Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3287/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 517/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente auf der Grundlage eines Zugangsfaktors von 1,0.
Der 1957 geborenen Klägerin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2005 ab dem 01.09.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Der Rentenberechnung wurde ein um 0,099 geminderter Zugangsfaktor von 0,901 zugrunde gelegt, da sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 30.04.2017 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres, mithin 33 Kalendermonate, um 0,003 mindere. Mit Bescheid vom 22.09.2005 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.09.2003 neu, wobei weiterhin der Zugangsfaktor 0,901 berücksichtigt wurde und der Rentenzahlbetrag unverändert blieb. Mit Bescheid vom 05.02.2007 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.04.2007 wegen einer Änderung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung neu.
Am 02.03.2007 beantragte die Klägerin die Überprüfung der "Rentenbescheide der Vergangenheit" mit der Begründung, die Rente sei unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 und nicht mit dem geminderten Zugangsfaktor zu berechnen. Die Kürzung müsse als rechtswidrig angesehen werden.
Mit Bescheid vom 09.03.2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 05.07.2005, 22.09.2005 und 05.02.2007 ab. Die Rente sei in zutreffender Höhe unter Anwendung eines um 10,8 % verringerten Zugangsfaktors festgestellt worden. Zutreffend sei auch ab dem 01.07.2005 ein zusätzlicher Krankenversicherungsbeitrag einbehalten worden. Die Erhebung des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags ergebe sich aus dem Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004. Schließlich sei die nunmehr getroffene Feststellung über die volle Tragung der Beiträge zur Pflegeversicherung zu Recht erfolgt. Ab dem 01.04.2004 sei der Beitrag zur Pflegeversicherung aus der Rente vom Rentner allein zu tragen.
Mit drei gesonderten, bei der Beklagten jeweils am 16.04.2007 eingegangenen Schreiben legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 09.03.2007 Widerspruch ein. Sie wandte sich gegen die volle Tragung des Beitrags zur Pflegeversicherung und gegen die Ablehnung der Überprüfung im Hinblick auf den zusätzlichen Krankenversicherungsbetrag. Außerdem führte sie aus, im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R -) sei die Rente für die Vergangenheit unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu berechnen.
Gegen den Bescheid vom 05.02.2007 legte die Klägerin am 20.03.2007 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2007 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 05.02.2007 und 09.03.2007 zurück. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.02.2007 sei unzulässig, da der Bescheid nur eine Regelung zum Beitragsanteil des Rentners zur Krankenversicherung enthalte. Die Klägerin mache nicht geltend, durch diese Regelung in ihren Rechten verletzt zu sein, weswegen es ihr an einem Rechtsschutzbedürfnis mangle. Die Widersprüche gegen den Bescheid vom 09.03.2007 seien zulässig, aber nicht begründet; die Bescheide vom 05.02.2007, 05.07.2005 und 22.09.2005 könnten nicht zurückgenommen werden, weil weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die volle Tragung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung aus der Rente ab 01.04.2004 und der Einbehalt eines zusätzlichen Krankenversicherungsbetrags aus der Rente für Rentenbezugszeiten ab 01.07.2005 entsprechen geltendem Recht. Es bestehe keine Möglichkeit, von dieser zwingenden gesetzlichen Vorgabe abzuweichen. Hinsichtlich der Frage, ob bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht bei Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres der Zugangsfaktor im Rahmen der Rentenberechnung um einen Abschlag vermindert werden dürfe, werde der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 nicht gefolgt. Die gesetzliche Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (EM-ReformG) sei zutreffend angewandt und die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu Recht unter Anwendung eines verminderten Zugangsfaktors berechnet worden.
Die Klägerin hat am 11.07.2007 gegen den Bescheid vom 05.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 (S 11 R 3797/07) und am 16.07.2007 gegen den Bescheid vom 09.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 (S 11 R 3884/07) Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die Klagen sind mit Beschluss vom 23.01.2008 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Zur Klagebegründung hat die Klägerin vortragen lassen, der geminderte Zugangsfaktor und der zusätzliche Krankenversicherungsbeitrag seien mit Verfassungsrecht nicht vereinbar. Mit Beschluss vom 14.03.2008 hat das SG auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Verfahren ist durch die Beklagte am 23.08.2017 wieder angerufen worden, da nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) feststehe, dass die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge aufgrund des zusätzlichen Beitrags verfassungsmäßig seien.
Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 07.02.2019 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtswidrig. Die Beklagte habe zu Recht die Rücknahme der Bescheide nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgelehnt; die Rentenbescheide seien nicht rechtswidrig gewesen. Die Erwerbsminderungsrente sei nach dem Gesetz zu Recht unter Berücksichtigung des geminderten Zugangsfaktors gewährt und zu Rechts sei von der Rente der zusätzliche Beitrag zur Krankenversicherung einbehalten worden. Insoweit werde auf die völlig zutreffende Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen. Die gesetzliche Regelung stehe auch im Einklang mit Verfassungsrechts. Die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungsrenten bei Renteneintritt vor dem 60. Lebensjahr und die Tragung eines zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags der Rentner seien verfassungsgemäß.
Gegen den ihr am 09.02.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.02.2019 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG seien die alten Rentenbescheide zumindest mit Einführung der Mütterrente und der Herabsetzung der Regelaltersgrenze für die Renten ab Vollendung des 63. Lebensjahres zum 01.07.2014 verfassungswidrig geworden. Entgegen der Auffassung des SG seien die alten Rentenbescheide durch die veränderte Gesetzgebung, die eine Notlage bewiesenermaßen nicht mehr kenne, indem der Rentenversicherung entsprechende Mehrausgaben beschert werden, verfassungswidrig geworden, weshalb sie nach § 48 SGB X aufzuheben wären. Ab 01.07.2014 sei die verfassungsrechtliche Rechtsprechung vom 11.01.2011 zugunsten der Versicherten anzuwenden und nicht zu ihrem Nachteil. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sei nicht gegeben, wenn ein finanzieller Engpass und eine notwendige Konsolidierung des Rentenversicherungssystems nicht mehr notwendig seien. Wenn die Bundesregierung zum 01.07.2014 der gesetzlichen Rentenversicherung Mehrausgaben in jährlich zweistelliger Milliardenhöhe beschere, hätten als allererstes die versicherungsmathematischen Abschläge bei den Bestandsrentnern zurückgenommen werden müssen. Durch den Beschluss des BVerfG vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08 und 1 BvR 558/09) werde das Begehren gestützt. Aus dieser Entscheidung gehe hervor, dass nur die finanzielle Notlage der gesetzlichen Rentenversicherung den Eingriff in die Anwartschaften gerechtfertigt habe. Falle die Notlage weg, werde der geschmälerte Zugangsfaktor bzw. die Norm des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI automatisch verfassungswidrig und somit jeglicher Dauerrentenbescheid. Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz zum 01.07.2014 sei bewiesen, dass die Rentenversicherung eine Notlage nicht mehr aufzuweisen habe. Anders wäre es nicht erklärbar, dass man Gesetze verabschiede, die der Rentenversicherung sechs Milliarden Mehrausgaben im Jahr verursachten. Die Kürzung der Zugangsfaktoren und die versicherungsmathematischen Abschläge seien zum 01.07.2014 und eigentlich schon mit den Beratungen über das Gesetz im Herbst 2013 nicht mehr erforderlich gewesen. Die Vorgehensweise des Gesetzgebers sei eindeutig verfassungswidrig. Es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) vor. Für die Differenzierung, nämlich die einen bevorzugt ohne Abschläge in Rente gehen zu lassen und deutliche Anhebung von Leistungen für die Kindererziehung zu finanzieren mit den Eingriffen in die eigentumsgeschützten Rentenanwartschaften der anderen Versicherten, gebe es keinen sachlichen Grund.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 5. Februar 2007 und 9. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juni 2007 zu verurteilen, den Bescheid vom 5. Juli 2005 abzuändern und der Klägerin eine höhere Rente unter Zugrundelegung des Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Gründe im Gerichtsbescheid vom 07.02.2019. Die durch die Klägerin behauptete fehlerhafte Auslegung der Rechtsprechung des BVerfG durch das SG sei nicht ersichtlich.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nach dem Vorbringen und dem ausdrücklichen Antrag der Klägerin im Berufungsverfahren allein der Bescheid vom 09.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 und zwar nur in Bezug auf die dort geregelte Ablehnung der Abänderung des Bescheids vom 05.07.2005 im Hinblick auf die Höhe der zuerkannten Rente (genauer: der Ablehnung eines darüberhinausgehenden Anspruchs, s. BSG, Urteil vom 31.07.2002 - B 4 RA 113/00 R -, Juris) und auch nur im Hinblick auf den geltend gemachten höheren Zugangsfaktor. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das von der Klägerin auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteile vom 25.02.2004 - B 5 RJ 62/02 R - und vom 31.07.2002 - B 4 RA 113/00 R -, Juris). Dementsprechend hat die Klägerin den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit zulässigerweise auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. zum Zugangsfaktor BSG, Urteil vom 25.02.2004 - B 5 RJ 62/02 R -; zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume, hier der Kindererziehung BSG, Urteil vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R -, Juris), sodass sich die gerichtliche Prüfung hierauf beschränkt. Eine Beschwer bezüglich des Beitragsabzugs zur Krankenversicherung ist im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht worden.
Der angefochtene Bescheid vom 09.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 05.07.2005, mit dem die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.09.2003 mit einem Zugangsfaktor von 0,901 bewilligt wurde, und Neuberechnung der Rente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0.
Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Der bestandskräftige Rentenbescheid vom 05.07.2005 ist insofern ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, als er nicht die begehrte höhere Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 gewährt. In dieser Hinsicht verlangt die Klägerin die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts, durch den Sozialleistungen im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X zu Unrecht nicht in der begehrten Höhe erbracht worden seien.
Die Beklagte ist aber bei Erlass des Bescheids vom 05.07.2005 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Rechtsgrundlage für das auf eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Begehren sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Zugangsfaktor ist dabei ein Berechnungselement zur Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte. Gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI in der zum Rentenbeginn maßgebenden Fassung (§ 300 Abs. 1 SGB VI; BSG, Urteil vom 25.02.2004, a.a.O.), hier in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827), richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor ist nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird um 0,003 niedriger als 1,0. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist grundsätzlich die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. § 264c SGB VI in der ab dem 01.01.2002 bis 31.12.2007 gültigen Fassung vom 19.02.2002 bestimmt hiervon abweichend, dass bei einem Beginn der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 01.01.2004 bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 angegebenen Lebensalters maßgebend ist. Anlage 23 SGB VI in der Fassung vom 19.02.2002 bestimmt für den Rentenbeginn vor dem 01.01.2004 den maßgebenden Zugangsfaktor.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte bei der Berechnung der der Klägerin bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zu Recht einen um 0,099 verringerten Zugangsfaktor (33 Kalendermonate x 0,003), mithin also einen Zugangsfaktor von 0,901 bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte zu Grunde gelegt. Denn die Klägerin bezieht eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des für sie nach § 77 Abs. 2 Satz 2, § 264c SGB VI i.V.m. der Anlage 23 maßgeblichen Lebensalters von 60 Jahren und drei Monaten, da sie (geboren im Januar 1957) zum Zeitpunkt des Beginns (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) der Rente wegen voller Erwerbsminderung am 01.09.2003 erst das 46. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI hat dies zur Folge, dass der Zugangsfaktor der von ihr vor Vollendung eines Lebensalters vom 60 Jahren und drei Monaten in Anspruch genommenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit um 0,099 zu mindern und somit auf 0,901 festzulegen ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011 - B 5 R 18/11 R -, Juris). Dies hat die Beklagte der Rentenberechnung im zur Überprüfung stehenden Bescheid rechtsfehlerfrei zu Grunde gelegt.
§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 begegnet (weiterhin) keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierzu stützt sich der Senat auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08, 1 BvG 555/09, Juris), in dem es die Kürzung des Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnen, für mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen hat (vgl. zuvor zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit bereits ausführlich BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 u.a. -, Juris). Der Senat schließt sich dem uneingeschränkt an.
Soweit die Klägerin erstmalig im Berufungsverfahren ihr Begehren (auch) auf § 48 SGB X stützt mit der Begründung, es sei zwischenzeitlich, jedenfalls aber zum 01.07.2014, Verfassungswidrigkeit eingetreten, kann dahingestellt bleiben, ob diese Klageänderung/-erweiterung gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 SGG zulässig ist, da es an einer vorherigen Verwaltungsentscheidung fehlt, denn die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 09.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 entsprechend dem ausdrücklichen Antrag der Klägerin vom 02.03.2007 gemäß § 44 SGB X allein über eine anfängliche Rechtswidrigkeit des Zugangsfaktors und damit der Rentenhöhe entschieden. Unabhängig davon ist die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch mit Inkrafttreten des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.06.2014 (BGBl. I S. 787) zum 01.07.2014 auch nicht (nachträglich) verfassungswidrig geworden ist. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des 10. Senats des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 18.10.2018 (- L 10 R 2783/16 -, Juris), denen er sich ausdrücklich anschließt (zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit zum 01.07.2014 Senatsurteil vom 23.02.2016 - L 9 R 4357/14 -, nicht veröffentlicht).
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente auf der Grundlage eines Zugangsfaktors von 1,0.
Der 1957 geborenen Klägerin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2005 ab dem 01.09.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Der Rentenberechnung wurde ein um 0,099 geminderter Zugangsfaktor von 0,901 zugrunde gelegt, da sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 30.04.2017 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres, mithin 33 Kalendermonate, um 0,003 mindere. Mit Bescheid vom 22.09.2005 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.09.2003 neu, wobei weiterhin der Zugangsfaktor 0,901 berücksichtigt wurde und der Rentenzahlbetrag unverändert blieb. Mit Bescheid vom 05.02.2007 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.04.2007 wegen einer Änderung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung neu.
Am 02.03.2007 beantragte die Klägerin die Überprüfung der "Rentenbescheide der Vergangenheit" mit der Begründung, die Rente sei unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 und nicht mit dem geminderten Zugangsfaktor zu berechnen. Die Kürzung müsse als rechtswidrig angesehen werden.
Mit Bescheid vom 09.03.2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 05.07.2005, 22.09.2005 und 05.02.2007 ab. Die Rente sei in zutreffender Höhe unter Anwendung eines um 10,8 % verringerten Zugangsfaktors festgestellt worden. Zutreffend sei auch ab dem 01.07.2005 ein zusätzlicher Krankenversicherungsbeitrag einbehalten worden. Die Erhebung des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags ergebe sich aus dem Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004. Schließlich sei die nunmehr getroffene Feststellung über die volle Tragung der Beiträge zur Pflegeversicherung zu Recht erfolgt. Ab dem 01.04.2004 sei der Beitrag zur Pflegeversicherung aus der Rente vom Rentner allein zu tragen.
Mit drei gesonderten, bei der Beklagten jeweils am 16.04.2007 eingegangenen Schreiben legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 09.03.2007 Widerspruch ein. Sie wandte sich gegen die volle Tragung des Beitrags zur Pflegeversicherung und gegen die Ablehnung der Überprüfung im Hinblick auf den zusätzlichen Krankenversicherungsbetrag. Außerdem führte sie aus, im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R -) sei die Rente für die Vergangenheit unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu berechnen.
Gegen den Bescheid vom 05.02.2007 legte die Klägerin am 20.03.2007 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2007 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 05.02.2007 und 09.03.2007 zurück. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.02.2007 sei unzulässig, da der Bescheid nur eine Regelung zum Beitragsanteil des Rentners zur Krankenversicherung enthalte. Die Klägerin mache nicht geltend, durch diese Regelung in ihren Rechten verletzt zu sein, weswegen es ihr an einem Rechtsschutzbedürfnis mangle. Die Widersprüche gegen den Bescheid vom 09.03.2007 seien zulässig, aber nicht begründet; die Bescheide vom 05.02.2007, 05.07.2005 und 22.09.2005 könnten nicht zurückgenommen werden, weil weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die volle Tragung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung aus der Rente ab 01.04.2004 und der Einbehalt eines zusätzlichen Krankenversicherungsbetrags aus der Rente für Rentenbezugszeiten ab 01.07.2005 entsprechen geltendem Recht. Es bestehe keine Möglichkeit, von dieser zwingenden gesetzlichen Vorgabe abzuweichen. Hinsichtlich der Frage, ob bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht bei Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres der Zugangsfaktor im Rahmen der Rentenberechnung um einen Abschlag vermindert werden dürfe, werde der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 nicht gefolgt. Die gesetzliche Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (EM-ReformG) sei zutreffend angewandt und die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu Recht unter Anwendung eines verminderten Zugangsfaktors berechnet worden.
Die Klägerin hat am 11.07.2007 gegen den Bescheid vom 05.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 (S 11 R 3797/07) und am 16.07.2007 gegen den Bescheid vom 09.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 (S 11 R 3884/07) Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die Klagen sind mit Beschluss vom 23.01.2008 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Zur Klagebegründung hat die Klägerin vortragen lassen, der geminderte Zugangsfaktor und der zusätzliche Krankenversicherungsbeitrag seien mit Verfassungsrecht nicht vereinbar. Mit Beschluss vom 14.03.2008 hat das SG auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Verfahren ist durch die Beklagte am 23.08.2017 wieder angerufen worden, da nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) feststehe, dass die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge aufgrund des zusätzlichen Beitrags verfassungsmäßig seien.
Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 07.02.2019 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtswidrig. Die Beklagte habe zu Recht die Rücknahme der Bescheide nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgelehnt; die Rentenbescheide seien nicht rechtswidrig gewesen. Die Erwerbsminderungsrente sei nach dem Gesetz zu Recht unter Berücksichtigung des geminderten Zugangsfaktors gewährt und zu Rechts sei von der Rente der zusätzliche Beitrag zur Krankenversicherung einbehalten worden. Insoweit werde auf die völlig zutreffende Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen. Die gesetzliche Regelung stehe auch im Einklang mit Verfassungsrechts. Die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungsrenten bei Renteneintritt vor dem 60. Lebensjahr und die Tragung eines zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags der Rentner seien verfassungsgemäß.
Gegen den ihr am 09.02.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.02.2019 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG seien die alten Rentenbescheide zumindest mit Einführung der Mütterrente und der Herabsetzung der Regelaltersgrenze für die Renten ab Vollendung des 63. Lebensjahres zum 01.07.2014 verfassungswidrig geworden. Entgegen der Auffassung des SG seien die alten Rentenbescheide durch die veränderte Gesetzgebung, die eine Notlage bewiesenermaßen nicht mehr kenne, indem der Rentenversicherung entsprechende Mehrausgaben beschert werden, verfassungswidrig geworden, weshalb sie nach § 48 SGB X aufzuheben wären. Ab 01.07.2014 sei die verfassungsrechtliche Rechtsprechung vom 11.01.2011 zugunsten der Versicherten anzuwenden und nicht zu ihrem Nachteil. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sei nicht gegeben, wenn ein finanzieller Engpass und eine notwendige Konsolidierung des Rentenversicherungssystems nicht mehr notwendig seien. Wenn die Bundesregierung zum 01.07.2014 der gesetzlichen Rentenversicherung Mehrausgaben in jährlich zweistelliger Milliardenhöhe beschere, hätten als allererstes die versicherungsmathematischen Abschläge bei den Bestandsrentnern zurückgenommen werden müssen. Durch den Beschluss des BVerfG vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08 und 1 BvR 558/09) werde das Begehren gestützt. Aus dieser Entscheidung gehe hervor, dass nur die finanzielle Notlage der gesetzlichen Rentenversicherung den Eingriff in die Anwartschaften gerechtfertigt habe. Falle die Notlage weg, werde der geschmälerte Zugangsfaktor bzw. die Norm des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI automatisch verfassungswidrig und somit jeglicher Dauerrentenbescheid. Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz zum 01.07.2014 sei bewiesen, dass die Rentenversicherung eine Notlage nicht mehr aufzuweisen habe. Anders wäre es nicht erklärbar, dass man Gesetze verabschiede, die der Rentenversicherung sechs Milliarden Mehrausgaben im Jahr verursachten. Die Kürzung der Zugangsfaktoren und die versicherungsmathematischen Abschläge seien zum 01.07.2014 und eigentlich schon mit den Beratungen über das Gesetz im Herbst 2013 nicht mehr erforderlich gewesen. Die Vorgehensweise des Gesetzgebers sei eindeutig verfassungswidrig. Es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) vor. Für die Differenzierung, nämlich die einen bevorzugt ohne Abschläge in Rente gehen zu lassen und deutliche Anhebung von Leistungen für die Kindererziehung zu finanzieren mit den Eingriffen in die eigentumsgeschützten Rentenanwartschaften der anderen Versicherten, gebe es keinen sachlichen Grund.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 5. Februar 2007 und 9. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juni 2007 zu verurteilen, den Bescheid vom 5. Juli 2005 abzuändern und der Klägerin eine höhere Rente unter Zugrundelegung des Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Gründe im Gerichtsbescheid vom 07.02.2019. Die durch die Klägerin behauptete fehlerhafte Auslegung der Rechtsprechung des BVerfG durch das SG sei nicht ersichtlich.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nach dem Vorbringen und dem ausdrücklichen Antrag der Klägerin im Berufungsverfahren allein der Bescheid vom 09.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 und zwar nur in Bezug auf die dort geregelte Ablehnung der Abänderung des Bescheids vom 05.07.2005 im Hinblick auf die Höhe der zuerkannten Rente (genauer: der Ablehnung eines darüberhinausgehenden Anspruchs, s. BSG, Urteil vom 31.07.2002 - B 4 RA 113/00 R -, Juris) und auch nur im Hinblick auf den geltend gemachten höheren Zugangsfaktor. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das von der Klägerin auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteile vom 25.02.2004 - B 5 RJ 62/02 R - und vom 31.07.2002 - B 4 RA 113/00 R -, Juris). Dementsprechend hat die Klägerin den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit zulässigerweise auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. zum Zugangsfaktor BSG, Urteil vom 25.02.2004 - B 5 RJ 62/02 R -; zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume, hier der Kindererziehung BSG, Urteil vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R -, Juris), sodass sich die gerichtliche Prüfung hierauf beschränkt. Eine Beschwer bezüglich des Beitragsabzugs zur Krankenversicherung ist im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht worden.
Der angefochtene Bescheid vom 09.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 05.07.2005, mit dem die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.09.2003 mit einem Zugangsfaktor von 0,901 bewilligt wurde, und Neuberechnung der Rente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0.
Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Der bestandskräftige Rentenbescheid vom 05.07.2005 ist insofern ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, als er nicht die begehrte höhere Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 gewährt. In dieser Hinsicht verlangt die Klägerin die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts, durch den Sozialleistungen im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X zu Unrecht nicht in der begehrten Höhe erbracht worden seien.
Die Beklagte ist aber bei Erlass des Bescheids vom 05.07.2005 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Rechtsgrundlage für das auf eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Begehren sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Zugangsfaktor ist dabei ein Berechnungselement zur Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte. Gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI in der zum Rentenbeginn maßgebenden Fassung (§ 300 Abs. 1 SGB VI; BSG, Urteil vom 25.02.2004, a.a.O.), hier in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827), richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor ist nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird um 0,003 niedriger als 1,0. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist grundsätzlich die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. § 264c SGB VI in der ab dem 01.01.2002 bis 31.12.2007 gültigen Fassung vom 19.02.2002 bestimmt hiervon abweichend, dass bei einem Beginn der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 01.01.2004 bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 angegebenen Lebensalters maßgebend ist. Anlage 23 SGB VI in der Fassung vom 19.02.2002 bestimmt für den Rentenbeginn vor dem 01.01.2004 den maßgebenden Zugangsfaktor.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte bei der Berechnung der der Klägerin bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zu Recht einen um 0,099 verringerten Zugangsfaktor (33 Kalendermonate x 0,003), mithin also einen Zugangsfaktor von 0,901 bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte zu Grunde gelegt. Denn die Klägerin bezieht eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des für sie nach § 77 Abs. 2 Satz 2, § 264c SGB VI i.V.m. der Anlage 23 maßgeblichen Lebensalters von 60 Jahren und drei Monaten, da sie (geboren im Januar 1957) zum Zeitpunkt des Beginns (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) der Rente wegen voller Erwerbsminderung am 01.09.2003 erst das 46. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI hat dies zur Folge, dass der Zugangsfaktor der von ihr vor Vollendung eines Lebensalters vom 60 Jahren und drei Monaten in Anspruch genommenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit um 0,099 zu mindern und somit auf 0,901 festzulegen ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011 - B 5 R 18/11 R -, Juris). Dies hat die Beklagte der Rentenberechnung im zur Überprüfung stehenden Bescheid rechtsfehlerfrei zu Grunde gelegt.
§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 begegnet (weiterhin) keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierzu stützt sich der Senat auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08, 1 BvG 555/09, Juris), in dem es die Kürzung des Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnen, für mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen hat (vgl. zuvor zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit bereits ausführlich BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 u.a. -, Juris). Der Senat schließt sich dem uneingeschränkt an.
Soweit die Klägerin erstmalig im Berufungsverfahren ihr Begehren (auch) auf § 48 SGB X stützt mit der Begründung, es sei zwischenzeitlich, jedenfalls aber zum 01.07.2014, Verfassungswidrigkeit eingetreten, kann dahingestellt bleiben, ob diese Klageänderung/-erweiterung gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 SGG zulässig ist, da es an einer vorherigen Verwaltungsentscheidung fehlt, denn die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 09.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007 entsprechend dem ausdrücklichen Antrag der Klägerin vom 02.03.2007 gemäß § 44 SGB X allein über eine anfängliche Rechtswidrigkeit des Zugangsfaktors und damit der Rentenhöhe entschieden. Unabhängig davon ist die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch mit Inkrafttreten des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.06.2014 (BGBl. I S. 787) zum 01.07.2014 auch nicht (nachträglich) verfassungswidrig geworden ist. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des 10. Senats des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 18.10.2018 (- L 10 R 2783/16 -, Juris), denen er sich ausdrücklich anschließt (zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit zum 01.07.2014 Senatsurteil vom 23.02.2016 - L 9 R 4357/14 -, nicht veröffentlicht).
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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