L 12 KA 4/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 4067/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 4/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 50/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat dem Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um die bedarfsunabhängige Zulassung der Klägerin als Psychologische Psychotherapeutin in M.

Die Klägerin, eine Dipl.-Biologin und Dipl.-Psychologin, arbeitet seit 1982 beim Institut für Strahlenhygiene in N. , seit 1993 in Teilzeit. Daneben hat sie von 1989 bis 1998 an der Bayerischen Akademie für Psychotherapie (BAP) in M. eine Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin absolviert und begleitend dazu von April 1993 bis Juli 1994 als Praktikantin und danach bis Juli 1997 als freie Mitarbeiterin der S.-Klinik in G. gearbeitet. Seit Oktober 1997 besitzt die Klägerin eine eigene psychotherapeutische Praxis in M. in der A.straße , wo sie zunächst im Kostenerstattungsverfahren und ab Oktober 1998 im Delegationsverfahren Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) behandelt.

Am 07. November 1998 hat die Klägerin die bedarfsunabhängige Zulassung am Praxissitz in M. beantragt. Der Zulassungsausschuss lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 10. August 1999 ab, weil die Klägerin in der in § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 und Abs.11 Satz 1 Nr.3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) genannten Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 keine Behandlungsstunden in eigenverantwortlicher und selbständiger Tätigkeit zu Lasten der GKV erbracht habe, weder im Delegationsverfahren noch im Kostenerstattungsverfahren.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt mit der Begründung, § 95 Abs.10 Nr.3 und Abs.11 Nr.3 SGB V seien wegen Verstoßes gegen Art.3, 12, 14 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig. Der Zulassungsausschuss habe keine individuelle Würdigung ihres Werdegangs vorgenommen. Sie habe eine qualifizierte Ausbildung im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie (VT), bei der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) als Ausbildungsinstitut anerkannten BAP absolviert und eine bis dahin innegehabte Ganztagsstelle auf halbtags reduziert. Die Ausbildung habe sich wegen einer schweren Erkrankung ihrer Mutter, die sie habe pflegen müssen, bis August 1998 verlängert. Ohne die Pflege ihrer Mutter hätte sie ihre Zwischenprüfung ein Jahr vorher machen können und im letzten Jahr des Zeitkorridors im Beauftragungsverfahren Patienten der GKV behandeln können. Dies hätte ausgereicht, um genügend Stunden im Zeitfenster aufzuweisen. Seit Oktober 1998 sei die Klägerin im Delegationsverfahren für die GKV tätig und behandele derzeit 18 Patienten.

Der Beklagte wies den Widerspruch in seiner Sitzung vom 12. September 2000 (Bescheid vom 11. Oktober 2000) zurück. Nach § 95 Abs.10 SGB V könnten eine bedarfsunabhängige Zulassung nur diejengigen Psychotherapeuten erhalten, die in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 bereits in niedergelassener Praxis an der ambulanten Versorgung der Versicherten der GKV im Delegationsverfahren oder im Wege der Kostenerstattung teilgenommen hätten und daraus ihr Erwerbseinkommen erzielt hätten, und für die es deshalb eine unbillige Härte wäre, wenn sie sich nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) nur noch bedarfsabhängig in einem nicht gesperrten Gebiet niederlassen dürften. Personen, die erst nach dem 24. Juni 1997, dem Tag der Einbringung des Gesetzentwurfes des PsychThG im Deutschen Bundestag, an der ambulanten Versorgung der Versicherten teilgenommen hätten, seien auf die Niederlassung in nichtgesperrten Planungsbereichen zu verweisen. Diese Regelung solle die selbständige Tätigkeit in der Praxis (Art.12 GG) und die Erwerbsgrundlage hieraus (Art.14 GG) schützen. Die Klägerin habe im Zeitfenster mit keiner einzigen Behandlungsstunde an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen. Damit fehle es an einem schützenswert erworbenen Besitzstand.

Die Klägerin hat dagegen Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zur Begründung unter anderem vorgetragen, sie habe ihre unkündbare Stelle beim Bundesamt für Strahlenschutz 1993 halbiert, um das für eine Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin notwendige praktische Jahr in einer Psychiatrischen Klinik zu absolvieren. Diese Stellenhalbierung lasse sich beim derzeitigen Stellenabbau im öffentlichen Dienst nicht mehr rückgängig machen. Im Juni 1995 habe sie die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde erhalten. Durch die Pflege ihrer Mutter habe sich die für dieses Jahr geplante Zwischenprüfung und die für ein Jahr später geplante Abschlussprüfung erheblich verzögert. Nach der damaligen Sachlage sei aber auch keine Eile geboten gewesen. Deshalb habe sie auch das für die Verhaltenstherapieausbildung an der BAP notwendige Klinikjahr auf über drei Jahre ausgedehnt. Während dieser Zeit habe sie als freie Mitarbeiterin in der Klinik gearbeitet und nachweislich 700 Therapiestunden abgeleistet, die sie monatlich der Klinik in Rechnung gestellt habe. Im August 1997 habe sie die Zwischenprüfung abgelegt und seit September 1997 sei sie in eigener Praxis in der A.straße in M. als Verhaltenstherapeutin an der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit eigener KV-Nummer beteiligt. Im August 1998 habe die Klägerin die Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin mit der Abschlussprüfung abgeschlossen. Das zeige, dass ihre Berufsplanung spätestens seit 1989 kontinuierlich darauf abgezielt habe, sowohl als Biologin als auch Psychologin zu arbeiten. Ein erzwungener beruflicher Neuanfang außerhalb M. wäre nach über vier Jahren in der M. Praxis eine unzumutbare Härte.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. November 2001 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin in M. , denn sie habe jedenfalls im Zeitfenster nicht an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV im Sinne des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V teilgenommen. Diese Bestimmung sei nach der Rechtsprechung von Bundessozialgericht (BSG) und Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht verfassungswidrig. Da § 95 Abs.10 SGB V nur den im Zeitfenster tatsächlich vorhandenen Besitzstand schütze, komme es nicht darauf an, ob die Klägerin unter anderen als den tatsächlich gegebenen Umständen zu einem früheren Zeitpunkt und in ausreichendem Maße Behandlungsstunden zu Lasten der GKV in eigener Praxis erbracht hätte. Stunden nach dem Zeitfenster könnten nicht berücksichtigt werden.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt. Zudem verweist sie auf eine Passage im Urteil des BSG vom 08.11.2000 (Az.: B 6 KA 52/00 R), wonach "alle Umstände, die für das Vorliegen eines Härtefalles relevant sein könnten, in eine Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen seien". Ohne die Pflege ihrer Mutter hätte sie bereits ab dem 3., spätestens 4. Quartal 1996 am Delegationsverfahren teilnehmen können und Behandlungen zu Lasten der GKV im Zeitfenster erbringen können.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.11.2001 und den Bescheid des Beklagten vom 11.10.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin als Psychologische Psychotherapeutin für den beantragten Praxissitz zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 2), 4) und 5) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte weist darauf hin, dass die Klägerin keine Behandlungsstunden im Zeitfenster zurückgelegt habe und damit keinen schützenswerten Besitzstand erworben habe. Die Pflege der Mutter könne keinen Härtefall begründen.

Dem Senat liegen die Akten des Zulassungsausschusses, des Beklagten, des SG München mit dem Az.: S 28 KA 4067/00 sowie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 4/02 vor, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs.1 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin am Sitz ihrer Praxis in M. , einem überversorgten Planungsbereich, da sie die Voraussetzungen des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V nicht erfüllt.

Nach § 95 Abs.10 SGB V (eingefügt durch § 2 Nr.11 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichentherapeuten vom 16. Juni 1998, BGBl. I S.1311), sind psychologische Psychotherapeuten zur vertragspsychotherpeutischen Versorgung (bedarfsunabhängig) zuzulassen, wenn sie bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 PsychThG sowie des Fachkundenachweises nach § 95 c Nr.3 SGB V erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt haben (Satz 1 Nr.1); darüber hinaus müssen sie bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorgelegt haben (Satz 1 Nr.2) und in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997, dem sogenannten Zeitfenster, an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben (Satz 1 Nr.3).

Die Voraussetzungen des § 95 Abs.10 Satz 1 Nrn.1 und 2 SGB V sind bei der Klägerin, die bereits seit Oktober 1998 im Delegationsverfahren an der psychotherapeutischen Versorgung der GKV-Versicherten teilnimmt, unstreitig erfüllt. Es fehlt aber an der in § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V für die bedarfsunabhängige Zulassung geforderten Teilnahme an der Versorgung der GKV-Versicherten im Zeitraum vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997, denn die Klägerin hat damals weder im Kostenerstattungsverfahren noch im Delegationsverfahren in eigener Praxis Versicherte der GKV zu Lasten der Krankenkassen psychotherapeutisch behandelt. Die Klägerseite hält dem entgegen, die Zeitfensterregelung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V sei wegen Verstoßes gegen die Art.12, 14, 3 GG verfassungswidrig. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin bei Inkrafttreten des PsychThG am 01.01.1999 in eigener Praxis in M. bereits im Delegationsverfahren an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen hat. Die eingerichtete vertragspsychotherapeutische Praxis und auch die Möglichkeit, hierin Versicherte der GKV behandeln zu können, unterfällt den Schutzbereichen der Art.12 und 14. Die mit dem Inkrafttreten des PsychThG verbundene Beschränkung der Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in überversorgten Gebieten ist eine Berufsausübungsregelung im Sinne von Art.12 GG, die vor allem zur Sicherung einer gleichmäßigen Versorgung der Versicherten im gesamten Bundesgebiet gerechtfertigt ist (vgl. BSGE 82, 41, 44 = SozR 3-2500 § 103 Nr.2 S.13 für die vertragsärztliche Versorgung; BSGE 81, 207, 212 = SozR 3-2500 § 101 Nr.2 S.13 für die vertragszahnärztliche Versorgung; BSGE 87, 158, 163 = SozR 3-2500 § 95 Nr.25 S.110 für die vertragspsychotherapeutische Versorgung). Da es vor Inkrafttreten des PsychThG keinen Anspruch auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung gab, beseitigt dieses Gesetz keine bereits erworbenen Rechtspositionen, wenn es den auf einen bestimmten Ort bezogenen Zulassungsanspruch nur unter dem Vorbehalt der Gewährleistung einer annähernd gleichmäßigen Versorgung der Versicherten der GKV, konkretisiert durch die Bedarfsplanung, gewährleistet. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Neuordnung von Berufsausübungsregelungen aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gehalten, Übergangsregelungen für solche Personen zu schaffen, die die von der Neuregelung betroffene Tätigkeit in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausgeübt haben (BVerfGE 98, 265, 309 f). Solche Übergangsregelungen müssen aber nicht notwendigerweise darauf hinauslaufen, dass die bisherige Tätigkeit in unveränderter Form beibehalten werden kann (BVerfGE 68, 272, 287). Ein Psychologischer Psychotherapeut hat daher nicht allein deswegen Anspruch auf eine Zulassung ohne Berücksichtigung des Bedarfs, weil er bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. Juni 1998 am 01.01.1999 die nach damaligem Recht erforderliche Qualifikation zur Behandlung von Versicherten der GKV besaß (BVerfG, SozR 3-2500 § 95 Nr.24 S.103). Dabei ist im Fall der Klägerin zu bedenken, dass sie ihre Delegationspraxis erst im Oktober 1998 eröffnet hat.

Auf den Umstand, dass das Rechtsstaatsprinzip Vertrauensschutz auch im Hinblick auf Dispositionen gewährt, die der Bürger in der berechtigten Erwartung getätigt hat, dass sich bestimmte rechtliche Ausgangsbedingungen nicht ändern werden (vgl.BVerfGE 13, 39, 45 f; 30, 367, 389), musste der Gesetzgeber übergangsrechtlich nur dadurch reagieren, dass Psychologische Psychotherapeuten, die eine Praxis aufgebaut und in diese in der Erwartung investiert hatten, sie zu alten Bedingungen unverändert weiterführen zu dürfen, einen gewissen Schutz genießen. Die sich unter diesem Gesichtspunkt ergebenden verfassungsrechtlichen Erfordernisse hat § 95 Abs.10 Satz 1 SGB V in angemessener Weise aufgenommen und verwirklicht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr.25 S.108; BSG vom 11. September 2002, Az.: B 6 KA 41/01 R, S.13, 14 = MEDR 2003, 359 - 364). Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V mit dem 24. Juni 1997 einen Endstichtag vorsieht, bis zu dem die schützenswerte Vortätigkeit erfolgt sein muss. Dieses Datum bezeichnet den Tag, an dem die damalige Regierungsfraktion von CDU/CSU und FDP einen Gesetzentwurf des PsychThG in den Deutschen Bundestag eingebracht hat, der dann in seinen Grundstrukturen Gesetz geworden ist, auch wenn die konkret das Zeitfenster betreffende Regelung erst später als Ergänzung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind bereits Gesetzesinitiativen geeignet, das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand rechtlicher Rahmenbedingungen zu erschüttern (BVerfGE 91, 253, 260). Mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30.05.2001 - 1 BVR 704/00 - hat das BVerfG ausdrücklich festgestellt, dass durch die gesetzliche Anbindung des Zeitfensters an das Datum der Einbringung des Gesetzentwurfes im Bundestag das schutzwürdige Vertrauen nicht enttäuscht sei. Denn durch die Neuregelung der psychotherapeutischen Versorgung würden Rechtspositionen nicht verschlechtert, sondern verbessert.

Nach allem bestehen keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Zeitfensterregelung. Da die Klägerin während des Zeitfensters in eigener Praxis keine Behandlung zu Lasten der GKV durchgeführt hat, sind die Voraussetzungen des § 95 Abs.10 Satz 3 SGB V für eine bedarfsunabhängige Zulassung in M. nicht erfüllt.

Die von der Klägerin vorgetragenen individuellen Härtegesichtspunkte, nämlich dass sie sich um eine möglichst qualifizierte Ausbildung in VT bemüht habe, und dass diese durch die notwendige Pflege ihrer Mutter sich verzögert habe, und schließlich dass in der damaligen Zeit kein Grund zur Eile bestanden habe, sind nicht geeignet, abweichend von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V einen härtefallbedingten Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung zu begründen. Zwar trifft es zu, dass das BSG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 08.11.2000, Az.: B 6 KA 52/00 R, die Berücksichtigung der individuellen Situation im Rahmen der Härtefallregelung herausgestellt hat. Es stellt aber eindeutig fest, dass die Bestimmung nicht schlechthin jede Härte ausreichen lasse, die in der Versagung einer Zulassung am gewünschten Ort liegen könne, sondern durch die Wendung "teilgenommen haben" an eine schützenswerte Substanz für die psychotherapeutische Behandlung anknüpfe, die im sogenannten Zeitfenster vorhanden gewesen oder geschaffen sein müsse. Weiter heißt es dort, nicht die mit dem Aufbau einer Praxis an einem anderen Ort als dem derzeitigen Wohnort oder dem bisherigen Mittelpunkt des familiären und/oder beruflichen Lebens vorhandenen Belastungen, sondern allein die Notwendigkeit, eine selbstgeschaffene Praxis mit ihrem materiellen und immateriellen Wert zur Fortsetzung der bereits ausgeübten Behandlungstätigkeit als nunmehr zugelassener Vertragspsychotherapeut aufgeben zu müssen, rechtfertige die Zulassung auch in überversorgten Planungsbereichen. Daran fehlt es jedoch bei der Klägerin, die zwar nach eigenem Vorbringen zwischenzeitlich (aufgrund Ermächtigung) eine gutgehende Praxis in M. betreibt, die aber im maßgeblichen Zeitraum, also im Zeitfenster bzw. zum Ende des Zeitfensters, noch nicht bestanden hat. Die Klägerin hat demnach unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keinen Anspruch auf die begehrte bedarfsunabhängige Zulassung am Praxissitz in M.

Ob die Klägerin, wie sie behauptet, ohne die Pflege der Mutter früher, bereits im Zeitfenster, im Beauftragungsverfahren GKV-Versicherte hätte behandeln können, kann dahingestellt bleiben, da eine Tätigkeit im Beauftragungsverfahren mangels Eigenverantwortlichkeit keine Vortätigkeit im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V ist, und zwar auch dann nicht, wenn sie in eigener Praxis erfolgt (BSG, SozR 3-2500 § 95 Nr.25, S.121).

Die bei Inkrafttreten des PsychThG vom Gesetzgeber gewählte Übergangslösung verstößt auch nicht gegen Art.3 GG, insofern, als bei Einführung der Bedarfsplanung für die Vertragsärzte zum 01.01.1993 allen Ärzten, die die fachliche Qualifikation für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit erfüllt hatten, die Möglichkeit einer bedarfsunabhängigen Zulassung für den Fall eröffnet wurde, dass ein Zulassungsantrag bis zum 31.01.1993 gestellt wurde (Art.33 § 3 Abs.1 Gesundheitsstrukturgesetz). Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, bei der Einführung der Bedarfsplanung auch für die Psychologischen Psychotherapeuten eine ähnlich großzügige Übergangslösung zu schaffen, denn während vor 1993, also vor Einführung der Bedarfsplanung für die Vertragsärzte, ein jeder Arzt, der die entsprechenden fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt hatte, unbeschränkt zulassungsberechtigt war, wurde den Psychologischen Psychotherapeuten überhaupt erst mit dem PsychThG die Möglichkeit einer Zulassung zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung eröffnet (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 95 Nr.25 S.109/110).

Hinzukommt im Fall der Klägerin ein weiterer Grund, der der Zulassung (sei es bedarfsabhängig, sei es bedarfsunabhängig) entgegensteht. Die Klägerin steht nämlich nach eigenen Angaben seit 1982 in einem Anstellungsverhältnis beim Institut für Strahlenhygiene in N ... Diese Tätigkeit übt sie seit 1993 in Teilzeit aus, zuletzt mit 19,5 Stunden pro Woche. Auch während ihrer Ausbildung am BAP, und insbesondere im Zeitfenster, hat dieses Anstellungsverhältnis fortlaufend bestanden. Damit stand (und steht) sie zur vertragspsychologischen Versorgung der GKV-Versicherten nicht in dem für die Zulassung erforderlichen Ausmaß zur Verfügung. Im Hinblick auf die bei der vertragsärztlichen, vertragszahnärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung geltenden Zulassungsbeschränkungen besteht ein Interesse daran, dass die zugelassenen Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten grundsätzlich in vollem Umfang für die Versorgung der GKV-Versicherten zur Verfügung stehen. Das BSG hat mit Urteil vom 30. Januar 2002 entschieden, dass ein in einem Beschäftigungsverhältnis stehender Bewerber um die Zulassung als Vertragsarzt oder Vertragspsychotherapeut im Sinne von § 20 Abs.1 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) für die Versorgung der Versicherten nur dann im erforderlichen Umfang zur Verfügung steht, wenn die Arbeitszeit im Beschäftigungsverhältnis nicht mehr als 13 Stunden wöchentlich beträgt (BSG SozR 3-5520 § 20 Nr.3). Daraus folgt, dass die Klägerin auch aus diesem Grunde während des Zeitfensters (und auch danach) nicht in einem Maße für die Versorgung der GKV-Versicherten zur Verfügung gestanden ist, das, wenn es eine Zulassung damals schon gegeben hätte, eine solche ermöglicht hätte. Das bedeutet weiter, dass eine vertrauensschutzbegründende Vortätigkeit auch aus diesem Grunde nicht vorgelegen hat.

Nach allem haben die Zulassungsinstanzen und das SG die bedarfsunabhängige Zulassung der Klägerin in M. zu Recht abgelehnt. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 und 4 SGG in der bis zum 01. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenen Fassung (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr.24 S.115 ff.).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Das BSG und das BVerfG haben sich mit der Zeitfensterregelung bereits umfassend beschäftigt.
Rechtskraft
Aus
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