Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1753/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2679/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einkünfte aus Kapitalvermögen sind für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte beitragspflichtig und über den Einkommenssteuerbescheid nachzuweisen. Verlustvorträge nach § 20 Abs 6 EStG sind dabei zu berücksichtigen, sie mindern die beitragspflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ohne beitragsrechtliche Auswirkungen bleiben steuerliche Abzüge für außergewöhnliche Belastungen (hier: Pauschbetrag nach § 33b EStG).
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.06.2018 und die Bescheide der Beklagten vom 22.03.2016, 02.11.2016, 22.12.2016 und 08.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2017 sowie die Bescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019 aufgehoben, soweit die Beklagten bei der Beitragsbemessung Kapitaleinkünfte berücksichtigt haben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1) als freiwilliges Mitglied kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Mit Bescheid vom 29.09.2014 erhob die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) unter Zugrundelegung von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 971,21 EUR monatlich ab 01.08.2014 Beiträge in Höhe von 167,05 EUR (Krankenversicherung: 144,71 EUR; Pflegeversicherung: 22,34 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 29.12.2014 berechnete die Beklagte zu 1) die Beiträge ab Januar 2015 in Höhe von 169,95 EUR monatlich neu.
Im April 2015 stellte die Beklagte zu 1) eine Einkommensanfrage, welche der Kläger trotz zweifacher Mahnung im Mai und Juli 2015 unbeantwortet ließ. Mit Beitragsbescheid vom 26.08.2015 stellte die Beklagte zu 1) die Beiträge ab 01.09.2015 in Höhe von 721,84 EUR monatlich neu fest und legte die Beitragsbemessungsgrenze der Beitragsberechnung zugrunde.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.10.2015 Widerspruch und trug zur Begründung vor, er habe den Bescheid vom 26.08.2015 erst bei der persönlichen Vorsprache erhalten. Die aktuellen Einkommensnachweise habe er dem Widerspruch beigefügt. Am 03.12.2015 legte er (auszugsweise) den Einkommensteuerbescheid vom 30.09.2015 für das Jahr 2013 und am 17.03.2016 den Einkommensteuerbescheid vom 01.09.2014 für das Jahr 2012 vor. Der Einkommensteuerbescheid 2013 wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv 8.192 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 11.311 EUR aus. Eine Seite 3 mit den Angaben zu den Einkünften aus Kapitalvermögen war nicht beigefügt. Der Einkommenssteuerbescheid 2012 wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv -650 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 11.643 EUR aus. Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), waren Kapitalerträge iHv 1.811 EUR und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien iHv 10.910 EUR ausgewiesen. Beiden Posten standen jeweils Verrechnungen von Verlustvorträgen in derselben Höhe entgegen, so dass sich eine Zwischensumme vor Abzug eines Sparerpauschbetrags von 0 ergab. Kapitalerträge im Sinne des § 32d Abs 1 EStG waren mit 0 ausgewiesen.
Mit weiterem Beitragsbescheid vom 29.12.2015 forderte die Beklagte zu 1) ab 01.01.2016 Höchstbeiträge in Höhe von 766,64 EUR und mahnte mit Schreiben vom 18.02.2016 die rückständigen Beiträge an.
Auf Grundlage des vorgelegten Einkommenssteuerbescheids 2012 erließ die Beklagte zu 1) unter dem 22.03.2016 Änderungsbescheide und forderte nunmehr Beiträge ab 01.10.2014 in Höhe von 191,98 EUR und ab 01.01.2015 in Höhe von 195,32 EUR sowie ab 01.09.2015 ebenfalls in Höhe von 195,32 EUR. Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 22.03.2016 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge ab 01.10.2015 in Höhe von 284,41 EUR und ab 01.01.2016 in Höhe von 294,16 EUR fest. Die Höhe der Einkünfte ab 01.10.2015 sei auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2013 vom 30.09.2015 bestimmt worden. Dabei seien Einkünfte in Höhe von 1.625,25 EUR monatlich zugrunde gelegt worden.
Am 21.03.2016 ging der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 11.02.2016 bei den Beklagten ein. Dieser wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv 2.798 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 13.258 EUR aus. Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), waren Kapitalerträge iHv 3.636 EUR und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien iHv 3.138 EUR ausgewiesen. Beiden Posten standen wiederum jeweils Verrechnungen von Verlustvorträgen in derselben Höhe entgegen, so dass wiederum Kapitalerträge im Sinne des § 32d Abs 1 EStG mit 0 ausgewiesen waren.
Gegen die Änderungsbescheide vom 22.03.2016 erhob der Kläger am 24.04.2016 Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs trug er vor, dass er seit vielen Jahren Kredite zurückzahle, die ursprünglich einmal der Erzielung von Einnahmen gedient hätten. Es handle sich um Raten in Höhe von 219,00 EUR bzw 492,00 EUR monatlich. Nach der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung würden diese Beträge wegen ihres ursprünglichen Bezugs zu den Einnahmen abzuziehende Positionen darstellen. Außerdem weise der Steuerbescheid von 2014 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 1.060,00 EUR wegen seines Grads der Behinderung in Höhe von 80 % auf, ohne dass dies in der Beitragsfestsetzung Berücksichtigung gefunden habe. Schwerbehindertenpauschbeträge seien gemäß § 33b EStG zu berücksichtigen. Das BSG habe entsprechend bei der Kriegsopferrente diese auch nicht als Einnahme zum Lebensunterhalt gezählt. Des Weiteren sei ein Verlustausgleich statthaft und geboten. Er habe viele Verluste aus tschechischen Firmen erleiden müssen. Zusätzlich sei auf die Schwierigkeiten bei der Umrechnung der Dividenden und Aktienverkäufe bei unterschiedlichen Währungen hinzuweisen.
Mit weiterem Beitragsbescheid vom 02.11.2016 setzte die Beklagte zu 1) unter Zugrundelegung monatlich beitragspflichtiger Einnahmen entsprechend dem Einkommenssteuerbescheid vom 11.02.2016 für das Jahr 2014 in Höhe von 1.732,83 EUR den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag ab 01.03.2016 auf 313,63 EUR fest. Dabei wies sie darauf hin, dass der Steuerbescheid für das Jahr 2014 im Februar 2016 ergangen und vollständig im September 2016 eingereicht worden sei. Der Versicherungsbeitrag habe so ab 01.03.2016 (Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats) angepasst werden können. Im Steuerbescheid 2014 würden höhere Einkünfte als im Steuerbescheid 2013 ausgewiesen. Eine weitere Prüfung habe ergeben, dass eine Absenkung der Beiträge ab 01.01.2016 nicht möglich sei, da diese unter Zugrundelegung des letzten vorliegenden Steuerbescheid 2013 festgesetzt worden seien. Am 03.12.2016 erhob der Kläger gegen den Beitragsbescheid vom 02.11.2016 unter Berufung auf seine bereits erfolgte Widerspruchsbegründung erneut Widerspruch.
Im weiteren Verlauf erfolgten weitere Änderungsbescheide vom 22.12.2016 und 08.02.2017 worin Beiträge ab 01.01.2017 in Höhe von 317,11 EUR monatlich wegen Beitragssatzanpassung und ab 01.03.2017 in Höhe von 347,38 EUR gefordert wurden. Zur letzten Änderung der Beiträge ab 01.03.2017 führte die Beklagte aus, dass festgestellt worden sei, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die im Einkommensteuerbescheid 2014 ausgewiesen worden seien, versehentlich in falscher Höhe berücksichtigt worden seien. Es sei ein Betrag von 4.789,00 EUR anstatt 6.774,00 EUR der Berechnung zu Grunde gelegt worden. Für die Zukunft, ab 01.03.2017, sei die Einstufung daher zu berichtigen. Die Neuberechnung könne der beiliegenden Aufstellung entnommen werden. Der Einstufungsbescheid vom 08.02.2017 werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2017 wies die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) den Widerspruch gegen die Bescheide vom 22.03.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.11.2016, 22.12.2016 und vom 08.02.2017 zurück. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfolge die Beitragserhebung nach den Bruttoeinnahmen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 240 SGB V. Nach Auffassung des Gesetzgebers und des BSG seien unter der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit alle Einnahmen und Geldmittel zu verstehen, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbrauche oder verbrauchen könne, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Mit Urteil vom 16.05.2001 (B 5 RJ 46/00 R) habe das BSG außerdem entschieden, dass ein Verlustvortrag die Einkünfte aus Gewerbebetrieben nicht mindere. Denn der Verlustabzug sei keine steuerliche Vergünstigung bei der Ermittlung des Gewinns nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts. Vielmehr sei der Verlustvortrag wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Er vermindere die Summe der Einkünfte, nicht jedoch die aus Gewerbebetrieb. Das BSG habe zusammenfassend entschieden, dass es weder aus dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei, die durch § 10d EStG ermöglichte Durchbrechung des Prinzips der sogenannten Abschnittsbesteuerung auf das Sozialrecht zu übertragen. Demnach sei bei der Feststellung des Gewinns aus einer selbständigen Tätigkeit der Verlustabzug nicht zu berücksichtigen. Nichts anderes gelte, wenn die Durchbrechung des Prinzips der sogenannten Abschnittsbesteuerung auf anderen steuerrechtlichen Rechtsgrundlagen basiere, die ebenfalls eine jahresabschnittsübergreifende Berücksichtigung von Verlusten vorsehen würden. Die Beklagte habe bei der Beitragserhebung für die Zeit vom 01.10.2014 bis 30.09.2015, basierend auf den mit Einkommensteuerbescheid für 2012 nachgewiesenen Einnahmen, fälschlicherweise die Gewinne aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 10.910,00 EUR zu Gunsten des Klägers nicht berücksichtigt. Diese Einkünfte wären zur Berechnung der Beiträge aber heranzuziehen gewesen. Aus Vertrauensschutzgründen werde die Einstufung für diesen Zeitraum aber nicht abgeändert. Soweit allerdings bei der Beitragserhebung für die Zeit ab 01.03.2016 Kapitalerträge und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien in Höhe 4.789,00 EUR anstatt mit dem tatsächlich erwirtschafteten Betrag von 6.774,00 EUR berücksichtigt worden seien, habe der Bescheid vom 02.11.2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22.12.2016 mit Wirkung für die Zukunft, also zum 01.03 2017 gemäß § 45 Abs. 1 und 2 SGB X zurückgenommen werden können.
Hiergegen hat der Kläger am 12.06.2017 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2018 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beitragserhebung unter Zugrundelegung der jeweiligen Einkommensteuerbescheide rechtmäßig sei. Insbesondere sei die Berücksichtigung der Kapitalerträge zu Recht in richtiger Höhe erfolgt. Das BSG habe entschieden, dass ein Verlustvortrag die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht mindere. Insoweit werde auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Gegen den dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 26.06.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18.07.2018 Berufung eingelegt. Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 12.02.2019 ausführlich erörtert. Die Beklagte zu 1) hat Beitragsanpassungsbescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019 übersandt, mit denen die Beklagten die Beiträge ab 01.01.2018 unter Vorbehalt festgesetzt haben.
Der Kläger ist der Auffassung, dass seine Schwerbeschädigung mit einem GdB von 80 bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden müsse. Zudem dürften in seinem Fall keine Kapitaleinkünfte berücksichtigt werden. Zum einen ließen sich diese Einkünfte im Einkommensteuerbescheid nur schwierig ermitteln, zum anderen müssten die in den Einkommenssteuerbescheiden enthaltenen Verlustverrechnungen berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.06.2018 und die Bescheide der Beklagten vom 22.03.2016, 02.11.2016, 22.12.2016 und 08.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2017 sowie die Bescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019 aufzuheben, soweit die Beklagten bei der Beitragsbemessung die Schwerbeschädigung (GdB 80) nicht berücksichtigt sowie die Kapitaleinkünfte berücksichtigt haben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 1) trägt vor, dass mangels Rechtsgrundlage von den zu berücksichtigenden Einnahmen des Klägers keine Pauschale wegen seiner Behinderung abzusetzen sei. Der Einwand des Klägers, dass Kapitaleinkünfte aufgrund von Berechnungsproblemen nicht zur Beitragsberechnung herangezogen werden dürften, entbehre ebenfalls jeglicher Grundlage. Die von der Beklagten zur Beitragsberechnung herangezogenen Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers seien durch das Finanzamt in den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden bestandskräftig festgestellt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig sowie in der Sache überwiegend begründet.
Gegenstand der Berufung sind die Bescheide der Beklagten vom 22.03.2016, 02.11.2016, 22.12.2016 und 08.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2017 sowie die Bescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019, mit denen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 01.10.2014 festgesetzt worden sind.
Der Bescheid vom 12.01.2018 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens und der Bescheid vom 16.01.2019 gemäß §§ 153 Abs 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über diesen Bescheid entscheidet der Senat auf Klage. Richtige Klageart ist in allen Fällen die (isolierte) Anfechtungsklage, da der Kläger der Auffassung ist, dass er die mit den genannten Bescheiden festgesetzten Beiträge nicht in der festgesetzten Höhe zahlen muss.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Zwar hat die Beklagte zu Recht den beim Kläger festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 80 nicht bei der Beitragsbemessung berücksichtigt. Für den vom Kläger gewünschten Abzug des Pauschbetrags nach § 33b EStG von seinen Einnahmen gibt es keine gesetzliche Grundlage. Jedoch durften die Beklagten im Fall des Klägers keine Einkünfte aus Kapitalvermögen der Beitragsbemessung zugrunde legen. Einkünfte aus Kapitalvermögen lagen beim Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum aufgrund der vorgenommenen Verlustverrechnungen nicht vor. Die Verlustvorträge sind entgegen der Ansicht der Beklagten im Fall des Klägers bei Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert und demnach bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert (§ 20 Abs 3 SGB XI). Grundlage für die Beitragsfestsetzung ist für die Zeit bis 31.12.2017 § 240 SGB V in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung vom 21.07.2014 (SGB V aF). Nach dem ab dem 01.01.2018 geltenden Recht werden die aus dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides nur noch vorläufig festgesetzt (§ 240 Abs 4a S 1 SGB V nF).
Nach § 240 Abs 1 SGB V wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Gem Abs 4 Satz 1 gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße.
Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - BeitrVfGSz) vom 27.10.2008 (in Kraft getreten am 01.01.2009, § 13 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) gestalten die Beitragsbemessung näher aus. Sie bieten ab 01.01.2009 grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl Senatsurteile vom 18.06.2013, L 11 KR 300/12; 14.05.2013, L 11 KR 1553/11).
Auch die Festlegung einer Mindestbeitragsbemessungsgrenze für freiwillig Versicherte ist ebenso wie die unterschiedliche beitragsrechtliche Berücksichtigung von Kapitaleinkünften bei freiwillig Versicherten einerseits und Pflichtversicherten andererseits mit der Verfassung vereinbar.
Die Beiträge werden gem § 2 BeitrVfGSz nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen. Die Beitragsbemessung hat die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen. Für die Beitragsbemessung sind mindestens die Einnahmen des Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Gem § 3 Abs 1 bis 1a BeitrVfGSz sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, sind entsprechend den für die Sachbezüge geltenden Regelungen der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu bewerten. Die Einnahmen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen; eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt, es sei denn, die Einnahmen werden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Geldleistungen gelten nicht als beitragspflichtige Einnahmen. Einnahmen eines selbstständig Erwerbstätigen, die steuerrechtlich als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit behandelt werden, gelten als Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen sind den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Als Werbungskosten ist bei Einnahmen aus Kapitalvermögen ein Betrag von 51 Euro pro Kalenderjahr zu berücksichtigen, sofern keine höheren tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen werden. Maßgeblich für den Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Einkommenssteuerbescheid (§ 6 BeitrVfGSz).
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung in die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter einzubeziehen sind (vgl BSG 09.08.2006, B 12 KR 8/06 R). Demgegenüber hat das BSG in diesem Urteil auch festgestellt, dass es keinen vertikalen Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten im Beitragsrecht der Krankenversicherung geben kann. Ein sogenannter horizontaler Verlustausgleich ist zulässig, was bedeutet, dass die jeweilige Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen durch Verluste in diesem Bereich beeinflusst werden kann.
Aus diesem Grund kann auch kein Pauschbetrag für die Schwerbeschädigung bei der Beitragsbemessungsgrundlage abgesetzt werden. Denn außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) bzw ein diesbezüglicher Pauschbetrag (§ 33b EStG) werden auch steuerrechtlich erst nach Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte und damit nach Ermittlung der Summe der Einkünfte (§ 2 Abs 3 und 4 EStG) außerhalb der verschiedenen Einkunftsarten berücksichtigt (vgl LSG Thüringen 29.03.2016, L 6 KR 1501/13).
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob die Rechtsprechung des BSG zur Nichtberücksichtigung eines Verlustvortrags gem § 10d EStG (BSG 16.05.2001, B 5 RJ 46/00 R, BSGE 88, 117-125, SozR 3-2600 § 97 Nr 4, SozR 3-2400 § 15 Nr 9) bei der beitragsrechtlichen Einkommensermittlung im Rahmen von § 240 SGB V Anwendung findet. Diese Rechtsprechung wurde nicht für das Beitragsrecht, sondern für die Anrechnung von Arbeitseinkommen auf eine Rente entwickelt und basiert letztlich auf dem Wortlaut des § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Da die BeitrVfGSz auf § 15 SGB IV Bezug nehmen, spricht viel für die Nichtberücksichtigung, da der Verlustausgleich des § 10d EStG erst nach der Ermittlung der Einkünfte und der Summe der Einkünfte erfolgt.
Jedenfalls für grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen aus Kapitalvermögen liegt beim Kläger kein Verlustvortrag gem § 10d EStG vor. Beim Kläger wurden durch das zuständige Finanzamt für die hier maßgeblichen Jahre 2012 bis 2014 jeweils Verlustvorträge für die Einkünfte aus Kapitalvermögen (ohne und mit Veräußerung von Aktien) festgestellt und bei der Steuerberechnung berücksichtigt. Unter Berücksichtigung des Verlustvortrags ergeben sich in den Jahren 2012 und 2014 ausweislich der Einkommenssteuerbescheide beim Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach §32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), jeweils in Höhe von 0 EUR. Dabei werden in den Einkommenssteuerbescheiden die Verlustvorträge vor Abzug des noch nicht ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrages verrechnet. Der Einkommensteuerbescheid für 2013 liegt nur unvollständig ohne Angabe von Kapitaleinkünften vor. Die Beklagte zu 1) hat, soweit dieser Einkommensteuerbescheid maßgeblich ist, keine Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt.
Grundlage für die steuerrechtliche Verrechnung der Verlustvorträge ist § 20 Abs 6 EStG in der hier maßgeblichen Fassung vom 26.06.2013 (bis 30.07.2014) und ab 31.07.2014. Danach dürfen Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Kapitalvermögen erzielt. § 10d Absatz 4 (gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags) ist sinngemäß anzuwenden. Nach § 20 Abs 9 EStG ist bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 Euro abzuziehen (Sparer-Pauschbetrag); der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen. Der Sparer-Pauschbetrag und der gemeinsame Sparer-Pauschbetrag (für Ehegatten) dürfen nicht höher sein als die nach Maßgabe des Absatzes 6 verrechneten Kapitalerträge. Es liegt demnach bei der Berücksichtigung des Verlustvortrags bei Einkünften aus Kapitalvermögen kein abschnittsübergreifender Verlustausgleich vor.
Gem § 10d Abs 1 EStG sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind bis zu einem Betrag von 1 000 000 Euro, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag von 2 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach Absatz 1 abgezogen worden sind, sind nach § 10d Abs 2 EStG in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag).
Der Vergleich der Regelungen in § 20 Abs 6 und § 10d EStG zeigt, dass der Verlustvortrag im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bereits auf der Ebene der Einkünfte noch vor Berücksichtigung des Sparerpauschbetrages, also vor den Werbungskosten, berücksichtigt wird. Beim Verlustabzug nach § 10d EStG findet eine Verrechnung erst mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte und damit erst nach Bildung der Summe der Einkünfte aller Einkunftsarten vermindert um bestimmte Beträge (§ 2 Abs 3 EStG) statt.
Aber auch unter Zugrundelegung des Urteils des BSG vom 16.05.2001 (B 5 RJ 46/00 R, aaO) zählt zu den "allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts" (siehe § 15 Abs 1 SGB IV) "der horizontale und eingeschränkt auch der vertikale Verlustausgleich - im jeweiligen Veranlagungszeitraum - nach § 2 Abs 3 EStG. Danach ist nur ‚die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag und den Abzug nach § 13 Abs 3, der Gesamtbetrag der Einkünfte‘, was bedeutet, dass positive wie negative Einkünfte (dh Verluste) innerhalb einer Einkunftsart (horizontal) verrechnet werden und, falls danach noch Verluste bestehen, dies auch mit Gewinnen aus den anderen Einkunftsarten (vertikal) möglich ist." Demnach sind Abzüge, die auf der Ebene der Ermittlung der Einkünfte (§ 2 Abs 1, 2 iVm § 20 EStG) vorgenommen werden dürfen, noch innerhalb der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts zu berücksichtigen. So verhält es sich aber mit dem Verlustvortrag nach § 20 Abs 6 EStG.
§ 3 Abs 1b BeitrVfGSz sieht vor, dass Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen sind. Die BeitrVfGSz definieren den Begriff der "Einnahmen" selbst nicht. Für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung lässt sich allerdings aus § 6 Abs 3 Satz 3 Nr 1 entnehmen, dass der diesbezügliche Nachweis – wie auch für Arbeitseinkommen – über den maßgeblichen Einkommensteuerbescheid zu führen ist. Daraus kann jedoch nur der Wert der Einkünfte entnommen werden, denn die Bescheide enthalten keine Angabe von Einnahmen, Werbungskosten, Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben und der konkreten Gewinnermittlung. Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 Abs 1 SGB IV). Maßgeblich sind hier die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Dies muss folglich auch für die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und auch aus Kapitalvermögen gelten, so dass hierfür ebenfalls die steuerrechtliche Einordnung und die Ermittlung der Einkünfte maßgeblich ist. Im Hinblick auf die Werbungskosten schreiben die BeitrVfGSz für Kapitalvermögen einen abweichenden Pauschalsatz (51 EUR pro Kalenderjahr) vor. Dieser ist jedoch nach der Systematik ebenfalls erst nach Ermittlung der Einnahmen abzuziehen und demnach nach Abzug des Verlustvortrags.
Der Senat verkennt nicht, dass mit der Berücksichtigung eines Verlustvortrags bezüglich der Einkünfte aus Kapitalvermögen das Prinzip der (Jahres-)Abschnittsbesteuerung ähnlich zu § 10d EStG durchbrochen wird. Dies wird jedoch vom Gesetzgeber bei Einkünften aus Kapitalvermögen abweichend zu sonstigen Verlustvorträgen hingenommen.
Da sich beim Kläger in den hier maßgeblichen Jahren die Einnahmen aus Kapitalvermögen demnach auf null belaufen, dürfen keine solche Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden. Berücksichtigt werden dürfen beim Kläger nur Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung, diese jeweils in der von den Beklagten festgestellten und sich aus den Einkommensbescheiden ergebenden Höhe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung überwiegend erfolgreich war.
Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache (Berücksichtigung von Verlustvorträgen bei Einkommen aus Kapitalvermögen für die Beitragsbemessung nach § 240 SGB V) grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1) als freiwilliges Mitglied kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Mit Bescheid vom 29.09.2014 erhob die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) unter Zugrundelegung von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 971,21 EUR monatlich ab 01.08.2014 Beiträge in Höhe von 167,05 EUR (Krankenversicherung: 144,71 EUR; Pflegeversicherung: 22,34 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 29.12.2014 berechnete die Beklagte zu 1) die Beiträge ab Januar 2015 in Höhe von 169,95 EUR monatlich neu.
Im April 2015 stellte die Beklagte zu 1) eine Einkommensanfrage, welche der Kläger trotz zweifacher Mahnung im Mai und Juli 2015 unbeantwortet ließ. Mit Beitragsbescheid vom 26.08.2015 stellte die Beklagte zu 1) die Beiträge ab 01.09.2015 in Höhe von 721,84 EUR monatlich neu fest und legte die Beitragsbemessungsgrenze der Beitragsberechnung zugrunde.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.10.2015 Widerspruch und trug zur Begründung vor, er habe den Bescheid vom 26.08.2015 erst bei der persönlichen Vorsprache erhalten. Die aktuellen Einkommensnachweise habe er dem Widerspruch beigefügt. Am 03.12.2015 legte er (auszugsweise) den Einkommensteuerbescheid vom 30.09.2015 für das Jahr 2013 und am 17.03.2016 den Einkommensteuerbescheid vom 01.09.2014 für das Jahr 2012 vor. Der Einkommensteuerbescheid 2013 wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv 8.192 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 11.311 EUR aus. Eine Seite 3 mit den Angaben zu den Einkünften aus Kapitalvermögen war nicht beigefügt. Der Einkommenssteuerbescheid 2012 wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv -650 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 11.643 EUR aus. Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), waren Kapitalerträge iHv 1.811 EUR und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien iHv 10.910 EUR ausgewiesen. Beiden Posten standen jeweils Verrechnungen von Verlustvorträgen in derselben Höhe entgegen, so dass sich eine Zwischensumme vor Abzug eines Sparerpauschbetrags von 0 ergab. Kapitalerträge im Sinne des § 32d Abs 1 EStG waren mit 0 ausgewiesen.
Mit weiterem Beitragsbescheid vom 29.12.2015 forderte die Beklagte zu 1) ab 01.01.2016 Höchstbeiträge in Höhe von 766,64 EUR und mahnte mit Schreiben vom 18.02.2016 die rückständigen Beiträge an.
Auf Grundlage des vorgelegten Einkommenssteuerbescheids 2012 erließ die Beklagte zu 1) unter dem 22.03.2016 Änderungsbescheide und forderte nunmehr Beiträge ab 01.10.2014 in Höhe von 191,98 EUR und ab 01.01.2015 in Höhe von 195,32 EUR sowie ab 01.09.2015 ebenfalls in Höhe von 195,32 EUR. Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 22.03.2016 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge ab 01.10.2015 in Höhe von 284,41 EUR und ab 01.01.2016 in Höhe von 294,16 EUR fest. Die Höhe der Einkünfte ab 01.10.2015 sei auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2013 vom 30.09.2015 bestimmt worden. Dabei seien Einkünfte in Höhe von 1.625,25 EUR monatlich zugrunde gelegt worden.
Am 21.03.2016 ging der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 11.02.2016 bei den Beklagten ein. Dieser wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv 2.798 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 13.258 EUR aus. Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), waren Kapitalerträge iHv 3.636 EUR und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien iHv 3.138 EUR ausgewiesen. Beiden Posten standen wiederum jeweils Verrechnungen von Verlustvorträgen in derselben Höhe entgegen, so dass wiederum Kapitalerträge im Sinne des § 32d Abs 1 EStG mit 0 ausgewiesen waren.
Gegen die Änderungsbescheide vom 22.03.2016 erhob der Kläger am 24.04.2016 Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs trug er vor, dass er seit vielen Jahren Kredite zurückzahle, die ursprünglich einmal der Erzielung von Einnahmen gedient hätten. Es handle sich um Raten in Höhe von 219,00 EUR bzw 492,00 EUR monatlich. Nach der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung würden diese Beträge wegen ihres ursprünglichen Bezugs zu den Einnahmen abzuziehende Positionen darstellen. Außerdem weise der Steuerbescheid von 2014 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 1.060,00 EUR wegen seines Grads der Behinderung in Höhe von 80 % auf, ohne dass dies in der Beitragsfestsetzung Berücksichtigung gefunden habe. Schwerbehindertenpauschbeträge seien gemäß § 33b EStG zu berücksichtigen. Das BSG habe entsprechend bei der Kriegsopferrente diese auch nicht als Einnahme zum Lebensunterhalt gezählt. Des Weiteren sei ein Verlustausgleich statthaft und geboten. Er habe viele Verluste aus tschechischen Firmen erleiden müssen. Zusätzlich sei auf die Schwierigkeiten bei der Umrechnung der Dividenden und Aktienverkäufe bei unterschiedlichen Währungen hinzuweisen.
Mit weiterem Beitragsbescheid vom 02.11.2016 setzte die Beklagte zu 1) unter Zugrundelegung monatlich beitragspflichtiger Einnahmen entsprechend dem Einkommenssteuerbescheid vom 11.02.2016 für das Jahr 2014 in Höhe von 1.732,83 EUR den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag ab 01.03.2016 auf 313,63 EUR fest. Dabei wies sie darauf hin, dass der Steuerbescheid für das Jahr 2014 im Februar 2016 ergangen und vollständig im September 2016 eingereicht worden sei. Der Versicherungsbeitrag habe so ab 01.03.2016 (Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats) angepasst werden können. Im Steuerbescheid 2014 würden höhere Einkünfte als im Steuerbescheid 2013 ausgewiesen. Eine weitere Prüfung habe ergeben, dass eine Absenkung der Beiträge ab 01.01.2016 nicht möglich sei, da diese unter Zugrundelegung des letzten vorliegenden Steuerbescheid 2013 festgesetzt worden seien. Am 03.12.2016 erhob der Kläger gegen den Beitragsbescheid vom 02.11.2016 unter Berufung auf seine bereits erfolgte Widerspruchsbegründung erneut Widerspruch.
Im weiteren Verlauf erfolgten weitere Änderungsbescheide vom 22.12.2016 und 08.02.2017 worin Beiträge ab 01.01.2017 in Höhe von 317,11 EUR monatlich wegen Beitragssatzanpassung und ab 01.03.2017 in Höhe von 347,38 EUR gefordert wurden. Zur letzten Änderung der Beiträge ab 01.03.2017 führte die Beklagte aus, dass festgestellt worden sei, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die im Einkommensteuerbescheid 2014 ausgewiesen worden seien, versehentlich in falscher Höhe berücksichtigt worden seien. Es sei ein Betrag von 4.789,00 EUR anstatt 6.774,00 EUR der Berechnung zu Grunde gelegt worden. Für die Zukunft, ab 01.03.2017, sei die Einstufung daher zu berichtigen. Die Neuberechnung könne der beiliegenden Aufstellung entnommen werden. Der Einstufungsbescheid vom 08.02.2017 werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2017 wies die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) den Widerspruch gegen die Bescheide vom 22.03.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.11.2016, 22.12.2016 und vom 08.02.2017 zurück. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfolge die Beitragserhebung nach den Bruttoeinnahmen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 240 SGB V. Nach Auffassung des Gesetzgebers und des BSG seien unter der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit alle Einnahmen und Geldmittel zu verstehen, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbrauche oder verbrauchen könne, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Mit Urteil vom 16.05.2001 (B 5 RJ 46/00 R) habe das BSG außerdem entschieden, dass ein Verlustvortrag die Einkünfte aus Gewerbebetrieben nicht mindere. Denn der Verlustabzug sei keine steuerliche Vergünstigung bei der Ermittlung des Gewinns nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts. Vielmehr sei der Verlustvortrag wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Er vermindere die Summe der Einkünfte, nicht jedoch die aus Gewerbebetrieb. Das BSG habe zusammenfassend entschieden, dass es weder aus dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei, die durch § 10d EStG ermöglichte Durchbrechung des Prinzips der sogenannten Abschnittsbesteuerung auf das Sozialrecht zu übertragen. Demnach sei bei der Feststellung des Gewinns aus einer selbständigen Tätigkeit der Verlustabzug nicht zu berücksichtigen. Nichts anderes gelte, wenn die Durchbrechung des Prinzips der sogenannten Abschnittsbesteuerung auf anderen steuerrechtlichen Rechtsgrundlagen basiere, die ebenfalls eine jahresabschnittsübergreifende Berücksichtigung von Verlusten vorsehen würden. Die Beklagte habe bei der Beitragserhebung für die Zeit vom 01.10.2014 bis 30.09.2015, basierend auf den mit Einkommensteuerbescheid für 2012 nachgewiesenen Einnahmen, fälschlicherweise die Gewinne aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 10.910,00 EUR zu Gunsten des Klägers nicht berücksichtigt. Diese Einkünfte wären zur Berechnung der Beiträge aber heranzuziehen gewesen. Aus Vertrauensschutzgründen werde die Einstufung für diesen Zeitraum aber nicht abgeändert. Soweit allerdings bei der Beitragserhebung für die Zeit ab 01.03.2016 Kapitalerträge und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien in Höhe 4.789,00 EUR anstatt mit dem tatsächlich erwirtschafteten Betrag von 6.774,00 EUR berücksichtigt worden seien, habe der Bescheid vom 02.11.2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22.12.2016 mit Wirkung für die Zukunft, also zum 01.03 2017 gemäß § 45 Abs. 1 und 2 SGB X zurückgenommen werden können.
Hiergegen hat der Kläger am 12.06.2017 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2018 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beitragserhebung unter Zugrundelegung der jeweiligen Einkommensteuerbescheide rechtmäßig sei. Insbesondere sei die Berücksichtigung der Kapitalerträge zu Recht in richtiger Höhe erfolgt. Das BSG habe entschieden, dass ein Verlustvortrag die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht mindere. Insoweit werde auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Gegen den dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 26.06.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18.07.2018 Berufung eingelegt. Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 12.02.2019 ausführlich erörtert. Die Beklagte zu 1) hat Beitragsanpassungsbescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019 übersandt, mit denen die Beklagten die Beiträge ab 01.01.2018 unter Vorbehalt festgesetzt haben.
Der Kläger ist der Auffassung, dass seine Schwerbeschädigung mit einem GdB von 80 bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden müsse. Zudem dürften in seinem Fall keine Kapitaleinkünfte berücksichtigt werden. Zum einen ließen sich diese Einkünfte im Einkommensteuerbescheid nur schwierig ermitteln, zum anderen müssten die in den Einkommenssteuerbescheiden enthaltenen Verlustverrechnungen berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.06.2018 und die Bescheide der Beklagten vom 22.03.2016, 02.11.2016, 22.12.2016 und 08.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2017 sowie die Bescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019 aufzuheben, soweit die Beklagten bei der Beitragsbemessung die Schwerbeschädigung (GdB 80) nicht berücksichtigt sowie die Kapitaleinkünfte berücksichtigt haben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 1) trägt vor, dass mangels Rechtsgrundlage von den zu berücksichtigenden Einnahmen des Klägers keine Pauschale wegen seiner Behinderung abzusetzen sei. Der Einwand des Klägers, dass Kapitaleinkünfte aufgrund von Berechnungsproblemen nicht zur Beitragsberechnung herangezogen werden dürften, entbehre ebenfalls jeglicher Grundlage. Die von der Beklagten zur Beitragsberechnung herangezogenen Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers seien durch das Finanzamt in den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden bestandskräftig festgestellt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig sowie in der Sache überwiegend begründet.
Gegenstand der Berufung sind die Bescheide der Beklagten vom 22.03.2016, 02.11.2016, 22.12.2016 und 08.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2017 sowie die Bescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019, mit denen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 01.10.2014 festgesetzt worden sind.
Der Bescheid vom 12.01.2018 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens und der Bescheid vom 16.01.2019 gemäß §§ 153 Abs 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über diesen Bescheid entscheidet der Senat auf Klage. Richtige Klageart ist in allen Fällen die (isolierte) Anfechtungsklage, da der Kläger der Auffassung ist, dass er die mit den genannten Bescheiden festgesetzten Beiträge nicht in der festgesetzten Höhe zahlen muss.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Zwar hat die Beklagte zu Recht den beim Kläger festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 80 nicht bei der Beitragsbemessung berücksichtigt. Für den vom Kläger gewünschten Abzug des Pauschbetrags nach § 33b EStG von seinen Einnahmen gibt es keine gesetzliche Grundlage. Jedoch durften die Beklagten im Fall des Klägers keine Einkünfte aus Kapitalvermögen der Beitragsbemessung zugrunde legen. Einkünfte aus Kapitalvermögen lagen beim Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum aufgrund der vorgenommenen Verlustverrechnungen nicht vor. Die Verlustvorträge sind entgegen der Ansicht der Beklagten im Fall des Klägers bei Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert und demnach bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert (§ 20 Abs 3 SGB XI). Grundlage für die Beitragsfestsetzung ist für die Zeit bis 31.12.2017 § 240 SGB V in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung vom 21.07.2014 (SGB V aF). Nach dem ab dem 01.01.2018 geltenden Recht werden die aus dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides nur noch vorläufig festgesetzt (§ 240 Abs 4a S 1 SGB V nF).
Nach § 240 Abs 1 SGB V wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Gem Abs 4 Satz 1 gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße.
Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - BeitrVfGSz) vom 27.10.2008 (in Kraft getreten am 01.01.2009, § 13 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) gestalten die Beitragsbemessung näher aus. Sie bieten ab 01.01.2009 grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl Senatsurteile vom 18.06.2013, L 11 KR 300/12; 14.05.2013, L 11 KR 1553/11).
Auch die Festlegung einer Mindestbeitragsbemessungsgrenze für freiwillig Versicherte ist ebenso wie die unterschiedliche beitragsrechtliche Berücksichtigung von Kapitaleinkünften bei freiwillig Versicherten einerseits und Pflichtversicherten andererseits mit der Verfassung vereinbar.
Die Beiträge werden gem § 2 BeitrVfGSz nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen. Die Beitragsbemessung hat die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen. Für die Beitragsbemessung sind mindestens die Einnahmen des Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Gem § 3 Abs 1 bis 1a BeitrVfGSz sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, sind entsprechend den für die Sachbezüge geltenden Regelungen der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu bewerten. Die Einnahmen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen; eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt, es sei denn, die Einnahmen werden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Geldleistungen gelten nicht als beitragspflichtige Einnahmen. Einnahmen eines selbstständig Erwerbstätigen, die steuerrechtlich als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit behandelt werden, gelten als Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen sind den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Als Werbungskosten ist bei Einnahmen aus Kapitalvermögen ein Betrag von 51 Euro pro Kalenderjahr zu berücksichtigen, sofern keine höheren tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen werden. Maßgeblich für den Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Einkommenssteuerbescheid (§ 6 BeitrVfGSz).
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung in die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter einzubeziehen sind (vgl BSG 09.08.2006, B 12 KR 8/06 R). Demgegenüber hat das BSG in diesem Urteil auch festgestellt, dass es keinen vertikalen Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten im Beitragsrecht der Krankenversicherung geben kann. Ein sogenannter horizontaler Verlustausgleich ist zulässig, was bedeutet, dass die jeweilige Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen durch Verluste in diesem Bereich beeinflusst werden kann.
Aus diesem Grund kann auch kein Pauschbetrag für die Schwerbeschädigung bei der Beitragsbemessungsgrundlage abgesetzt werden. Denn außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) bzw ein diesbezüglicher Pauschbetrag (§ 33b EStG) werden auch steuerrechtlich erst nach Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte und damit nach Ermittlung der Summe der Einkünfte (§ 2 Abs 3 und 4 EStG) außerhalb der verschiedenen Einkunftsarten berücksichtigt (vgl LSG Thüringen 29.03.2016, L 6 KR 1501/13).
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob die Rechtsprechung des BSG zur Nichtberücksichtigung eines Verlustvortrags gem § 10d EStG (BSG 16.05.2001, B 5 RJ 46/00 R, BSGE 88, 117-125, SozR 3-2600 § 97 Nr 4, SozR 3-2400 § 15 Nr 9) bei der beitragsrechtlichen Einkommensermittlung im Rahmen von § 240 SGB V Anwendung findet. Diese Rechtsprechung wurde nicht für das Beitragsrecht, sondern für die Anrechnung von Arbeitseinkommen auf eine Rente entwickelt und basiert letztlich auf dem Wortlaut des § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Da die BeitrVfGSz auf § 15 SGB IV Bezug nehmen, spricht viel für die Nichtberücksichtigung, da der Verlustausgleich des § 10d EStG erst nach der Ermittlung der Einkünfte und der Summe der Einkünfte erfolgt.
Jedenfalls für grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen aus Kapitalvermögen liegt beim Kläger kein Verlustvortrag gem § 10d EStG vor. Beim Kläger wurden durch das zuständige Finanzamt für die hier maßgeblichen Jahre 2012 bis 2014 jeweils Verlustvorträge für die Einkünfte aus Kapitalvermögen (ohne und mit Veräußerung von Aktien) festgestellt und bei der Steuerberechnung berücksichtigt. Unter Berücksichtigung des Verlustvortrags ergeben sich in den Jahren 2012 und 2014 ausweislich der Einkommenssteuerbescheide beim Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach §32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), jeweils in Höhe von 0 EUR. Dabei werden in den Einkommenssteuerbescheiden die Verlustvorträge vor Abzug des noch nicht ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrages verrechnet. Der Einkommensteuerbescheid für 2013 liegt nur unvollständig ohne Angabe von Kapitaleinkünften vor. Die Beklagte zu 1) hat, soweit dieser Einkommensteuerbescheid maßgeblich ist, keine Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt.
Grundlage für die steuerrechtliche Verrechnung der Verlustvorträge ist § 20 Abs 6 EStG in der hier maßgeblichen Fassung vom 26.06.2013 (bis 30.07.2014) und ab 31.07.2014. Danach dürfen Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Kapitalvermögen erzielt. § 10d Absatz 4 (gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags) ist sinngemäß anzuwenden. Nach § 20 Abs 9 EStG ist bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 Euro abzuziehen (Sparer-Pauschbetrag); der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen. Der Sparer-Pauschbetrag und der gemeinsame Sparer-Pauschbetrag (für Ehegatten) dürfen nicht höher sein als die nach Maßgabe des Absatzes 6 verrechneten Kapitalerträge. Es liegt demnach bei der Berücksichtigung des Verlustvortrags bei Einkünften aus Kapitalvermögen kein abschnittsübergreifender Verlustausgleich vor.
Gem § 10d Abs 1 EStG sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind bis zu einem Betrag von 1 000 000 Euro, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag von 2 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach Absatz 1 abgezogen worden sind, sind nach § 10d Abs 2 EStG in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag).
Der Vergleich der Regelungen in § 20 Abs 6 und § 10d EStG zeigt, dass der Verlustvortrag im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bereits auf der Ebene der Einkünfte noch vor Berücksichtigung des Sparerpauschbetrages, also vor den Werbungskosten, berücksichtigt wird. Beim Verlustabzug nach § 10d EStG findet eine Verrechnung erst mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte und damit erst nach Bildung der Summe der Einkünfte aller Einkunftsarten vermindert um bestimmte Beträge (§ 2 Abs 3 EStG) statt.
Aber auch unter Zugrundelegung des Urteils des BSG vom 16.05.2001 (B 5 RJ 46/00 R, aaO) zählt zu den "allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts" (siehe § 15 Abs 1 SGB IV) "der horizontale und eingeschränkt auch der vertikale Verlustausgleich - im jeweiligen Veranlagungszeitraum - nach § 2 Abs 3 EStG. Danach ist nur ‚die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag und den Abzug nach § 13 Abs 3, der Gesamtbetrag der Einkünfte‘, was bedeutet, dass positive wie negative Einkünfte (dh Verluste) innerhalb einer Einkunftsart (horizontal) verrechnet werden und, falls danach noch Verluste bestehen, dies auch mit Gewinnen aus den anderen Einkunftsarten (vertikal) möglich ist." Demnach sind Abzüge, die auf der Ebene der Ermittlung der Einkünfte (§ 2 Abs 1, 2 iVm § 20 EStG) vorgenommen werden dürfen, noch innerhalb der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts zu berücksichtigen. So verhält es sich aber mit dem Verlustvortrag nach § 20 Abs 6 EStG.
§ 3 Abs 1b BeitrVfGSz sieht vor, dass Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen sind. Die BeitrVfGSz definieren den Begriff der "Einnahmen" selbst nicht. Für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung lässt sich allerdings aus § 6 Abs 3 Satz 3 Nr 1 entnehmen, dass der diesbezügliche Nachweis – wie auch für Arbeitseinkommen – über den maßgeblichen Einkommensteuerbescheid zu führen ist. Daraus kann jedoch nur der Wert der Einkünfte entnommen werden, denn die Bescheide enthalten keine Angabe von Einnahmen, Werbungskosten, Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben und der konkreten Gewinnermittlung. Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 Abs 1 SGB IV). Maßgeblich sind hier die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Dies muss folglich auch für die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und auch aus Kapitalvermögen gelten, so dass hierfür ebenfalls die steuerrechtliche Einordnung und die Ermittlung der Einkünfte maßgeblich ist. Im Hinblick auf die Werbungskosten schreiben die BeitrVfGSz für Kapitalvermögen einen abweichenden Pauschalsatz (51 EUR pro Kalenderjahr) vor. Dieser ist jedoch nach der Systematik ebenfalls erst nach Ermittlung der Einnahmen abzuziehen und demnach nach Abzug des Verlustvortrags.
Der Senat verkennt nicht, dass mit der Berücksichtigung eines Verlustvortrags bezüglich der Einkünfte aus Kapitalvermögen das Prinzip der (Jahres-)Abschnittsbesteuerung ähnlich zu § 10d EStG durchbrochen wird. Dies wird jedoch vom Gesetzgeber bei Einkünften aus Kapitalvermögen abweichend zu sonstigen Verlustvorträgen hingenommen.
Da sich beim Kläger in den hier maßgeblichen Jahren die Einnahmen aus Kapitalvermögen demnach auf null belaufen, dürfen keine solche Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden. Berücksichtigt werden dürfen beim Kläger nur Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung, diese jeweils in der von den Beklagten festgestellten und sich aus den Einkommensbescheiden ergebenden Höhe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung überwiegend erfolgreich war.
Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache (Berücksichtigung von Verlustvorträgen bei Einkommen aus Kapitalvermögen für die Beitragsbemessung nach § 240 SGB V) grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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