Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 60/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 191/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 18/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung im Rahmen eines Überprüfungsantrages umstritten.
Der Kläger, geboren 1953, erlernte vom 20.06.1968 bis zum 30.06.1971 den Beruf des Straßenbauers. Vom 01.04.1973 bis zum 30.06.1974 war er bei der Bundeswehr gewesen. Bis 02/1994 arbeitete er als Straßenbauer im Tiefbau. Seit 1995 erhält der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten ermittelte die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen nach dem Antrag des Klägers von 10/1994 auf Anerkennung einer Berufskrankheit unter Beiziehung von ärztlichen Befundberichten, der Akte des zuständigen Rentenversicherungsträgers, der Schwerbehindertenakte, dem klägerischen Vorerkrankungsverzeichnis und Unterlagen der jeweiligen Arbeitgeber des Klägers.
Das Gutachten vom 06.01.1996 von Dr. C. und D. auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet verneinte eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Die beruflichen Voraussetzungen der Berufskrankheit seien bislang nicht gesichert. Jedoch seien hierzu keine Ermittlungen notwendig, da auch die medizinischen Voraussetzungen nicht vorlägen. Zu keinem Zeitpunkt seien beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule irgendwelche bandscheibenbedingten Auffälligkeiten / Funktionseinbußen objektiviert worden. Bandscheibenveränderungen kämen in den beiden unteren Segmenten L4-S1 zur Darstellung. Knöcherne Reaktionen im Bereich der Grund- und/oder Deckplatten und/oder an den Wirbelkörperbegrenzungen zeigten sich nicht. Alle übrigen Segmente der Lendenwirbelsäule und der unteren Brustwirbelsäule, die funktionell zur Lendenwirbelsäule zu rechnen seien, kämen völlig regelhaft und ohne jegliche vorzeitige Veränderungen zur Darstellung. Es liege damit allenfalls ein isoliertes Schadensbild in dem Segment L4/5 vor, welches nicht belastungskonform sei. Es fehle jegliches Indiz für die Auswirkung einer versicherten Exposition. Ein entscheidendes Indiz für die expositionsfremde Genese des Beschwerde- und Schadensbildes sei die Manifestation der Rückenschmerzen bereits im jugendlichen Alter von 15 Jahren bzw. im ganz jungen Erwachsenenalter von 20 bzw. 24 Jahren. Die Manifestation des Schadens bereits im jungen Erwachsenalter weise auf die überragende Bedeutung der Schadensanlage für das Krankheitsbild hin.
Von einem allein anlagebedingten Beschwerde- und Schadensbild beim Kläger sei auch deswegen auszugehen, da der Beginn der Beschwerden zeitlich mit dem Beginn der wirbelsäulenbelastend zu diskutierenden beruflichen Exposition zusammengefallen sei.
Mit Bescheid vom 11.03.1996 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten nach Anhörung des Landesgewerbearztes das Vorliegen der Berufskrankheit Nr. 2108 und/oder 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ab. Die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule seien kein Ausdruck einer Berufskrankheit. Das erforderliche Krankheitsbild für die Berufskrankheit Nr. 2108/2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung liege nicht vor.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 28.03.1996 Widerspruch ein.
Der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten befragte technische Aufsichtsdienst führte unter dem 12.02.1997 aus, dass der Kläger in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten im erforderlichen Mindestumfang im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung gefährdend tätig gewesen sei.
Den klägerischen Widerspruch wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.1997 zurück. Im Bereich der Lendenwirbelsäule sei ein berufsbedingtes Bandscheibenleiden nicht zu erkennen. Die Beschwerden beruhten auf anlagebedingten Wirbelsäulenveränderungen: am Übergang von der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule lägen eine unharmonisch verlaufende abgeflachte Lordose mit kyphotischer Knickbildung sowie eine linkskonvexe Skoliose und Residuen einer durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung im Bereich der unteren Brustwirbelsäule und oberen Lendenwirbelsäule vor. Für ein anlagebedingtes Schadensbild spreche auch die Manifestation des Beschwerde- und Schadensbildes bereits im jugendlichen Alter von 15 Jahren bzw. im jungen Erwachsenenalter von 20 Jahren.
In dem sich vor dem Sozialgericht anschließenden Klageverfahren, Az. S 1 U 53/97, verneinte das eingeholte Gutachten von Dr. E. vom 16.03.1998 das Vorliegen einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung. Es lägen eine leichte Verschmälerung des Bandscheibenraumes L5/S1 ohne Hinweis auf wesentliche funktionelle Einschränkungen und eine Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule vor. Es lägen keine funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäule vor: weder vom klinischen Befund inklusive der neurologischen Untersuchung noch von Seiten der Röntgenmorphologie lägen beim Kläger dem Alter vorauseilende klinische bzw. degenerative Veränderungen vor. Es sei im Gegenteil erstaunlich, dass sich 20 Jahre im Straßenbau nicht stärker im Bereich der Wirbelsäule manifestiert hätten.
Es liege nur eine leichte Verschmälerung des Bandscheibenraumes (Chondrose) für L1/2 und L5/S1 vor. Des Weiteren bestehe eine Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule. Diese radiologischen Veränderungen führten jedoch zu keiner weitreichenden funktionellen Einschränkung der Lendenwirbelsäule. Die Lendenwirbelsäule sei frei entfaltbar und neurologische Ausfälle seien nicht nachzuweisen. Eine Bandscheibenerkrankung mit radikulärer Symptomatik liege beim Kläger nicht vor. Es bestünden nur die die radiologischen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche funktionelle Ausfälle, die mit einer lokalen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelbogengelenke einhergehen können. Es fehle auch an einem Hinweis auf eine spinale Enge.
Der alleinige Nachweis von degenerativen Veränderungen wie Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose ohne chronisch-rezidivierende Beschwerden und Funktionsausfälle keinen Berufskrankheitenverdacht begründe. Beim Kläger lägen zwar chronisch-rezidivierende Beschwerden vor, jedoch nachweislich keine Funktionsausfälle. Irgendwelche bandscheibenbedingten Auffälligkeiten / Funktionseinbußen seien zu keinem Zeitpunkt objektiviert worden.
Alleinige röntgenologische Lendenwirbelsäulenveränderungen reichten nicht aus, den Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung zu begründen. Die erforderliche Funktionsbeeinträchtigung sei beim Kläger nicht gegeben.
Der Umstand, dass der Kläger bereits seit seinem fünfzehnten Lebensjahr belastungsabhängige Rückenbeschwerden gehabt habe, spreche eher für einen schicksalhaften Verlauf. Zudem lägen beim Kläger keine dem Alter vorauseilenden Befunde vor. Es sei vielmehr erstaunlich, dass beim Kläger nur relativ gering ausgeprägte radiologische Veränderungen in der Lendenwirbelsäule trotz langjähriger Tätigkeit mit Heben und / oder Tragen schwerer Lasten vorlägen.
Mit Urteil vom 28.07.1998 wurde die Klage des Klägers mangels Vorliegens der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung zurückgewiesen.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az. L 17 U 227/98, wies die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 17.05.1999 zurück. Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen resultiere kein Anscheinsbeweis zugunsten einer beruflichen Verursachung oder für das erforderliche Krankheitsbild. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung lägen nicht vor.
Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 09.09.1999 als unzulässig zurückgewiesen, Az. B 2 U 158/99 B.
Mit Schreiben vom 25.08.2000 begehrte der Kläger erneut die Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung, nachdem bei ihm ein Prolaps im Segment L4/5 und L5/S1 festgestellt worden waren.
Mit Bescheid vom 23.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2000 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 ab. Neue Tatsachen, die das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen begründen könnten, seien nicht vorgetragen worden.
In dem sich vor dem Sozialgericht Aachen anschließenden Verfahren, Az. S 14 U 88/00, wurde ein Gutachten bei Dr. F. eingeholt. In dem orthopädischen Gutachten vom 26.12.2001 wurden eine wiederkehrende Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei rechtskonvexer Ausbiegung, eine Höhenminderung der Zwischenwirbelräume L4/5 und L5/S1 seit 1994, rechtsseitige Bandscheibenvorfälle in beiden Etagen seit 06/2000 und der neurologische Nachweis eines sensiblen Ausfallsyndroms der Nervenwurzel L4 rechts bei regelrechtem Reflexverhalten und negativem Lasègue’schem Zeichen festgestellt.
Die in der Vergangenheit wiederholt attestierten Funktionseinschränkungen seien offensichtlich nicht auf Bandscheibenschäden, sondern eine Wirbelgelenkarthrose zurückzuführen. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung sei ein klinisch relevantes bandscheibenbedingtes Krankheitsbild. Von dem behandelnden Orthopäden sei zu keinem Zeitpunkt ein bandscheibenbedingtes Krankheitsbild angegeben worden und bildtechnisch sei der Bandscheibenvorfall erst fünf Jahre nach dem Ende der belastenden Tätigkeit festgestellt worden. Die rechtsseitig ausstrahlenden Beschwerden fänden sich erstmals in den Befundberichten Mitte 2000. Eine Funktionsbeeinträchtigung finde sich aber dauerhaft nicht. Es gebe keinen Anhalt dafür, dass bereits zuvor entsprechende Beschwerden bestanden hätten.
Klagen über Beschwerden seien nicht gleichzustellen mit Funktionsstörungen durch Bandscheibenschäden. Eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sei zu verneinen.
Mit Urteil vom 14.03.2002 wurde die Klage abgewiesen, da die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht vorlägen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az. L 2 U 36/02, übersandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Berechnung des Technischen Aufsichtsdienstes vom 25.11.2002, wonach sich nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell eine Gesamtdosis von 31,88 MNh für den Kläger ergebe. Unter dem 18.12.2002 wurde mitgeteilt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch nach dem Modell Dupuis/Hartung erfüllt seien (13,85 MNh).
Das eingeholte Gutachten von Dr. G. vom 06.10.2003 stellte eine die Altersnorm übersteigende vordere Spondylose C4/5, leichte Unkarthrosen C4/5 und C6/7 ohne wesentliche Bandscheibenverschmälerung mit Bewegungseinschränkung und lokalen Reizerscheinungen ohne sichere Hinweise für eine Nervenwurzelreiz- oder –kompressionsymptomatik, eine geringgradige Brustwirbelsäulenverbiegung, im Übrigen einen altersentsprechenden röntgenmorphologischen Befund der Brustwirbelsäule ohne wesentliche Funktionsstörungen, eine flache linkskonvexe Lumbalskoliose bei Beckenschiefstand, Folgen eines abgelaufenen Morbus Scheuermann L1 und L2 mit geringe Zwischenraumhöhenminderung L1/2 ohne wesentliche Osteochondrose oder Spondylose, in der jüngsten Zeit beginnende Zwischenwirbelraumhöhenminderung L4/5 mit beginnender Osteochondrose ohne wesentliche Spondylose und schmal angelegten Bandscheibenraum L5/S1 ohne wesentliche Osteochondrose oder Spondylose, Bandscheibenvorwölbung L4/5 rechts und geringe mittelständige Bandscheibenvorwölbung L5/S1 mit Entfaltungsstörung der unteren Lendenwirbelsäule und lokalen Reizerscheinungen ohne Hinweise für eine Nervenreiz- oder kompressionssymptomatik.
Gegen ein belastungskonformes Schadensbild sprechen eine gleichmäßig starke Veränderung der Bandscheiben über zwei oder alle drei Wirbelsäulenabschnitte, eine Akzentuierung der bandscheibenbedingten Veränderungen an belastungsfernen Wirbelsäulenabschnitten, das Auftreten von Veränderungen vor Vollendung des dritten Lebensjahrzehntes und konkurrierende Erkrankungen aus dem außerberuflichen Bereich. Gegen eine berufliche Teilursache spreche das Fehlen reaktiver Umbauprozesse, die Hinweise auf eine langjährige vermehrte Zug- und Druckbelastung wären.
Ein Schwerpunkt der bandscheibenbedingten Veränderungen an der Wirbelsäule lasse sich morphologisch nicht feststellen. Die Verteilung der bandscheibenbedingten Veränderungen korreliere damit nicht mit der Art der versicherten Tätigkeit und den hierdurch bedingten beruflichen Belastungen.
Es fehle der Nachweis einer eindeutigen klinischen Symptomatik, die eine bandscheibenbedingte Erkrankung der unteren Lendenwirbelsäule zu diesem Zeitpunkt nachweisen würde. Alleine aus der gesicherten klinischen Symptomatik könne nicht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung geschlossen werden.
Die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ließen sich nicht begründen aufgrund des fehlenden belastungskonformen Schadensbildes, des Vorliegens konkurrierender Ursachenfaktoren in Form eines abgelaufenen Morbus Scheuermann und der insgesamt nur mäßig ausgeprägten bandscheibenbedingten Veränderungen an der Gesamtwirbelsäule des Klägers.
Mit Urteil vom 16.04.2004 wurde die Berufung zurückgewiesen, da beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliege. Zudem wurden dem Kläger Missbrauchsgebühren für die missbräuchliche Weiterführung des Rechtsstreites auferlegt.
Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht, Az. B 2 U 184/04 B, wurde mit Beschluss vom 23.08.2004 als unzulässig verworfen.
Mit Schreiben vom 14.12.2004 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und machte geltend, dass er auch Bord- und Randsteine verlegt habe, die mehr als 25 kg gewogen hätten.
Mit Bescheid vom 03.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2005 lehnte die Beklagte eine erneute Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 nach § 44 SGB X ab. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung seien unstreitig vorhanden gewesen. Es fehlten lediglich die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen. In dem sich vor dem Sozialgericht Fulda anschließenden Verfahren, Az. S 2 U 27/05, wurde die Klage mit Urteil vom 21.08.2006 abgewiesen. Dem Kläger wurden nochmals Mutwillenskosten auferlegt.
Mit Beschluss vom 30.06.2011 wies das Hessische Landessozialgericht die Berufung des Klägers mangels Vorliegens der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zurück, Az. L 3 U 205/06.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zum Bundessozialgericht, Az. B 2 U 198/11 B, wurde mit Beschluss vom 15.09.2011 als unzulässig verworfen.
Mit Antrag vom 17.11.2016 begehrte der Kläger erneut die Überprüfung des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997. Es seien nur die Zeiten ab dem 21ten Lebensjahr berücksichtigt worden und der Kläger habe schon seit dem 15ten Lebensjahr schwerste Lasten gehoben. Zudem habe das Versorgungsamt Aachen bereits 1994 einen Grad der Behinderung von 20 für die Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen festgestellt.
Mit Bescheid vom 24.01.2017 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 ab. Weder sei das Recht unrichtig angewandt worden noch sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Der Vortrag habe keine neuen Erkenntnisse ergeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch vom 30.01.2017 zurück. Es seien bereits zwei Gerichtsverfahren bis zum Bundessozialgericht betrieben worden, welche jeweils wegen der fehlenden medizinischen Voraussetzungen die Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung abgelehnt haben. Im jetzigen Überprüfungsverfahren seien keine neuen Tatsachen vorgetragen worden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien in den vorangegangenen Verfahren bereits als gegeben angenommen worden. Die berufliche Exposition ab einem Alter von fünfzehn Jahren sei bereits berücksichtigt worden bei Berechnung des Präventionsdienstes. Es fehle an der typischen, von cranial nach caudal zunehmenden Schädigung der unteren Lendenwirbelsäule. Vielmehr hätten sich beim klägerischen Schadensbild an der Wirbelsäule außerberufliche Lebensrisiken verwirklicht. Die Feststellung eines Grades der Behinderung von 20 lasse keine Rückschlüsse auf die Entstehung der Wirbelsäulenbeschwerden zu. Es gebe daher keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
Am 14.06.2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt. Es sei bislang unzureichend berücksichtigt worden, dass der Kläger seit seinem 15ten Lebensjahr schwere Tätigkeiten im Straßenbau getätigt habe. Zu Unrecht seien beim Kläger nur die Zeiten ab dem 21ten Lebensjahr berücksichtigt worden. Die Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule seien von dem Versorgungsamt Aachen bereits ab 1994 mit einem Grad der Behinderung von 20 bewertet worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 zurückzunehmen und die Beschwerden an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm hieraus die gesetzlichen Leistungen ab 10/1994 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht auf die im Rahmen des Verwaltungs- sowie des Klageverfahrens durchgeführten Feststellungen und Begutachtungen.
Die Kammer hat im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht Berichte der den Kläger behandelnden Ärzte angefordert sowie das Vorerkrankungsverzeichnis und die Akte des Rentenversicherungsträgers sowie die Schwerbehindertenakte (Grad der Behinderung von 70) beigezogen und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.
Die Kammer hat über das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG Beweis erhoben. Dabei wird durch den Sachverständigen Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 18.01.2018 auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet festgestellt, dass beim Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt. Es fehlt an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, sowohl rückblickend als auch aktuell. Dies gelte sowohl für die Klinik (fehlende neurologische Ausfälle), für die fehlenden wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen, und für ein fehlendes Korrelat zwischen dem verschmälerten Bandscheibenraum L4/5 und einer klinischen Symptomatik und den radiologischen Veränderungen.
Beim Kläger liegen eine endgradige Bewegungseinschränkung von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Bereich von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule, Osteochondrose C4/5, Chondrose C5/6, C6/7 bei begleitenden Spondylarthrosen und Fehlhaltung der Halswirbelsäule, leichte Seitausbiegung der Brustwirbelsäule mit verstärkter Rundrückenbildung im Bereich der oberen Brustwirbelsäule und Nachweis typischer Veränderungen der Grund- und Deckplatten im Sinne eines Morbus Scheuermann, Höhenminderung der Brustwirbelkörper Th12 und der Lendenwirbelkörper L1, eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes L4/5 und L5/S1 ohne belastungsadaptive Veränderungen bei konstitutionell höhengeminderten Bandscheibenraum L5/S1 ohne Hinweise für neurologische Ausfälle.
Die Ausziehungen im Bereich der Grund- und Deckplatten mit Verkalkung der vorderen Längsbandes zwischen dem Segment H4/5 seien Folge einer Bandscheibenveränderung. Auch die Höhenminderung des Segmentes L4/5 sei Folge einer Bandscheibenveränderung, allerdings ohne belastungsadaptive Vorgänge. Die Beschwerden, die der Kläger im Jahre 1994 zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit beklagt habe, seien Folge eines unspezifischen Rückenschmerzes und nicht Folge einer Bandscheibenerkrankung. Ein klinisches Bild, das für eine bandscheibenbedingte Erkrankung hätte sprechen können, habe nicht vorgelegen. Es sei keine Indikation zur Durchführung einer Computertomografie gestellt worden.
Ein Bandscheibenvorfall, ohne wesentliche klinische Symptomatik, sei erst im Jahre 2000 festgestellt worden. Die festgestellten leichten Funktionsbeeinträchtigungen im Hinblick auf die Beweglichkeit seien Folge des Alters sowie des anlagebedingten Morbus Scheuermann.
Der Kläger hat angegeben, dass er sich an den Beginn seiner Rückenbeschwerden nur schemenhaft erinnern könne. Es müsse in den 70er Jahren gewesen sein, wohl nach der Bundeswehr im Jahre 1973 oder 1974. Er habe nur einige Tage Beschwerden gehabt. Er sei zu dieser Zeit schon als Straßenbauer tätig gewesen. Er habe sehr schwer gearbeitet und sehr schwere Randsteine setzen müssen. Diese seien schwerer als 25 kg gewesen. Die Beschwerden hätten dann in den folgenden Jahren zugenommen. Im Jahre 1992 seien die Beschwerden dann deutlich stärker geworden.
Der Kläger habe betont, dass seine sehr schwere körperliche Tätigkeit bereits im Alter von fünfzehn Jahren begonnen habe. Dies sei nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Typische Zeichen eines Bandscheibenvorfalles seien fortlaufend nicht dokumentiert. Eine erste Computertomografie sei erst am 28.06.2000 gefertigt worden, also sechs Jahre nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit. Hier sei eine Bandscheibenvorwölbung (Prolaps) im Segment L4/5 sowie L5/S1 beschrieben worden.
Gegen ein spezifisches Wirbelsäulenleiden sprächen auch die vielfältigen anderen Beschwerden, die der Kläger bereits 1994 beklagt habe. Insgesamt habe eine deutliche Diskrepanz zwischen den empfundenen Beschwerden und Schmerzen und dem objektivierbaren Befund bestanden. Bereits 1995 sei darauf hingewiesen worden, dass multiple Beschwerden ohne adäquaten pathologischen Befund bestanden haben. Nur unter Einbeziehung der psychosomatischen Komponente sei die Berentung des Klägers erfolgt. Weder aus klinischer noch aus radiologischer Sicht ergäben sich Hinweise für das Vorliegen einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Der Kläger wendet erneut die harte körperliche Arbeit in dem frühen Alter von 15 Jahren gegen die Feststellungen des Sachverständigen ein. Es sei daher das Vorliegen der Berufskrankheit zu vermuten.
Der Sachverständige bestätigt unter dem 06.06.2018 seine Einschätzung hinsichtlich des Fehlens der Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung mangels einer bandscheibenbedingten Erkrankung.
Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.10.2018 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 858, Blatt 1 bis 53). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 24.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 und auf Feststellung einer Berufskrankheit wegen seiner Lendenwirbelsäulenbeschwerden nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Die nach § 7 Abs. 1 SGB VII als Versicherungsfälle definierten Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.
Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken.
Im Unfallversicherungsrecht müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen einschließlich Art und Ausmaß sowie die Erkrankung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Feststellungslast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers.
Zwischen den Beteiligten ist unumstritten, dass der Kläger langjährig eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat und die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, jedoch fehlen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Im Allgemeinen gilt: Den Nr. 2108 bis 2110 der Berufskrankheiten-Verordnung ist das Krankheitsbild einer bandscheibenbedingten Erkrankung und eine langjährige Überbeanspruchung der Wirbelsäule gemeinsam, wobei die Unterschiede zwischen den Berufskrankheitstatbeständen in der Art der gefährdenden Einwirkungen und der Lokalisation der Erkrankung liegen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 563, 564, 8.3.5.5). In jedem Fall muss die Erkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen im Sinne der Nr. 2108 bis 2110 sind Krankheiten, die mit einer Bandscheibenschädigung in ursächlicher (Wechsel-) Beziehung stehen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 567, 8.3.5.5.1). Den Tatbestand erfüllen nur solche Schäden, die sich als das Resultat einer langjährigen schädigenden Einwirkung auf den entsprechenden Wirbelsäulenabschnitt darstellen, wobei anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und Fehlhaltungen nicht dazu gehören (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 567, 8.3.5.5.1). Vielmehr muss ein chronisches oder chronisch-rezidivierendes Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen vorliegen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 567, 8.3.5.5.1).
Für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung – ist auf die Konsensempfehlungen im Einzelnen einzugehen.
Mit einer schwere Last für eng am Körper getragene Gewichte sind 20 bis 25 kg gemeint (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 571, 8.3.5.5.3.2). Eine extreme Rumpfbeugehaltung wird angenommen, bei Arbeiten in Arbeitsräumen, die niedriger als 100 cm sind und dadurch eine ständig gebeugte Körperhaltung erzwingen und bei Arbeiten mit einer Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Haltung um mehr als 90° – nicht hingegen bei Tätigkeiten in vorgebeugter Haltung im Sitzen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 572, 8.3.5.5.3.3).
Voraussetzung für eine schadenstypische Erkrankung ist aber, dass die Lendenwirbelsäule besonders betroffen sein muss und die Bandscheibenschäden im beruflich belasteten Abschnitt sich deutlich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte der Wirbelsäule abheben müssen – also ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 579, 8.3.5.5.4.3).
Für die Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung fehlen beim Kläger die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen, so dass eine weitere Erläuterung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht notwendig ist.
Die Kammer schließt sich dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. H. nach § 106 SGG an und macht sich dessen Ausführungen zu Eigen. Prof. Dr. H. stellt in seinem Gutachten vom 18.01.2018 auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet fest, dass beim Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt. Es fehlt nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, sowohl rückblickend als auch aktuell. Dies gilt sowohl für die Klinik (fehlende neurologische Ausfälle), für die fehlenden wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen und für ein fehlendes Korrelat zwischen dem verschmälerten Bandscheibenraum L4/5 und einer klinischen Symptomatik und den radiologischen Veränderungen.
Beim Kläger liegen nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen eine endgradige Bewegungseinschränkung von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Bereich von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule, Osteochondrose C4/5, Chondrose C5/6, C6/7 bei begleitenden Spondylarthrosen und Fehlhaltung der Halswirbelsäule, leichte Seitausbiegung der Brustwirbelsäule mit verstärkter Rundrückenbildung im Bereich der oberen Brustwirbelsäule und Nachweis typischer Veränderungen der Grund- und Deckplatten im Sinne eines Morbus Scheuermann, Höhenminderung der Brustwirbelkörper Th12 und der Lendenwirbelkörper L1, eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes L4/5 und L5/S1 ohne belastungsadaptive Veränderungen bei konstitutionell höhengeminderten Bandscheibenraum L5/S1 ohne Hinweise für neurologische Ausfälle.
Die Ausziehungen im Bereich der Grund- und Deckplatten mit Verkalkung der vorderen Längsbandes zwischen dem Segment H4/5 sind Folge einer Bandscheibenveränderung. Auch die Höhenminderung des Segmentes L4/5 ist Folge einer Bandscheibenveränderung, allerdings ohne belastungsadaptive Vorgänge.
Die Beschwerden, die der Kläger im Jahre 1994 zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit beklagt hat, sind Folge eines unspezifischen Rückenschmerzes und nicht Folge einer Bandscheibenerkrankung, wie der Sachverständige überzeugend ausführt. Ein klinisches Bild, das für eine bandscheibenbedingte Erkrankung hätte sprechen können, hat beim Kläger gerade nicht vorgelegen. Es ist beispielsweise keine Indikation zur Durchführung einer Computertomografie gestellt worden.
Ein Bandscheibenvorfall, ohne wesentliche klinische Symptomatik, ist erst im Jahre 2000 festgestellt worden, wie der Sachverständige den Krankheitsverlauf beim Kläger aufzeigt. Die festgestellten leichten Funktionsbeeinträchtigungen im Hinblick auf die Beweglichkeit sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Folge des Alters sowie des anlagebedingten Morbus Scheuermann.
Typische Zeichen eines Bandscheibenvorfalles sind fortlaufend nicht dokumentiert, wie der Sachverständige den aktenkundigen Inhalt aufzeigt. Eine erste Computertomografie ist erst am 28.06.2000 gefertigt worden, also sechs Jahre nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit. Hier ist eine Bandscheibenvorwölbung (Prolaps) im Segment L4/5 sowie L5/S1 beschrieben worden.
Gegen ein spezifisches Wirbelsäulenleiden sprechen nach den vollkommen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch die vielfältigen anderen Beschwerden, die der Kläger bereits 1994 beklagt hat. Insgesamt besteht nach den Darlegungen des Sachverständigen eine deutliche Diskrepanz zwischen den empfundenen Beschwerden und Schmerzen und dem objektivierbaren Befund beim Kläger. Bereits 1995 ist darauf hingewiesen worden, dass multiple Beschwerden ohne adäquaten pathologischen Befund bestanden haben. Nur unter Einbeziehung der psychosomatischen Komponente ist die Berentung des Klägers erfolgt. Weder aus klinischer noch aus radiologischer Sicht ergeben sich für den Sachverständigen und die Kammer Hinweise für das Vorliegen einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Zu diesen Erkenntnissen kommen sowohl die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren als auch die im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten.
Die Kammer weist des Weiteren darauf hin, dass ihre Aufgabe nicht darin besteht die Ursache der klägerischen Wirbelsäulenerkrankung zu finden. Vielmehr ist es einzig und allein Aufgabe, einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den Rückenbeschwerden zu klären. Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis und einem Gesundheitsschaden besteht, ist in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung hat die Kammer alles Erforderliche im Sinne der §§ 103, 128 SGG zu tun, um diese Frage zu klären, wobei es sich des Urteils fachkundiger Sachverständiger zu bedienen hat, um mit deren Hilfe festzustellen, ob nach den einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen das angeschuldigte Ereignis die wahrscheinliche Ursache des bestehenden Gesundheitsschadens ist. Maßgebend ist hierfür grundsätzlich die herrschende medizinische Lehrmeinung, soweit sie sich auf gesicherte Erkenntnisse stützen kann. Andererseits ist es nicht Aufgabe der Kammer, sich mit voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen im Einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen, da die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht vorliegen. Die klägerischen Einwände haben nicht rechtserheblich durchgegriffen. Denn allein das Vorhandensein von Rückenschmerzen und Beschwerden an der Wirbelsäule reicht zur Begründung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht aus. Es muss sich vielmehr um eine bandscheibenbedingte Erkrankung handeln, die den eng umrissenen Anforderungen des Verordnungsgebers genügt. Diesen Voraussetzungen genügt das klägerische Krankheitsbild nicht.
Das Gericht kann auch nur begrenzt Verständnis dafür aufbringen, dass bereits zweimal erfolglos ein Klageverfahren bis zum Bundessozialgericht hin betrieben worden ist und es dennoch eines weiteren Überprüfungsverfahrens bedurft hat. Noch weniger ist verständlich, weswegen immerwährend die frühe harte körperliche Arbeit des Klägers betont wird, wobei die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung unstreitig und anerkannt sind. Es fehlen jedoch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen. Denn allein das Vorhandensein von Rückenschmerzen und harter körperlicher Arbeit genügt gerade nicht den Anforderungen, die der Gesetzgeber an die Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung stellt.
Es ist gerade nicht die Aufgabe des Gutachters und der Kammer dem Kläger den Ursprung seiner Rückenbeschwerden zu erklären. Es ist einzig und allein zu klären, ob die vom Verordnungsgeber vorgegebenen Voraussetzungen zur Annahme einer Berufskrankheit vorliegen. Das ist nicht der Fall.
Im Übrigen wird auf den Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 verwiesen, § 136 Abs. 3 SGG.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für den Kläger gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung im Rahmen eines Überprüfungsantrages umstritten.
Der Kläger, geboren 1953, erlernte vom 20.06.1968 bis zum 30.06.1971 den Beruf des Straßenbauers. Vom 01.04.1973 bis zum 30.06.1974 war er bei der Bundeswehr gewesen. Bis 02/1994 arbeitete er als Straßenbauer im Tiefbau. Seit 1995 erhält der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten ermittelte die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen nach dem Antrag des Klägers von 10/1994 auf Anerkennung einer Berufskrankheit unter Beiziehung von ärztlichen Befundberichten, der Akte des zuständigen Rentenversicherungsträgers, der Schwerbehindertenakte, dem klägerischen Vorerkrankungsverzeichnis und Unterlagen der jeweiligen Arbeitgeber des Klägers.
Das Gutachten vom 06.01.1996 von Dr. C. und D. auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet verneinte eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Die beruflichen Voraussetzungen der Berufskrankheit seien bislang nicht gesichert. Jedoch seien hierzu keine Ermittlungen notwendig, da auch die medizinischen Voraussetzungen nicht vorlägen. Zu keinem Zeitpunkt seien beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule irgendwelche bandscheibenbedingten Auffälligkeiten / Funktionseinbußen objektiviert worden. Bandscheibenveränderungen kämen in den beiden unteren Segmenten L4-S1 zur Darstellung. Knöcherne Reaktionen im Bereich der Grund- und/oder Deckplatten und/oder an den Wirbelkörperbegrenzungen zeigten sich nicht. Alle übrigen Segmente der Lendenwirbelsäule und der unteren Brustwirbelsäule, die funktionell zur Lendenwirbelsäule zu rechnen seien, kämen völlig regelhaft und ohne jegliche vorzeitige Veränderungen zur Darstellung. Es liege damit allenfalls ein isoliertes Schadensbild in dem Segment L4/5 vor, welches nicht belastungskonform sei. Es fehle jegliches Indiz für die Auswirkung einer versicherten Exposition. Ein entscheidendes Indiz für die expositionsfremde Genese des Beschwerde- und Schadensbildes sei die Manifestation der Rückenschmerzen bereits im jugendlichen Alter von 15 Jahren bzw. im ganz jungen Erwachsenenalter von 20 bzw. 24 Jahren. Die Manifestation des Schadens bereits im jungen Erwachsenalter weise auf die überragende Bedeutung der Schadensanlage für das Krankheitsbild hin.
Von einem allein anlagebedingten Beschwerde- und Schadensbild beim Kläger sei auch deswegen auszugehen, da der Beginn der Beschwerden zeitlich mit dem Beginn der wirbelsäulenbelastend zu diskutierenden beruflichen Exposition zusammengefallen sei.
Mit Bescheid vom 11.03.1996 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten nach Anhörung des Landesgewerbearztes das Vorliegen der Berufskrankheit Nr. 2108 und/oder 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ab. Die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule seien kein Ausdruck einer Berufskrankheit. Das erforderliche Krankheitsbild für die Berufskrankheit Nr. 2108/2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung liege nicht vor.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 28.03.1996 Widerspruch ein.
Der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten befragte technische Aufsichtsdienst führte unter dem 12.02.1997 aus, dass der Kläger in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten im erforderlichen Mindestumfang im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung gefährdend tätig gewesen sei.
Den klägerischen Widerspruch wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.1997 zurück. Im Bereich der Lendenwirbelsäule sei ein berufsbedingtes Bandscheibenleiden nicht zu erkennen. Die Beschwerden beruhten auf anlagebedingten Wirbelsäulenveränderungen: am Übergang von der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule lägen eine unharmonisch verlaufende abgeflachte Lordose mit kyphotischer Knickbildung sowie eine linkskonvexe Skoliose und Residuen einer durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung im Bereich der unteren Brustwirbelsäule und oberen Lendenwirbelsäule vor. Für ein anlagebedingtes Schadensbild spreche auch die Manifestation des Beschwerde- und Schadensbildes bereits im jugendlichen Alter von 15 Jahren bzw. im jungen Erwachsenenalter von 20 Jahren.
In dem sich vor dem Sozialgericht anschließenden Klageverfahren, Az. S 1 U 53/97, verneinte das eingeholte Gutachten von Dr. E. vom 16.03.1998 das Vorliegen einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung. Es lägen eine leichte Verschmälerung des Bandscheibenraumes L5/S1 ohne Hinweis auf wesentliche funktionelle Einschränkungen und eine Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule vor. Es lägen keine funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäule vor: weder vom klinischen Befund inklusive der neurologischen Untersuchung noch von Seiten der Röntgenmorphologie lägen beim Kläger dem Alter vorauseilende klinische bzw. degenerative Veränderungen vor. Es sei im Gegenteil erstaunlich, dass sich 20 Jahre im Straßenbau nicht stärker im Bereich der Wirbelsäule manifestiert hätten.
Es liege nur eine leichte Verschmälerung des Bandscheibenraumes (Chondrose) für L1/2 und L5/S1 vor. Des Weiteren bestehe eine Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule. Diese radiologischen Veränderungen führten jedoch zu keiner weitreichenden funktionellen Einschränkung der Lendenwirbelsäule. Die Lendenwirbelsäule sei frei entfaltbar und neurologische Ausfälle seien nicht nachzuweisen. Eine Bandscheibenerkrankung mit radikulärer Symptomatik liege beim Kläger nicht vor. Es bestünden nur die die radiologischen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche funktionelle Ausfälle, die mit einer lokalen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelbogengelenke einhergehen können. Es fehle auch an einem Hinweis auf eine spinale Enge.
Der alleinige Nachweis von degenerativen Veränderungen wie Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose ohne chronisch-rezidivierende Beschwerden und Funktionsausfälle keinen Berufskrankheitenverdacht begründe. Beim Kläger lägen zwar chronisch-rezidivierende Beschwerden vor, jedoch nachweislich keine Funktionsausfälle. Irgendwelche bandscheibenbedingten Auffälligkeiten / Funktionseinbußen seien zu keinem Zeitpunkt objektiviert worden.
Alleinige röntgenologische Lendenwirbelsäulenveränderungen reichten nicht aus, den Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung zu begründen. Die erforderliche Funktionsbeeinträchtigung sei beim Kläger nicht gegeben.
Der Umstand, dass der Kläger bereits seit seinem fünfzehnten Lebensjahr belastungsabhängige Rückenbeschwerden gehabt habe, spreche eher für einen schicksalhaften Verlauf. Zudem lägen beim Kläger keine dem Alter vorauseilenden Befunde vor. Es sei vielmehr erstaunlich, dass beim Kläger nur relativ gering ausgeprägte radiologische Veränderungen in der Lendenwirbelsäule trotz langjähriger Tätigkeit mit Heben und / oder Tragen schwerer Lasten vorlägen.
Mit Urteil vom 28.07.1998 wurde die Klage des Klägers mangels Vorliegens der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung zurückgewiesen.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az. L 17 U 227/98, wies die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 17.05.1999 zurück. Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen resultiere kein Anscheinsbeweis zugunsten einer beruflichen Verursachung oder für das erforderliche Krankheitsbild. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung lägen nicht vor.
Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 09.09.1999 als unzulässig zurückgewiesen, Az. B 2 U 158/99 B.
Mit Schreiben vom 25.08.2000 begehrte der Kläger erneut die Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung, nachdem bei ihm ein Prolaps im Segment L4/5 und L5/S1 festgestellt worden waren.
Mit Bescheid vom 23.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2000 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 ab. Neue Tatsachen, die das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen begründen könnten, seien nicht vorgetragen worden.
In dem sich vor dem Sozialgericht Aachen anschließenden Verfahren, Az. S 14 U 88/00, wurde ein Gutachten bei Dr. F. eingeholt. In dem orthopädischen Gutachten vom 26.12.2001 wurden eine wiederkehrende Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei rechtskonvexer Ausbiegung, eine Höhenminderung der Zwischenwirbelräume L4/5 und L5/S1 seit 1994, rechtsseitige Bandscheibenvorfälle in beiden Etagen seit 06/2000 und der neurologische Nachweis eines sensiblen Ausfallsyndroms der Nervenwurzel L4 rechts bei regelrechtem Reflexverhalten und negativem Lasègue’schem Zeichen festgestellt.
Die in der Vergangenheit wiederholt attestierten Funktionseinschränkungen seien offensichtlich nicht auf Bandscheibenschäden, sondern eine Wirbelgelenkarthrose zurückzuführen. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung sei ein klinisch relevantes bandscheibenbedingtes Krankheitsbild. Von dem behandelnden Orthopäden sei zu keinem Zeitpunkt ein bandscheibenbedingtes Krankheitsbild angegeben worden und bildtechnisch sei der Bandscheibenvorfall erst fünf Jahre nach dem Ende der belastenden Tätigkeit festgestellt worden. Die rechtsseitig ausstrahlenden Beschwerden fänden sich erstmals in den Befundberichten Mitte 2000. Eine Funktionsbeeinträchtigung finde sich aber dauerhaft nicht. Es gebe keinen Anhalt dafür, dass bereits zuvor entsprechende Beschwerden bestanden hätten.
Klagen über Beschwerden seien nicht gleichzustellen mit Funktionsstörungen durch Bandscheibenschäden. Eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sei zu verneinen.
Mit Urteil vom 14.03.2002 wurde die Klage abgewiesen, da die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht vorlägen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az. L 2 U 36/02, übersandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Berechnung des Technischen Aufsichtsdienstes vom 25.11.2002, wonach sich nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell eine Gesamtdosis von 31,88 MNh für den Kläger ergebe. Unter dem 18.12.2002 wurde mitgeteilt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch nach dem Modell Dupuis/Hartung erfüllt seien (13,85 MNh).
Das eingeholte Gutachten von Dr. G. vom 06.10.2003 stellte eine die Altersnorm übersteigende vordere Spondylose C4/5, leichte Unkarthrosen C4/5 und C6/7 ohne wesentliche Bandscheibenverschmälerung mit Bewegungseinschränkung und lokalen Reizerscheinungen ohne sichere Hinweise für eine Nervenwurzelreiz- oder –kompressionsymptomatik, eine geringgradige Brustwirbelsäulenverbiegung, im Übrigen einen altersentsprechenden röntgenmorphologischen Befund der Brustwirbelsäule ohne wesentliche Funktionsstörungen, eine flache linkskonvexe Lumbalskoliose bei Beckenschiefstand, Folgen eines abgelaufenen Morbus Scheuermann L1 und L2 mit geringe Zwischenraumhöhenminderung L1/2 ohne wesentliche Osteochondrose oder Spondylose, in der jüngsten Zeit beginnende Zwischenwirbelraumhöhenminderung L4/5 mit beginnender Osteochondrose ohne wesentliche Spondylose und schmal angelegten Bandscheibenraum L5/S1 ohne wesentliche Osteochondrose oder Spondylose, Bandscheibenvorwölbung L4/5 rechts und geringe mittelständige Bandscheibenvorwölbung L5/S1 mit Entfaltungsstörung der unteren Lendenwirbelsäule und lokalen Reizerscheinungen ohne Hinweise für eine Nervenreiz- oder kompressionssymptomatik.
Gegen ein belastungskonformes Schadensbild sprechen eine gleichmäßig starke Veränderung der Bandscheiben über zwei oder alle drei Wirbelsäulenabschnitte, eine Akzentuierung der bandscheibenbedingten Veränderungen an belastungsfernen Wirbelsäulenabschnitten, das Auftreten von Veränderungen vor Vollendung des dritten Lebensjahrzehntes und konkurrierende Erkrankungen aus dem außerberuflichen Bereich. Gegen eine berufliche Teilursache spreche das Fehlen reaktiver Umbauprozesse, die Hinweise auf eine langjährige vermehrte Zug- und Druckbelastung wären.
Ein Schwerpunkt der bandscheibenbedingten Veränderungen an der Wirbelsäule lasse sich morphologisch nicht feststellen. Die Verteilung der bandscheibenbedingten Veränderungen korreliere damit nicht mit der Art der versicherten Tätigkeit und den hierdurch bedingten beruflichen Belastungen.
Es fehle der Nachweis einer eindeutigen klinischen Symptomatik, die eine bandscheibenbedingte Erkrankung der unteren Lendenwirbelsäule zu diesem Zeitpunkt nachweisen würde. Alleine aus der gesicherten klinischen Symptomatik könne nicht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung geschlossen werden.
Die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ließen sich nicht begründen aufgrund des fehlenden belastungskonformen Schadensbildes, des Vorliegens konkurrierender Ursachenfaktoren in Form eines abgelaufenen Morbus Scheuermann und der insgesamt nur mäßig ausgeprägten bandscheibenbedingten Veränderungen an der Gesamtwirbelsäule des Klägers.
Mit Urteil vom 16.04.2004 wurde die Berufung zurückgewiesen, da beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliege. Zudem wurden dem Kläger Missbrauchsgebühren für die missbräuchliche Weiterführung des Rechtsstreites auferlegt.
Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht, Az. B 2 U 184/04 B, wurde mit Beschluss vom 23.08.2004 als unzulässig verworfen.
Mit Schreiben vom 14.12.2004 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und machte geltend, dass er auch Bord- und Randsteine verlegt habe, die mehr als 25 kg gewogen hätten.
Mit Bescheid vom 03.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2005 lehnte die Beklagte eine erneute Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 nach § 44 SGB X ab. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung seien unstreitig vorhanden gewesen. Es fehlten lediglich die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen. In dem sich vor dem Sozialgericht Fulda anschließenden Verfahren, Az. S 2 U 27/05, wurde die Klage mit Urteil vom 21.08.2006 abgewiesen. Dem Kläger wurden nochmals Mutwillenskosten auferlegt.
Mit Beschluss vom 30.06.2011 wies das Hessische Landessozialgericht die Berufung des Klägers mangels Vorliegens der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zurück, Az. L 3 U 205/06.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zum Bundessozialgericht, Az. B 2 U 198/11 B, wurde mit Beschluss vom 15.09.2011 als unzulässig verworfen.
Mit Antrag vom 17.11.2016 begehrte der Kläger erneut die Überprüfung des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997. Es seien nur die Zeiten ab dem 21ten Lebensjahr berücksichtigt worden und der Kläger habe schon seit dem 15ten Lebensjahr schwerste Lasten gehoben. Zudem habe das Versorgungsamt Aachen bereits 1994 einen Grad der Behinderung von 20 für die Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen festgestellt.
Mit Bescheid vom 24.01.2017 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 ab. Weder sei das Recht unrichtig angewandt worden noch sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Der Vortrag habe keine neuen Erkenntnisse ergeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch vom 30.01.2017 zurück. Es seien bereits zwei Gerichtsverfahren bis zum Bundessozialgericht betrieben worden, welche jeweils wegen der fehlenden medizinischen Voraussetzungen die Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung abgelehnt haben. Im jetzigen Überprüfungsverfahren seien keine neuen Tatsachen vorgetragen worden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien in den vorangegangenen Verfahren bereits als gegeben angenommen worden. Die berufliche Exposition ab einem Alter von fünfzehn Jahren sei bereits berücksichtigt worden bei Berechnung des Präventionsdienstes. Es fehle an der typischen, von cranial nach caudal zunehmenden Schädigung der unteren Lendenwirbelsäule. Vielmehr hätten sich beim klägerischen Schadensbild an der Wirbelsäule außerberufliche Lebensrisiken verwirklicht. Die Feststellung eines Grades der Behinderung von 20 lasse keine Rückschlüsse auf die Entstehung der Wirbelsäulenbeschwerden zu. Es gebe daher keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
Am 14.06.2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt. Es sei bislang unzureichend berücksichtigt worden, dass der Kläger seit seinem 15ten Lebensjahr schwere Tätigkeiten im Straßenbau getätigt habe. Zu Unrecht seien beim Kläger nur die Zeiten ab dem 21ten Lebensjahr berücksichtigt worden. Die Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule seien von dem Versorgungsamt Aachen bereits ab 1994 mit einem Grad der Behinderung von 20 bewertet worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 zurückzunehmen und die Beschwerden an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm hieraus die gesetzlichen Leistungen ab 10/1994 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht auf die im Rahmen des Verwaltungs- sowie des Klageverfahrens durchgeführten Feststellungen und Begutachtungen.
Die Kammer hat im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht Berichte der den Kläger behandelnden Ärzte angefordert sowie das Vorerkrankungsverzeichnis und die Akte des Rentenversicherungsträgers sowie die Schwerbehindertenakte (Grad der Behinderung von 70) beigezogen und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.
Die Kammer hat über das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG Beweis erhoben. Dabei wird durch den Sachverständigen Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 18.01.2018 auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet festgestellt, dass beim Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt. Es fehlt an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, sowohl rückblickend als auch aktuell. Dies gelte sowohl für die Klinik (fehlende neurologische Ausfälle), für die fehlenden wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen, und für ein fehlendes Korrelat zwischen dem verschmälerten Bandscheibenraum L4/5 und einer klinischen Symptomatik und den radiologischen Veränderungen.
Beim Kläger liegen eine endgradige Bewegungseinschränkung von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Bereich von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule, Osteochondrose C4/5, Chondrose C5/6, C6/7 bei begleitenden Spondylarthrosen und Fehlhaltung der Halswirbelsäule, leichte Seitausbiegung der Brustwirbelsäule mit verstärkter Rundrückenbildung im Bereich der oberen Brustwirbelsäule und Nachweis typischer Veränderungen der Grund- und Deckplatten im Sinne eines Morbus Scheuermann, Höhenminderung der Brustwirbelkörper Th12 und der Lendenwirbelkörper L1, eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes L4/5 und L5/S1 ohne belastungsadaptive Veränderungen bei konstitutionell höhengeminderten Bandscheibenraum L5/S1 ohne Hinweise für neurologische Ausfälle.
Die Ausziehungen im Bereich der Grund- und Deckplatten mit Verkalkung der vorderen Längsbandes zwischen dem Segment H4/5 seien Folge einer Bandscheibenveränderung. Auch die Höhenminderung des Segmentes L4/5 sei Folge einer Bandscheibenveränderung, allerdings ohne belastungsadaptive Vorgänge. Die Beschwerden, die der Kläger im Jahre 1994 zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit beklagt habe, seien Folge eines unspezifischen Rückenschmerzes und nicht Folge einer Bandscheibenerkrankung. Ein klinisches Bild, das für eine bandscheibenbedingte Erkrankung hätte sprechen können, habe nicht vorgelegen. Es sei keine Indikation zur Durchführung einer Computertomografie gestellt worden.
Ein Bandscheibenvorfall, ohne wesentliche klinische Symptomatik, sei erst im Jahre 2000 festgestellt worden. Die festgestellten leichten Funktionsbeeinträchtigungen im Hinblick auf die Beweglichkeit seien Folge des Alters sowie des anlagebedingten Morbus Scheuermann.
Der Kläger hat angegeben, dass er sich an den Beginn seiner Rückenbeschwerden nur schemenhaft erinnern könne. Es müsse in den 70er Jahren gewesen sein, wohl nach der Bundeswehr im Jahre 1973 oder 1974. Er habe nur einige Tage Beschwerden gehabt. Er sei zu dieser Zeit schon als Straßenbauer tätig gewesen. Er habe sehr schwer gearbeitet und sehr schwere Randsteine setzen müssen. Diese seien schwerer als 25 kg gewesen. Die Beschwerden hätten dann in den folgenden Jahren zugenommen. Im Jahre 1992 seien die Beschwerden dann deutlich stärker geworden.
Der Kläger habe betont, dass seine sehr schwere körperliche Tätigkeit bereits im Alter von fünfzehn Jahren begonnen habe. Dies sei nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Typische Zeichen eines Bandscheibenvorfalles seien fortlaufend nicht dokumentiert. Eine erste Computertomografie sei erst am 28.06.2000 gefertigt worden, also sechs Jahre nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit. Hier sei eine Bandscheibenvorwölbung (Prolaps) im Segment L4/5 sowie L5/S1 beschrieben worden.
Gegen ein spezifisches Wirbelsäulenleiden sprächen auch die vielfältigen anderen Beschwerden, die der Kläger bereits 1994 beklagt habe. Insgesamt habe eine deutliche Diskrepanz zwischen den empfundenen Beschwerden und Schmerzen und dem objektivierbaren Befund bestanden. Bereits 1995 sei darauf hingewiesen worden, dass multiple Beschwerden ohne adäquaten pathologischen Befund bestanden haben. Nur unter Einbeziehung der psychosomatischen Komponente sei die Berentung des Klägers erfolgt. Weder aus klinischer noch aus radiologischer Sicht ergäben sich Hinweise für das Vorliegen einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Der Kläger wendet erneut die harte körperliche Arbeit in dem frühen Alter von 15 Jahren gegen die Feststellungen des Sachverständigen ein. Es sei daher das Vorliegen der Berufskrankheit zu vermuten.
Der Sachverständige bestätigt unter dem 06.06.2018 seine Einschätzung hinsichtlich des Fehlens der Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung mangels einer bandscheibenbedingten Erkrankung.
Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.10.2018 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 858, Blatt 1 bis 53). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 24.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Rücknahme des Bescheides vom 11.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 und auf Feststellung einer Berufskrankheit wegen seiner Lendenwirbelsäulenbeschwerden nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Die nach § 7 Abs. 1 SGB VII als Versicherungsfälle definierten Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.
Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken.
Im Unfallversicherungsrecht müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen einschließlich Art und Ausmaß sowie die Erkrankung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Feststellungslast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers.
Zwischen den Beteiligten ist unumstritten, dass der Kläger langjährig eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat und die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, jedoch fehlen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Im Allgemeinen gilt: Den Nr. 2108 bis 2110 der Berufskrankheiten-Verordnung ist das Krankheitsbild einer bandscheibenbedingten Erkrankung und eine langjährige Überbeanspruchung der Wirbelsäule gemeinsam, wobei die Unterschiede zwischen den Berufskrankheitstatbeständen in der Art der gefährdenden Einwirkungen und der Lokalisation der Erkrankung liegen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 563, 564, 8.3.5.5). In jedem Fall muss die Erkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen im Sinne der Nr. 2108 bis 2110 sind Krankheiten, die mit einer Bandscheibenschädigung in ursächlicher (Wechsel-) Beziehung stehen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 567, 8.3.5.5.1). Den Tatbestand erfüllen nur solche Schäden, die sich als das Resultat einer langjährigen schädigenden Einwirkung auf den entsprechenden Wirbelsäulenabschnitt darstellen, wobei anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und Fehlhaltungen nicht dazu gehören (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 567, 8.3.5.5.1). Vielmehr muss ein chronisches oder chronisch-rezidivierendes Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen vorliegen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 567, 8.3.5.5.1).
Für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung – ist auf die Konsensempfehlungen im Einzelnen einzugehen.
Mit einer schwere Last für eng am Körper getragene Gewichte sind 20 bis 25 kg gemeint (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 571, 8.3.5.5.3.2). Eine extreme Rumpfbeugehaltung wird angenommen, bei Arbeiten in Arbeitsräumen, die niedriger als 100 cm sind und dadurch eine ständig gebeugte Körperhaltung erzwingen und bei Arbeiten mit einer Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Haltung um mehr als 90° – nicht hingegen bei Tätigkeiten in vorgebeugter Haltung im Sitzen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 572, 8.3.5.5.3.3).
Voraussetzung für eine schadenstypische Erkrankung ist aber, dass die Lendenwirbelsäule besonders betroffen sein muss und die Bandscheibenschäden im beruflich belasteten Abschnitt sich deutlich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte der Wirbelsäule abheben müssen – also ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Seite 579, 8.3.5.5.4.3).
Für die Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung fehlen beim Kläger die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen, so dass eine weitere Erläuterung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht notwendig ist.
Die Kammer schließt sich dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. H. nach § 106 SGG an und macht sich dessen Ausführungen zu Eigen. Prof. Dr. H. stellt in seinem Gutachten vom 18.01.2018 auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet fest, dass beim Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt. Es fehlt nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, sowohl rückblickend als auch aktuell. Dies gilt sowohl für die Klinik (fehlende neurologische Ausfälle), für die fehlenden wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen und für ein fehlendes Korrelat zwischen dem verschmälerten Bandscheibenraum L4/5 und einer klinischen Symptomatik und den radiologischen Veränderungen.
Beim Kläger liegen nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen eine endgradige Bewegungseinschränkung von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Bereich von Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule, Osteochondrose C4/5, Chondrose C5/6, C6/7 bei begleitenden Spondylarthrosen und Fehlhaltung der Halswirbelsäule, leichte Seitausbiegung der Brustwirbelsäule mit verstärkter Rundrückenbildung im Bereich der oberen Brustwirbelsäule und Nachweis typischer Veränderungen der Grund- und Deckplatten im Sinne eines Morbus Scheuermann, Höhenminderung der Brustwirbelkörper Th12 und der Lendenwirbelkörper L1, eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes L4/5 und L5/S1 ohne belastungsadaptive Veränderungen bei konstitutionell höhengeminderten Bandscheibenraum L5/S1 ohne Hinweise für neurologische Ausfälle.
Die Ausziehungen im Bereich der Grund- und Deckplatten mit Verkalkung der vorderen Längsbandes zwischen dem Segment H4/5 sind Folge einer Bandscheibenveränderung. Auch die Höhenminderung des Segmentes L4/5 ist Folge einer Bandscheibenveränderung, allerdings ohne belastungsadaptive Vorgänge.
Die Beschwerden, die der Kläger im Jahre 1994 zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit beklagt hat, sind Folge eines unspezifischen Rückenschmerzes und nicht Folge einer Bandscheibenerkrankung, wie der Sachverständige überzeugend ausführt. Ein klinisches Bild, das für eine bandscheibenbedingte Erkrankung hätte sprechen können, hat beim Kläger gerade nicht vorgelegen. Es ist beispielsweise keine Indikation zur Durchführung einer Computertomografie gestellt worden.
Ein Bandscheibenvorfall, ohne wesentliche klinische Symptomatik, ist erst im Jahre 2000 festgestellt worden, wie der Sachverständige den Krankheitsverlauf beim Kläger aufzeigt. Die festgestellten leichten Funktionsbeeinträchtigungen im Hinblick auf die Beweglichkeit sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Folge des Alters sowie des anlagebedingten Morbus Scheuermann.
Typische Zeichen eines Bandscheibenvorfalles sind fortlaufend nicht dokumentiert, wie der Sachverständige den aktenkundigen Inhalt aufzeigt. Eine erste Computertomografie ist erst am 28.06.2000 gefertigt worden, also sechs Jahre nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit. Hier ist eine Bandscheibenvorwölbung (Prolaps) im Segment L4/5 sowie L5/S1 beschrieben worden.
Gegen ein spezifisches Wirbelsäulenleiden sprechen nach den vollkommen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch die vielfältigen anderen Beschwerden, die der Kläger bereits 1994 beklagt hat. Insgesamt besteht nach den Darlegungen des Sachverständigen eine deutliche Diskrepanz zwischen den empfundenen Beschwerden und Schmerzen und dem objektivierbaren Befund beim Kläger. Bereits 1995 ist darauf hingewiesen worden, dass multiple Beschwerden ohne adäquaten pathologischen Befund bestanden haben. Nur unter Einbeziehung der psychosomatischen Komponente ist die Berentung des Klägers erfolgt. Weder aus klinischer noch aus radiologischer Sicht ergeben sich für den Sachverständigen und die Kammer Hinweise für das Vorliegen einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Zu diesen Erkenntnissen kommen sowohl die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren als auch die im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten.
Die Kammer weist des Weiteren darauf hin, dass ihre Aufgabe nicht darin besteht die Ursache der klägerischen Wirbelsäulenerkrankung zu finden. Vielmehr ist es einzig und allein Aufgabe, einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den Rückenbeschwerden zu klären. Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis und einem Gesundheitsschaden besteht, ist in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung hat die Kammer alles Erforderliche im Sinne der §§ 103, 128 SGG zu tun, um diese Frage zu klären, wobei es sich des Urteils fachkundiger Sachverständiger zu bedienen hat, um mit deren Hilfe festzustellen, ob nach den einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen das angeschuldigte Ereignis die wahrscheinliche Ursache des bestehenden Gesundheitsschadens ist. Maßgebend ist hierfür grundsätzlich die herrschende medizinische Lehrmeinung, soweit sie sich auf gesicherte Erkenntnisse stützen kann. Andererseits ist es nicht Aufgabe der Kammer, sich mit voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen im Einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen, da die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht vorliegen. Die klägerischen Einwände haben nicht rechtserheblich durchgegriffen. Denn allein das Vorhandensein von Rückenschmerzen und Beschwerden an der Wirbelsäule reicht zur Begründung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht aus. Es muss sich vielmehr um eine bandscheibenbedingte Erkrankung handeln, die den eng umrissenen Anforderungen des Verordnungsgebers genügt. Diesen Voraussetzungen genügt das klägerische Krankheitsbild nicht.
Das Gericht kann auch nur begrenzt Verständnis dafür aufbringen, dass bereits zweimal erfolglos ein Klageverfahren bis zum Bundessozialgericht hin betrieben worden ist und es dennoch eines weiteren Überprüfungsverfahrens bedurft hat. Noch weniger ist verständlich, weswegen immerwährend die frühe harte körperliche Arbeit des Klägers betont wird, wobei die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung unstreitig und anerkannt sind. Es fehlen jedoch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen. Denn allein das Vorhandensein von Rückenschmerzen und harter körperlicher Arbeit genügt gerade nicht den Anforderungen, die der Gesetzgeber an die Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung stellt.
Es ist gerade nicht die Aufgabe des Gutachters und der Kammer dem Kläger den Ursprung seiner Rückenbeschwerden zu erklären. Es ist einzig und allein zu klären, ob die vom Verordnungsgeber vorgegebenen Voraussetzungen zur Annahme einer Berufskrankheit vorliegen. Das ist nicht der Fall.
Im Übrigen wird auf den Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 verwiesen, § 136 Abs. 3 SGG.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für den Kläger gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
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