L 11 KA 36/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 45/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 36/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.02.2018 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2017 verpflichtet, die Klägerin in das Arztregister für den Zulassungsbezirk L einzutragen. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Eintragung in das von der Beklagten geführte Arztregister für den Zulassungsbezirk L.

Die am 00.00.1961 geborene und in S wohnhafte Klägerin absolvierte ein Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität H (Königreich Spanien). Dieses Studium schloss sie im Dezember 1994 erfolgreich ab (Urkunde der Universität H vom 18.01.1995).

Unter dem 29.05.1996 stellte das Gesundheitsministerium des Königreichs Spanien der Klägerin eine Bescheinigung mit auszugsweise folgendem amtlich übersetzten Inhalt aus:

"( ...). Nachdem geprüft wurde, dass der Interessent die in Art. 7.2 der Richtlinie 86/457/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15. September 1986 und die in Artikel 2 des Königlichen Erlasses 853/1993 vom 4. Juni aufgeführten Anforderungen erfüllt, stellt er diese Bescheinigung als Nachweis dafür aus, dass Frau V L N die Berechtigung zur Berufsausübung als Ärztin der Allgemeinmedizin im spanischen Nationalen Gesundheitssystem wie auch in den öffentlichen Systemen der sozialen Sicherheit in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften hat. ( ...)."

Am 01.10.2015 erteilte das spanische Ministerium für Bildung, Kultur und Sport (Generalsubdirektion für Titel und die Anerkennung von Abschlüssen) der Klägerin eine Bescheinigung folgenden Inhalts:

"Zur Bescheinigung vor den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staaten, wird bestätigt, dass das Zeugnis, welches durch das Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz am 29. Mai 1996 auf den Namen V L H N, deutscher Staatsangehörigkeit, ausgestellt wurde, den in Artikel 30.1 der Richtlinie 2005/36/CE aufgeführten erworbenen Rechten entspricht und ihr das Recht verleiht, als praktischer Arzt im Rahmen der allgemeinen Regelung im spanischen Nationalen Gesundheitssystem zu praktizieren."

Am 09.09.2015 erteilte die Bezirksregierung L der Klägerin die Approbation als Ärztin (Approbationsurkunde vom 09.09.2015).

Unter dem 22.02.2016 bestätigte die Bezirksärztekammer L1, dass die Klägerin aufgrund der in Spanien erworbenen Rechte gemäß Artikel 30 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG das Recht erworben hat, den ärztlichen Beruf als praktische Ärztin im Rahmen des Sozialversicherungssystems auszuüben. Schließlich beurkundete diese Bezirksärztekammer am 06.04.2015 die Anerkennung als Fachärztin für Allgemeinmedizin.

Am 09.05.2016 beantragte die seit September 2015 als Assistenzärztin bei der Dr. von F Klinik, Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie, B, als Assistenzärztin tätige Klägerin bei der Beklagten den Eintrag in das Arztregister für den Zulassungsbezirk L. Zum Nachweis ihres Anspruchs verwies sie auf die Approbationsurkunde vom 09.09.2015, die Bescheinigung der Bezirksärztekammer L1 über der Anerkennung als Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 06.04.2016 sowie die Bescheinigung der Universität H vom 18.01.1995 über den Studienabschluss als "Allgemeinärztin". Darüber hinaus reichte sie die Bescheinigung des spanischen Ministeriums für Gesundheit und Verbraucherschutz vom 29.05.1996 sowie des spanischen Ministeriums für Bildung, Kultur und Sport vom 01.10.2015 zur Akte. Überdies nahm sie Bezug auf die Bestätigung der Bezirksärztekammer L1 vom 22.02.2016 über die Anerkennung erworbener Rechte nach Artikel 30 der Richtlinie 2005/36/EG.

Mit Bescheid vom 07.09.2016 lehnte die Beklagte den Eintrag in das Arztregister ab. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 95a Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht. Nach Anhang V Nr. 5.1.4. der Richtlinie 2005/36/EG müsse sowohl der Erwerb des Rechts als auch die Niederlassung zum maßgeblichen Stichtag, dem 31.12.1994, erfolgt sein. Dieses sei bei der Klägerin nicht der Fall. Die Urkunde über das an der Universität H absolvierte Studium sei erst zum 18.01.2015 ausgestellt worden. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides vom 07.09.2016 Bezug genommen.

Dem widersprach die Klägerin am 26.09.2016. Als Inhaberin einer Bescheinigung eines Mitgliedstaates der Europäischen Union über erworbene Rechte von praktischen Ärzten nach Artikel 30 der Richtlinie 2005/36/EG könne sie als approbierte Ärztin den Eintrag in das Arztregister beanspruchen. Die Beklagte sei nicht befugt, die Kriterien anderer Mitgliedstaaten hinsichtlich des Ausstellens von Bescheinigungen über erworbene Rechte in Frage zu stellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Mit der am 02.03.2012 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie sah die Voraussetzungen des § 95a Abs. 5 SGB V für gegeben an.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 07.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie in das Arztregister des Zulassungsbezirks L einzutragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Mit Urteil vom 21.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne ein erworbenes Recht im Sinne des Artikel 30 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2005/36/EG nicht nachweisen. Ihre Berechtigung zur Berufsausübung als Ärztin der Allgemeinmedizin im spanischen nationalen Gesundheitssystem und in den öffentlichen Systemen der sozialen Sicherheit in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, habe sie nicht bis zum Stichtag 31.12.1994 erworben. Die der Klägerin erteilte Bescheinigung datiere vom 29.05.1996.

Dass die Klägerin ihr Studium ausweislich der Rückseite der Bescheinigung der Universität H vom 18.01.1995 bereits im Dezember 1994 abgeschlossen habe, führe zu keiner anderen Betrachtung. Der Studienabschluss sei nicht mit dem Recht, den ärztlichen Beruf als praktischer Arzt im Rahmen des Sozialversicherungssystems auszuüben, gleichzusetzen, sondern bedürfe einer behördlichen Entscheidung. Im Übrigen fehle es auch an der zum Stichtag erforderlichen Niederlassung im Gebiet des Mitgliedstaates.

Gegen das ihr am 18.04.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.05.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Soweit das SG Zweifel geäußert habe, ob das mitgliedstaatlich zuständige spanische Ministerium die Bescheinigung zu Recht erteilt habe, da sie die Berechtigung zur Berufsausübung als Ärztin der Allgemeinmedizin im spanischen nationalen Gesundheitssystem nicht bis zum Stichtag, dem 31.12.1994, erworben habe, überzeuge diese Argumentation nicht. Es bestehe eine Drittbindung an die Statusentscheidung der spanischen Behörden, da der Gesetzgeber inländische Behörden einschließlich der Beklagten nicht ermächtigt habe, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu prüfen. Soweit das SG die Rechtmäßigkeit der erteilten Bescheinigung unter Hinweis auf die Richtlinie 2005/36/EG in Frage stelle, sei daran zu erinnern, dass Richtlinien nicht unmittelbar wirksam und verbindlich seien, sondern durch nationale Rechtsakte umgesetzt werden müssten, um einen Geltungsanspruch zu erlangen. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der ihr erteilten Bescheinigung sei daher nicht der Inhalt der Richtlinie, sondern deren Umsetzung in spanisches Recht. Über die Rechtmäßigkeit der Umsetzung habe nur ein spanisches oder europäisches Gericht zu befinden; nicht jedoch das SG Düsseldorf.

Zudem leide das angefochtene Urteil unter einem logischen Denkfehler. Wenn Artikel 30 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2005/36/EG bestimme, dass ein Mitgliedstaat ein erworbenes Recht durch eine Bescheinigung bei Ärzten anzuerkennen habe, die sich vor dem Stichtag niedergelassen hätten, folge hieraus nicht, dass er das erworbene Recht ausschließlich denjenigen bescheinigen dürfe, die sich vor dem Stichtag niedergelassen hätten. Unbeschadet dessen bestimme nach Artikel 30 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2005/36/EG jeder Mitgliedstaat die erworbenen Rechte. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsgrundlage sei ihr auf Grundlage von Artikel 2 des Königlichen Dekrets 853/1993 vom 04.06.1993 die Berechtigung bescheinigt worden, den Beruf als Ärztin für Allgemeinmedizin im Nationalen Spanischen Gesundheitssystem wie auch in den öffentlichen Systemen der Sozialen Sicherheit in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auszuüben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.02.2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2017 zu verpflichten, sie in das Arztregister des Zulassungsbezirks L einzutragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, dass Artikel 30 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2005/36 eine Befugnis zur Regelung von erworbenen Rechte in anderen Mitgliedstaaten nicht begründe. Zur Anerkennung von erworbenen Rechten in einem anderen Mitgliedstaat greife Artikel 30 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2005/36/EG. Die in Artikel 30 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2005/36/EG genannten Voraussetzungen seien bis zum maßgeblichen Stichtag, dem 31.12.1994, zu erfüllen, was von einem anderen Mitgliedstaat bescheinigt werden müsse. Hierauf nehme § 95a Abs. 5 Altern. 1 SGB V Bezug.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 24.10.2018 erörtert. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 13.12.2018 und vom 04.02.2019 erklärt, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem die Beteiligten wirksam auf eine solche verzichtet haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

I.

Die am 09.05.2018 bei dem erkennenden Gericht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 18.04.2018 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne vorherige gerichtliche Zulassung statthaft sowie fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1; 64 Abs. 1, Abs. 2; 63 SGG).

II.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Eintragung der Klägerin in das Arztregister für den Zulassungsbezirk L gerichtete Klage ist zulässig (hierzu 1.) und begründet hierzu (2.).

1. Für das Rechtsschutzbegehren (§§ 153 Abs. 1, 123 SGG) der Klägerin, die gerichtliche Kassation des Versagungsbescheides vom 07.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2017 und die Verpflichtung der Beklagten zur Eintragung in das Arztregister (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB V), ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, Fall 3, 56 SGG) statthaft. Bei dem Eintrag in das Arztregister als solchem handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der im Hinblick auf die mit dem Eintrag verbundenen Rechtsfolgen - etwa der Befugnis zur Bewerbung um eine Zulassung (§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB V) - als ein auf die Begründung eines Statusverhältnisses gerichteter Rechtsakt zu qualifizieren ist (Bristle in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Auflage, 2017, § 17 Rn. 20).

Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere nach §§ 90, 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG fristgerecht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides am 02.03.2017 erhoben worden.

2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2017 beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Dieser Verwaltungsakt ist rechtswidrig. Die Beklagte hat den begehrten Eintrag in das Arztregister für den Zulassungsbezirk L zu Unrecht versagt.

Die Eintragung in das Arztregister erfolgt für Vertragsärzte nach Maßgabe des § 95 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB V auf Antrag nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a SGB V. Die hiernach erforderlichen formellen (hierzu a)) und materiellen (hierzu b)) Eintragungsvoraussetzungen sind erfüllt.

a) Die formellen Eintragungsvoraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat am 09.05.2016 bei der Beklagten den gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB V, § 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erforderlichen Antrag auf Eintrag in das für ihren Wohnort maßgebliche Antragsregister (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV) gestellt.

b) Die Klägerin hat auch die materiellen Eintragungsvoraussetzungen nachgewiesen. Nach § 95a Abs. 1 SGB V i.d.F. des ab 07.12.2007 geltenden Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe vom 02.12.2007 (HeilbAnerkRUG, BGBl. I 2007, 2686) setzt die Eintragung in das Arztregister die Approbation als Arzt (Nr. 1) sowie den erfolgreichen Abschluss entweder einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung oder einer Weiterbildung in einem anderen Fachgebiet mit der Befugnis zum Führen einer entsprechenden Gebietsbezeichnung oder den Nachweis einer Qualifikation voraus, die gemäß den Absätzen 4 und 5 anerkannt ist (Nr. 2).

aa) Die nach § 95a Abs. 1 Nr. 1 SGB V erforderliche Approbation als Ärztin wurde der Klägerin erteilt (Approbationsurkunde der Bezirksregierung L vom 09.09.2015). Dass die Klägerin diese Eintragungsvoraussetzung erfüllt, ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

bb) Die Voraussetzungen des § 95a Abs. 1 Nr. 2 SGB V sind entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls nachgewiesen. Hierbei kann der Senat offen lassen, ob die Klägerin über einen erfolgreichen Abschluss einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung oder einen erfolgreichen Abschluss einer Weiterbildung in einem anderen Fachgebiet mit der Befugnis zum Führen einer entsprechenden Gebietsbezeichnung verfügt. Sie kann jedenfalls eine nach § 95a Abs. 5 SGB V anerkannte Qualifikation nachweisen.

(1) Insoweit kann zunächst offen bleiben, ob die Klägerin einen Befähigungsnachweis im Sinne des § 95a Abs. 5 Satz 1 SGB V vorweisen kann, wonach auf Antrag auch im Inland zur Berufsausübung zugelassene Ärzte einzutragen sind, wenn sie Inhaber eines Ausbildungsnachweises über eine inhaltlich mindestens den Anforderungen nach Artikel 28 der Richtlinie 2005/36/EG entsprechende besondere Ausbildung in der Allgemeinmedizin sind und dieser Ausbildungsnachweis in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ausgestellt worden ist.

(2) Die Klägerin kann ihren Eintragungsanspruch nämlich auf § 95a Abs. 5 Satz 2 SGB V stützen. Diese Vorschrift erweitert die möglichen Qualifikationsnachweise um drei weitere Fälle. Hiernach sind auch einzutragen Inhaber von Bescheinigungen über besondere erworbene Rechte von praktischen Ärzten nach Artikel 30 der Richtlinie 2005/36/EG (Fall 1), Inhaber eines Ausbildungsnachweises über eine inhaltlich mindestens den Anforderungen nach Artikel 25 der Richtlinie 2005/36/EG entsprechende fachärztliche Weiterbildung (Fall 2) oder Inhaber einer Bescheinigung über besondere erworbene Rechte von Fachärzten nach Artikel 27 der Richtlinie 2005/36/EG (Fall 3).

(a) Die Voraussetzungen des § 95a Abs. 5 Satz 2 Fall 1 SGB V sind erfüllt. Diese Norm knüpft nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut tatbestandlich allein an die tatsächliche Inhaberschaft einer Bescheinigung nach Artikel 30 der Richtlinie 2005/36/EG an (Hellkötter-Backes in Hänlein/Schuler, Sozialgesetzbuch V, 5. Auflage, 2016, § 95a, Rn. 17; Gerlach in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 100. EL, Oktober 2018, § 95a, Rn. 25; Ossege in Berchthold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Auflage, 2018, § 95a, Rn. 21 f. ("Damit wird sichergestellt, dass Ärzte, die die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin in einem der in Abs. 5 benannten Staaten erworben haben, zur Versorgung in der GKV zugelassen werden. Dies gilt gemäß Abs. 5 Satz 2 auch für Inhaber von Bescheinigungen über besondere erworbene Rechte von praktischen Ärzten nach Art 30 der Richtlinie 2005/36/EG.)").

Die Klägerin verfügt über einen solchen Befähigungsnachweis. Ihr bescheinigte das spanische Gesundheitsministeriums am 29.05.1996, zur Berufsausübung als Ärztin für Allgemeinmedizin im nationalen spanischen Gesundheitssystem berechtigt zu sein. Darüber hinaus hat das spanische Ministerium für Bildung, Kultur und Sport bescheinigt, dass das Zeugnis vom 29.05.1996 den in Artikel 30 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG aufgeführten erworbenen Rechten entspricht und ihr das Recht verleiht, als praktische Ärztin im Rahmen der allgemeinen Regelung im spanischen Gesundheitssystem zu praktizieren. Dem folgend hat auch die Bezirksärztekammer L1 bestätigt, dass die Klägerin aufgrund der in Spanien erworbenen Rechte gemäß Artikel 30 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG berechtigt ist, den ärztlichen Beruf als praktische Ärztin im Rahmen des Sozialversicherungssystems auszuüben (Bescheinigung vom 22.02.2016).

Als Rechtsfolge kann die Klägerin den Eintrag in das Arztregister beanspruchen. § 95a Abs. 5 Satz 2 SGB V ist als gebundener Anspruch ausgestaltet und räumt der Beklagten kein Ermessen ("Einzutragen sind ( ...)") ein.

(b) Dieses Verständnis der einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage ist richtlinienkonform. § 95a Abs. 5 SGB V geht - wie dargelegt - in seiner für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Fassung auf die mit Wirkung zum 07.12.2007 durch Artikel 38 Nr. 1 HeilbAnerkRUG vom 02.12.2007 erfolgten Änderungen zurück. Letztere dienten ausschließlich der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 221/07). Die Regelung soll als nationales Recht einen uneingeschränkten Anspruch auf Eintragung in das Arztregister und auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit für Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgestellten Ausbildungsnachweisen über eine - wie hier erteilte - allgemeinmedizinische oder fachärztliche Weiterbildung sowie diesen Ausbildungsnachweisen gleichgestellten Bescheinigungen vermitteln (BT-Drucks. 16/5385, S. 112).

(aa) Nach Artikel 30 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/36/EG bestimmt jeder Mitgliedstaat die erworbenen Rechte. Er muss jedoch das Recht, den ärztlichen Beruf als praktischer Arzt im Rahmen seines Sozialversicherungssystems auszuüben, ohne einen im Anhang V Nr. 5.1.4. aufgeführten Ausbildungsnachweis zu besitzen, im Falle solcher Ärzte als erworbenes Recht betrachten, die dieses Recht bis zu dem im v.g. Anhang aufgeführten Stichtag aufgrund der Vorschriften über den Arztberuf, die die Ausübung der beruflichen Tätigkeit eines Arztes mit Grundausbildung betreffen, erworben haben und sich bis zu diesem Zeitpunkt unter Inanspruchnahme von Artikel 21 oder Artikel 23 im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaates niedergelassen haben (Artikel 30 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2005/36/EG). Kraft der sekundärrechtlichen Regelung des Artikel 30 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 der o.g. Richtlinie ist jeder Mitgliedstaat - hier das Königreich Spanien - berechtigt, Inhalt und Reichweite der erworbenen Rechte zu bestimmen. Lediglich zu Gunsten der Ärzte ist der mitgliedstaatliche Gestaltungsspielraum nach Maßgabe des Artikels 30 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 der Richtlinie dahingehend eingeschränkt, dass den in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallende Personen ein besonders erworbenes Recht bescheinigt werden muss. Dass dem jeweiligen Mitgliedstaat die Bescheinigung besonders erworbener Rechte in sonstigen Fällen verwehrt wäre, lässt sich der gemeinschaftsrechtlichen Regelung nicht entnehmen. In diesem Fall wäre Artikel 30 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 der Richtlinie weitgehend inhaltsleer. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, aus welcher sekundärrechtlichen Vorschrift sie ein dahingehendes Verständnis ableiten zu können glaubt.

Nach Artikel 30 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie stellen die zuständigen Behörden auf Antrag eine Bescheinigung aus, mit der den Ärzten, die gemäß Artikel 30 Abs. 1 Unterabs. 1 Rechte erworben haben, das Recht bescheinigt wird, den ärztlichen Beruf als praktischer Arzt im Rahmen des betreffenden einzelstaatlichen Sozialversicherungssystems auszuüben, ohne einen in Anhang V Nummer 5.1.4. aufgeführten Ausbildungsnachweis zu besitzen.

(bb) Die für den anderen Mitgliedstaat - hier die Bundesrepublik Deutschland - folgende Pflicht zur Anerkennung entsprechender Bescheinigungen folgt aus Artikel 30 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG. Hiernach erkennt jeder Mitgliedstaat die Bescheinigungen nach Artikel 30 Abs. 1 Unterabs. 2 der o.g. Richtlinie an, die andere Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausstellen, und verleiht ihnen in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung wie den von ihm ausgestellten Ausbildungsnachweisen, die die Ausübung des ärztlichen Berufes als praktischer Arzt im Rahmen seines Sozialversicherungssystems gestatten. Dieser Verpflichtung folgt die bundesgesetzliche Regelung § 95a Abs. 5 Satz 2 SGB V, der einen uneingeschränkten Anspruch auf Eintragung in das Arztregister und auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit für Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgestellten Ausbildungsnachweisen über eine - wie hier erteilte - allgemeinmedizinische oder fachärztliche Weiterbildung sowie diesen Ausbildungsnachweisen gleichgestellten Bescheinigungen vermittelt (BT-Drucks. 16/5385, S. 112).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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