch den gestellten Beweisfragen entsprach. Die Anwendung der Honorargruppen M 1 bis M 3 scheidet damit aus.
Das Gutachten des Beschwerdegegners lässt sich der Honorargruppe 4 zuordnen. Die Honorargruppe 4 ist Sachverständigengutachten des Bereiches "Lärmschutz und Akustik" vorbehalten. Denn, selbst wenn der Einwand des Antragstellers zutreffend sein sollte, dass die Messung einer Lärmexposition nicht mit Lärmschutz gleichzusetzen sei, dann ist festzustellen, dass eine Zuordnung unter dem Begriff "Akustik" zu erfolgen hat. Denn die Akustik ist die Lehre vom Schall und seiner Ausbreitung und umfasst auch die Wahrnehmung von Schall durch das Gehör des Menschen und damit auch mögliche Lärmexpositionen. Akustik umfasst sowohl Schallentstehung als auch Schallausbreitung und daneben Schallmessung.
Eine Vergütung hat auch nicht wegen einer Vorabentscheidung durch die Kammervorsitzende nach der Honorargruppe M 3 zu erfolgen. § 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG bestimmt durch den Verweis auf § 4 JVEG, dass der Sachverständige die Möglichkeit hat, eine Vorabentscheidung über die Einordnung in eine Honorargruppe herbeizuführen. Diese Regelung soll es dem Sachverständigen ermöglichen, schon sehr frühzeitig – ggf. sogleich nach seiner Beauftragung und damit schon vor Aufnahme der ihm übertragenen Aufgaben - Klarheit über die kostenmäßige Bewertung der von ihm erwarteten Leistungen und damit gleichzeitig über einen für seinen Gesamtanspruch wesentlichen Bemessungsfaktor zu erlangen (BT-Drucks. 15/1971, S. 182; BVerfG NJW-RR 2006, 1500; OLG Celle, Beschluss vom 26. Oktober 2007, 2 W 102/07, juris; LSG Thüringen, Beschluss vom 28. März 2012, L 6 SF 172/12 E, juris). Die Vorabentscheidung betrifft ausschließlich die Zuordnung der Leistung des Sachverständigen in eine Honorargruppe der Anlage 1 nach dem Stundensatz. Die Vorabentscheidung über den Stundensatz kann wie der Antrag auf gerichtliche Festsetzung nach § 4 JVEG sowohl auf Antrag des Sachverständigen oder der Staatskasse als auch von Amts wegen erfolgen. Die Entscheidung trifft das Gericht durch Beschluss, nicht der Anweisungsbeamte. Dem Vertreter der Staatskasse ist auch im Rahmen der Vorabfestsetzung rechtliches Gehör zu gewähren, § 4a JVEG ist anwendbar. Die Möglichkeit der Vorabfestsetzung und der Beschwerde sind nur gegeben, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist, weil der Sachverständige dann die Möglichkeit hat, das Festsetzungsverfahren nach § 4 Abs. 1 JVEG zu beschreiten (Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, JVEG § 9 Rn. 68-71). Die hierauf ergangene gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 9 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 i.V. mit § 4 JVEG, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist, unabhängig davon mit der Beschwerde angefochten werden, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt (Saarländisches OLG, Beschluss vom 21. Februar 2014, 9 W 4/14, juris). Soweit das Vorabentscheidungsverfahren zum Zeitpunkt der Abrechnungsreife rechtskräftig abgeschlossen ist, tritt bezüglich der in ihm festgesetzten Honorargruppe Bindungswirkung im späteren Anweisungs- oder Festsetzungsverfahren nach § 4 JVEG ein (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, JVEG § 9 Rn. 20). Diese vorherige Bestimmung der Honorargruppe steht nicht unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung im Rahmen der Vergütungsabrechnung. Die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe bestimmt sich nämlich nicht nach der tatsächlich erbrachten Leistung, sondern entsprechend der Entscheidung über die Heranziehung nach der Anlage 1. Aus dieser kann auch der medizinische Sachverständige ersehen, welche Art von Gutachten gewollt ist. Die somit unter Geltung der alten Fassung des JVEG vertretene Ansicht (Beschluss des Senats vom 18. November 2009, L 2 KR 177/09 B) wird aufgegeben. Der Gesetzgeber führte zur Begründung der Änderung in § 9 JVEG durch das 2. KostRMoG aus (BT-Drs. 17/11471, S. 260): "Die Änderungen sollen besser als der geltende Text verdeutlichen, dass es für die Zuordnung zu einer Honorargruppe allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, also insbesondere auf den Inhalt des Beweisbeschlusses und nicht auf die tatsächliche Leistung, ankommen soll. So wie auch außerhalb des Geltungsbereichs des JVEG im Wirtschaftsleben muss bei der Erteilung des Gutachtensauftrags klar sein, welche Art von Gutachten gewollt ist. Dies soll auch für Gutachten im medizinischen Bereich gelten. Gegebenenfalls muss das Gericht vor der Beauftragung des Sachverständigen abklären, welcher Art das Gutachten sein muss." Eine Zuordnung ist damit schon abschließend im Vorabentscheidungsverfahren möglich, sie steht nicht systemimmanent unter einer späteren Überprüfung im Festsetzungsverfahren. Diese Zuordnung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens ist damit auch für die Schlussabrechnung bindend (siehe auch Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2006, Rn. 878 f).
Die Kammervorsitzende stellte schon im Begleitschreiben zur Beweisanordnung, also mit der Heranziehung, die Zuordnung zu einer Honorargruppe fest und zwar zur Honorargruppe M 3. Einen formellen Beschluss erließ die Kammervorsitzende jedoch nicht. Die Beweiserhebung erfolgt gemäß § 118 SGG weitestgehend entsprechend der Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens erfolgt daher gemäß §§ 404 ff. ZPO. Hiernach bildet die schriftliche Beweiserhebung durch Sachverständige grundsätzlich die Ausnahme, erfordert sodann einen Beweisbeschluss gemäß § 358 a Nr. 4 ZPO. Demgegenüber sieht § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG vor, dass die Begutachtung durch Sachverständige angeordnet werden kann. Ein Beweisbeschluss wird daher - in Abweichung zur ZPO - nicht zwingend für erforderlich gehalten (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 106 Rn. 13; Müller, in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 106 Rn. 30). Die Kammervorsitzende verfügte im vorliegenden Verfahren – wie üblich – eine "Beweisanordnung", die den Anforderungen eines Beweisbeschlusses gemäß § 359 ZPO zwar genügt und wegen § 172 Abs. 2 SGG auch als Beschluss an sich keine Rechtsmittelbelehrung erfordern würde. Trotzdem liegt mangels entsprechender Förmlichkeit im Ergebnis kein Beweisbeschluss vor. Die streitige Honorarzuordnung erfolgte zudem nicht im Rahmen dieser Beweisanordnung, sondern im Begleitschreiben, mithin in keinem Fall im Wege des Beschlusses. Dieses Begleitschreiben stellt daher keine Festsetzung gemäß § 4 JVEG dar, zumal hinsichtlich dieses Beschlusses eine Rechtsmittelbelehrung auch erforderlich gewesen wäre, ebenso wie eine Zustellung auch an den Beschwerdeführer. Es handelt sich bei der Honorarzuordnung daher nicht um eine richterliche Festsetzung im Sinne des § 4 Abs. 1 JVEG im Wege der Vorabentscheidung. Eine Bindungswirkung wiederum geht von der nicht förmlichen Mitteilung im Begleitschreiben zur Beweisanordnung nicht aus (ebenso: Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2006, Rn. 876).
Ein Anspruch auf Vergütung nach der Honorargruppe M 3 ergibt sich auch nicht aus Vertrauensschutzgründen. Zu beachten ist, dass der Entschädigungsanspruch nach dem JVEG ein gesetzlicher, kein vertraglicher Anspruch ist. Nur in dem Fall des § 13 Abs. 1 Satz 3, Abs. 6 JVEG kommt die Zahlung einer Vergütung über den sich aus dem JVEG ergebenden Anspruch in Betracht. Grundsätzlich kann daher ein Richter die Staatskasse nicht einseitig im Voraus zur Zahlung einer bestimmten Entschädigung verpflichten. Die andernfalls faktisch unmögliche Überprüfung der Entschädigungshöhe im Beschwerdeverfahren entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes. Wenn das JVEG zudem gerade für das Bedürfnis einer Vorabentscheidung über die Zuordnung zu einer bestimmten Honorargruppe die Möglichkeit vorsieht, durch Beschluss mit Beschwerdemöglichkeit unter Beteiligung des letztendlichen Kostenträgers verbindlich zu klären, welche Honorargruppe zur Anwendung gelangt, so kann bei Fehlen eines entsprechenden Beschlusses zur richterlichen Festsetzung nicht im Ergebnis doch eine Bindung der Staatskasse ohne vorherige Beteiligung durch einseitige richterliche Verfügung entstehen. Nur ausnahmsweise kommt nämlich eine höhere als nach dem JVEG zustehende Vergütung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten in Betracht. Davon ist dann auszugehen, wenn der Berechtigte aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben sich auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen kann. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat. Eine nicht förmliche Zusage eines Richters zur Zuordnung einer Honorargruppe ist eine rechtlich bedeutungslose Abmachung, an die die Staatskasse nicht gebunden ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 10. August 1994, 8 W 429/94, MDR 1995, 211; OLG München, Beschluss vom 9. Dezember 1996, 11 W 2721/96, juris). Gerade erfahrene Sachverständige – und dies macht der Beschwerdegegner für sich geltend – dürfen eine informelle Angabe im Begleitschreiben nicht als verbindliche Festlegung im Sinne einer Vorabentscheidung begreifen. Die gerichtlichen Angaben sind damit nicht geeignet, einen in diesem Kontext relevanten Vertrauenstatbestand zu schaffen; der Antragsteller konnte aufgrund der fehlenden Förmlichkeit nicht davon ausgehen, dass die Honorarzuordnung bindend ist.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erhoben (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung eines Sachverständigengutachtens.
In der Unfallversicherungsstreitsache C. C. gegen Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (Sozialgericht Fulda, Az.: S 8 U 1/17) erstellte der Antragsteller, Diplom-Ingenieur und Sachverständiger für Arbeitssicherheit, ein Gutachten von Amts wegen zur Frage der Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit nebst Tinnitus als Berufskrankheit. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens bestritt das Vorliegen einer vorausgesetzten Lärmeinwirkung. Die Vorsitzende der 8. Kammer beauftragte zunächst Privatdozent Dr. med. D. mit der Erstellung des Gutachtens und führte im Begleitschreiben aus: "Ihre Vergütung richtet sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz. Im Hinblick auf § 9 erfolgt die Honorierung nach M 3 (Stundensatz 100,00 Euro)." Sie stellte fünf Beweisfragen, hiervon: "1. Welcher Lärmexposition war der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt? und 2. War die Lärmexposition geeignet, beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit nach Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung hervorzurufen?." Nachdem sich herausgestellt hatte, dass PD Dr. D. keine Gutachten mehr erstellt, bestellte die Vorsitzende der 8. Kammer den Antragsteller mit Begleitschreiben gleichen Inhalts. Der Antragsteller erstellte das Gutachten am 20. November 2017 und machte mit Kostenrechnung vom 23. November 2017 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 2.581,48 EUR geltend.
Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Aktenstudium, Vorbereitungszeit Termin 5 Stunden zu 100,00EUR 500,00 EUR
Ortstermin/Verhandlung 2,5 Stunden zu 100,00 250,00 EUR
Fahrtzeit 4,5 Stunden zu 100,00 EUR 450,00 EUR
Ausarbeitung des Gutachtens 6 Stunden zu 100,00 EUR 600,00 EUR
Diktat und Korrektur 2 Stunden zu 100,00 EUR 200,00 EUR
Zwischensumme 2.000,00 EUR
Reisekosten 471 km zu 0,30 EUR 141,30 EUR
Fotografien 5 Fotos a 2,00 EUR 10,00 EUR
Schreibkosten 10.685 Anschläge zu 0,70 EUR 8,01 EUR
Porto 10,00 EUR
Zwischensumme 169,31 EUR
Umsatzsteuer 412,17 EUR
Gesamtbetrag 2.581,48 EUR
Die Rechnung wurde von der Kostenbeamtin mit Schreiben vom 22. März 2018 wie folgt gekürzt:
Aktenstudium, Vorbereitungszeit Termin 3,3 Stunden zu 100,00EUR 330,00 EUR
Ortstermin/Verhandlung 2,5 Stunden zu 100,00 250,00 EUR
Fahrtzeit 4,5 Stunden zu 100,00 EUR 450,00 EUR
Ausarbeitung des Gutachtens 2 Stunden zu 100,00 EUR 200,00 EUR
Diktat und Korrektur 1,2 Stunden zu 100,00 EUR 120,00 EUR
Zwischensumme 1.350,00 EUR
Reisekosten 404 km zu 0,30 EUR 121,20 EUR
Fotografien 4 Fotos a 2,00 EUR 8,00 EUR
Schreibkosten 10.685 Anschläge zu 0,90 EUR 9,90 EUR
Porto 5,00 EUR
Zwischensumme 144,10 EUR
Umsatzsteuer 283,88 EUR
Gesamtbetrag 1.777,98 EUR
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 5. April 2018 die richterliche Festsetzung der Vergütung. Er führte aus, dass die Ermittlungen an zwei Betriebsstätten hätten durchgeführt werden müssen, so dass sich eine weitere Fahrtstrecke ergebe. Zudem sei eine Standardisierung bei Berücksichtigung der aufzuwendenden Arbeitszeit fragwürdig, vielmehr müssten die Auswertung von Messdaten und deren Interpretation berücksichtigt werden. Die Vergütungsgruppe M 3 sei bei Beauftragung zugesagt worden.
Mit Schreiben vom 12. April 2018 lehnte die Urkundsbeamtin eine Abhilfe ab.
Der Antragsgegner beanstandete die Vergütung nach der Honorargruppe M 3, es sei vielmehr die Honorargruppe 4 (Akustik, Lärmschutz) mit einem Stundesatz von 80,00 EUR gemäß Nr. 2 der Anlage 1 zu § 9 JVEG einschlägig. Er erachtete einen Zeitaufwand von 14 Stunden für angemessen und errechnete daher ein Leistungshonorar in Höhe von 1.120,00 EUR. Er beantragte die Festsetzung der Vergütung auf insgesamt 1.504,28 EUR.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 14. August 2017 die Entschädigung des Antragstellers für die Erstattung seines Gutachtens im Verfahren S 8 U 1/17 auf 1.861,40 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Vergütungsgruppe M 3 aus Vertrauensschutzgründen zu berücksichtigen sei, da dem Antragsteller diese Vergütungsgruppe von der Kammervorsitzenden zugesagt worden sei. Den Angaben zum Zeitaufwand des Antragstellers sei wiederum nicht zu folgen, vielmehr seien die Ausführungen des Antragsgegners zutreffend, so dass nur die Erhöhung der Zeit für Aktenstudium/Vorbereitung des Termins auf 13,7 = gerundet 14 Stunden zu berücksichtigen sei. Die Reisekosten seien jedoch in der beantragten Höhe (141,30 Euro) festzusetzen.
Der Antragsgegner hat am 3. September 2018 Beschwerde beim Sozialgericht Fulda eingelegt, welcher das Sozialgericht am 25. September 2018 nicht abgeholfen hat.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass für die Entschädigung des Antragstellers kein Stundensatz nach der Honorargruppe M 3 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG mit 100,00 EUR zugrunde gelegt werden könne. Dies ergebe sich daraus, dass der Antragsteller als Nichtmediziner kein Gutachten auf medizinischem oder psychologischem Gebiet habe erstellen können. Es sei die Honorargruppe 4 heranzuziehen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Denn zum einen habe dem Antragsteller als öffentlich bestelltem Sachverständigen klar sein müssen, dass er nicht nach der Honorargruppe M 3 entschädigt werden könne. Zum anderen stehe eine Vorabentscheidung des Gerichts über den Stundensatz systemimmanent unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung. Dementsprechend habe die Kammervorsitzende auch darauf hingewiesen, dass die Vergütung nach dem JVEG erfolge. Die weiteren Berechnungselemente würden nicht angegriffen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 14. August 2018, S 4 SF 27/18 K, abzuändern und die Vergütung des Antragstellers für das im Rechtsstreit S 8 U 1/17 erstattete arbeitstechnische Gutachten auf 1.528,20 EUR festzusetzen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass seine Leistung nicht eindeutig der Honorargruppe 4 zugeordnet werden könne. Er habe gehörschädigenden Lärm beurteilen müssen und dies werde nicht vom Begriff des Lärmschutzes umfasst. Es handele sich vielmehr um eine disziplinübergreifende Frage aus Arbeitsmedizin und Arbeitstechnik, die sowohl von einem Mediziner als auch von einem Ingenieur mit medizinischer Sachkenntnis beantwortet werden könne. Seine Ausbildung könne daher nicht maßgeblich sein; sonst liege zudem ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Letztlich würden seine Leistungen stets nach der Vergütungsgruppe M 3 entschädigt.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Antragsakte sowie die Gerichtsakte S 8 U 1/17, die vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.
Die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 JVEG zulässige Beschwerde ist begründet.
Anwendbar sind die Regelungen des JVEG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013.
Das JVEG regelt gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG die Vergütung von Sachverständigen, die von dem Gericht herangezogen worden sind. Eine solche Heranziehung des Beschwerdegegners nach § 1 JVEG ist durch Beweisanordnung vom 1. Juni 2017 erfolgt.
Gemäß § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige
1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG),
2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG),
3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie
4. Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG).
Nachdem nur die Staatskasse Beschwerde eingelegt hat, kommt eine Erhöhung der Vergütung über den vom Sozialgericht festgesetzten Betrag in Höhe von 1.861,40 EUR nicht in Betracht. Im Gegensatz zur erstmaligen gerichtlichen Vergütungsfestsetzung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG gilt im Beschwerdeverfahren das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) mit der Folge, dass der von der Vorinstanz festgesetzte Betrag nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers geändert werden kann (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013, L 15 SB 40/13 B, juris; Thüringer LSG, Beschluss vom 20. Februar 2008, L 6 B 186/07 SF, juris). Das Beschwerdegericht hat aber alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer angegriffen hat (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, JVEG § 4 Rn. 16).
Die von dem Beschwerdeführer begehrte Kürzung auf 1.528,20 EUR beruht auf der Annahme der Honorargruppe 4 anstelle M 3. Hinsichtlich der anzusetzenden Stunden und der sonstigen Kosten schließt sich der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts an, so dass sich der zugrunde zu legenden Zeitaufwand auf 14 Stunden und die sonstigen Kosten auf 164,20 EUR belaufen.
Zur Einstufung in die zutreffende Honorargruppe gilt folgendes:
Gemäß § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige für jede Stunde ein Honorar
Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann
in der Honorargruppe ... in Höhe von ... Euro 1 65 2 70 3 75 4 80 (.) ( ...) M 1 65 M 2 75 M 3 100 Die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe bestimmt sich entsprechend der Entscheidung über die Heranziehung nach der Anlage 1: Nr. Sachgebietsbezeichnung Honorar- gruppe 1 Abfallstoffe – soweit nicht Sachgebiet 3 oder 18 – einschließlich Altfahrzeuge und -geräte 11 2 Akustik, Lärmschutz – soweit nicht Sachgebiet 4 4
Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten Honorar- gruppe Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere M 1
- zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung, Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten M 2
- in Verfahren nach dem SGB IX,
- zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten M 3
- zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen,
- zu ärztlichen Behandlungsfehlern,
- in Verfahren nach dem OEG,
- zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten,
Tabellenende
Ist die Leistung auf einem Sachgebiet zu erbringen, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen; dies gilt entsprechend, wenn ein medizinisches oder psychologisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe genannt wird. Ist die Leistung auf mehreren Sachgebieten zu erbringen oder betrifft das medizinische oder psychologische Gutachten mehrere Gegenstände und sind die Sachgebiete oder Gegenstände verschiedenen Honorargruppen zugeordnet, bemisst sich das Honorar einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit nach der höchsten dieser Honorargruppen; jedoch gilt Satz 3 entsprechend, wenn dies mit Rücksicht auf den Schwerpunkt der Leistung zu einem unbilligen Ergebnis führen würde. § 4 JVEG gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Beschwerde auch zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro nicht übersteigt. Die Beschwerde ist nur zulässig, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist.
Für die Zuordnung zu einer Honorargruppe ist allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, wie sie sich aus dem Inhalt des Beweisbeschlusses oder der Beweisanordnung ergibt, abzustellen (BT-Drs. 17/11471(neu), S. 260; Schneider, JVEG, 3. Auflage 2018, § 9 Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. September 2015, 15 W 57/15, juris).
Die Honorargruppen M 1 bis M 3 umfassen nach ihrer Überschrift Gegenstände medizinischer und psychologischer Gutachten (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, JVEG § 9 Rn. 4). Nicht ausschlaggebend ist die Ausbildung des Sachverständigen, denn die Vergütungsgruppen M 1 bis M 3 sind nicht Medizinern und Psychologen vorbehalten, sondern werden im Fall der Einholung eines Gutachtens auf medizinischem oder psychologischem Gebiet angewandt. Entscheidend ist damit, ob inhaltlich ein solches Gutachten angefordert wurde und nicht, welchen beruflichen Abschluss der Sachverständige hat. Er muss für die Erstellung des Gutachtens die erforderliche Sachkompetenz haben, jedoch ist eine medizinische oder psychologische Sachkompetenz nicht ausschließlich Medizinern oder Psychologen vorbehalten, wenn es um die Einholung eines Sachverständigengutachtens geht. Gerade im unfallversicherungsrechtlichen Sachgebiet ergeben sich Fragestellungen, die medizinische Fragen mit anderweitigen Sachfragen verknüpfen. So auch hier: die Prüfung, ob die Berufskrankheit Nr. 2301 vorliegt, erfordert die Eruierung arbeitstechnischer und medizinischer Voraussetzungen. Eine Lärmschwerhörigkeit im Sinne der Nr. 2301 entwickelt sich nur bei ausreichend hoher und ausreichend langer Lärmbelastung. Erforderlich ist der Nachweis, dass die Lärmbelastung entsprechend hoch gewesen ist. Für die Beurteilung der beruflichen Lärmexposition maßgebend ist der auf acht Stunden bezogene äquivalente Dauerschallpegel. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem Achtstundentag über viele Arbeitsjahre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 348). Nachgewiesen sein muss zudem eine lärmbedingte Hörstörung. Ausweislich der Beweisfragen wurde kein medizinisches Gutachten angefordert und der Beschwerdegegner erstellte auch kein medizinisches Gutachten. Er sollte die Lärmexposition ermitteln, der der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt war und stellte diesbezüglich entsprechend dem Auftrag fest, dass diese unter dem maßgeblichen Grenzwert blieb, so dass sie schon abstrakt nicht geeignet war, eine Lärmschwerhörigkeit auszulösen. Der Beschwerdegegner nahm keine Untersuchung des Klägers hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen vor und traf auch keine eigenen Feststellungen zu einer Lärmschwerhörigkeit des Klägers; solche Erkenntnisse wurden ausweislich der Beweisfragen auch nicht angefordert. Schon gar nicht wurde der Beschwerdegegner mit wissenschaftlichen medizinischen Fragen beauftragt; die Honorargruppe M 3 kommt nur zur Anwendung bei Beweisfragen, die über ärztliche Routine hinausgehen, die also wissenschaftliche Anforderungen stellen und nicht bloßes Fachwissen abfragen. Im Ergebnis äußerte sich der Beschwerdegegner ausschließlich zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der im Streit stehenden Berufskrankheit, was auch den gestellten Beweisfragen entsprach. Die Anwendung der Honorargruppen M 1 bis M 3 scheidet damit aus.
Das Gutachten des Beschwerdegegners lässt sich der Honorargruppe 4 zuordnen. Die Honorargruppe 4 ist Sachverständigengutachten des Bereiches "Lärmschutz und Akustik" vorbehalten. Denn, selbst wenn der Einwand des Antragstellers zutreffend sein sollte, dass die Messung einer Lärmexposition nicht mit Lärmschutz gleichzusetzen sei, dann ist festzustellen, dass eine Zuordnung unter dem Begriff "Akustik" zu erfolgen hat. Denn die Akustik ist die Lehre vom Schall und seiner Ausbreitung und umfasst auch die Wahrnehmung von Schall durch das Gehör des Menschen und damit auch mögliche Lärmexpositionen. Akustik umfasst sowohl Schallentstehung als auch Schallausbreitung und daneben Schallmessung.
Eine Vergütung hat auch nicht wegen einer Vorabentscheidung durch die Kammervorsitzende nach der Honorargruppe M 3 zu erfolgen. § 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG bestimmt durch den Verweis auf § 4 JVEG, dass der Sachverständige die Möglichkeit hat, eine Vorabentscheidung über die Einordnung in eine Honorargruppe herbeizuführen. Diese Regelung soll es dem Sachverständigen ermöglichen, schon sehr frühzeitig – ggf. sogleich nach seiner Beauftragung und damit schon vor Aufnahme der ihm übertragenen Aufgaben - Klarheit über die kostenmäßige Bewertung der von ihm erwarteten Leistungen und damit gleichzeitig über einen für seinen Gesamtanspruch wesentlichen Bemessungsfaktor zu erlangen (BT-Drucks. 15/1971, S. 182; BVerfG NJW-RR 2006, 1500; OLG Celle, Beschluss vom 26. Oktober 2007, 2 W 102/07, juris; LSG Thüringen, Beschluss vom 28. März 2012, L 6 SF 172/12 E, juris). Die Vorabentscheidung betrifft ausschließlich die Zuordnung der Leistung des Sachverständigen in eine Honorargruppe der Anlage 1 nach dem Stundensatz. Die Vorabentscheidung über den Stundensatz kann wie der Antrag auf gerichtliche Festsetzung nach § 4 JVEG sowohl auf Antrag des Sachverständigen oder der Staatskasse als auch von Amts wegen erfolgen. Die Entscheidung trifft das Gericht durch Beschluss, nicht der Anweisungsbeamte. Dem Vertreter der Staatskasse ist auch im Rahmen der Vorabfestsetzung rechtliches Gehör zu gewähren, § 4a JVEG ist anwendbar. Die Möglichkeit der Vorabfestsetzung und der Beschwerde sind nur gegeben, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist, weil der Sachverständige dann die Möglichkeit hat, das Festsetzungsverfahren nach § 4 Abs. 1 JVEG zu beschreiten (Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, JVEG § 9 Rn. 68-71). Die hierauf ergangene gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 9 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 i.V. mit § 4 JVEG, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist, unabhängig davon mit der Beschwerde angefochten werden, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt (Saarländisches OLG, Beschluss vom 21. Februar 2014, 9 W 4/14, juris). Soweit das Vorabentscheidungsverfahren zum Zeitpunkt der Abrechnungsreife rechtskräftig abgeschlossen ist, tritt bezüglich der in ihm festgesetzten Honorargruppe Bindungswirkung im späteren Anweisungs- oder Festsetzungsverfahren nach § 4 JVEG ein (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, JVEG § 9 Rn. 20). Diese vorherige Bestimmung der Honorargruppe steht nicht unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung im Rahmen der Vergütungsabrechnung. Die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe bestimmt sich nämlich nicht nach der tatsächlich erbrachten Leistung, sondern entsprechend der Entscheidung über die Heranziehung nach der Anlage 1. Aus dieser kann auch der medizinische Sachverständige ersehen, welche Art von Gutachten gewollt ist. Die somit unter Geltung der alten Fassung des JVEG vertretene Ansicht (Beschluss des Senats vom 18. November 2009, L 2 KR 177/09 B) wird aufgegeben. Der Gesetzgeber führte zur Begründung der Änderung in § 9 JVEG durch das 2. KostRMoG aus (BT-Drs. 17/11471, S. 260): "Die Änderungen sollen besser als der geltende Text verdeutlichen, dass es für die Zuordnung zu einer Honorargruppe allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, also insbesondere auf den Inhalt des Beweisbeschlusses und nicht auf die tatsächliche Leistung, ankommen soll. So wie auch außerhalb des Geltungsbereichs des JVEG im Wirtschaftsleben muss bei der Erteilung des Gutachtensauftrags klar sein, welche Art von Gutachten gewollt ist. Dies soll auch für Gutachten im medizinischen Bereich gelten. Gegebenenfalls muss das Gericht vor der Beauftragung des Sachverständigen abklären, welcher Art das Gutachten sein muss." Eine Zuordnung ist damit schon abschließend im Vorabentscheidungsverfahren möglich, sie steht nicht systemimmanent unter einer späteren Überprüfung im Festsetzungsverfahren. Diese Zuordnung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens ist damit auch für die Schlussabrechnung bindend (siehe auch Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2006, Rn. 878 f).
Die Kammervorsitzende stellte schon im Begleitschreiben zur Beweisanordnung, also mit der Heranziehung, die Zuordnung zu einer Honorargruppe fest und zwar zur Honorargruppe M 3. Einen formellen Beschluss erließ die Kammervorsitzende jedoch nicht. Die Beweiserhebung erfolgt gemäß § 118 SGG weitestgehend entsprechend der Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens erfolgt daher gemäß §§ 404 ff. ZPO. Hiernach bildet die schriftliche Beweiserhebung durch Sachverständige grundsätzlich die Ausnahme, erfordert sodann einen Beweisbeschluss gemäß § 358 a Nr. 4 ZPO. Demgegenüber sieht § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG vor, dass die Begutachtung durch Sachverständige angeordnet werden kann. Ein Beweisbeschluss wird daher - in Abweichung zur ZPO - nicht zwingend für erforderlich gehalten (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 106 Rn. 13; Müller, in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 106 Rn. 30). Die Kammervorsitzende verfügte im vorliegenden Verfahren – wie üblich – eine "Beweisanordnung", die den Anforderungen eines Beweisbeschlusses gemäß § 359 ZPO zwar genügt und wegen § 172 Abs. 2 SGG auch als Beschluss an sich keine Rechtsmittelbelehrung erfordern würde. Trotzdem liegt mangels entsprechender Förmlichkeit im Ergebnis kein Beweisbeschluss vor. Die streitige Honorarzuordnung erfolgte zudem nicht im Rahmen dieser Beweisanordnung, sondern im Begleitschreiben, mithin in keinem Fall im Wege des Beschlusses. Dieses Begleitschreiben stellt daher keine Festsetzung gemäß § 4 JVEG dar, zumal hinsichtlich dieses Beschlusses eine Rechtsmittelbelehrung auch erforderlich gewesen wäre, ebenso wie eine Zustellung auch an den Beschwerdeführer. Es handelt sich bei der Honorarzuordnung daher nicht um eine richterliche Festsetzung im Sinne des § 4 Abs. 1 JVEG im Wege der Vorabentscheidung. Eine Bindungswirkung wiederum geht von der nicht förmlichen Mitteilung im Begleitschreiben zur Beweisanordnung nicht aus (ebenso: Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2006, Rn. 876).
Ein Anspruch auf Vergütung nach der Honorargruppe M 3 ergibt sich auch nicht aus Vertrauensschutzgründen. Zu beachten ist, dass der Entschädigungsanspruch nach dem JVEG ein gesetzlicher, kein vertraglicher Anspruch ist. Nur in dem Fall des § 13 Abs. 1 Satz 3, Abs. 6 JVEG kommt die Zahlung einer Vergütung über den sich aus dem JVEG ergebenden Anspruch in Betracht. Grundsätzlich kann daher ein Richter die Staatskasse nicht einseitig im Voraus zur Zahlung einer bestimmten Entschädigung verpflichten. Die andernfalls faktisch unmögliche Überprüfung der Entschädigungshöhe im Beschwerdeverfahren entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes. Wenn das JVEG zudem gerade für das Bedürfnis einer Vorabentscheidung über die Zuordnung zu einer bestimmten Honorargruppe die Möglichkeit vorsieht, durch Beschluss mit Beschwerdemöglichkeit unter Beteiligung des letztendlichen Kostenträgers verbindlich zu klären, welche Honorargruppe zur Anwendung gelangt, so kann bei Fehlen eines entsprechenden Beschlusses zur richterlichen Festsetzung nicht im Ergebnis doch eine Bindung der Staatskasse ohne vorherige Beteiligung durch einseitige richterliche Verfügung entstehen. Nur ausnahmsweise kommt nämlich eine höhere als nach dem JVEG zustehende Vergütung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten in Betracht. Davon ist dann auszugehen, wenn der Berechtigte aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben sich auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen kann. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat. Eine nicht förmliche Zusage eines Richters zur Zuordnung einer Honorargruppe ist eine rechtlich bedeutungslose Abmachung, an die die Staatskasse nicht gebunden ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 10. August 1994, 8 W 429/94, MDR 1995, 211; OLG München, Beschluss vom 9. Dezember 1996, 11 W 2721/96, juris). Gerade erfahrene Sachverständige – und dies macht der Beschwerdegegner für sich geltend – dürfen eine informelle Angabe im Begleitschreiben nicht als verbindliche Festlegung im Sinne einer Vorabentscheidung begreifen. Die gerichtlichen Angaben sind damit nicht geeignet, einen in diesem Kontext relevanten Vertrauenstatbestand zu schaffen; der Antragsteller konnte aufgrund der fehlenden Förmlichkeit nicht davon ausgehen, dass die Honorarzuordnung bindend ist.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erhoben (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
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