L 9 KR 114/18 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 29/17 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 114/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Januar 2018 geändert. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 46.949,06 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, mit welcher der Klägerbevollmächtigte einen höheren Vergleichsmehrwert als den vom Sozialgericht festgesetzten begehrt, ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist gegen den Beschluss des Sozialgerichts über die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200,00 Euro. Wie der Klägerbevollmächtigte nachvollziehbar dargelegt hat, kann ein Gegenstandswert in Höhe von 46.949,06 Euro im Vergleich zu dem vom Sozialgericht festgesetzten Wert in Höhe von 41.949,06 Euro nach seiner Gebührenberechnung zu einer Erhöhung seiner erstrebten Gebühren um bis zu 315,72 Euro führen (5.712,00 Euro im Vergleich zu 5.369,28 Euro). Auf die Frage, ob und inwieweit bei der Berechnung seines Gebührenanspruchs zu berücksichtigen sein wird, dass er in einer Vielzahl von vergleichbaren Verfahren tätig wurde, so dass erhebliche Synergieeffekte zu prüfen sein dürften, kommt es für den Beschwerdewert nicht an. Die Beschwerde ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts (am 08. März 2018) am 19. März 2018 erhoben.

2. Die Beschwerde ist begründet. Der Bevollmächtigte hat Anspruch auf Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes unter zusätzlicher Berücksichtigung des Auffangstreitwertes. Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest. Einen solchen Antrag hat der Bevollmächtigte am 21. Juli 2017 gestellt, auch die übrigen Voraussetzungen für eine selbständige Wertfestsetzung sind erfüllt. Eine (selbständige) Wertfestsetzung für Rechtsanwaltsgebühren ist nur dann vorgesehen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren entweder nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Im Fall der Klägerin fehlt es hinsichtlich des Vergleichs, der zur Beendigung des Klageverfahrens führte, an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert. Gemäß § 32 Abs. 1 RVG ist für die Festsetzung der Gebühren des Rechtsanwalts grundsätzlich der für die Gerichtsgebühren maßgebende gerichtlich festgesetzte Wert bestimmend (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 23 RVG). Für das Klageverfahren selbst wurde nach § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 34 und § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) der Streitwert mit Beschluss des Sozialgerichts vom 21. Juli 2017 ausgehend von dem von der Klägerin mit der Klage verfolgten Zahlungsanspruch festgesetzt (in Höhe von 18.360,29 Euro). Die dagegen erhobene Beschwerde des Bevollmächtigten blieb erfolglos (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 10. November 2017, L 1 KR 386/17 B). Der Streitwert erfasste nicht den Wert des Vergleichs, der zur Beendigung des Klageverfahrens führte. Der für die Gerichtskosten maßgebliche Streitwert bestimmt sich nur bei gerichtlichen Vergleichen nach dessen Inhalt, nicht aber bei außergerichtlichen Vergleichen (§ 45 Abs. 4 GKG, NK-ArbR/Stefan Müller, 1. Aufl. 2016, GKG § 45 Rn. 31; Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, GKG § 45 Rn. 34; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Januar 2019, L 1 KR 275/18 B; a.A. Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 45 GKG Rn. 50). Die Beteiligten des Klageverfahrens haben einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, der auch nichtrechtshängige Ansprüche einbezog. Liegt zwischen gerichtlicher und anwaltlicher Tätigkeit keine vollständige Übereinstimmung vor, sperrt die Bindungswirkung der gerichtlichen Streitwertfestsetzung die weitergehende Wertfestsetzung hinsichtlich des Wertes des überschießenden Vergleichsgegenstandes nach § 33 Abs. 1 RVG jedoch nicht (Gerold/Schmidt/Mayer, 23. Aufl. 2017, RVG § 33 Rn. 5, NK-ArbR/Stefan Müller, 1. Aufl. 2016, RVG § 33 Rn. 1 und Rn. 11).

Das Sozialgericht hat insoweit den Gegenstandswert zu niedrig festgesetzt, der Bevollmächtigte hat Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Ansprüche. Maßgeblich für den Vergleichsmehrwert ist der vom Vergleich betroffene, genauer der geregelte Gegenstand, nicht das nach dem Vergleich geschuldete (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2014 – 17 Ta (Kost) 6057/14 –, Rn. 11, juris). Der Gegenstand ist durch Auslegung des Vergleichs zu ermitteln unter Heranziehung der übrigen Umstände. Da die anwaltliche Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags entsteht, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, sind nur die Werte der Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren (LArbG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 11, juris). Gemessen daran hat der Bevollmächtigte bereits in seinem Schriftsatz vom 12. Januar 2018 an das Sozialgericht und zudem in der Beschwerdebegründung vom 21. März 2018 dargelegt, dass zwischen den Beteiligten Streit auch über die Höhe der Vergütung über den 31. Dezember 2010 hinaus aus Anlass der Kündigung der Qualitätsvereinbarung durch die Beklagte (zum 31. Januar 2008) herrschte. Ziff. 3. und 4. des abgeschlossenen Vergleichs beseitigte die zwischen ihnen insoweit bestehende Ungewissheit. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. Da diese weiteren Vergütungsansprüche nicht bezifferbar sind, ist es angemessen, sie nach dem Auffangstreitwert (5.000,00 Euro) zu bemessen.

Auf die Frage, ob der höhere Gegenstandswert auch unter Berücksichtigung des Hilfsantrags der Klägerin vom 23. August 2013 gerechtfertigt ist, kommt es nicht an. Nur hilfsweise ist klarzustellen, dass er eine Erhöhung nicht rechtfertigt. Zwar führt eine Antragshäufung nach § 22 RVG grundsätzlich zu einer Werteaddition, allerdings ist der in § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG niedergelegte allgemeine Rechtsgedanke zu berücksichtigen, wonach eine Zusammenrechnung ausscheidet, wenn die Anträge gebührenrechtlich denselben Gegenstand betreffen, also von einer wirtschaftlichen Identität auszugehen ist. Das ist hier der Fall. Zwischen dem Gegenstand des Haupt- und eines Hilfsantrags bestand ein Eventualverhältnis, denn beiden hätte nicht gleichzeitig stattgegeben werden können. Die Verurteilung nach dem Hauptantrag auf Weiterzahlung des Qualitätszuschlags hätte notwendigerweise die Abweisung des Hilfsantrags nach sich gezogen, der nur für den Fall gestellt war, dass die Qualitätsvereinbarung wirksam zum 31. Januar 2008 gekündigt war. Nur für diesen Fall sollte die Beklagte mit dem Antrag verpflichtet werden, ihre Zustimmung zur Neufestsetzung durch eine Schiedsperson zu erteilen (zur Identität: LArbG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 5 Ta 126/18 –, Rn. 31, juris).

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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