L 11 KA 76/18 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 74/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 76/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.09.2018 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 26.502,08 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Honoraraufhebungs- und Rückforderungsbescheid über 265.020,87 EUR.

Die Antragstellerin ist als Ärztin für Allgemeinmedizin in I niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Jahr 2015 stellte die Antragsgegnerin Unstimmigkeiten bei der Datumsangabe von abgerechneten Behandlungen fest. Am 25.11.2015 zeigte sie gegenüber der Staatsanwaltschaft L an, dass die Antragstellerin möglicherweise in verschiedenen Quartalen bis zu 20 tatsächlich nicht erbrachte Akupunkturleistungen abgerechnet habe, da die Patienten am vermerkten Tag der Leistung nicht in ambulanter Behandlung bei der Antragstellerin, sondern in klinischer Behandlung gewesen seien. Wörtlich heißt es in der Anzeige: "Es besteht zumindest der Verdacht, dass in den vorliegenden Fällen zum Zeitpunkt des stationären Aufenthalts der Patienten Akupunkturleistungen lediglich abgerechnet, aber nicht erbracht wurden. ( ...)". Hierauf leitete die Staatsanwaltschaft L zu dem Aktenzeichen 000 ein Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin ein. Am 07.09.2016 wurden die Praxisräume der Antragstellerin durchsucht und umfangreiche Patienten- und Abrechnungsunterlagen beschlagnahmt und später ausgewertet.

Ihr Bevollmächtigter äußerte sich mit Schreiben vom 20.04.2017 wie folgt:

"Das Wohl ihrer Patienten war und ist für die Beschuldigte seit Jahrzehnten das Leitbild allen Handelns. Aus diesem Grund wurde die Patientenverwaltung in der Hausarztpraxis - dies wird bei kritischer Selbstbetrachtung eingestanden - in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Bei der Patientendokumentation handelte es sich insgesamt nur um eine "unsortierte lose Blattsammlung" (vgl. den wörtlich Aktenvermerk des KK12 nach der Praxisdurchsuchung, Blatt 77 d.A.). Die so gesammelten Daten wurden teilweise erst mit ganz erheblicher Zeitverzögerung in das EDV-System der Praxis übertragen. Hierbei ist es - auch dies wird eingeräumt - zu den in diesem Verfahren festgestellten Unregelmäßigkeiten gekommen. Dies jedoch ganz sicher nicht aus unlauterem Gewinnstreben bzw. aus Vorsatz, sondern alleine infolge von Überlastung und Unachtsamkeit. Dies wird eine Vernehmung aller in der Praxis tätigen Beschäftigten auch belegen."

Mit schriftlicher Stellungnahme vom 17.05.2017 erklärte die Antragstellerin gegenüber der Staatsanwaltschaft:

"( ...) Sollten versehentlich an bestimmten Tagen Abrechnungsdaten eingegeben worden sein, bei denen ein Patient im Krankenhaus war, handelt es sich um ein Versehen, das mir leid tut. Die Patienten sind von mir in der richtigen Anzahl von Behandlungen behandelt worden, eventuell jedoch an einem anderen Termin. Aus heutiger Sicht kann ich allerdings nicht sagen wann das jeweils war, da alles so lange zurückliegt. Ich bin im fortgeschrittenen Alter und habe manchmal Probleme, das Computerprogramm, mit dem die Abrechnungsdaten erstellt und an die kassenärztliche Vereinigung weitergeleitet werden, nachzuvollziehen. Von daher kann es sein, dass mir bei der Kontrolle der Abrechnungen vor Abgabe der jeweiligen Quartalsmeldung etwas durchgegangen ist. Mir war immer wichtig, dass die Patienten eine gute Behandlung mit allen medizinischen Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen bekommen haben, auch wenn sie bereits im hohen Alter waren und eine hohe Morbidität aufwiesen. Dies schließt auch Schmerz- und Allergiebehandlungen durch Akupunktur mit ein. Dafür habe ich mich mein ganzes Leben eingesetzt. Dabei bleibt dem Arzt häufig trotz des Wissens um die Notwendigkeit der Überprüfung der Abrechnung vor Abgabe der Quartalsmeldung an die KV wenig Zeit zur Kontrolle ( ...)"

Das Ermittlungsverfahren wurde am 15.08.2017 gegen Zahlung einer Geldauflage von 4.000,00 EUR gemäß § 153a Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.

Mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11.01.2018 hob die Antragsgegnerin die Honorarbescheide der Quartale I/2013 bis I/2017 mittels nachträglich sachlich-rechnerischer Berichtigung wegen Falschabrechnung in Höhe von 265.020,87 EUR auf. Hierin heißt es u.a.:

"Die KV Nordrhein ist aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet, die Abrechnung ihrer Mitglieder zu prüfen und zu gewährleisten, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 75 Abs. 1 SGB V). Nach Abschnitt I. Nr. 2.1 der Allgemeinen Bestimmungen zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab ist eine Gebührenordnungsposition nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist. Auf der quartalsweise mit der Abrechnung abzugebenden Sammelaufstellung versichern Sie zu Punkt 1, dass sämtliche in den Abrechnungsunterlagen in Rechnung gestellten Leistungen von Ihnen ausgeführt worden sind. Dies bestätigen Sie mit Ihrer Unterschrift. Vor diesem Hintergrund haben wir die Abrechnungen der o.g. Quartale gem. § 37 SGB I in Verbindung mit § 45 Abs. 4 BMV-Ärzte sachlich-rechnerisch zu berichtigen. Gemäß § 50 Abs. 1 sind Sie verpflichtet, das zu Unrecht ausgezahlte Honorar zurückzuzahlen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 17.09.1997, AZ: 6 RKA 86/95) ist die vom Vertragsarzt abzugebende Abrechnungs-Sammelerklärung über die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistung unrichtig, sofern nur eine abgerechnete Leistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht worden ist. Im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens hat Ihr Verteidiger zugestanden, dass es im Hinblick auf die Abrechnung von Akupunkturleistungen zu Fehlern gekommen sei, auch wenn diese nicht von Gewinnerzielungsabsicht getragen waren, sondern allein auf Unachtsamkeit oder Überforderung beruhten. Insofern besteht an der fehlerhaften Abrechnung bezüglich von Akupunkturleistung keinerlei Zweifel, sodass die Abrechnungen in den o.g. Quartalen fehlerhaft waren. Nach den hier vorgenommenen Berechnungen ergibt sich ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 265.020,87 EUR. Die entsprechende Schadensberechnung ist beigefügt und wird zum Gegenstand dieses Bescheides gemacht. Der zurückgeforderte Betrag wird im Wege der Aufrechnung von Ihren laufenden Honorarforderungen einbehalten. Ein von Ihnen ggf. gegen diesen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid eingelegter Widerspruch entfaltet keine aufschiebende Wirkung (§ 87b Abs. 2 Satz 6 SGB V)."

Am 23.01.2018 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte, die aufschiebende Wirkung herzustellen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2018 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Zum Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung äußerte sich die Antragsgegnerin nicht. Im Widerspruchsbescheid heißt es u.a.:

"In dem o.g. anhängigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, welches am 18.05.2017 gemäß § 153a StPO eingestellt wurde, hat ihre Mandantin zugestanden, dass es im Hinblick auf die Abrechnung von Akupunkturleistungen zu Fehlern gekommen sei, auch wenn diese nicht von Gewinnerzielungsabsicht getragen worden seien, sondern allein auf Unachtsamkeit oder Überforderung beruhten. Insofern besteht an der fehlerhaften Abrechnung bezüglich von Akupunkturleistung keinerlei Zweifel. Ihre Mandantin habe in mindestens 20 Fällen bzw. im Hinblick auf 20 Patienten im Zeitraum 2013-2014 Akupunkturbehandlung in Rechnung gestellt, die tatsächlich nicht erbracht wurden."

Diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 30.04.2018 mit der Klage bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (S 14 KA 79/18) angegriffen und gleichzeitig um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hat vorgetragen: Die sofortige Rückforderung des immens hohen Betrags bedrohe ihre wirtschaftliche Existenz. Sie sei nicht in der Lage, die fragliche Summe sofort zurückzuzahlen. Allenfalls komme eine ratierliche Zahlung von 1.000,00 EUR monatlich in Betracht. Im Übrigen seien die angegriffenen Bescheide fehlerhaft, denn sie beruhten auf unvollständigen Sachverhaltsfeststellungen. Es seien keine Tatsachen festgestellt oder in den angegriffenen Bescheiden auch nur erwogen worden, die belegten, dass sie - die Antragstellerin - die ihr obliegende Sorgfalt grob verletzt oder gar betrügerisch gehandelt habe. Das Ermittlungsverfahren sei nach § 153a StPO eingestellt worden. Folglich gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Nach dem Ergebnis der bisherigen Feststellungen seien über Jahre hinweg möglicherweise nur einige wenige Abrechnungen nicht vollständig richtig vorgelegt worden. Sie - die Antragstellerin - habe im Strafverfahren nur ganz punktuelle, auf schlichtem Versehen beruhende Abrechnungsfehler eingeräumt. Hieraus könnte sich allenfalls ein Schaden von 800,00 EUR ergeben. Die pauschale und im wesentlichen unbegründete Rückforderung von 265.020,87 EUR sei mangels jeder Ermessensausübung offenkundig fehlerhaft.

Die Antragstellerin hat beantragt,

schnellstmöglichst einstweilen die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Antragsgegnerin und Beklagten vom 11.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2018 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat sinngemäß beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat vorgetragen: Der Antrag sei unbegründet. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Abrechnungen der Antragstellerin hätten hinsichtlich der Akupunkturleistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 30790 und 30791 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) berichtigt werden müssen. Im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens habe sich herausgestellt, dass die Antragstellerin mindestens im Zeitraum von 2013 bis 2014 entweder nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachte Akupunkturleistungen abgerechnet habe. Sie habe selbst erhebliche Zweifel an der Ordnungsgemäßheit ihrer Abrechnung, denn sie räume ein, jedenfalls einen Betrag von 800,00 EUR fehlerhaft angesetzt zu haben. Zu einer unbilligen Härte führende Gründe, die ggf. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen könnten, seien weder ersichtlich noch dargetan. Dem Antrag vom 23.01.2018 auf eine ratenweise Rückführung sei mit Bescheid vom 20.02.2018 stattgegeben worden.

Mit Beschluss vom 05.09.2018 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 angeordnet. Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag sei begründet. Der angefochtene Bescheid sei nicht offensichtlich rechtmäßig. Der Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin enthalte zwar Ablichtungen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, aber keine eigene Auswertung dieser Unterlagen oder eigene, von der Kammer zu überprüfende Ermittlungsergebnisse. Die Interessenabwägung spreche für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Zwar sehe § 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungs- vor dem Aussetzungsinteresse vor. Allerdings spreche der ebenfalls zu berücksichtigende Grad der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren für ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses. Mangels überprüfbarer Unterlagen könne die Kammer den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht prognostizieren. Damit erlange das private Interesse der Antragstellerin, vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die massive, nach eigenem Vortrag existenzvernichtende Rückforderung nicht bedienen zu müssen, entscheidende Bedeutung. Die Rückforderung basiere auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Bei der Neufestsetzung des Honorars habe die Antragsgegnerin ein weites Schätzungsermessen. Sofern sie allerdings ausführe, sie habe das Honorar der Antragstellerin auf den Fachgruppendurchschnitt reduziert, seien entsprechende Berechnungen nicht ersichtlich. Vielmehr ergebe sich aus der Anlage des Bescheides vom 11.01.2018, dass die Antragsgegnerin die Ansätze der GOP 30790 und 30791 EBM in den Quartalen I/2013 bis I/2017 zu 100 % gestrichen habe. Auf Nachfrage habe sie mitgeteilt, ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid beruhten auf einem Schreibfehler, so dass sich ein Rückforderungsbetrag von 192.380,66 EUR ergäbe, wenn sie der Antragstellerin einen dem Fachgruppendurchschnitt entsprechenden Ansatz der GOP 30790 und 30791 EBM zugestehe. Allein dieser Betrag entspreche nach Auffassung der Kammer einer sachgerechten Ermessensausübung. Eine vollständige Streichung der Gebührenansätze sei nicht gerechtfertigt. Es sei nicht ersichtlich, dass sämtliche Gebührenansätze ohne entsprechende Leistungserbringung erfolgten.

Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin fristgerecht mit der Beschwerde an und trägt hierzu vor: Sie könne noch die Einschätzung teilen, dass der von ihr erlassene Bescheid nicht "offensichtlich" rechtmäßig sei. Allerdings sei auch eine offensichtliche Rechtswidrigkeit nicht erkennbar, so dass die Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen vorgenommen werden müsse. Die Prüfung des SG falle zu kurz aus. Auf Seite 6 des Beschlusses werde festgestellt, der Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin enthalte zwar Ablichtungen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, aber keine eigenen Auswertungen dieser Unterlagen oder eigene Ermittlungsergebnisse, die die Kammer überprüfen könne. Sogleich werde festgestellt, dass damit die Interessenabwägung für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung spreche, obwohl § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG dem Vollziehungsinteresse Vorrang einräume. Tatsächlich stütze sie - die Antragsgegnerin - ihre Rückforderung auf das Ermittlungsverfahren. Bereits aus der Strafanzeige vom 25.11.2015 ergäben sich die in Rede stehenden Abrechnungsauffälligkeiten, die dann im Verfahren auch eingeräumt worden seien. In der Anzeige habe sie beschrieben, dass die Frequenz der Akupunkturleistungen auffällig sei, was sich in den Frequenztabellen der Quartale I/2013 und I/2014 (beispielhaft) wiederspiegele. Die entsprechende Feststellung im Strafverfahren laute, dass in mindestens 20 Fällen fehlerhafte Abrechnungen eingereicht worden seien. Wie im Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid dargestellt, bestehe hieran keinerlei Zweifel, da die Ermittlungen dies bestätigt hätten und der Verteidiger zugestanden habe, dass es "aus Überforderung zu Fehlern gekommen sei". Im Hauptsacheverfahren möge überprüft werden, ob die Höhe der Schadenssumme zutreffe. Anhand der Ergebnisse des Strafverfahrens sei allerdings offensichtlich, dass eine Korrektur erfolgen müsse. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei angesichts des eingeräumten ratierlichen Ausgleichs nicht erforderlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 05.09.2018 aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die angegriffene Entscheidung und verweist darauf, dass im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren keine das Vorgehen der Antragsgegnerin stützenden Feststellungen getroffen worden seien.

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin sodann mitgeteilt, angesichts der Entscheidung des SG die Einbehalte gestoppt und das bereits einbehaltene Honorar wieder ausgezahlt zu haben.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das SG dem Antrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2018 angeordnet. Diese Bescheide erweisen sich wahrscheinlich als rechtswidrig.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist statthaft (§ 86b Abs. 1 Satz 1 SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen (Nr. 1), in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (Nr. 2) und in den Fällen des § 86a Abs. 3 SGG die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen (Nr. 3).

Die Voraussetzung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist erfüllt. Die Antragstellerin hat den Bescheid vom 11.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGG) angegriffen.

Grundsätzlich entfaltet die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Anderes gilt u.a. in durch Bundesgesetz bestimmten Fällen (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Eine solche Regelung enthält § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Hiernach hat die Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Bescheide über die Honorarfestsetzung sind neben der vorläufigen und endgültigen Honorarfestsetzung auch die sachlich-rechnerische Richtigstellung und die hierauf fußende Honorarrückforderung einschließlich der Verrechnung solcher Forderungen mit dem Honoraranspruch (Senat, Beschluss vom 02.01.2018 - L 11 KA 39/17 B ER -; Beschluss vom 17.03.2010 - L 11 B 25/09 KA ER -). Wird stattdessen mit dem SG auf § 87b Abs. 2 Satz 6 SGB V abgestellt, ergibt sich nichts anderes. Auch diese Norm greift bei Honorarrückforderungen (hierzu Keller in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Auflage, 2017, § 86a Rn. 16d).

b) Grundvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die Zulässigkeit des Antrags nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - indessen darauf hingewiesen, dass in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz jede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. auch Keller, a.a.O., vor § 51 Rn. 16a; Frehse in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 86b Rn. 6 m.w.N.; Hommel in Peters/Sautter/Wolff, 4. Auflage, 78. Lfg., 9/2004, § 86b Rn. 35). Demzufolge gilt, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Senat, Beschluss vom 16.04.2014 - L 11 KA 76/13 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts (Senat, Beschluss vom 16.04.2014 - L 11 KA 76/13 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -; Frehse, a.a.O., § 86b Rn. 6 m.w.N.). Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG setze im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraus, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wende, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Nur wenn die Behörde einen Aussetzungsantrag ablehnt oder die besonderen Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO vorliegen, kann unmittelbar die Aussetzung bei Gericht beantragt werden. Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Förmlichkeiten eines solchen Antrags sind streng (Redeker in Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Auflage, 2014, § 80 Rn. 38). Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst. Mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG auch ohne normative Verfestigung entsprechend § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 02.01.2018 - L 11 KA 39/17 B ER -; Beschluss vom 06.02.2017 - L 11 KA 62/16 B ER -; Beschluss vom 16.04.2014 - L 11 KA 76/13 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -; Beschluss vom 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -; Beschluss vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -; so auch Hommel, a.a.O., § 86b Rn. 27).

Nach diesen Maßgaben ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Die Antragstellerin hat im Widerspruch vom 23.01.2018 beantragt, dem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zu gewähren. Der angegriffene Widerspruchsbescheid vom 18.04.2018 verhält sich hierzu nicht. Das Rechtsschutzbedürfnis verlangt nur, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt wird, nicht hingegen, dass die Behörde hierüber auch entscheidet. Namentlich die Nichtentscheidung kann - wie hier - das Rechtsschutzinteresse belegen.

2. Der Antrag ist begründet.

a) Die Antragstellerin begehrt, den durch Gesetz beseitigten Suspensiveffekt ihrer Klage wiederherzustellen. In Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG ist nicht nach Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch zu differenzieren (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 11.10.2013 - L 11 KA 23/13 B ER -; Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -). Demgegenüber wird für die Prüfung, ob und inwieweit die streitige Regelung wesentliche Nachteile zur Folge hat oder eine Rechtsverwirklichung vereitelt bzw. wesentlich erschwert, in beiden Varianten des § 86b Abs. 2 SGG grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Folgen der in geschützte Rechtsgüter (z.B. Art. 12, 14 GG) eingreifenden Regelung abgestellt (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 11.10.2013 - L 11 KA 23/13 B ER -; Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -). Hingegen nennt § 86b Abs. 1 SGG keine Voraussetzungen für den Erfolg des Eilantrags (Hommel, a.a.O., § 86b Rn. 36). Infolgedessen ist zu klären, welcher Maßstab für die richterliche Eilentscheidung wesentlich ist. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (Nachweise bei Frehse, a.a.O., § 86b Rn. 34). Der Senat hat als Eingangskriterium festgelegt, dass die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen sind (Senat, Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -; Beschluss vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -; vgl. auch Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12e ff.; Frehse, a.a.O., § 86b Rn. 34 ff.). Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund (Senat, Beschluss vom 06.05.2015 - L 11 KA 10/14 B ER -; Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -; Beschluss vom 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -). Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (z.B. Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 06.05.2015 - L 11 KA 10/14 B ER -; Beschluss vom 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -; Hommel, a.a.O., § 86b Rn. 38). Andererseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse dann vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -). Die Gesetzesbegründung formuliert hierzu (BT-Drucks. 14/5943 zu Nr. 34, S. 15, li Spalte):

"Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung wird von den Gerichten regelmäßig auch dann angenommen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinerlei Erfolg verspricht (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1974, NJW 1974, S. 1294/1295)."

Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, wonach in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) die Vollziehung nur ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Vergleichbares gilt, wenn der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie im Fall der Regressfestsetzung durch den Beschwerdeausschuss in § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V oder in Fällen des § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V ausdrücklich ausgeschlossen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 31.08.2011 - L 11 KA 24/11 B ER -). Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es ggf. auch auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen an, die in § 86b Abs. 1 SGG keine solche Bedeutung wie im Anwendungsbereich des § 86b Abs. 2 SGG haben. Für § 86b Abs. 1 SGG sind wirtschaftliche Interessen ein Kriterium neben einer Vielzahl anderer in die Abwägung einzubeziehender Umstände und können - je nach Sachlage - auch von untergeordneter Wertigkeit sein (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -).

b) In Anwendung der Maßstäbe bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

aa) Der Bescheid vom 11.01.2018 ist zwar formell fehlerhaft. Allerdings ist der Fehler geheilt.

Die Antragsgegnerin hätte der Antragstellerin Gelegenheit geben müssen, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs. 1 SGB X). Der Bescheid greift in ihre Rechte ein. Die Ausnahmetatbestände des § 24 Abs. 2 SGB X liegen nicht vor. Der Mangel ist heilbar. Die Verletzung des § 24 Abs. 1 SGB X ist unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Das kann bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geschehen (§ 41 Abs. 2 SGB X). Die Antragstellerin hat Widerspruch eingelegt (§ 78 Abs. 1 SGG), über den die Antragsgegnerin am 18.04.2018 entschieden hat. Infolgedessen ist der Mangel geheilt (hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 85/09 R -).

Im Übrigen ist der Bescheid vom 11.02.2018 hinlänglich begründet (§ 35 Abs. 1 SGB X). Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Antragsgegnerin zu ihrer Entscheidung bewogen haben, sind wiedergegeben. Sie hat auf 1 ½ Seiten den aus ihrer Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt referiert, sodann die maßgebenden Rechtsgrundlagen präsentiert und dem Bescheid als Anlage eine umfangreiche Schadensberechnung beigefügt. Der Widerspruchsbescheid verdichtet dies in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Das genügt den Vorgaben des § 35 Abs. 1 SGB X.

bb) Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerische Richtigstellung einer Vertragsarztabrechnung ist § 106d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Durch Art. 2 Nr. 9 des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 (BGBl I 2015, 1211) wurde der Inhalt des zuvor die Plausibilitätsprüfung regelnden § 106a SGB V nach § 106d SGB V transferiert. Ergänzende Bestimmungen enthalten §§ 45, 46 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä). Die Rückforderung basiert auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

(1) Als Grundnorm bestimmt § 106d Abs. 1 SGB V: "Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung." § 106d Abs. 2 SGB V präzisiert diese Vorgabe nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen. Gemäß § 106d Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich Inhalt und Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4.

Die hierauf beruhenden "Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen gemäß § 106d Abs. 6 SGB V (Abrechnungsprüfungsrichtlinien)" i.d.F. vom 07.03.2018 (RiL) sind u.a. auf die Prüfung der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte anzuwenden (§ 1 Abs. 1 RiL). Zuständig für die in § 106d Abs. 2 SGB V vorgesehene Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und die darauf bezogene Plausibilitätsprüfung ist die KV (§ 2 Abs. 1 RiL). Gegenstand der Abrechnungsprüfung ist die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RiL). Das umfasst die rechtlich ordnungsgemäße Leistungserbringung und die formal richtige Abrechnung der erbrachten Leistungen und der geltend gemachten Sachkosten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RiL) und wird im Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung durchgeführt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 RiL). Die Plausibilitätsprüfung in dem in § 7 RiL geregelten Umfang ist Teil dieser Prüfung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 RiL). Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung zielt auf die Feststellung ab, ob die abgerechneten Leistungen rechtlich ordnungsgemäß, also ohne Verstoß gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen, erbracht worden sind (§ 4 Abs. 1 RiL). Die Plausibilitätsprüfung stellt ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 RiL). Solche sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zu Grunde liegt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 RiL). Rechtlich nicht ordnungsgemäß sind insbesondere Abrechnungen von nicht oder nicht vollständig erbrachten Leistungen (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 RiL).

Eine Gebührenordnungsposition ist nur berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist (Abschnitt I Nr. 2.1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen des im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 geltenden EBM). Die Leistungserbringung ist vollständig, wenn die obligaten Leistungsinhalte erbracht worden sind und die in den Präambeln, Leistungslegenden und Anmerkungen aufgeführten Dokumentationspflichten - auch die der Patienten- bzw. Prozedurenklassifikation (z. B. OPS, ICD 10 GM) - erfüllt, sowie die erbrachten Leistungen dokumentiert sind (Abschnitt I Nr. 2.1 Satz 5 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM). Die in der Überschrift zu einer Gebührenordnungsposition aufgeführten Leistungsinhalte sind immer Bestandteil der obligaten Leistungsinhalte (Abschnitt I Nr. 2.1 Satz 6 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM).

Abrechnungsauffälligkeiten sind durch Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 RiL). Die Plausibilitätsprüfung allein ersetzt nicht das Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Erst wenn die KV aufgrund der Plausibilitätsprüfung allein oder in Verbindung mit weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind, führt sie ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch (§ 5 Abs. 2 Satz 2 RiL). Mittels § 7 RiL wird die Plausibilitätsprüfung weiter präzisiert. So bestimmt § 7 Abs. 1 RiL, dass Plausibilitätsprüfungen von der KV als regelhafte (Abs. 2) und als anlassbezogene Prüfungen (Abs. 4) durchgeführt werden. Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich gem. § 7 Abs. 2 RiL auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 3 RiL mittels Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (Prüfung nach Zeitprofilen (§ 8 RiL)). Die regelhafte Prüfung kann nach Maßgabe des § 9 RiL erweitert werden (§ 7 Abs. 2 Satz 2 RiL). Ergibt die regelhafte Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten, werden ergänzende Plausibilitätsprüfungen nach § 12 Abs. 1 durchgeführt (§ 7 Abs. 3 RiL). Bei konkreten Hinweisen und Verdachtsmomenten (§ 20 RiL) führt die Kassenärztliche Vereinigung eine anlassbezogene Plausibilitätsprüfung durch (§ 7 Abs. 4 RiL).

Das Verfahren der Plausibilitätsprüfung und das Verfahren der Prüfung der sich daraus ergebenden Abrechnungsauffälligkeiten regeln gemäß § 106d Abs. 5 SGB V i.V.m. § 13 RiL die jeweilige KV und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich in einer Verfahrensordnung. Im Bereich der Antragsgegnerin gilt die Vereinbarung zur Durchführung der Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs. 5 SGB V (Plausibilitätsvereinbarung) vom 01.10.2010 (Rheinisches Ärzteblatt 9/2011, S. 68 ff.).

(2) Diese untergesetzlichen Regelungen sind von der Ermächtigungsgrundlage (§ 106d Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 SGB V) gedeckt. Plausibilitätsprüfungen stellen nach der Intention des Gesetzes ein Verfahren dar, aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen im Ergebnis die Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen aufzudecken. Die normativen Grundlagen ermächtigen die Vertragspartner allerdings nicht, eine Umkehr der Beweislast zu vereinbaren. Ergibt eine Plausibilitätskontrolle für sich oder i.V.m. anderen Verfahren, dass die Abrechnung des Vertragsarztes ganz oder teilweise unrichtig ist, so ist für eine Widerlegung dieser "Vermutung" durch den Arzt kein Raum. Kann sich die KV eine solche Überzeugung von der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung nicht bilden, kann der erforderliche Nachweis nicht durch eine "Vermutung" ersetzt und der Nachweis der ordnungsgemäßen Abrechnung im Wege der Beweislastumkehr auf den Vertragsarzt verlagert werden. Ungeachtet aller in der Praxis vorkommenden und unvermeidlichen Abgrenzungsschwierigkeiten muss klar unterschieden werden, ob dem Arzt vorgehalten wird, Leistungen falsch abgerechnet oder lediglich bestimmte Leistungen in einem unwirtschaftlichen Ausmaß erbracht und abgerechnet zu haben (so BSG, Urteil vom 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R -). Sachlich-rechnerische Richtigstellung und Honorarrückforderung sind demnach erst dann zulässig, wenn sich die KV auf der Grundlage der durchgeführten Plausibilitätsprüfung, ggf. unter Einbindung weiterer Umstände, die Überzeugung davon verschafft hat, der betreffende Vertragsarzt habe fehlerhaft abgerechnet. Entscheidungen auf der Basis von Vermutungen sind per se rechtswidrig (Senat, Beschluss vom 02.01.2018 - L 11 KA 39/17 B ER -).

(3) Die Abrechnungsrichtlinien bestätigen dies. Zwar stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann (§ 5 Abs. 1 Satz 1 RiL). Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RiL). Abrechnungsauffälligkeiten sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 RiL). Indessen lässt eine solchermaßen begründete Vermutung, der betreffende Vertragsarzt habe fehlerhaft abgerechnet, eine Honorarberichtigung- und Rückforderung noch nicht zu. Zutreffend führt § 5 Abs. 2 Satz 1 RiL aus: "Die Plausibilitätsprüfung allein ersetzt nicht das Verfahren der sachlich - rechnerischen Richtigstellung. Erst wenn die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund der Plausibilitätsprüfung allein oder in Verbindung mit weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind, führt die Kassenärztliche Vereinigung ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch ( )". Die in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 vereinbarten Textpassagen entsprechen nahezu wortgetreu den Erkenntnissen des BSG im Urteil vom 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R - (s. soeben).

(4) Den entscheidungserheblichen Sachverhalt referiert der Widerspruchsbescheid wie folgt:

"In dem o. g. anhängigen staatsanwaltschaftlichem Ermittlungsverfahren, welches am 18.05.2017 gem. § 153a StPO eingestellt wurde, hat Ihre Mandantin zugestanden, dass es im Hinblick auf die Abrechnung von Akupunkturleistungen zu Fehlern gekommen sei, auch wenn diese nicht von Gewinnerzielungsabsicht getragen worden seien, sondern allein auf Unachtsamkeit oder Überforderung beruhten. Insofern besteht an der fehlerhaften Abrechnung bezüglich von Akupunkturleistungen keinerlei Zweifel. Ihre Mandantin habe in mindestens 20 Fällen bzw. im Hinblick auf 20 Patienten im Zeitraum 2013 - 2014 Akupunkturbehandlungen in Rechnung gestellt, die tatsächlich nicht erbracht wurden. Nach Abschnitt I Nr. 2.1 der Allgemeinen Bestimmungen zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab ist eine Gebührenordnungsposition nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist. Auf der quartalsweise mit der Abrechnung abzugebenden Sammelaufstellung versichert Ihre Mandantin zu Punkt 1, dass sämtliche in den Abrechnungsunterlagen in Rechnung gestellten Leitungen von ihr ausgeführt worden sind. Dies bestätigt sie mit ihrer Unterschrift. Eine Plausibilitätsprüfung ist immer dann zulässig, wenn sie zum Zwecke und mit dem Ziel vorgenommen wird, Abrechnungsfehler, d. h. Unregelmäßigkeiten im weitesten Sinne aufzudecken, welche Maßnahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung nach sich ziehen können. Gegenstand der Plausibilitätsprüfung ist das Auffinden von Abrechnungsfehlern jeglicher Art und Prüfung der Schlüssigkeit der vertragsärztlichen Abrechnung. Aufgrund der o. g. Feststellungen wurde entschieden, die Nrn. 30790 und 30791 EBM auf den Fachgruppendurchschnitt zu reduzieren."

Die Antragsgegnerin übersieht die sie bindenden Vorgaben des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 RiL.

(a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RiL stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Dieser Text differenziert in Voraussetzungen und Folge. Zunächst bedarf es "bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen". Damit sind feststehende Tatsachen und keine nur wahrscheinlichen oder gar möglichen Geschehensabläufe oder Umstände gemeint. Die Tatsachen müssen festgestellt sein. Erst wenn das der Fall ist, greift die Rechtsfolge, nämlich dass die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann.

(b) Beweisrechtlich entspricht dies dem Indizienbeweis (mittelbare Beweisführung), bei dem aus Hilfstatsachen auf das Vorhandensein von Haupttatsachen mittels allgemeiner Erfahrungssätze geschlossen werden kann (Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB X, 08/11, § 21 Rn. 10; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 21 Rn 15; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, Vorbemerkungen zu § 284 Rn 2c). Folgerichtig hat das BSG mit Blick auf die Prüfung nach § 7 Abs. 2 RiL festgestellt, dass Tagesprofile als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung geeignet sind (hierzu u.a. Beschluss vom 17.08.2011 - B 6 KA 27/11 B - m.w.N.).

(c) Allerdings müssen die rechtlichen Voraussetzungen des Indizienbeweises erfüllt sein. Die Hilfstatsachen müssen feststehen. Nur dann ist es in Verbindung mit einem Erfahrungssatz logisch möglich auf die eigentlich zu beweisende Tatsache, etwa auf eine bestimmte Ursache für ein Ereignis oder auf den Eintritt eines bestimmten Erfolgs zu schließen. Für die Beweisführung genügt dann die Feststellung der Tatsachen, an die der Erfahrungssatz anknüpft (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 11.12.2018 - KZR 26/17 -; vgl. auch BSG, Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 43/17 R - zu Kalkulationszeiten; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, 01/18, § 106d Rn 47). Anders gewendet: Dem Gericht muss bei mittelbarer Beweisführung die Prüfung der Beweiserheblichkeit und -tauglichkeit des benannten Beweismittels dadurch ermöglicht werden, dass neben der zu beweisenden Haupttatsache auch die Hilfstatsachen bezeichnet werden, aus denen sich die Haupttatsache ergeben soll (BGH, Urteil vom 21.06.2018 - IX ZR 129/17 -; Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage, 2018, Vorbemerkungen zu § 284 Rn 5).

(d) Die Nomenklatur des § 5 Abs. 1 RiL weicht hiervon zwar ab, beschreibt indessen letztlich keine andere Rechtslage. Die für die mittelbare Beweisführung grundlegenden Hilfstatsachen benennt § 5 Abs. 1 Satz 1 RiL als "Anhaltspunkte und vergleichende Betrachtungen" und konkretisiert dies dahin, dass dem Abrechnungsauffälligkeiten zuzuordnen sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RiL). Das meint: Die fehlerhafte Abrechnung (Haupttatsache) wird vermutet, wenn die dies tragende Hilfstatsache (Abrechnungsauffälligkeit) nachgewiesen ist. § 5 Abs. 1 Satz 3 RiL gibt die insoweit vorbefindliche Rechtslage wieder, indem dort ausgeführt wird: "Abrechnungsauffälligkeiten sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt." Damit wird zunächst der rechtliche Gehalt der Abrechnungsauffälligkeit definiert: Es handelt sich um Indizien, also um Hilfstatsachen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 17.08.2011 - B 6 KA 27/11 B -). Sodann beschreibt die Norm, wie die Hilfstatsache "gewonnen" werden kann. Hierzu wird der zur Hilfstatsache führende Erkenntnisweg umrissen und das Ziel definiert. Die Indizien sollen "gewonnen", mithin positiv festgestellt werden. Das findet sich in § 5 Abs. 2 Satz 2 RiL wieder. Erst wenn die KV aufgrund der Plausibilitätsprüfung allein oder in Verbindung mit weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind, führt sie ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch. Auch die Krankenkasse kann Folgerungen aus einer Plausibilitätsprüfung erst ziehen, wenn sich daraus die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung ergibt.

(e) Gemessen hieran verkennt der Widerspruchsbescheid den Zusammenhang von Hilfs- und Haupttatsachen. Die Antragsgegnerin hätte Abrechnungsauffälligkeiten feststellen müssen. Im hier interessierenden Zusammenhang wären das die "Abrechnung nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen" (§ 6 Abs. 2 Nr. RiL). Sie hat zwar einen solchen Sachverhalt angenommen, indem sie davon ausgeht, dass die Antragstellerin in mindestens 20 Fällen bzw. im Hinblick auf 20 Patienten im Zeitraum 2013 - 2014 tatsächlich nicht erbrachte Akupunkturbehandlungen nach GOP 30790 und GOP 30791 EBM abgerechnet und insoweit zugestanden habe, "dass es im Hinblick auf die Abrechnung von Akupunkturleistungen zu Fehlern gekommen sei, auch wenn diese nicht von Gewinnerzielungsabsicht getragen worden seien, sondern allein auf Unachtsamkeit oder Überforderung beruhten."

Hilfstatsache wäre das "Zugestehen". Schlüsse auf eine Hauptsache können hieraus nur dann gezogen werden, wenn (sicher) feststeht, dass die Antragstellerin die fehlerhafte Abrechnung in dem von der Antragsgegnerin skizzierten Umfang zugeständen hätte. Zugestehen bedeutet grammatikalisch "eingestehen, einräumen, zugeben, anerkennen" (https://www.duden.de/rechtschreibung/zugestehen). Nach Aktenlage steht nicht fest, dass die Antragstellerin i.d.S. zugestanden hat. Im Ermittlungsverfahren hat sie sich im Konjunktiv ("sollten versehentlich ...") eingelassen und auch im Übrigen mit der Wendung "von daher kann es sein" nur auf Möglichkeiten hingewiesen (jeweils Stellungnahme vom 17.05.2017). Das ist begrifflich kein "Zugestehen".

Insoweit indifferent ist allerdings das Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 20.04.2017, wenn dort formuliert wird: "Hierbei ist es - auch dies wird eingeräumt - zu den in diesem Verfahren festgestellten Unregelmäßigkeiten gekommen." Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Schreiben mit der Zielrichtung formuliert worden ist, das Ermittlungsverfahren einzustellen. Verfahrenstaktisch bedingt dies eine situationsabhängige Konzilianz. Insofern darf diese Wendung beweisrechtlich nicht überbewertet werden und ist mit der Erklärung im Schreiben vom 17.05.2017 abzugleichen. Hieraus lässt sich herleiten, dass die Antragstellerin die ihr vorgehaltene (versehentliche) Falschabrechnung durchaus für möglich hält. Eine mögliche Tatsache ist indessen keine (sicher) feststehende Tatsache. Nicht getragen wird insbesondere die von der Antragsgegnerin hergeleitete Folgerung, an der fehlerhaften Abrechnung bezüglich von Akupunkturleistungen bestehe insofern keinerlei Zweifel.

(f) Auch der aktenkundige Sachverhalt im Übrigen lässt derzeit nicht die Feststellung zu, dass die Antragstellerin fehlerhaft abgerechnet hat. Im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren hat die Antragstellerin weder gestanden noch zugestanden. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Köln im an die Antragsgegnerin gerichteten Schreiben vom 01.08.2017 mitgeteilt, das Verfahren mit Zustimmung des Amtsgerichts vorläufig nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt zu haben. Die Beschuldigte sei nach den bisherigen Ermittlungen eines Vergehens nach § 263 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) hinreichend verdächtig, denn sie habe in mindestens 29 Fällen bzw. im Hinblick auf 20 Patienten im Zeitraum vom 2013 bis 2014 nicht erbrachte Akupunkturbehandlungen in Rechnung gestellt, allerdings sei sie bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, bedauere ihr Verhalten und habe sich keineswegs von Gewinnerzielungsabsicht tragen lassen.

Hiernach ist die Antragstellerin allenfalls hinreichend verdächtig, einen Betrug begangen zu haben. Definitionsgemäß reicht eine solche Erkenntnis nicht aus, um die Hilfstatsache "Abrechnungsauffälligkeit" sicher zu belegen. Sowohl im Bescheid vom 11.01.2018 als auch im Widerspruchsbescheid vom 18.04.2018 hat die Antragsgegnerin sich eher pauschal auf das Ermittlungsverfahren bezogen. Das reicht nicht aus. Bei dieser Sachlage hätte sie eigene Feststellungen treffen müssen, um Abrechnungsauffälligkeiten nachzuweisen. Ohnehin liegt die Annahme nicht fern, dass die Staatsanwaltschaft die in der Sache zurückhaltende Einlassung der Antragstellerin in der Stellungnahme vom 17.05.2017 auf wenige Zeilen komprimiert und damit letztlich nicht sinngenau wiedergegeben hat.

(g) Soweit sich die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren auf die von ihr erstattete Strafanzeige beruft, trägt das die Beschwerde nicht, weil zunächst geprüft werden muss, ob deren Inhalt "richtig" ist. Soweit entscheidungserheblich, bedarf es hierzu im Hauptsacheverfahren zu treffender Feststellungen, d.h. zur Überzeugung des Gerichts muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass der (entscheidungserhebliche) Tatsachenvortrag zutrifft. Die Strafanzeige als solche belegt nichts. Ohnehin wird darin lediglich ein "Verdacht" geäußert. Bei diesem Sachstand kann die Antragsgegnerin sich nicht auf das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren berufen, um die Hilfstatsache "Abrechnungsauffälligkeit" festzustellen.

(h) Ungeachtet dessen spricht nach Aktenlage einiges dafür, dass die Antragstellerin im von der Antragsgegnerin umrissenen Rahmen fehlerhaft abgerechnet hat. Festgestellt sind "Abrechnungsauffälligkeiten" indessen bislang weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Antragsgegnerin. Damit fehlt es derzeit an einer Grundlage dafür, aus einer Hilfstatsache mit Indizwirkung auf die Haupttatsache zu schließen.

c) Angesichts dieser Rechtslage kann offen bleiben, ob dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage schon deswegen stattzugeben ist, weil die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid zwar erklärt hat, die GOP 30790 und 30791 EBM auf den Fachgruppendurchschnitt zu reduzieren, tatsächlich aber, wie die Ermittlungen des SG ergeben haben, die Ansätze dieser Ziffern in den Quartalen I/2013 bis I/2017 komplett gestrichen hat.

d) Im Übrigen legt die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid dar, dass ihr bei der Neufestsetzung des Honorars ein weites Schätzungsermessen zusteht (zur Schätzung ausführlich BSG, Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 43/17 R -). Das trifft zwar grundsätzlich zu, geht hier dennoch fehl. Bei Schätzungen besteht nach der Rechtsprechung des BSG kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. Sie gehören zu den Tatsachenfeststellungen, für die die Tatsacheninstanzen ihrerseits zuständig sind (BSG, Urteil vom 26.01.1994 - 6 RKa 29/91 -). Das Gericht hat deshalb die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen. Die Verpflichtung zur eigenen Schätzung bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht nunmehr erneut alle Schätzungsgrundlagen erhebt und eine völlig eigene Schätzung vornimmt. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (BSG, Urteil vom 17.09.1997 - 6 Rka 86/95 -). Daran fehlt es. Die angefochtenen Bescheide enthalten hierzu nichts. So formuliert der Widerspruchsbescheid zunächst, der KV stehe ein weites Schätzungsermessen zu, um dann übergangslos zu erklären: "Auf dieser Grundlage wurde der Rückforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 265.020,87 EUR berechnet." Hiernach besteht zwischen der Erkenntnis, ein weites Schätzungsermessen zu haben und dem Schätzungsergebnis jedenfalls vorliegend eine von der Antragsgegnerin auszufüllende und nicht ausgefüllte Lücke. In Fallgestaltungen, in denen feststeht, dass die fraglichen Leistungen durchgängig nicht erbracht worden sind, mag auf Darlegungen zur Schätzung verzichtet werden können. Anders verhält es sich vorliegend. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass die Antragstellerin insgesamt 20 von ihr abgerechnete Akupunkturleistungen nicht hat erbringen können, weil die jeweiligen Patienten am fraglichen Behandlungstag im Krankenhaus gewesen seien. Losgelöst davon, ob dieser Sachverhalt feststeht (dazu oben), lässt sich der von der Antragsgegnerin insoweit vertretene Ansatz naturgemäß nicht "hochrechnen". Es steht weder fest, noch kann auch nur vermutet werden, dass die Antragstellerin durchgängig weitere Leistungen für im Krankenhaus befindliche Patienten abgerechnet hat. Angesichts eines solchen Sachverhalts hätte die Antragsgegnerin in Ausübung ihres Schätzungsermessens darlegen müssen, warum sie dennoch meint, für den gesamten Zeitraum (I/2013 bis I/2017) das für die Leistungen nach GOP 30790 und GOP 30791 EBM ausgekehrte Honorar komplett streichen und zurückfordern zu dürfen.

Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Die angefochtene Entscheidung des SG war im Ergebnis zu bestätigen.

III.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Das Interesse der Antragstellerin ist darauf gerichtet, über einen von der Antragsgegnerin zurückgeforderten Betrag i.H.v. 265.020,87 EUR disponieren zu können. Da in dem auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren keine endgültige Zuweisung der geltend gemachten Forderung möglich ist, war das zu berücksichtigende Interesse der Antragstellerin allein darauf gerichtet, zumindest für die Dauer des Hauptsacheverfahrens über den Rückforderungsbetrag verfügen zu können. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin durch den Zeitfaktor "Länge des Verfahrens" und durch das Zinsinteresse bestimmt (vgl. dazu Senat, Beschlüsse vom 15.04.2015 - L 11 KA 107/14 B -, 30.04.2014 - L 11 KA 64/13 B ER -, 07.11.2011 - L 11 KA 110/11 B -, 04.10.2011 - L 11 KA 50/11 B -, 31.08.2011 - L 11 KA 24/11 B ER und L 11 KA 24/11 B ER -, 28.02.2011 - L 11 KA 63/10 B -). Das Zinsinteresse ist darauf gerichtet, nicht auf eine etwaige Zwischenfinanzierung angewiesen zu sein. Die Länge des Hauptsacheverfahrens vor dem SG schätzt der Senat auf zwei Jahre. Angesichts eines Zinssatzes von max. 5 % ergibt sich somit ein Zinsinteresse von 13.251,04 EUR x 2 = 26.502,08 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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