L 8 KR 227/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 KR 225/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 227/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 27/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2015 abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 24. Februar 2014 und vom 28. April 2014, jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 8. Juli 2014, werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2) in der Zeit vom 27. Februar 2014 bis 17. November 2014 um eine in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt hat.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen zur Hälfte. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Beklagten der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der Zeit vom 27. Februar 2014 bis zum 17. November 2014 zu allen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) als Buchführungshelfer streitig.

Der Kläger zu 1) ist Diplom-Betriebswirt und die Klägerin zu 2) ist eine Steuerberatungsgesellschaft.

Der Kläger zu 1) war seit 1. Mai 2009 als selbständiger Buchführungshelfer tätig. Das Finanzamt Schwalm-Eder wies mit Schreiben vom 10. September 2013 (GA Bl. 93) ihn darauf hin, dass die geschäftsmäßige Hilfeleistungen in Steuersachen nur durch Personen und Vereinigungen erfolgen dürfe, die hierzu ausdrücklich befugt seien (§ 2 Steuerberatungsgesetz – StBerG). Da er, der Kläger zu 1), nicht zum berechtigten Personenkreis (§§ 3, 4 StBerG) gehöre, seien ihm Hilfeleistungen in Steuersachen – bis auf die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge - verboten. Bei etwaigen (erneuten) Verstößen, habe er mit einem Bußgeldverfahren zu rechnen.

Der Kläger zu 1) schloss als Auftragnehmer mit der Klägerin zu 2) als Auftraggeber am 24. Oktober 2013 einen Freien-Mitarbeiter-Vertrag rückwirkend mit Wirkung zum 1. Oktober 2013 auf unbestimmte Zeit. § 1 (Vertragsgegenstand/Aufgabenbereich) des Freien-Mitarbeiter-Vertrag lautet wie folgt:

(1) Der Auftragnehmer darf nur dem Auftraggeber gegenüber jede Tätigkeit aus dem Bereich der Hilfestellung in Steuersachen erbringen.

(2) Der Auftraggeber kann im Innenverhältnis den Auftragnehmer umfassend unterbeauftragen und ihn mit Aufgaben betrauen, die der Auftragnehmer Dritten gegenüber nicht als Selbständiger erbringen dürfe. (steuerberatende Tätigkeiten für Mandanten des Auftraggebers, insbesondere Erstellung von Lohn- und Finanzbuchführung, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen)

(3) Der Auftragnehmer übt diese Tätigkeit weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Auftraggebers aus, da er nicht zum Personenkreis im Sinne des § 56 Absatz 1 StBerG gehört.

Gem. § 3 des Vertrages erfolgte die Vergütung des Klägers zu 1) nach einem bestimmten Prozentsatz der Gebühr, die die Klägerin zu 1) seinem Mandanten für seine Tätigkeit berechnet zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer. Der Kläger zu 1) war nicht berechtigt, im Namen der Klägerin zu 2) zu zeichnen oder diese gegenüber Dritte zu vertreten (§ 4 Abs. 1 und 2 des Vertrages). Ebenfalls wurde dem Kläger zu 1) untersagt, Aufträge an Dritte oder andere freie Mitarbeiter weiterzugeben (§ 5 des Vertrages). Die Klägerin zu 2) verpflichtete sich, die vom Kläger zu 1) erbrachten Leistungen zu beaufsichtigen, zu prüfen und nach außen zu verantworten, das fachliche Aufsicht- und Weisungsrecht in vertraglich geregelter Art und Weise wahrzunehmen und gegenüber den Mandanten für Beratungsfehler des Klägers zu 1) zu haften (§ 7 Abs. 1 bis Abs. 3 des Vertrages). Ergänzend dazu haftete der Kläger zu 1) der Klägerin zu 2) für grob fahrlässig entstandene Vermögensschäden in Höhe der von ihm abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung (§ 7 Abs. 4, § 8 des Vertrages). Der Kläger zu 1) verpflichtete sich, die Kosten der von der Klägerin zu 2) verwendete Software zu tragen (§ 10 Abs. 1 des Vertrages). Weiter wurde bestimmt, dass Ergänzungen und Änderungen des Vertrages der Schriftform bedürfen (§ 10 Abs. 2 des Vertrages).

Der Kläger zu 1) beantragte am 27. Oktober 2013 bei der Beklagten ein Statusfeststellungsverfahren hinsichtlich dieser Tätigkeit. Seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter der Klägerin zu 2) sei notwendig geworden, um zukünftige Streitigkeiten mit dem Finanzamt vorzubeugen. Die Kläger stellten den Antrag auf Feststellung, dass keine sozialversicherungspflichte Beschäftigung vorliege. Der Kläger zu 1) trug dazu vor, seine bisherige Leistung im Bereich der Lohn- und Finanzbuchhaltung erbringe er – bis auf einen Auftraggeber – nun komplett als freier Mitarbeiter der Klägerin zu 2). Seit Vertragsbeginn betreue er als Buchführungshelfer die Mandate umfassend im Bereich der Hilfestellung in Steuersachen selbständig weiter i.S. aller Tätigkeiten im Rahmen der Lohn- und Finanzbuchhaltung. Er setze eigene Betriebsmittel ein. Er habe die Lizenz der von Klägerin zu 2) eingesetzten Software erworben und trage die Kosten des eigenen VPN-Zugangs. Er unterliege keiner festen Arbeitszeit und habe freie Zeiteinteilung. Die Arbeiten führe er bei dem Mandanten oder in eigenen, seit März 2013 angemieteten Räumen aus. Seine Teilnahme an Fortbildungsangeboten der Klägerin zu 2) sei freiwillig. Er habe Fortbildungskosten selbst zu tragen ebenso wie die Kfz-Kosten und die Kosten seiner seit Mai 2009 abgeschlossenen Vermögenshaftpflichtversicherung. Daneben biete er gelegentlich IT-Leistungen (Netzwerk- und ISDN-Technik) sowie Kosten-Optimierungs-Analysen für verschiedene Auftraggeber (Bauunternehmer E. A. & Sohn, Architekt F. A., Neue Bücherstube in F-Stadt, G. Holzbauten eK.) an. Zugleich legte der Kläger zu 1) eine Verdienstbescheinigung über ein Festgehalt für Oktober 2013 in Höhe von 1.591,20 EUR hinsichtlich einer versicherungspflichtigen Teilzeit-Beschäftigung in der Buchhandlung "H." im H-Stadt sowie Abrechnungen der Tätigkeiten für die Klägerin zu 2) in den Monaten Oktober bis Dezember 2013 vor.

Die Beklagte stellte mit zwei inhaltsgleichen Bescheiden vom 24. Februar 2014 gegenüber den Klägern fest, die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Buchführungshelfer für die Klägerin zu 2) werde seit 1. Oktober 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt. In diesem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 1. Oktober 2013.

Dagegen erhoben sowohl der Kläger zu 1) als auch die Klägerin zu 2) Widerspruch.

Der Kläger zu 1) führte dazu aus, er übe seine Tätigkeit nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis aus. Er sei nicht weisungsgebunden und unterliege keiner Aufsicht durch die Klägerin zu 2), da er keine Tätigkeit im Bereich der steuerlichen Hilfeleistungen erbringe. Da er diese Tätigkeit im Nebenerwerb ausübe, habe er keinen Bedarf, sich der Hilfe eines Beschäftigten zu bedienen. Auch könne die Versicherungspflicht nicht am 1. Oktober 2013 eintreten. Es lägen die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vor. Das Statusfeststellungsverfahren sei am 27. Oktober 2013 und damit binnen eines Monats nach Beginn des Vertragsverhältnisses zum 1. Oktober 2013 beantragt worden.

Die Klägerin zu 2) führte zu ihrem Widerspruch aus, der Kläger zu 1) sei nicht weisungsgebunden in seiner für sie ausgeübten Tätigkeit als Buchführungshelfer in Form der Erledigung von Finanz- und Lohnbuchhaltung. Er sei ausschließlich für diverse von ihm selbst akquirierte Mandanten tätig. Dies seien rein mechanische Tätigkeiten, die aufgrund seiner Qualifikation nicht ihrer Aufsicht unterlägen. Er bestimme über seine eigene Arbeitskraft. Sie erteile dem Kläger zu 1) keine Weisungen hinsichtlich Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit. Er bestimme frei über den Einsatz seiner unternehmerischen Möglichkeiten und trage ein unternehmerisches Risiko. Er sei für mehrere Auftraggeber tätig, biete seine selbständige Tätigkeit auf dem freien Markt an, sei in ihre Arbeitsorganisation nicht eingegliedert und erhalte weder Urlaubgeld noch Lohnfortzahlung in Krankheitsfall. Zudem sei die Regelung des § 1 Abs. 3 des Vertrages eine Vorgabe der Berufsordnung (§ 17 BOStB) und bezogen auf Tätigkeiten, soweit diese über die Buchung laufender Geschäftsvorfälle hinausgingen. Diese Vorgaben seien nicht arbeitsrechtlich zu sehen.

Die Beklagte nahm mit zwei inhaltsgleichen Bescheiden vom 28. April 2014 ihre Bescheide vom 24. Februar 2014 gegenüber den Klägern hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung zurück und stellte nunmehr deren Beginn zum 27. Februar 2014 fest.

Der Beklagten wurde eine Rechnung der Klägerin zu 2) vom 11. April 2014 vorgelegt, mit der sie dem Kläger zu 1) die Kosten eines ADDISON Netzarbeitsplatzes nebst Wartungsgebühr, Docu Ware Client Lizenz nebst Wartungsgebühr zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 1.560,69 EUR in Rechnung stellte, sowie weitere an den Kläger zu 1) gerichtete Rechnungen über geleistete IT-Dienstleistungen und andere Software-Kosten (VwA Bl. 104 – 106).

Die Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit zwei inhaltsgleichen Widerspruchsbescheiden vom 8. Juli 2014 zurück, soweit den Widersprüchen mit Bescheid vom 28. April 2014 nicht abgeholfen worden war. Sofern der Kläger zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig sei, lasse dies nicht den Schluss zu, dass er in der Gesamtheit selbständig tätig sei. Gegenstand des Statusfeststellungsverfahrens sei ausschließlich das Auftragsverhältnis, für welches die Statusklärung beantragt sei. Der Kläger zu 1) sei zwar nicht an feste Arbeitszeiten gebunden, wohl aber an Fristen in der Bearbeitung, so dass die freie Gestaltung der Arbeitszeit hier nur bedingt gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche. Ein erhebliches Unternehmerrisiko trage er nicht. Er erhalte eine fest vereinbarte Vergütung. Da die Höhe der Vergütung nicht von einem Erfolg abhängig sei, komme diese einer Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung gleich. Er habe zwar Software-Lizenzen angeschafft. Der finanzielle Aufwand für die Anschaffung sei aber nicht so groß, dass daraus ein unternehmerisches Risiko herzuleiten sei. Es spiele keine Rolle, dass im Freien-Mitarbeiter-Vertrag keine Regelungen zu einem Anspruch auf Urlaub bzw. Lohnfortzahlung in Krankheitsfall getroffen worden seien. Die Aufnahme derartiger Regelungen gehöre nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches habe - regelmäßig - zur Folge, dass Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüche entstehen könnten.

Dagegen hat der Kläger zu 1) am 4. August 2014 vor dem Sozialgericht Kassel (Az. S 12 KR 225/14) Klage erhoben und die Klägerin zu 2) dort ebenfalls am 6. August 2014 (Az. S 12 KR 228/14). Das Sozialgericht hat die Klagen mit Beschluss vom 10. Februar 2015 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden unter dem führenden Az. S 12 KR 225/14.

Der Kläger zu 1) hat ergänzend vorgetragen, er betreue aufgrund des Freien-Mitarbeiter-Vertrages lediglich die von ihm mitgebrachten fünf Mandanten, die er bereits zuvor im Rahmen seiner vom Finanzamt untersagten Tätigkeit betreut habe. Es habe insoweit zu keiner Zeit eine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit bestanden. Die im o.a. Vertrag geregelte Weisungsgebundenheit beziehe sich insoweit allein auf die fachliche und berufliche Verantwortung der Klägerin zu 2), die im Außenverhältnis allein hafte. Eine Ausweitung seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter sei zum damaligen Zeitpunkt nicht geplant gewesen, da er lediglich die Betreuung der fünf mitgebrachten Mandanten neben seiner 25,5-stündigen wöchentlichen hauptberuflichen Tätigkeit als Finanz- und Lohnbuchhalter in einer H-Stadt Buchhaltung habe weiter leisten wollen. Er habe seine freiberufliche Tätigkeit ausschließlich in den von ihm angemieteten Gewerberäumlichkeiten mit auf eigene Kosten angeschafften Arbeitsmitteln ausgeführt. Er habe sich vertraglich verpflichtet, die von der Klägerin zu 2) verwendete Software auf eigene Kosten anzuschaffen bzw. eine Unterlizenz zu erwerben. Da er ausschließlich für die von ihm akquirierten Mandanten im Bereich laufender Finanzbuchhaltung und monatlicher Lohnbuchhaltung gearbeitet habe, habe er ein unternehmerisches Risiko getragen. Er habe das volle Ausfallrisiko eines Entgelts getragen, da seine Abrechnungen gegenüber der Klägerin zu 2) immer nur fällig gewesen seien, wenn die Mandanten ihre Rechnungen gezahlt hätten. Er sei seit 18. November 2014 zunächst in Teilzeit und seit 1. Januar 2015 in Vollzeit bei der Klägerin zu 2) sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dies ändere nichts an der Beurteilung seiner vorhergehenden Tätigkeit als freier Mitarbeiter. Es sei eine Stelle frei geworden, die die Klägerin zu 2) ihm angeboten habe. Die Beschäftigung in H-Stadt habe er sodann beendet.

Die Klägerin zu 2) hat im Verfahren vor dem Sozialgericht nichts Ergänzendes vorgetragen.

Das Sozialgericht Kassel hat mit Urteil vom 13. Mai 2015 die gegen die Kläger ergangenen Bescheide vom 24. Februar 2014 und Änderungsbescheide vom 28. April 2014 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 8. Juli 2014 aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2) vom 27. Februar 2014 bis zum 17. November 2014 um eines selbständige, sozialversicherungsfreie Tätigkeit gehandelt habe. Dazu hat das Sozialgericht ausgeführt, beiden Klagen seien stattzugeben. Der Kläger zu 1) habe im streitigen Zeitraum vom 27. Februar 2014 bis zum 17. November 2014 in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin zu 2) gestanden. Stattdessen sei der Kläger zu 1) für die Klägerin zu 2) als freier Mitarbeiter selbständig tätig gewesen. Die Kammer stütze sich auf die Angaben des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) und ziehe andere rechtliche Schlüsse als die Beklagte. Der Kläger zu 1) habe ab dem 1. Oktober 2013 nichts anderes getan, als die Tätigkeit fortzusetzen, die ihm zuvor vom Finanzamt untersagt worden sei. Ob den Angaben der Kläger zu folgen sei, dass die vorliegende Vertragsgestaltung rechtlich erlaubt sei, könne dahingestehen. Eine tatsächliche Weisungsgebundenheit habe jedenfalls nicht vorgelegen. Der Kläger zu 1) habe im streitigen Zeitraum allein mitgebrachte Mandanten in derselben Art und Weise betreut wie zuvor. Darüber hinaus sei diese Tätigkeit im Wesentlichen allein unter Aufbringung der Betriebsmittel des Klägers zu 1) erfolgt. Damit habe der Kläger zu 1) ein nicht unerhebliches unternehmerisches Risiko getragen. Zudem sei die Fälligkeit seiner Abrechnung gegenüber der Klägerin zu 2) davon abhängig gewesen, dass die von ihm betreuten Mandanten die ihnen von der Klägerin zu 2) in Rechnung gestellten Gebühren tatsächlich zahlten. Selbst im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung stünden noch Mandantengelder aus und die vom Kläger zu 1) erbrachten Leistungen seien insoweit noch nicht vergütet worden. Der einzige Unterschied der Tätigkeit des Klägers zu 1) zu seiner vorausgegangenen - vom Finanzamt untersagten Tätigkeit - bestehe letztlich darin, dass er die Tätigkeit zumindest nach außen im Namen der Klägerin zu 2) ausgeübt habe. Dies habe allein steuerrechtliche Gründe. Die Selbständigkeit des Klägers zu 1) bleibe hiervon unberührt.

Gegen das ihr am 9. Juli 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Juli 2015 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Die Berichterstatterin des Senats hat den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2), vertreten durch ihren Geschäftsführer, Herrn J., im Erörterungstermin am 12. Mai 2016 angehört. Der Kläger zu 1) hat ergänzend Unterlagen vorgelegt. Daraus ergeben sich zusätzliche Einnahmen des Klägers zu 1) aus seinen Tätigkeiten, die er neben der Halbtagstätigkeit in der Buchhandlung "H." in H-Stadt und zusätzlich zu der vorliegend streitigen Tätigkeit für die Klägerin zu 2) ausübt (Bücherstube F-Stadt, A., Architekt, B. & Partner, A. & Sohn Bau):

Es folg eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.

Monat Beleg Datum zusätzliche zu den Tätigkeiten für die Klägerin zu 2) nebenberufliche Tätigkeiten des Klägers zu 1) Entgelte daraus Entgelte aus der streitigen Tätigkeit für die Kl. 2)
03/2014 03.03.2014 12.03.2014 12.03.2014 13.03.2014 13.03.2014 Bücherstube F-Stadt A., Architekt A., Architekt A. & Sohn Bau A. & Sohn Bau 133,00 EUR 4,75 EUR 4,75 EUR 47,50 EUR 47,50 EUR 237,50 EUR
360 EUR 4/2014 16.04.2014 B. & Partner A. & Sohn Bau 163,78 EUR 047,50 211,28 EUR
400,00 EUR 5/2014 14.05.2014 22.05.2014 26.05.2014 B. & Partner A. & Sohn Bau A., Architekt 77.90EUR 47,40 EUR 4,75 EUR 130.05 EUR
350 EUR 6/2014 03.06.2014 12.06.2014 12.06.2014 Bücherstube F-Stadt A. & Sohn Bau A., Architekt 66,50 EUR 47,50 EUR 4,75 EUR 118,75 EUR
350 EUR 7/2014 03.07.2014 17.07.2014 23.07.2014 B. & Partner A., Architekt A. & Sohn Bau 98,80 EUR 4,75 EUR 47,50 EUR 151,05 EUR
390 EUR 8/2014 12.08.2014 14.08.2014 A., Architekt A. & Sohn Bau 4,75 EUR 47,50 EUR 52,25 EUR
350 EUR 9/2014 03.09.2014 24.09.2014 30.09.2014 B. & Partner A., Architekt A. & Sohn Bau 152,00 EUR 4,75 EUR 4,75 EUR 161,50 EUR
370 EUR 10/2014 08.10.2014/ 14.10.2014 30.10.2014 A. & Sohn Bau A., Architekt B. & Partner 56,91 EUR 4,75 EUR 91,20 EUR 152,86 EUR
330 EUR 11/2014./ .../ .../ .../.

Tabellenende

Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger zu 1) sei nach den maßgeblichen Regelungen des geschlossenen Freien-Mitarbeiter-Vertrages weisungsgebunden und in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 2) eingegliedert gewesen. Zwar habe das Entgelt des Klägers zu 1) aus seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Jedoch führe die Zusammenrechnung der Entgelte aus dem streitbefangenen Auftragsverhältnis mit den Entgelten aus den Tätigkeiten für die übrigen Auftraggeber zu einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze. Dies führe zu einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2) im streitigen Zeitraum.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger zu 1) vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe unter Berücksichtigung der Regelungen des geschlossenen Freien-Mitarbeiter-Vertrages zutreffend entschieden. Vor dem Hintergrund des vom Finanzamt ausgesprochenen Verbots im September 2013 habe er mit seinen Mandanten mündlich vereinbart, dass sie ab dem 1. Oktober 2013 von der Klägerin zu 2) eine Rechnung über seine Tätigkeit erhalten würden in Höhe des vereinbarten Entgelts. Einen Teil seiner Mandanten habe er dadurch verloren. Bei dem Bauunternehmen E. A. & Söhne, F. A. Architekt und F. A. K. handele es sich um Firmen seines Schwiegervaters, die er als naher Angehöriger auf eigene Rechnung habe betreuen dürfen. Die Firma G. Holzbauten eK habe er nur hinsichtlich der Software betreut, nicht buchführungstechnisch. Alle anderen Mandanten habe er entsprechend den vorgelegten Rechnungen betreut. Die Klägerin zu 2) habe dem jeweiligen Mandanten 100 % der Gebührenordnung in Rechnung gestellt. Er habe der Klägerin zu 2) für seine Tätigkeit 80 % des Gesamtentgelts nach der Steuerberatergebührenordnung in Rechnung gestellt. Die restlichen 20 % seien bei der Klägerin zu 2) verblieben. Dies habe dem geschlossenen Freien-Mitarbeiter-Vertrag entsprochen. Auch über den 1. Oktober 2013 hinaus habe er für die Neue Bücherstube in F-Stadt auf eigene Rechnung arbeiten können, da diese Tätigkeit nicht vom Verbot des Finanzamtes umfasst gewesen sei. Ihm habe die fristgerechte Erledigung der Buchführungsaufträge seiner Mandanten oblegen, d. h. er habe dafür Sorge getragen, dass dies fristgerecht geschehen sei. Eine Vertretung durch andere Mitarbeiter der Klägerin zu 2) habe nicht stattgefunden. Das Aufgabengebiet seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) habe sich seit dem 18. November 2014 vergrößert. Nunmehr bearbeite er Steuererklärungen und erstelle Bilanzen.

Die Klägerin zu 2) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin zu 2) vertritt ebenfalls die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Ergänzend trägt sie vor, es habe für den Kläger zu 1) allenfalls eine fachliche Weisungsgebundenheit bestanden, jedoch keine arbeitsrechtliche. Zudem habe Weisungsgebundenheit und Aufsichtspflicht allenfalls 5 % der Leistungen des Klägers zu 1) betroffen.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (3 Bände) und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG).

Die gemäß gem. § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig, konnte in der Sache jedoch nur zum Teil Erfolg haben.

Das Urteil des Sozialgerichts ist insoweit zutreffend, als es zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Bescheide der Beklagten vom 24. Februar 2014 in Gestalt der Bescheide vom 28. April 2014, alle in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 8. Juli 2014 rechtswidrig sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen. Dies jedoch nicht, weil der Kläger zu 1) seine Tätigkeit im streitigen Zeitraum für die Klägerin zu 2) als selbständig Tätiger ausübte, sondern weil diese Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis geringfügig war und mit seinen weiteren – ebenfalls geringfügigen – Tätigkeiten nicht zusammenzurechnen ist.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, der Pflege-. der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - SBG V -, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch Soziale Pflegeversicherung - SGB XI -, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI -, § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - SGB III -). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRsprg., vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R – m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, juris Rn. 16 - stRsprg).

Das Sozialgericht hat diese rechtlichen Maßstäbe richtig erkannt, jedoch zur Überzeugung des Senats nicht zutreffend angewandt. Vorliegend überwiegen entscheidend die Aspekte, die für eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) sprechen.

Nach den Regelungen des am 24. Oktober 2013 mit Wirkung zum 1. Oktober 2013 geschlossenen Vertrags war der Kläger zu 1) für die Klägerin zu 2) weisungsabhängig tätig. Er übte seine vom Finanzamt Schwalm-Eder mit Schreiben vom 10. September 2013 untersagte selbständige Tätigkeit nunmehr unter der Verantwortung und dem Weisungsrecht der Klägerin zu 2) aus. Inhalt des Vertrags ist die Hilfestellung in Steuersachen (§ 1 (1) des Vertrages. Der Kläger zu 1) wurde darin als Auftragnehmer von der Klägerin zu 2) als Auftraggeberin umfassend beauftragt, Aufgaben für Dritte wahrzunehmen, die er für Dritte als Selbständiger nicht erbringen durfte (§ 1 (2) des Vertrages). Diese Tätigkeit übte der Kläger zu 1) weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung der Klägerin zu 2) aus (§ 1 (3) des Vertrages). Die Klägerin zu 2) verpflichtete sich ausdrücklich, die vom Kläger zu 1) erbrachte Leistung zu beaufsichtigen, zu prüfen und nach außen zu verantworten (§ 7 (1) des Vertrages). Auch war die Art und Weise der Wahrnehmung des Aufsichts- und Weisungsrechts der Klägerin zu 2) vertraglich (§ 7 (2) des Vertrags) geregelt sowie ihre Haftung für Beratungsfehler des Klägers (§ 7 (3) des Vertrags). Damit war der Kläger zu 1) im streitigen Zeitraum bei der Erfüllung dieser vertraglichen Tätigkeit in die betriebliche Ordnung der Klägerin zu 2) im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess eingegliedert.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zu 1) im Rahmen seiner Anhörung im Erörterungstermin am 12. Mai 2016 erklärte, im Rahmen des Vertrages mit der Klägerin zu 2) habe er lediglich seine bisherigen Mandanten weiterbetreut; ihm allein habe die fristgerechte Erledigung der Buchführungsaufgaben seiner bisherigen Mandanten oblegen; er sei nicht durch andere Mitarbeiter der Klägerin zu 2) vertreten worden. Denn auf der Grundlage seiner fachlichen Kompetenz und der vorherigen selbständigen Betreuung dieser Mandanten waren im alltäglichen Geschäft Weisungen der Klägerin zu 2) an den Kläger zu 1) nicht erforderlich. Entscheidend ist aber, dass fachliche Weisungen der Klägerin zu 2) vertraglich möglich gewesen sind und dies nach dem Einschreiten des Finanzamtes auch als wesentlicher Vertragsinhalt angesehen werden muss. Dass solche rein faktisch nicht zum Tragen gekommen sind, steht dem nicht entgegen. Entscheidend sind die vertraglichen Regelungen.

Soweit der Kläger zu 1) vorträgt, 95 % seiner Tätigkeit habe solche Hilfeleistungen in Steuersachen umfasst, die von der Untersagung durch das Finanzamt gar nicht erfasst gewesen sei; es handele sich dabei um "mechanische Arbeitsgänge" i.S.v. § 6 Nr. 3 StBerG wie Schreib- und Rechenarbeiten, Datenerfassung von Belegen etc., auf sich der Vertrag nicht bezogen habe, sondern allein auf diejenigen Hilfestellungen in Steuerangelegenheiten, die aufgrund der Vorgaben des StBerG der Klägerin zu 2) vorbehalten gewesen seien; trägt diese Argumentation nicht. Denn der Vertrag bezieht sich nach seinem Regelungsgehalt auf die gesamte mit dem jeweiligen Mandat verbundene Tätigkeit des Klägers zu 1). Dies wird darin deutlich, dass die Klägerin zu 2) die gesamte von dem Kläger zu 1) erbrachte Dienstleistung gegenüber dem Mandanten abrechnete. Eine Trennung der Tätigkeit in einen "nicht beaufsichtigungspflichtigen" Teil und einen weiteren, der Aufsicht und Kontrolle der Klägerin zu 2) unterliegenden Teil war weder beabsichtigt noch faktisch möglich, da nach dem Regelungsinhalt des Vertrages das gesamte Mandat der Klägerin zu 2) zugeordnet wurde und die vertragliche Tätigkeit des Klägers darin bestand, alle mit dem Mandat verbundenen Arbeiten – also sowohl schlichte Schreib- und Rechenarbeiten, Datenerfassung von Belegen, aber auch einem geprüften Steuerberater vorbehaltene Tätigkeiten - umfassend zu erledigen. Insoweit war die Tätigkeit des Klägers zu 1) nach der Regelung in § 1 (3) des Vertrags über freie Mitarbeit insgesamt weisungsgebunden.

Der Einordnung des Klägers zu 1) in die betriebliche Ordnung steht nicht entgegen, dass es ihm möglich war, außerhalb der Büroräume der Klägerin zu 2) zu arbeiten. Denn diese Einordnung erfordert nicht die Erfüllung der vertraglichen Leistungen am Betriebssitz des Auftraggebers.

Die Bezeichnung des am 24. Oktober 2013 geschlossenen Vertrags als "Freier-Mitarbeiter-Vertrag" begründet keine andere Beurteilung. Diese Bezeichnung steht den vertraglichen Regelungen entgegen, die - wie ausgeführt - für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status maßgeblich sind.

Die vom Kläger zu 1) getätigten Investitionen sprechen nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Dies auch unter der Berücksichtigung der Regelungen des Freien-Mitarbeiter-Vertrags, die dem Kläger zu 1) arbeitnehmeruntypische Risiken aufbürden. So regelt § 3 (1) des Vertrages, dass der Kläger zu 1) eine Vergütung seiner Tätigkeit von der Klägerin zu 2) nur dann erhält, wenn der betreffende Mandant die Rechnung tatsächlich zahlt. Auch wurde der Kläger zu 1) zur Abdeckung seiner Haftung für grob fahrlässig entstandene Vermögensschäden (§ 4 des Vertrags) zur Führung einer Haftpflichtversicherung (§ 5 (1) des Vertrags) verpflichtet. Entsprechendes gilt für die vertraglich geregelten Investitionen des Klägers zu 1) für Software. Diese Risikoverlagerung auf den Kläger zu 1) durch den Freien-Mitarbeiter-Vertrag führt zu keiner anderen Beurteilung seiner Tätigkeit als Buchführungshelfer im streitigen Zeitraum. Denn der Kläger zu 1) konnte seine Tätigkeit als Buchführungshelfer sowohl auf der Grundlage der vertraglichen Regelungen als auch der diesbezüglichen Vorgaben der §§ 3, 4 StBerG nur im Auftrag, unter der Aufsicht und der Verantwortung der Klägerin zu 2) und damit in Rahmen einer weisungsabhängigen Beschäftigung zur Klägerin zu 2) erbringen, so dass die vertragliche Übernahme arbeitnehmeruntypischer Risiken den Kläger zu 1) nicht zum Selbständigen machen kann.

Die somit nach § 7 SGB IV abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) in der Zeit vom 27. Februar 2014 bis zum 17. November 2014 für die Klägerin zu 2) bedingt jedoch keine Sozialversicherungspflicht. Die Entgelte des Klägers zu 1) aus dieser Tätigkeit waren im streitigen Zeitraum stets geringfügig und unterlagen damit nicht der Sozialversicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 5 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB VI in der vom 1. Januar 2013 bis zum 16. November 2016 gültigen Fassung und § 27 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB III in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung sind Personen in einer geringfügigen Beschäftigung versicherungsfrei. Gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI folgt die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung der Krankenversicherung. Gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liegt eine Entgelt geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung im Monat 450 EUR nicht übersteigt. Der Kläger zu 1) erzielte aus seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) im Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 17. November 2014 ein Entgelt, das in jedem dieser Monate unter 450 EUR lag.

Entgegen der Auffassung der Beklagten führen die weiteren Nebentätigkeiten des Klägers zu 1) nicht zu einem Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze und damit zur Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2). Gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV sind bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 SGB IV mehrere geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen. Die vorliegend nachgewiesenen weiteren Entgelte aus geringfügigen Tätigkeiten des Klägers zu 1) für die Bücherstube F-Stadt, A., Architekt, A. & Sohn Bau und die Klägerin zu 1) in den Monaten März 2014 bis einschließlich Oktober 2014 – insoweit verweist der Senat auf die von ihm gefertigte Auflistung der einzelnen weiteren Tätigkeiten des Klägers zu 1) – stellen nach Überzeugung des Senats aber keine Tätigkeiten im Rahmen einer Beschäftigung nach § 7 SGB IV dar. Der Kläger hat diese Tätigkeiten nach seinen glaubhaften Erklärungen bereits vor dem Verbot des Finanzamtes Schwalm-Eder vom 10. September 2013 im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit ausgeführt. Unabhängig davon, ob die Fortführung dieser selbständigen Tätigkeiten, wie der Kläger zu 1) ausgeführt hat, von der Untersagung des Finanzamtes nicht erfasst war, sind weder dem Vortrag des Klägers zu 1) noch der Beklagten Anhaltspunkte zu entnehmen, die gegen eine Bewertung dieser Tätigkeiten als selbständige Tätigkeit sprechen.

Das Urteil des Sozialgerichts war auch hinsichtlich der Kostenentscheidung abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 193 SGG. Es liegt ein Fall subjektiver Klagehäufung bei einem einheitlichen Streitgegenstand vor. Die Anwendung des Gerichtskostengesetzes und der VwGO ist bereits ausgeschlossen, wenn nur einer der Kläger - wie vorliegend der Kläger zu 1) - zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, BSGE 119, 216-224, Rn. 33). Im Hinblick darauf, dass die Kläger mit ihrem weitergehenden Klageziel - der Feststellung einer selbständigen Tätigkeit - keinen Erfolg haben, war die Beklagte lediglich zur Tragung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu verpflichten.

Die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil wird damit gegenstandslos.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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