S 14 KR 300/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 300/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 588/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 27.12.2016 bis 13.03.2017 gewähren muss.

Die 1973 geborene Klägerin stand bis zum 30.04.2016 in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Ab dem 14.04.2016 bis zum 26.12.2016 war eine Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden, zuletzt wegen einer akuten Bronchitis (ICD-10-Code: J20.9). Ab dem 29.12.2016 sollte die Klägerin ins Elisabethenstift Darmstadt aufgenommen werden, wurde aber dort wegen eines schweren grippalen Infektes nicht aufgenommen. Am 29.12.2016 suchte sie dann den Vertretungsarzt Dr. D. auf, der ihr Arbeitsunfähigkeit seit dem 27.12.2016 bis zum 03.01.2017 attestierte wegen einer akuten Bronchitis (J20.9 G) und einer nicht näher bezeichneten depressiven Episode (F32.9 G).

Mit Bescheid vom 29.12.2016 lehnte die Beklagte eine weitere Krankengeldzahlung ab, da die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erst am 29.12.2016 erfolgte und die Klägerin nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert war.

Mit Schreiben vom 20.01.2017 (eingegangen am 24.01.2017) widersprach die Klägerin dem Bescheid, da die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 27.12.2017 erfolgt sei. Vor dem 29.12.2017 sei es der Klägerin wegen einer schweren Erkältung, Durchfall und Erbrechen nicht möglich gewesen, einen Arzt aufzusuchen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Arbeitsunfähigkeit sei nicht ununterbrochen ärztlich festgestellt worden. Ein Ausnahmefall (beispielsweise Handlungs- und Geschäftsunfähigkeit) liege ebenfalls nicht vor. Es bestehe auch kein nachgehender Leistungsanspruch für einen Monat.

Die Klägerin hat am 29.06.2017 Klage vor dem Sozialgericht in Darmstadt erhoben.

Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und ergänzt, dass es ihr auch wegen der Depression nicht möglich gewesen sei, einen Arzt aufzusuchen. Sie weist noch darauf hin, dass wegen der Feiertage eine besondere Situation vorgelegen habe.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 27.12.2016 bis 13.03.2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und weist darauf hin, dass die ärztliche Feststellung erst am 29.12.2016 und nicht bereits am 27.12.2016 erfolgt sei.

Die Beteiligten wurden im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 10.07.2018 zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört und erklärten ihr Einverständnis.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung – ohne ehrenamtliche Richter – entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind, ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist sowie der Sachverhalt darüber hinaus so, wie er für die Entscheidung allein rechtlich relevant ist, geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 29.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren eigenen Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 27.12.2016 bis zum 13.03.2017.

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 des Fünften Buch Sozialgesetzbuches (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt. An die Stelle des Versicherungsverhältnisses tritt bei einem nachgehenden Anspruch die hieraus erwachsende Berechtigung (vgl. insgesamt Bundessozialgericht BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, Az: B 1 KR 37/14 R, juris Rn. 8).

Der Anspruch entsteht gemäß § 46 S. 1 SGB V bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld bleibt gemäß Satz 2 jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage. Die Anspruchsvoraussetzungen – also auch die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit – müssen bei zeitlich befristeter Arbeitsunfähigkeit-Feststellung und dementsprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (Schifferdecker, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 46 Rn. 18; vgl. zudem BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az: B 1 KR 25/14 R, Rn. 12 m. w. Nachw.). Hier hat der Hausarzt der Klägerin am 19.12.2016 bis zum 26.12.2016 Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Die nächste Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgte erst am 29.12.2016 und mithin nicht an dem den 26.12.2016 folgenden Werktag (vgl. § 46 S. 2 SGB V). Zwar hatte Dr. D. eine Arbeitsunfähigkeit seit dem 27.12.2016 bescheinigt. Die Feststellung dieser Arbeitsunfähigkeit wurde aber erst am 29.12.2016 getroffen.

Eine anderweitige ärztliche Feststellung, die die "Lücke" schließen könnte, ist nicht ersichtlich noch dazu vorgetragen. Auch im Krankenhaus wurde die Klägerin erst am 29.12.2016 vorstellig und nicht bereits vorher. Eine Handlungsunfähigkeit (bspw. Bergunfall, Ohnmacht) oder Geschäftsunfähigkeit (bspw. Geisteserkrankung) die von dem Erfordernis einer ärztlichen Feststellung am 27.12.2016 absehen lassen könnte, liegt bei einem akuten Infekt und einer nicht näher bezeichneten depressiven Episode nicht vor. Auch die Ausführungen der Klägerin im Erörterungstermin können das Gericht nicht von einer anderen Situation überzeugen. Vom Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die einem Zustand der Passivität auslöste, der es ihr unmöglich machte, zum Arzt zu gehen oder eine Praxis anzurufen, kann sich das Gericht ebenfalls nicht überzeugen. Auch Dr. D. stellte bei der Klägerin dann am 29.12.2016 lediglich eine akute Bronchitis und eine nicht näher bezeichnete depressive Episode fest. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst nur vorgetragen hatte, an schwerer Erkältung, Erbrechen und Durchfall gelitten zu haben und erst im Klageverfahren zudem noch die Schwere der psychischen Erkrankung vorgetragen wurde. Auch der psychische Befund des Elisabethenstift vom 29.12.2016 lässt keinen hinreichenden Anhaltspunkte erkennen, die darauf schließen lassen, dass die Klägerin in den beiden vorherigen Tagen derart eingeschränkt war, dass es ihr unmöglich war, am 27.12.2016 einen Arzt aufzusuchen. Das dieser Tag in die Zeit zwischen den Weihnachts- und Neujahrstagen fiel, führt zwar durchaus dazu, dass es schwieriger gewesen sein dürfte, einen Arzt zu finden, der in dieser Zeit seine Praxis geöffnet hat. Der Vertretungsarzt, den die Klägerin aber dann aufgesucht hat, war nur ca. 1,1 km von dem Wohnhaus der Klägerin entfernt und sie hätte diesen auch bereits am 27.12.2016 aufsuchen können.

Die Mitgliedschaft der Klägerin als versicherungspflichtig Beschäftigte mit Krankengeldanspruch hat daher am 26.12.2016 geendet (vgl. §§ 19 Abs. 1, 190 Abs. 2 iVm. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V; vgl. im Übrigen die Ausführungen bei Schifferdecker, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 44 Rn. 24). Bei einer freiwilligen Versicherung besteht kein Krankengeldanspruch (Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 02/16, § 44 SGB V, Rn. 41-42.).

Es besteht auch kein nachgehender Leistungsanspruch. Endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, besteht gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 SGB V Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Die aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz ist gegenüber Ansprüchen aus einem aktuellen Versicherungsverhältnis (hier der freiwilligen Versicherung) grundsätzlich aber nachrangig, auch wenn das im Wortlaut des § 19 Abs. 2 SGB V unmittelbar nicht zum Ausdruck kommt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, Az: B 1 KR 25/14 R, juris Rn. 18).

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Rechtskraft
Aus
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