L 1 BA 20/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 45 KR 90106/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 BA 20/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des SG Magdeburg vom 26. November 2013 und der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2010 sowie der Bescheid vom 22. Oktober 2010 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.

Der Streitwert wird auf 378.947,70 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nebst Zinsen und Säumniszuschlägen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. August 2006.

Der Kläger bot als Einzelunternehmer unter dem Firmennamen "I ..." u.a. die fertigungsnahe Prüfung von Werkstücken für Automobilzulieferer und -hersteller an. Er war zunächst selbst als Qualitätsprüfer für die Firma S. Control GbR tätig gewesen. Am 24. Januar 2005 beauftragte ihn die Firma T ... GmbH (im Folgenden: T.), welche in ihrem Werk in I. Nockenwellen für die Automobilindustrie herstellte, mit der Qualitätskontrolle von Nockenwellen. Der erste Auftrag umfasste die Überprüfung von Beschädigungen am Geberrad von Nockenwellen. In der Folgezeit erteilte die T. dem Kläger immer wieder Aufträge zur Qualitätskontrolle von Nockenwellen. Vereinbart waren die Kontrolle sowie Nacharbeiten nach einem Fehlerkatalog.

Da der Kläger die Aufträge nicht alleine erfüllen konnte, waren für ihn ab dem 24. Januar 2005 zunächst die Beigeladenen zu 29. und 38. als Prüfer tätig. Er schloss mit ihnen einen "Rahmenvertrag als Freier Mitarbeiter" ab. Danach übernahm der Auftragnehmer nach vorgegebenen Prüfplänen und Qualitätskriterien Prüf- und Kontrollaufgaben als freier Mitarbeiter für den Auftraggeber (Kläger). Weiter war vereinbart, dass der Auftragnehmer die erteilten Aufträge in eigener unternehmerischer Verantwortung ausführt, keinem Weisungs- und Direktionsrecht unterliegt und in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Arbeitsausführung frei und nicht in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden ist. Er hatte die Interessen des Auftraggebers und Vorgaben, soweit dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert, zu beachten. Der Auftragnehmer übernahm die Arbeiten eigenverantwortlich und haftete für alle Schäden, die er dem Auftraggeber im Rahmen der Auftragstätigkeit zuführt. Für alle Sozial- und sonstigen Versicherungsleistungen, für die Steuererfassung und Abführung war der Auftragnehmer selbst verantwortlich. Als Entgelt war ein Stundenlohn zwischen 14 EUR und 16 EUR zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. Die Rechnungslegung sollte mindestens monatlich erfolgen.

Zugleich schloss der Kläger mit den Beigeladenen zu 29. und 38. jeweils gesonderte "Aufträge" über die Sichtprüfungen ab. Die Aufträge wiederholten im Wesentlichen die Vereinbarungen aus dem Rahmenvertrag und regelten als vereinbartes Entgelt 15 EUR pro Stunde zzgl. Mehrwertsteuer. Die beiden Prüfer stellten ihre Leistungen dem Kläger zu einem Preis von 15 EUR pro Stunde zzgl. Mehrwertsteuer in Rechnung, der seinerseits der T. die erbrachten Leistungen zu einem Preis von 16 EUR pro Stunde zzgl. Mehrwertsteuer in Rechnung stellte.

Der Kläger schloss auch mit der Firma S. einen Vertrag über die Qualitätsprüfung chirurgischer Implantate ab. Mit dem Beigeladenen zu 37. vereinbarte er am 28. Februar 2005 ebenfalls einen Rahmenvertrag mit einem Mindestentgelt von 15 EUR pro Stunde zzgl. Mehrwertsteuer sowie einen Auftrag entsprechend den oben genannten Vereinbarungen für die Qualitätskontrolle nach Prüfplan bei St. in Sch. mit einem Stundensatz von 16 EUR und einer Tagespauschale von 30 EUR. Zudem waren Zuschläge zwischen 5 % und 50 % des Grundpreises für Spät- und Nachschicht sowie Wochenende und Feiertage vereinbart.

Ab dem 20. März 2005 waren für den Kläger neben den Beigeladenen zu 29., 37. und 38. weitere Beigeladene als Prüfer tätig. Der Kläger wies sie mit Schreiben vom 9. April 2005 darauf hin, dass Arbeiten für seine Firma nur als Selbstständiger/Gewerbetreibender/Freiberufler möglich seien. Bei Nichtvorliegen des Gewerbenachweises könne keine Beschäftigung bei der I. erfolgen. Er schloss mit den Prüfern jeweils "Rahmenverträge Freie Mitarbeit" sowie als "Auftrag" bezeichnete Verträge über die Qualitätssicherung ab. Die vertraglichen Vereinbarungen im Rahmenvertrag und in den einzelnen Aufträgen entsprachen denen mit den Beigeladenen zu 29. und 38. Es wurde ein Entgelt zwischen 13 EUR und 17 EUR pro Stunde, teilweise zzgl. einer Tagespauschale von 20 EUR, zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. Abrechenbare Pauschalen und Zuschläge waren bei der T. unter Angabe einer Auftragsnummer und Kalenderwoche einzutragen. Vereinbart waren Zuschläge für Spät- und Nachschicht sowie Wochenende und Feiertage. Das Schichtsystem der I. umfasste drei Schichten an sieben Tagen in der Woche.

Im Zeitraum vom 24. Januar 2005 bis zum 26. August 2006 waren die 55 Beigeladenen zu 17. bis 69. und 73. (im Folgenden: Prüfer) entsprechend der jeweils vereinbarten Zeiten für den Kläger tätig. Hinsichtlich der jeweiligen Einsatzzeiten wird auf die nach Prüfern getrennten Übersichten auf Blatt 52 bis 111 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Die Rechnungslegung durch die Prüfer gegenüber dem Kläger erfolgte meist wöchentlich. Größtenteils berechneten sie Umsatzsteuer auf ihre Entgelte.

Bei der Firma T. wurden hierfür Sonderprüfplätze eingerichtet. Es handelte sich um fünf speziell angefertigte Tische, auf denen die produzierten Nockenwellen auf eine Halterung gelegt und gedreht wurden und eine visuelle Endkontrolle vorgenommen werden sollte. Für diese Tätigkeit wurde keine besondere Qualifikation benötigt, die Prüfer konnten nach Auskunft der T. innerhalb von acht bis 16 Stunden angelernt werden. Die Firma I. hatte einen eigenen, von der T. unabhängigen Schichtplan. Die Prüfer, die gegenüber der T. als Subunternehmer vorgestellt wurden, trugen anfänglich eigene Arbeitskleidung. Später hatte der Kläger auf Verlangen der T. einheitliche T-Shirts ausgegeben. Zudem trugen die Prüfer einen vom Kläger entworfenen Firmenausweis. Ihre Aufgabe bestand darin, jeweils eine Charge (Kiste mit ca. 120 bis 360 Nockenwellen) auf Fertigungsfehler zu untersuchen und diese zu dokumentieren. Geringfügige Fehler, die von der A. AG nicht als funktionsbeeinträchtigend eingeschätzt wurden, sollten nur dokumentiert werden; Fehler, die sich mit Schleif- und Poliermitteln beseitigen ließen, waren nachzubessern; Werkstücke mit Funktionsbeeinträchtigungen waren auszusondern und Fehler, die auf Mängel in der Produktion hindeuteten, waren dem Qualitätsmanagement der T. zu melden.

Die Prüfer waren zum Teil nur bei T. in I., teilweise auch bei Stryker in Sch. tätig (beispielsweise der Beigeladene zu 29., 30., 48. und der verstorbene Ehemann der Beigeladenen zu 74.). Hinsichtlich der jeweiligen Einsatzorte wird auf die nach Prüfern getrennten Übersichten auf Blatt 52 bis 111 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Zudem führten die Prüfer an den Prüftischen der T. auch Qualitätsprüfungen für weitere Auftraggeber des Klägers aus.

Der Kläger schloss mit seinem Sohn einen Arbeitsvertrag, wonach dieser mit Wirkung vom 27. Juni 2005 als Qualitätsprüfer gegen ein Entgelt von 17,50 EUR pro Stunde eingestellt wurde. Während der Semesterferien war der Sohn des Klägers wie die anderen Prüfer im Schichtplan aufgeführt.

Im September 2005 änderte der Kläger die vertraglichen Vereinbarungen mit den Beigeladenen. Im "Rahmenvertrag Freie Mitarbeit" war zusätzlich zu den bestehenden Regelungen vereinbart, dass der Auftragnehmer in der Gestaltung seiner Tätigkeit selbstständig und vollkommen frei ist, wobei er auf die sich aus der Zusammenarbeit ergebenden betrieblichen Belange Rücksicht zu nehmen hatte. Das Vertragsverhältnis konnte mit einer Frist von zwei Wochen zum 15. bzw. zum Ende eines jeden Monats gekündigt werden. Für jeden Auftrag wurden weiterhin gesonderte "Aufträge" geschlossen. Diese waren nach dem Rahmenvertrag von beiden Seiten täglich kündbar. Kündigungsgründe konnten sein: Auslaufen eines Auftrags, vorfristige Kündigung eines Auftrags durch die Einsatzfirma, Nichteignung des Auftragnehmers für die Tätigkeit, Ablehnung des Auftragnehmers durch die Einsatzfirma sowie Verstoß gegen die Arbeitsschutz- und Sicherheitsbestimmungen oder andere Regelungen der Einsatzfirma. Mit Nichtaufnahme der Arbeiten an einem festgelegten Tag, laut Tages- oder Wochenplan, war der Auftrag automatisch erloschenen/gekündigt. Unter § 5 des Rahmenvertrags war vereinbart, dass der Auftragnehmer nicht verpflichtet ist, jeden Auftrag höchstpersönlich auszuführen. Er konnte sich, in Abstimmung mit dem Auftraggeber und der Einsatzfirma, auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen, wobei er die Haftung für alle Vorkommnisse trug. Weiterhin war vereinbart, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. Die Anwendbarkeit des § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) war ausdrücklich abbedungen. Hinsichtlich der Haftung war zusätzlich zu den bestehenden Regelungen aus dem bisherigen Rahmenvertrag geregelt, dass der Auftragnehmer auch für Schäden aller Art bei der Nichtbeachtung/Realisierung der Prüfpläne und Arbeits-/Prüfanweisungen haftet.

Aufgrund einer Anzeige von "Schwarzarbeit" bei der T. vom 22. August 2005 leitete zunächst die Staatsanwaltschaft M., später die Staatsanwaltschaft S. ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein (Aktenzeichen 408 Js 18798/05). Das Verfahren wurde zuständigkeitshalber an das Hauptzollamt M., Finanzkontrolle Schwarzarbeit, weitergeleitet. Auf Anordnung des Amtsgerichts S. (Beschluss vom 19. Juni 2006) wurde die Wohnung des Klägers am 30. August 2006 durchsucht und umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt.

Das Hauptzollamt M. übersandte der Beklagten Ermittlungsunterlagen. Im Wege der Amtshilfe teilte der Prüfdienst der Beklagten unter dem 19. März 2008 dem Hauptzollamt M. mit, dass die von den Prüfern verrichteten Tätigkeiten im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung verrichtet worden seien. Der Kläger habe die Prüfer der T. ohne die erforderliche Genehmigung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) überlassen. Er hafte mit der T. als Gesamtschuldner für die Sozialversicherungsbeiträge. Unter dem 2. Juni 2008 schätzte die Beklagte den Gesamtschaden an vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen auf 378.948,49 EUR zzgl. 109.053,50 EUR Säumniszuschläge. Im Rahmen der Ermittlungen des Hauptzollamts M. gaben die Beigeladenen zu 17., 27., 29., 39., 42., 44. und 55. im September 2008 an, dass sie beim Kläger nicht abhängig beschäftigt gewesen seien. Sie hätten ihre Arbeitszeit frei wählen (nach Auskunft der Beigeladenen zu 39. und 55. nur hinsichtlich der Schicht) und auch Aufträge ablehnen können. Sie hätten eigene Arbeitsschutzkleidung getragen. Es sei ein Stundenhonorar vereinbart worden, welches nach Auskunft der Beigeladenen zu 29. und 55. verhandelbar gewesen sei. Überstunden seien nicht angefallen. Auf die Frage nach Arbeitsanweisungen gaben die Beigeladenen zu 17. und 27. an, dass es Hinweise bzw. Richtlinien gegeben habe, wie die Arbeiten durchzuführen gewesen seien. Nach Auskunft der Beigeladenen zu 29., 39., 42., 44. und 55. habe der Kläger Arbeitsanweisungen erteilt. In seinem Schlussbericht vom 5. August 2009 gelangte das Hauptzollamt M. zu der Einschätzung, dass es sich bei den Prüfern um abhängig beschäftigte Arbeitnehmer handele und sich der Kläger des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) hinreichend tatverdächtig gemacht habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schlussbericht (Blatt 235 bis 250 der Verwaltungsakte der Beklagten) verwiesen.

Mit Anhörungsschreiben vom 21. August 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie aufgrund der nach § 28p Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) durchgeführten Beitragsüberwachung beabsichtige, für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. August 2006 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 543.304,49 EUR zu erheben. Darin enthalten seien Säumniszuschläge von 164.356,00 EUR. Die Auswertung der Unterlagen des Hauptzollamts M. habe ergeben, dass der Kläger als Verantwortlicher der I. die in der Anlage aufgeführten Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt habe. Bis auf Fristverlängerungsgesuche erfolgte keine Rückäußerung des Klägers.

Am 14. Dezember 2009 erhob die Staatsanwaltschaft S. Anklage gegen den Kläger. Das Verfahren wurde durch das Amtsgericht S. - Schöffengericht - (Aktenzeichen 21 Ls 408 Js 18798/05) zunächst vorläufig (Beschluss vom 6. Mai 2010) und nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 15.000 EUR mit Beschluss vom 13. August 2010 gemäß § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) endgültig eingestellt.

Mit Bescheid vom 29. Januar 2010 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung von Nachforderungen zur Sozialversicherung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. August 2006 in Höhe von insgesamt 543.304,49 EUR auf. Darin enthalten seien Säumniszuschläge von 164.356,00 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, aufgrund der Unterlagen des Hauptzollamts M. sei ersichtlich, dass der Kläger zumindest im genannten Zeitraum diverse Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung gemeldet und keine Beiträge entrichtet habe. Die beschäftigten Mitarbeiter seien in die Firma I. eingegliedert gewesen. Von dort seien die notwendigen Arbeitsanweisungen erteilt, die Arbeitsorganisation ausgeführt und die Arbeitszeitnachweise ausgefüllt worden. Hinsichtlich der Feststellung der beitragspflichtigen Entgelte, der Berechnung der Beiträge sowie der genauen Zusammensetzung der Forderungen verwies die Beklagte auf Anlage 1 zum Bescheid. In dieser Anlage seien die jeweiligen Teilbeträge getrennt nach Versicherungszweigen den einzelnen Arbeitnehmern und den für diese jeweils zuständigen Einzugsstellen zugeordnet. Die Berechnung der ab April 2005 erhobenen Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV könne ebenfalls der beigefügten Anlage "Berechnung der Säumniszuschläge" entnommen werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 19. Februar 2010 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass die selbstständigen Auftragnehmer nicht als Beschäftigte der I. tätig gewesen seien. Persönliche Abhängigkeit habe nicht bestanden. Arbeitsanweisungen seien von der I. nur als Rahmen, ohne auf die Art und Weise der Ausführung der Arbeit Einfluss zu nehmen, erteilt worden.

Mit Bescheid vom 25. März 2010 korrigierte die Beklagte die Zuordnung eines Prüfers zur fehlerhaften Krankenkasse und setzte die Nachforderung auf nunmehr 543.303,70 EUR (inkl. enthaltenen Säumniszuschlägen von 164.356,00 EUR) fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus, dass nach der Gesamtwürdigung der tatsächlichen Gegebenheiten eindeutig die Kriterien für die Annahme von abhängiger Beschäftigung der Mitarbeiter überwögen.

Hiergegen hat der Kläger am 5. September 2010 Klage beim früheren Sozialgericht (SG) Stendal (seit 1. November 2010 SG Magdeburg) erhoben. Zur Begründung hat er unter Vertiefung seiner bisherigen Ausführungen vorgetragen, dass der Zeuge K. bis zum 31. Oktober 2006 nicht als Sonderprüfer, sondern als angestellter Abrechnungsassistent tätig gewesen sei. Die Prüfer hätten eine externe (vom Betrieb der T. losgelöste) Qualitätsprüfung vornehmen sollen. Sie hätten ihre Arbeitszeit frei wählen können, dies hätten die im Ermittlungsverfahren befragten Prüfer auch nahezu einhellig angegeben. Die Art und Weise der auszuübenden Tätigkeit, insbesondere der Umfang und die Ausführung der Kontrolle, sei den Prüfern selbst überlassen gewesen. Bei Kontrollfehlern habe ihnen die Nachbesserung auf eigene Kosten oblegen. Die Prüfer seien berechtigt gewesen, Dritte zur Auftragserfüllung zu beschäftigen. Auf Wunsch von T. habe er für die Prüfer Firmenausweise entworfen. Der Beitragsschaden sei im Übrigen fehlerhaft auf berechneten Entgelten zuzüglich Umsatzsteuer ermittelt worden. Zugleich hat der Kläger die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die streitigen Bescheide begehrt.

Mit Bescheid 22. Oktober 2010 hat die Beklagte die Verzinsung der Beitragsforderung gegenüber einer Krankenkasse korrigiert. Die Höhe der Beitragsforderung ist davon unberührt geblieben.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2012 hat das SG (Aktenzeichen S 45 R 1138/11 ER) den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen L 1 R 104/12 B ER) mit Beschluss vom 22. Mai 2012 die aufschiebende Wirkung der Klage S 45 KR 90106/10 gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2010 sowie des Bescheids vom 22. Oktober 2010 angeordnet.

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 hat das SG die jeweils zuständigen (Fremd-)Sozialversicherungsträger, die Bundesagentur für Arbeit und die betroffenen Prüfer beigeladen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. November 2013 hat der Kläger angegeben, dass er jeweils ca. eine Woche vor Beginn die Aufträge der T. erhalten habe. Er habe dann einen Schichtplan entworfen, der in I. ausgehangen worden sei. Im Anschluss habe die Möglichkeit bestanden, Wünsche zu äußern, die er dann ggf. in einem neuen Schichtplan berücksichtigt habe. Manchmal habe er auch einen leeren Schichtplan ausgehangen, in den sich die Prüfer selbst hätten eintragen können. Abschließend sei der Auftrag dann persönlich, telefonisch oder per SMS vergeben worden. Er habe über den Einsatz von Vertretern informiert werden wollen. Sofern es sich um einen seiner Mitarbeiter gehandelt habe, habe er mit diesem direkt abgerechnet. Anderenfalls sei über den Vertretenen oder den Vertreter direkt abgerechnet worden. Der Beigeladene zu 44. hat erklärt, dass sich die Einflussmöglichkeiten der Prüfer auf die Annahme oder Ablehnung des Angebots beschränkt hätten. Er sei als Vertreter für Kollegen tätig geworden.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26. November 2013 abgewiesen: Die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass die für den Kläger tätigen Mitarbeiter abhängig beschäftigt und deshalb sozialversicherungspflichtig gewesen seien. Ihnen habe kein echter Entscheidungsspielraum weder hinsichtlich der Vertragsgestaltung noch hinsichtlich der Zeit bzw. des Ortes und der Art und Weise ihrer Tätigkeit zur Verfügung gestanden. Auch ein echtes unternehmerisches Risiko habe das Gericht nicht erkennen können. Zudem lägen weitere Umstände vor, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen. Hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderung bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Gegen das ihm am 13. Januar 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Februar 2014 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen, dass das SG die Regelungen im Rahmenvertrag nicht hinreichend gewürdigt habe. Einer Verhandlung über das Stundenhonorar habe es nicht bedurft, diese sei jedoch möglich gewesen. Die Einrichtung des Schichtbetriebs habe sich durch die technischen Voraussetzungen und die Aufgabe der Prüfer ergeben. Sie ließe nicht den Rückschluss auf eine abhängige Beschäftigung zu, da auch freiberufliche Dozenten in einen Stundenplan integriert seien. Die standardmäßige Verwendung von Verträgen spreche ebenfalls nicht für eine abhängige Beschäftigung. Vielmehr sei es bei Subunternehmern üblich, diese durch einen Rahmenvertrag zu binden und dann entsprechend des Bedarfs abzurufen. Das unternehmerische Risiko habe bei Schlechtleistung darin bestanden, die Nachbesserung vor Ort vornehmen zu müssen. Die Prüfer hätten selbst Subunternehmer als Erfüllungsgehilfen beauftragt und gegenüber dem Kläger abgerechnet. Zudem habe die Beklagte am 19. Oktober 2010 eine weitere Betriebsprüfung vorgenommen und für den Prüfzeitraum September 2006 bis Dezember 2008 bei gleicher Praxis keine Beanstandungen vorgenommen.

Im Erörterungstermin vom 13. April 2018 hat der Kläger angegeben, die Firma I. seit 2016 nicht mehr zu führen. Der Rahmenvertrag mit den bis dahin tätigen Prüfern sei gleich geblieben. Zudem hat er mitgeteilt, neben T. auch für weitere Auftraggeber tätig gewesen zu sein und die Prüfer entsprechend beauftragt zu haben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Magdeburg vom 26. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2010 sowie den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beklagte schließt sich den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils an und verweist im Übrigen auf die angefochtenen Bescheide sowie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, dass die Prüfer kein relevantes unternehmerisches Risiko getragen, sondern ihre Arbeitskraft ausschließlich nach geleisteter Arbeitszeit mit einer festen Stundenvergütung verwertet hätten. Größere Freiheiten oder Verdienstmöglichkeiten seien damit nicht einhergegangen. Sofern die Prüfer freiwillige Zahlungen an die Rentenkasse vorgenommen hätten, sei dies für die Nachforderung unerheblich. Die zwei stichprobenweise durchgeführten Betriebsprüfungen für die Zeit von September 2006 bis Dezember 2008 und für das Jahr 2010 hätten keine Feststellungen ergeben. Unterlagen über diese Betriebsprüfungen lägen nicht mehr vor.

Der Senat hat mit Beschluss vom 21. Januar 2019 die Beigeladenen zu 73. und 74. zum Verfahren beigeladen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat den Zeugen Michael Kindler vernommen. Zudem sind die Beigeladenen zu 21., 27., 39., 40., 55. und 66. gehört worden. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Anhörung und der Aussage des Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Gerichtsakten, die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Gerichtsakte zum Verfahren S 45 R 1138/11 ER/L 1 R 104/12 B ER, die Akte der Staatsanwaltschaft S. zum Aktenzeichen 408 Js 18798/05 und die beschlagnahmten Unterlagen des Klägers haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143, 144 SGG.

Der Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§§ 153 Abs. 1, 110 SGG).

Wegen der erfolgten personenbezogenen Beitragsfestsetzung war die notwendige Beiladung der betroffenen Prüfer und der jeweils zuständigen Fremdsozialversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit geboten. Mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 hat das SG diese beigeladen. Die versäumte Beiladung der Prüferin Anja Schacht hat der Senat mit Beschluss vom 21. Januar 2019 nachgeholt. Auch die Rechtsnachfolgerin des verstorbenen K. G. ist mit dem genannten Beschluss nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beigeladen worden. Denn wie für den verstorbenen Beizuladenden wirkt die hier zu treffende Entscheidung auch für und gegen seinen Rechtsnachfolger (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 3. April 1990, 10 RKg 23/89, juris Rn. 15).

II.

Die Berufung ist auch begründet, da die angegriffenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind und den Kläger im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschweren. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

1.

Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2010 sowie der gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 22. Oktober 2010.

2.

Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Beigeladenen zu 17. bis 69., 73. und der verstorbene Ehemann der Beigeladenen zu 74. in einem die Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis zum Kläger gestanden haben. Vielmehr haben sie nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ihre Leistungen als Prüfer im Rahmen selbstständiger Tätigkeit erbracht.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, juris; BSG, Urteil vom 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R, juris Rn. 16; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96, juris Rn. 7). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl. insoweit insbesondere BSG, Urteil vom 25. April 2012, B 12 KR 24/10 R, juris Rn. 25).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht sprechen nach der Überzeugung des Senats die überwiegenden Gesichtspunkte dafür, dass die Beigeladenen zu 17. bis 69., 73. und der verstorbene Ehemann der Beigeladenen zu 74. im Rahmen selbstständiger Tätigkeit für den Kläger tätig gewesen sind. Bei seiner Beurteilung legt der Senat die Angaben der Beteiligten, soweit sie glaubhaft waren, zugrunde und verwertet die beigebrachten und beigezogenen Schriftstücke im Wege des Urkundsbeweises. Die Tätigkeiten der beigeladenen Prüfer mögen zwar gleichermaßen sowohl typische Merkmale selbstständiger Tätigkeit (dazu unter b) als auch von Beschäftigungsverhältnissen (dazu unter c) aufweisen. Nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistungen sind diese indessen unzweideutig als selbstständige Tätigkeiten anzusehen (dazu unter d).

a)

Vorab klarzustellen ist, dass die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, grundsätzlich getrennt für die jeweilige Tätigkeit vorzunehmen ist. So können hauptberuflich abhängig beschäftigte Arbeitnehmer neben ihrem Arbeitsverhältnis einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen, wie auch hauptberuflich Selbstständige neben ihrer selbstständigen Tätigkeit einer abhängigen (Neben-) Beschäftigung bei einem Arbeitgeber nachgehen können. Der Umfang der jeweiligen Tätigkeitsanteile ist dabei nicht schon für die Frage nach einer abhängigen Beschäftigung relevant, sondern erlangt eine Bedeutung erst für die daran eventuell anknüpfende Frage, ob aus einer abhängigen Beschäftigung eine Versicherungs- und Beitragspflicht resultiert (vgl. § 5 Abs. 5 SGB V zum Entfallen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Ausübung einer "hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit"). Aus diesem Grunde kommt es für die Beurteilung der Tätigkeiten der Prüfer für den Kläger nicht unmittelbar auf die Anzahl, den Umfang und den versicherungsrechtlichen Charakter der gleichzeitig oder nacheinander für weitere Arbeit- bzw. Auftraggeber ausgeübten Tätigkeiten an. Allenfalls kann diesen Umständen mittelbar eine indizielle Bedeutung für die Einschätzung der tatsächlichen Eingliederung in betriebliche Abläufe eines Dienstherrn und das Ausmaß der konkreten Weisungsunterworfenheit zukommen (vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 31. Juli 2015, L 1 KR 37/10, juris Rn. 31).

b)

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 KR 25/10 R, juris Rn. 16). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt. Dieser kann unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder der selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl. insgesamt BSG, Urteil vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R, juris Rn. 17).

Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und den Prüfern sprechen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machen den Willen der Vertragsparteien deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Prüfer zu begründen. Im Rahmen der vereinbarten Bestimmungen sind zunächst jeweils die Rahmenverträge und sodann die jeweiligen Einzelaufträge zu betrachten. Nach den insoweit gleichlautenden Rahmenverträgen war zwischen dem Kläger und den Prüfern schon nach der Vertragsbezeichnung eine Tätigkeit in "Freier Mitarbeit" gewollt. Vereinbart war eine Tätigkeit in eigener unternehmerischer Verantwortung ohne Weisungs- und Direktionsrecht in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Arbeitsausführung und ohne Einbindung in die Arbeitsorganisation des Klägers. Weiter war vereinbart, dass die Haftung für alle Schäden im Rahmen der Auftragsausführung den Prüfern oblag. Zu einem späteren Zeitpunkt änderten der Kläger und die Prüfer die Vertragsgestaltung dahingehend, dass in den Rahmenverträgen unter § 5 vereinbart war, dass die Prüfer nicht verpflichtet waren, jeden Auftrag höchstpersönlich auszuführen. Es war vertraglich gestattet, sich in Abstimmung mit dem Kläger und der Einsatzfirma der Hilfe von Erfüllungsgehilfen zu bedienen. Hinsichtlich der Haftung war zusätzlich vereinbart, dass sich diese auch auf Schäden aller Art bei der Nichtbeachtung/Realisierung der Prüfpläne und Arbeits-/Prüfanweisungen erstreckt und alle Vorkommnisse beim Einsatz von Erfüllungsgehilfen umfasst.

Die Einzelheiten der Vertragsdurchführung, die Bestimmung des Orts der Tätigkeit und das gezahlte Entgelt blieben hier dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Auch entstand eine Verpflichtung zur Leistungserbringung erst mit Übernahme von Einzelaufträgen, da die angebotenen Aufträge nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der gehörten Beigeladenen abgelehnt werden konnten. Bei Vorliegen einer solchen Rahmenvertragsgestaltung kommt es für die Abgrenzung auf die Durchführung jeden einzelnen Auftrags an (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R, juris Rn. 18 ff.).

Auch die jeweils mit den Prüfern als "Auftrag" vereinbarten weiteren vertraglichen Bedingungen waren nach ihren Bestimmungen auf eine selbstständige Tätigkeit ausgerichtet. So war die Übernahme der Arbeiten im Rahmen des bestehenden Gewerbes oder der Freiberuflichkeit in eigener Verantwortung, auch für Sozial- und sonstige Versicherungsleistungen vereinbart. Regelungen zur Lohnfortzahlung (bei Krankheit, Urlaub oder Arbeitsausfall) waren nicht vereinbart. Nach der vertraglichen Regelung war grundsätzlich eine selbstständige Tätigkeit gewollt. Der Kläger und die Prüfer sind von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen; eine solche, nicht eine abhängige Beschäftigung, hat ihrem gemeinsamen Willen entsprochen. So hatten sich verschiedene Beigeladene bereits im Ermittlungsverfahren des Hauptzollamts übereinstimmend dahingehend geäußert, dass sie nicht abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen sind. Dies haben auch die in der mündlichen Verhandlung gehörten Beigeladenen bestätigt. Die vereinbarten Einzelheiten sprechen aus Sicht des Senats eindeutig für den Willen, eine selbstständige Tätigkeit der Prüfer zu begründen. In der weiteren Handhabung haben sich die Prüfer ebenfalls als Selbstständige verstanden: Sie hatten oder haben ein Gewerbe angemeldet und ihre Einkünfte als solche "aus Gewerbebetrieb" versteuert. Sie haben Rechnungen geschrieben, wobei sowohl die Rechnungslegung als auch die Auszahlung der Vergütung überwiegend wöchentlich erfolgten, also nicht etwa monatsweise, wie dies eher bei einer abhängigen Beschäftigung der Fall wäre.

Auch wenn die Tätigkeit eines Qualitätsprüfers ihrer Art nach grundsätzlich sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch in selbstständiger Tätigkeit ausgeübt werden könnte, ist vorliegend im Hinblick auf die äußere Gestaltung der jeweiligen Vertragsverhältnisse, die den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen entsprochen haben, die Selbstständigkeit auch umgesetzt worden.

Die gehörten Beigeladenen haben in Übereinstimmung mit dem Kläger angegeben, dass sie angebotene Einsätze ohne jede Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen haben ablehnen können. So konnten sie den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen selbst steuern (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 12 R 17/09 R, juris Rn. 27).

Auch wenn die Prüfer bei den überwiegend für die T. erbrachten Leistungen durch das Drei-Schicht-System engen zeitlichen Vorgaben während der Ausübung der Tätigkeit unterlegen haben, so hatten sie gleichwohl maßgeblichen Einfluss auf die Schichtplangestaltung. Die gehörten Beigeladenen und der Kläger haben angegeben, dass dieser sie ohne ihre ausdrückliche Zustimmung (mündlich, telefonisch oder per SMS) nicht für Einsätze einteilte. Auch der vor dem SG gehörte Beigeladene zu 44. hat diese Angabe bestätigt. Zudem ergibt sich dies aus den Unterlagen des Klägers, in denen (auszugsweise) der SMS-Kontakt mit der Beigeladenen zu 55. dokumentiert ist. Demnach beruhte die Schichtplangestaltung auf den Vorgaben der Prüfer. Eine für ein Arbeitsverhältnis typische zeitliche Weisungsabhängigkeit liegt jedoch nicht vor, wenn die Dienstplangestaltung auf den Vorgaben der Mitarbeiter beruht und Mitarbeiter die Dienste tauschen können (BAG, Beschluss vom 26. August 2009, 5 AZN 503/09, juris Rn. 10). Diese hier vorliegende Art der Schichtplangestaltung spricht demnach eher für eine selbstständige Tätigkeit.

Auch aus dem Umstand, dass jeweils einzelne, gesonderte, nur relativ kurze Vertragsverhältnisse begründet wurden, ergibt sich nicht, dass die Prüfer in Beschäftigungsverhältnissen gestanden hätten. Aus einer Aneinanderreihung kurzer Vertragsverhältnisse kann rechtlich lediglich gefolgert werden, dass ein Dauerrechtsverhältnis nicht begründet ist. Vielmehr bestanden einzelne Rechtsverhältnisse und die Prüfer waren nach Beendigung eines einzelnen Auftrags nicht verpflichtet, einen neuen Auftrag anzunehmen. In diesem Sinne wurde stets aufs Neue die Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere einzelne Vertragsbeziehung zu begründen oder nicht.

Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit entspricht weiter der Umstand, dass den Prüfern vertraglich die Möglichkeit eingeräumt worden ist, Arbeiten durch Dritte, also nicht höchstpersönlich, erledigen zu lassen. Im Gegensatz dazu haben Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 8/01 R, juris Rn. 17; Urteil vom 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R, juris Rn. 33). Nach Angaben des Klägers und der gehörten Beigeladenen zu 21., 39., 40. ist von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch gemacht worden. Dies hat auch der vor dem SG gehörte Beigeladene zu 44. bestätigt. Darüber hinaus belegen dies die Unterlagen des Klägers. So haben neben den genannten Beigeladenen u.a. auch die Beigeladenen zu 17., 22. und 43. Rechnungen nicht nur für eigene Leistungen, sondern auch für Dritte gegenüber dem Kläger abgerechnet. Ebenfalls hat der Beigeladene zu 27. erklärt, anfangs als Erfüllungsgehilfe des Beigeladenen zu 22. tätig gewesen zu sein. Der Senat kann nicht ausschließen, dass noch weitere Beigeladene Leistungen von Erfüllungsgehilfen abgerechnet haben, da sich dies aus den Rechnungen nur dann offensichtlich ergibt, wenn auch die Namen der Erfüllungsgehilfen angegeben wurden. Der Beigeladene zu 21. hat aber beispielsweise die Leistungen Dritter nicht gesondert ausgewiesen, sondern in eigenem Namen abgerechnet und diese wiederum nach deren Rechnungslegung ihm gegenüber entlohnt. Dies zeigt, dass die vertraglichen Regelungen nicht nur zum Schein getroffen, sondern auch tatsächlich praktiziert worden sind.

Schließlich ist auch ein sogenanntes Unternehmerrisiko der Prüfer zu bejahen, das ebenfalls für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit spricht. Maßgeblich hierfür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 1981, 12 RK 43/79, juris). Erforderlich ist ein Risiko, das darüber hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Denn das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, trifft zunächst auch jeden Arbeitnehmer, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt wird. Auch das Risiko, bei fortlaufenden Kosten für Krankenversicherung und Altersvorsorge aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung keine gesicherten Einkünfte zu haben, führt für sich genommen noch nicht zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2012, L 4 R 761/11, juris Rn. 53).

Im Rahmen des Unternehmerrisikos ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Prüfer Werkzeuge auf eigene Kosten beschafft haben. Zwar kann aus deren Nutzung noch kein schwerwiegendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit abgeleitet werden, denn es handelte sich lediglich um Utensilien von eher geringem Sachwert, wie zum Beispiel Feilen, Cuttermesser usw. im Gesamtwert von ca. 50 EUR (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 9. Juni 2009, L 3 U 42/07, juris Rn. 15).

Zum Unternehmerrisiko zählt zudem das Haftungsrisiko der Prüfer. Nach den vertraglichen Vereinbarungen waren die Prüfer bereits bei leichter Fahrlässigkeit zum Ersatz des aus Mängeln resultierenden Schadens verpflichtet. Demgegenüber haften Arbeitnehmer für Sach- und Vermögensschäden bei leichter Fahrlässigkeit überhaupt nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig und nur bei grober Fahrlässigkeit und bei Vorsatz auf den vollen Schaden (vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar SGB IV, 3. Auflage 2016, § 7 Rn. 94). Darüber hinaus traf die Prüfer auch das Risiko, bei Schlechtleistung Nachkontrollen auf eigene Kosten vornehmen zu müssen. So haben der Beigeladene zu 21. und 66. erklärt, dass sie unentgeltlich nacharbeiten mussten. Dies betraf auch die Beigeladenen zu 22. und 63. Aus den Unterlagen des Klägers ist ersichtlich, dass die Beigeladenen zu 63. und 66. vom 29. März bis 1. April 2006 in Ingolstadt bei der A. AG tätig waren, jedoch nur Leistungen bis zum 31. März 2006 abrechneten. Der Beigeladene zu 66. gab glaubhaft an, dass es sich am 1. April 2006 um eine unentgeltliche Nacharbeit handelte.

Da hier die Verwertung der Arbeitskraft der Prüfer im Vordergrund stand, ist weiter zu berücksichtigen, dass den Prüfern auch höhere Verdienstmöglichkeiten zustanden. Denn die bloße Belastung mit Risiken spricht im Falle der Verwertung der Arbeitskraft nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht (BSG, Urteil vom 25. April 2012, B 12 KR 24/10 R, juris Rn. 29). So hatten die Prüfer die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft auch über das übliche Maß einer 40 Stunden-Woche hinaus einzusetzen und durch die freie Wahl bestimmter Schichten höhere Verdienste als ein abhängig Beschäftigter zu erzielen. So waren manche Beigeladene 56 Stunden (also an sieben Tagen) pro Woche oder mehrere Schichten hintereinander tätig. Einem vergleichbaren Arbeitnehmer wäre dies aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Regelungen im Arbeitszeitgesetz nicht möglich.

Das zwischen den Beigeladenen und dem Kläger vereinbarte Entgelt von mindestens 13 EUR bis zu 17 EUR pro Stunde zzgl. Tagespauschale, zzgl. Schicht-, Wochenend- und Feiertagszuschlägen lag deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers. Nach dem Entgelttarifvertrag des Kfz-Gewerbes Sachsen-Anhalt vom 26. April 2004 lag das Monatsentgelt für einen Arbeitnehmer der Entgeltgruppe 1 (Tätigkeiten, die keine berufsfachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern) ab dem 1. Juli 2005 bei 1.437 EUR, was bei einer vereinbarten 37-Stunden-Woche einem Stundenlohn von 8,93 EUR entspricht. Die Höhe des hier vereinbarten Stundenlohns ließ Eigenvorsorge zu und ist damit ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (BSG, Urteil vom 31. März 2017, B 12 R 7/15 R, juris Rn. 50).

Dem äußeren Anschein einer selbstständigen Tätigkeit entspricht weiter der Umstand, dass die Prüfer in ihren Rechnungen Umsatzsteuer aus den Einnahmen ausgewiesen und entrichtet haben. Zwar besteht keine Bindung der Sozialversicherungsträger an die rechtliche Beurteilung der Finanzbehörden (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978, 12 RK 33/76, juris Rn. 23). Werden aber Einnahmen aufgrund einer Arbeitsleistung sowohl auf der Auftraggeber- als auch auf der Auftragnehmerseite ordnungsgemäß als Umsätze verbucht bzw. versteuert und vom Auftragnehmer bei der Einkommensteuer als Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit versteuert, ist dies jedoch ein gewichtiges Indiz für selbstständige Tätigkeit (vgl. Segebrecht, a.a.O. § 7 Rn. 94). Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um eine bloße Vereinbarung zum Schein einer selbstständigen Tätigkeit handelte (dies genügt nicht vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001, B 12 KR 17/00 R, juris Rn. 24). Denn die Prüfer, die der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterlagen, haben in ihren Rechnungen gerade keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Zudem hat der Beigeladene zu 30. ausweislich der Unterlagen des Klägers nach einer Umsatzsteuersonderprüfung seine Rechnungen neu erstellt, nunmehr Umsatzsteuer ausgewiesen und diese auch vom Kläger erhalten.

Schließlich gibt auch das eigene Verhalten der Beklagten Anlass, das Vorliegen von selbstständiger Tätigkeit der Prüfer anzunehmen. Diese hat gegenüber dem Kläger im Rahmen der am 19. Oktober 2010 für den Prüfzeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. Dezember 2008 durchgeführten Betriebsprüfung - bei nach Angaben des Klägers unveränderter Praxis - keine Beanstandungen vorgenommen (Bescheid vom 20. Oktober 2010). Zwar begründet das Unterlassen einer Beanstandung im Rahmen einer vorherigen Betriebsprüfung nach der Rechtsprechung des BSG keinen Vertrauens- oder Bestandsschutz (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978, 12 RK 6/76; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015, B 12 R 11/14 R; juris). Hier wurde die Betriebsprüfung jedoch nach dem hier streitigen Zeitraum und in Kenntnis des laufenden Klageverfahrens durchgeführt. Die Beklagte verhält sich widersprüchlich, wenn sie die gleiche Tätigkeit einmal als abhängige Beschäftigung einschätzt und im Folgezeitraum keine Beanstandung (bei Fortführung der selbstständigen Tätigkeit) vornimmt. Nach Angaben des Beklagtenvertreters soll auch eine Stichprobenprüfung für das Jahr 2010 keine Beanstandungen ergeben haben. Eine nähere Prüfung dieser Sachverhalte zur Aufklärung der widersprüchlichen Beurteilung durch die Beklagte war dem Senat nicht möglich, da keine Verwaltungsvorgänge vorgelegt werden konnten.

c)

Der Senat verkennt nicht, dass auch Kriterien für das Bejahen einer Einbindung in die Organisation des Klägers und damit für die Annahme von Beschäftigungsverhältnissen vorliegen.

So spricht die Art und Weise der auszuführenden Tätigkeiten, die im Wesentlichen von vornherein weitgehend so festgelegt waren, dass sich Möglichkeiten zu nennenswerten eigenen Entscheidungen oder zu eigener Entfaltung nicht ergeben konnten, für eine abhängige Beschäftigung. Wenn die Prüfer einen Auftrag annahmen, haben Zeit, Ort, Art und Umfang der Tätigkeit festgestanden. Eine nennenswerte Freiheit in der Ausgestaltung der Arbeit hat faktisch nicht bestanden. Dies ist nach Auffassung des Senats jedoch in der Natur der Tätigkeit begründet. Auch bei Diensten einfacher Art, wie zum Beispiel bei der Ausübung ungelernter Tätigkeiten, welche von sich aus wenig Möglichkeiten zu eigener Entfaltung mit sich bringen (Hausmeisterservice, Reinigungsarbeiten, Grünflächenarbeiten), scheidet eine selbstständige Ausübung der Tätigkeit nicht von vornherein aus.

Hinsichtlich der Tätigkeit bei der T. waren die Prüfer aufgrund des Schichtsystems des Klägers zudem an enge zeitliche Vorgaben gebunden. Sie hatten ihre Tätigkeit überwiegend innerhalb fester Schichtzeiten zu verrichten, was für eine abhängige Beschäftigung spricht (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1981, 12 RK 4/81, juris Rn. 74). Bei anderen Firmen wie zum Beispiel St. in Sch. konnten die Prüfer ihre Arbeitszeit nach Angaben des Klägers freier gestalten. Dies hat die Beklagte allerdings bei der Entscheidungsfindung nicht gewürdigt.

Auch spricht die hier vereinbarte Vergütung nach Arbeitsstunden, festen Stundensätzen zzgl. Schichtzuschlägen eher für eine abhängige Beschäftigung (vgl. Segebrecht, a.a.O. § 7 Rn. 93; BSG, Urteil vom 18. November 1980, 12 RK 76/79, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2013, L 5 R 863/12, juris). Allerdings sind solche Zuschläge auch - eindeutig - Selbstständigen, zum Beispiel Handwerkern, die außerhalb der üblichen Dienstleistungszeiten Aufträge übernehmen, zu vergüten (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Juni 2009, L 16 R 53/08, juris Rn. 34).

Auch die Verwendung der gleichlautenden Vertragsformulare für die Rahmenverträge und der einzelnen Aufträge spricht eher gegen einen Einfluss der Prüfer auf die Vertragsgestaltung.

Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Sohn für die Verrichtung der gleichen Tätigkeit, wie sie die Prüfer erbracht haben, als Arbeitnehmer beschäftigt hat. Der Kläger hat dies im Wesentlichen mit dem Verwandtschaftsverhältnis begründet. Auch wenn dies für den Senat durchaus lebensnah erscheint, unterliegt der sozialversicherungsrechtliche Status gerade nicht der Disposition der Vertragsparteien.

Kein Gewicht misst der Senat der Verwendung einheitlicher Kleidung und Firmenausweise bei. Da diese Umstände auf Vorgaben der T. beruhten, handelt es sich um kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal.

d)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass gewichtige Argumente sowohl für als auch gegen die Selbstständigkeit sprechen. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung ist der Senat gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt, dass die Merkmale, die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Prüfer sprechen, deutlich überwiegen. Dabei hat der Senat nach Gewichtung der zuvor festgestellten Umstände diese in die Gesamtschau eingestellt und gegeneinander abgewogen.

Aus den genannten Gründen hat der Senat der Möglichkeit der Leistungserbringung durch Dritte, der Honorarhöhe und dem Unternehmerrisiko (keine Lohnfortzahlung, selbstbeschaffte Arbeitsmittel, Haftung für Schlechtleistung) starkes Gewicht beigemessen. Hinzu traten erhöhte Verdienstchancen außerhalb der zeitlichen Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und die tatsächliche Entrichtung von Umsatzsteuer. Gerade dann, wenn die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit sowohl für Selbstständigkeit als auch für abhängige Beschäftigung spricht, ist dem Willen der Vertragsparteien und der Vertragsbezeichnung vorrangige Bedeutung beizumessen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 1978, 12 RK 14/78, juris Rn. 17; ausschlaggebend in Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Dezember 2004, L 5 KR 210/03, juris Rn. 26).

Im Vergleich dazu sind die Merkmale, die für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sprechen (Art und Weise der auszuführenden Tätigkeiten, Vergütung nach Stundensätzen mit Zuschlägen, gleichlautende Vertragsformulare und Beschäftigung des Sohns des Klägers als Arbeitnehmer) nach Auffassung des Senats als weniger gewichtig zu betrachten. Die engen zeitlichen Vorgaben durch das Schichtsystem haben sich nach Einschätzung des Senats mit der Schichtplangestaltung auf die Vorgaben der Prüfer aufgehoben.

Die Bescheide der Beklagten sind daher rechtswidrig und mit dem erstinstanzlichen Urteil aufzuheben.

Insofern brauchte der Senat nicht weiter darauf einzugehen, dass die Beklagte hier fehlerhaft das Arbeitsentgelt in Form der Bruttozahlung zu Grunde gelegt hat. Die Berücksichtigung der Umsatzsteuer scheidet aus, da es sich dabei nicht um eine Einnahme im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV handelt (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 2017, L 1 KR 51/15, juris). Die Prüfer, die in ihren Rechnungen an den Kläger die Umsatzsteuer ausgewiesen haben, sind verpflichtet gewesen, die erhaltene Umsatzsteuer an den Fiskus weiterzuleiten. Demnach handelt es sich bei der Umsatzsteuer um einen durchlaufenden Posten, der letztlich erst vom Endverbraucher der Leistung gezahlt wird.

Ebenso kam es nicht darauf an, dass Feststellungen der Beklagten dazu fehlen, ob einzelne Prüfer neben der Tätigkeit beim Kläger hauptberuflich selbstständig tätig gewesen sind. Denn in diesem Fall wären sie gemäß § 5 Abs. 5 SGB V nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig gewesen. Ferner hat die Beklagte Feststellungen zur Sozialversicherungspflicht bei geringfügiger Tätigkeit unterlassen. Weiterhin hat sie unberücksichtigt gelassen, dass ein Teil der Prüfer angegeben hatte, einen Zuschuss nach § 421 SGB III bezogen zu haben, so dass nach § 7 Abs. 4 SGB IV (in der Fassung vom 28. Mai 2008) bereits die gesetzliche Vermutung für eine selbstständige Tätigkeit bestand. Auch konnte dahinstehen, dass die Beklagte keine Zuordnung der Rechnungsbeträge der Erfüllungsgehilfen zur jeweiligen Person vorgenommen hat.

Zudem konnte der Senat unberücksichtigt lassen, dass die Beklagte entgegen § 24 Abs. 2 SGB IV Säumniszuschläge für die Vergangenheit erhoben hat, ohne ein Verschulden des Klägers festzustellen, was aufgrund des eigenständigen Verschuldensmaßstabs wenigstens bedingten Vorsatz erfordert hätte (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018, B 12 R 15/18 R, juris Rn. 13).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in Höhe des Betrags der streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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