Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 13 SF 21/16 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 605/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 12. Februar 2018 sowie der Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 21. September 2015 abgeändert. Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung der Beschwerdeführerin für das Verfahren S 16 P 5/14 wird auf 844,90 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts i.V.m. dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des Senats.
Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung, denn die Beiordnung der Rechtsanwältin ist nach diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR. Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.
Die Beschwerdeführerin begehrt mit ihrer Beschwerde eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG als Höchstgebühr (hierzu 1.). Weiter begehrt sie die Gewährung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG (hierzu 2.) sowie einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG (hierzu 2.) jeweils unter Festsetzung der Höchstgebühr.
1. Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Novem-ber 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N., jeweils nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Dem Beschwerdeführer steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG in Höhe der um ein Viertel erhöhten Mittelgebühr (375,00 Euro) zu. Der Senat schließt sich insoweit grundsätzlich den Feststellungen des Sozialgerichts an: Der Um-fang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind leicht überdurchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist durchschnittlich, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind (weit) unterdurchschnittlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verwiesen. Anders als das Sozialgericht angenommen hat, werden bei einer gegenseitigen Würdigung dieser Kriterien unter Berücksichtigung der Kompensationstheorie die leicht überdurchschnittliche Schwierigkeit und der leicht überdurchschnittliche Umfang nicht durch die - wenn auch weit - unterdurchschnittlichen Ein-kommens- und Vermögensverhältnisse gänzlich kompensiert. Nach entsprechender Abwägung handelt es sich insgesamt um ein leicht überdurchschnittliches Verfahren, so dass die um ein Viertel erhöhte Mittelgebühr angemessen ist.
2. Die Beschwerdeführerin kann eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG beanspruchen. Die Entstehung dieser Gebühr ist unstreitig. Die Gebühr entsteht in Höhe der Verfahrensgebühr.
3. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht festzusetzen. Die in Nr. 3106 VV RVG aufgeführten Verfahrenskonstellationen sind nicht gegeben. Danach entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn in ei-nem Verfahren für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird (Nr. 1), nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Nr. 2) oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr. 3). Die hier allein denkbare Konstellation nach Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG (schriftlicher Vergleich) liegt nicht vor.
Hierzu hat der Senat mit Beschluss vom 20. Februar 2019 (L 1 SF 294/18 B, für juris vorgesehen) entschieden:
Tenor:
"Ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG setzt den Abschluss eines Vergleichs im gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des SGG voraus, der den Rechtsstreit prozessual beendet. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Gebührenziffer. Die Verwendung des Begriffes "Vergleich" in Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 12 VV RVG macht deutlich, dass die Gebührenziffer einen seiner äußeren Form nach als Vergleich erkennbaren Prozessvergleich voraussetzt, der in aller Regel einen Vollstreckungstitel darstellt (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Damit wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass Streit darüber entsteht, welche Vereinbarung noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu werten ist (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Mai 2017 - L 8 R 682/15 BKO; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2018 - L 7AS 73/17 B, Juris). Dies entspricht auch der Doppelnatur eines Prozessvergleichs. Ein Prozessvergleich, sowohl nach § 101 SGG als auch nach § 202 SGG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO, ist sowohl Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des jeweiligen Prozessrechts richtet, als auch öffentlich rechtlicher Vertrag, für den die materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 54 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gelten (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 14/15 R, SozR 4-1200 § 44 Nr. 6; BVerwG, Urteil vom 10. März 2010 - 6 C 15/09; BGH, Urteil vom 19. April 2018 - IX ZR 222/17, Juris). Als Prozesshandlung führt der Vergleich zur Prozessbeendigung und als materiell-rechtlicher Vertrag legt er den Streit der Beteiligten endgültig bei. Entgegen der Auffassung des Bayeri-schen Landessozialgerichts in seinem Beschluss vom 29. November 2016 (L 15 SF 97/16 E, Juris) kann unter einem schriftlichen Vergleich im Sinne von Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 2. Alt VV RVG nicht nur ein nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG geschlossener Vergleich verstanden werden. Für die dort geforderte konstitutive Mitwirkung des Gerichts an der vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits bietet die Gebührenziffer Nr. 3106 VV RVG keine Handhabe. Der Wortlaut der Gebührenziffer Nr. 3106 Nr. 1 2. Alternative VV RVG verlangt nur einen schriftlichen Vergleich. Diesen Anforderungen genügt aber sowohl ein Vergleichsschluss nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG als auch ein Vorgehen nach § 202 SGG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO. In beiden Fällen ist die Schriftlichkeit gegeben. Der Streit darüber, ob § 278 Abs. 6 ZPO über § 202 SGG nach Einführung der neuen Regelung des § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG überhaupt noch anwendbar ist, kann im Kostenfestsetzungsverfahren keine Rolle spielen. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist grundsätzlich die Verfahrensgestaltung durch das Prozessgericht zugrunde zu legen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2018 - L 1 SF 1302/17 B bzw. 22. Januar 2019 - L 1 SF 1300/17 B, Juris). Ausschließlich das Prozessgericht hat zu entscheiden, ob die Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO in einem sozialgerichtlichen Verfahren weiterhin Anwendung findet. Der Kostenrichter ist daher nicht berechtigt, seine möglicherweise materiell-rechtlich abweichende Auffassung zur Anwendung dieser Vorschrift im Rahmen der kostenrechtlichen Beurteilung "nachzuholen". Diese Auffassung wird auch der verminderten Prüfpflicht des Kostenbeamten im Kostenfestsetzungsverfahren gerecht, denn ob das Verfahren durch einen Vergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG oder durch die Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs im Beschlusswege nach § 278 Abs. 6 ZPO beendet worden ist, lässt sich der jeweiligen Gerichtsakte unschwer entnehmen. Hingegen wäre es für die nach der Gegenauffassung festzustellende konstitutive Mitwirkung des Gerichts für die vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. November 2016 - L 15 SF 97/16 E, Juris) für den jeweiligen Kostenbeamten nur schwer möglich, dies zu überprüfen.
Der Auffassung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern in seinem Beschluss vom 14. März 2018 (L 13 SB 1/17 B, Juris), wonach die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 1 2. Alt VV RVG auch bei einem schriftlichen außergerichtlichen Vergleich anfällt, ist nicht zu folgen. Diese ist bereits mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar, welche verlangt, dass in einem Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen worden ist. Wie bereits dargelegt hat ein solcher Vergleich eine Doppelnatur, in dem er zum einen prozessual den Rechtsstreit beendet und zum anderen den materiell-rechtlichen Streit zwischen den Beteiligten beilegt. Für einen außergerichtlichen Vergleich kann daher eine fiktive Terminsgebühr nur unter den Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG entstehen.
Dieses Ergebnis entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. Dieser besteht nach übereinstimmender Auffassung nicht darin, einen Anreiz für ein Hinarbeiten des Rechtsanwaltes auf eine vergleichsweise Regelung zu setzen. Diesen Zweck verfolgen bereits die Nrn. 1000 ff. VV RVG mit der Gewährung einer Einigungsgebühr. Mit der fiktiven Terminsgebühr soll dem Rechtsanwalt das gebührenrechtliche Interesse an der Durchführung eines Termins in den Fällen genommen werden, in denen das Gericht von im Prozessrecht vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch macht, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu beenden (BT-Drs. 17/11471 S. 275). Die Gewährung der fiktiven Terminsgebühr soll dem Anwalt in diesen Fällen das Interesse daran nehmen, auf einer mündlichen Verhandlung zu bestehen, in welcher nur ein zu protokollierender Prozessvergleich geschlossen wird. Haben sich die Be-teiligten ohne Mitwirkung des Gerichts durch außergerichtlichen Vergleich geeinigt, bedarf es keines gebührenrechtlichen Anreizes zur Vermeidung einer mündlichen Verhandlung, weil diese bereits aus Sicht der Beteiligten überflüssig ist. In diesen Fällen werden die beteiligten Rechtsanwälte durch die Gewährung einer Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000 ff. VV RVG und die Gewährung einer fiktiven Terminsgebühr wegen einer außergerichtlichen Besprechung unter den Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG hinreichend honoriert. Die Steuerungswirkung der fiktiven Terminsgebühr ist daher nur in den Fällen erforderlich, in denen die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich wünschen, z.B. um einen vollstreckbaren Titel zu erhalten (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Mai 2017 - L 8 R 682/15 BKO, Juris). Auch bei einem Vorgehen nach § 278 Abs. 6 ZPO wird dem Rechtsanwalt der Anreiz genommen, allein wegen einer Terminsgebühr die Protokollierung eines Vergleichs in einer mündlichen Verhandlung anzustreben."
Vorliegend ist ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Nr. 3016 Nr. 1 VV RVG nicht gegeben. Es erfolgte die lediglich schriftsätzliche Annahme eines Vergleichs, was nach dem Vorgenannten für die Entstehung der Gebühr jedoch nicht ausreichend ist.
4. Damit errechnet sich die Vergütung der Beschwerdeführerin wie folgt:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 375,00 EUR hälftiger Geschäftsgebühr - 60,00 EUR Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG 375,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 710,00 EUR 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 134,90 EUR Gesamt 844,90 EUR.
Die zu gewährende Vergütung ist im Tenor ohne Berücksichtigung des Vorschusses festzustellen. Die Anrechnung des geleisteten Vorschusses hat vor der Auszahlung zu erfolgen (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2018 - L 1 SF 1302/17 B, Rn. 27 nach juris); gleiches gilt für eine bereits erfolgte Vergütungszahlung aufgrund des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses. Zahlungen der Beratungshilfe sind bei der Auszahlung anzurechnen (§ 58 RVG).
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Gründe:
Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts i.V.m. dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des Senats.
Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung, denn die Beiordnung der Rechtsanwältin ist nach diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR. Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.
Die Beschwerdeführerin begehrt mit ihrer Beschwerde eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG als Höchstgebühr (hierzu 1.). Weiter begehrt sie die Gewährung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG (hierzu 2.) sowie einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG (hierzu 2.) jeweils unter Festsetzung der Höchstgebühr.
1. Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Novem-ber 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N., jeweils nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Dem Beschwerdeführer steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG in Höhe der um ein Viertel erhöhten Mittelgebühr (375,00 Euro) zu. Der Senat schließt sich insoweit grundsätzlich den Feststellungen des Sozialgerichts an: Der Um-fang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind leicht überdurchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist durchschnittlich, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind (weit) unterdurchschnittlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verwiesen. Anders als das Sozialgericht angenommen hat, werden bei einer gegenseitigen Würdigung dieser Kriterien unter Berücksichtigung der Kompensationstheorie die leicht überdurchschnittliche Schwierigkeit und der leicht überdurchschnittliche Umfang nicht durch die - wenn auch weit - unterdurchschnittlichen Ein-kommens- und Vermögensverhältnisse gänzlich kompensiert. Nach entsprechender Abwägung handelt es sich insgesamt um ein leicht überdurchschnittliches Verfahren, so dass die um ein Viertel erhöhte Mittelgebühr angemessen ist.
2. Die Beschwerdeführerin kann eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG beanspruchen. Die Entstehung dieser Gebühr ist unstreitig. Die Gebühr entsteht in Höhe der Verfahrensgebühr.
3. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht festzusetzen. Die in Nr. 3106 VV RVG aufgeführten Verfahrenskonstellationen sind nicht gegeben. Danach entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn in ei-nem Verfahren für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird (Nr. 1), nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Nr. 2) oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr. 3). Die hier allein denkbare Konstellation nach Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG (schriftlicher Vergleich) liegt nicht vor.
Hierzu hat der Senat mit Beschluss vom 20. Februar 2019 (L 1 SF 294/18 B, für juris vorgesehen) entschieden:
Tenor:
"Ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG setzt den Abschluss eines Vergleichs im gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des SGG voraus, der den Rechtsstreit prozessual beendet. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Gebührenziffer. Die Verwendung des Begriffes "Vergleich" in Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 12 VV RVG macht deutlich, dass die Gebührenziffer einen seiner äußeren Form nach als Vergleich erkennbaren Prozessvergleich voraussetzt, der in aller Regel einen Vollstreckungstitel darstellt (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Damit wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass Streit darüber entsteht, welche Vereinbarung noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu werten ist (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Mai 2017 - L 8 R 682/15 BKO; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2018 - L 7AS 73/17 B, Juris). Dies entspricht auch der Doppelnatur eines Prozessvergleichs. Ein Prozessvergleich, sowohl nach § 101 SGG als auch nach § 202 SGG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO, ist sowohl Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des jeweiligen Prozessrechts richtet, als auch öffentlich rechtlicher Vertrag, für den die materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 54 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gelten (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 14/15 R, SozR 4-1200 § 44 Nr. 6; BVerwG, Urteil vom 10. März 2010 - 6 C 15/09; BGH, Urteil vom 19. April 2018 - IX ZR 222/17, Juris). Als Prozesshandlung führt der Vergleich zur Prozessbeendigung und als materiell-rechtlicher Vertrag legt er den Streit der Beteiligten endgültig bei. Entgegen der Auffassung des Bayeri-schen Landessozialgerichts in seinem Beschluss vom 29. November 2016 (L 15 SF 97/16 E, Juris) kann unter einem schriftlichen Vergleich im Sinne von Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 2. Alt VV RVG nicht nur ein nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG geschlossener Vergleich verstanden werden. Für die dort geforderte konstitutive Mitwirkung des Gerichts an der vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits bietet die Gebührenziffer Nr. 3106 VV RVG keine Handhabe. Der Wortlaut der Gebührenziffer Nr. 3106 Nr. 1 2. Alternative VV RVG verlangt nur einen schriftlichen Vergleich. Diesen Anforderungen genügt aber sowohl ein Vergleichsschluss nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG als auch ein Vorgehen nach § 202 SGG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO. In beiden Fällen ist die Schriftlichkeit gegeben. Der Streit darüber, ob § 278 Abs. 6 ZPO über § 202 SGG nach Einführung der neuen Regelung des § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG überhaupt noch anwendbar ist, kann im Kostenfestsetzungsverfahren keine Rolle spielen. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist grundsätzlich die Verfahrensgestaltung durch das Prozessgericht zugrunde zu legen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2018 - L 1 SF 1302/17 B bzw. 22. Januar 2019 - L 1 SF 1300/17 B, Juris). Ausschließlich das Prozessgericht hat zu entscheiden, ob die Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO in einem sozialgerichtlichen Verfahren weiterhin Anwendung findet. Der Kostenrichter ist daher nicht berechtigt, seine möglicherweise materiell-rechtlich abweichende Auffassung zur Anwendung dieser Vorschrift im Rahmen der kostenrechtlichen Beurteilung "nachzuholen". Diese Auffassung wird auch der verminderten Prüfpflicht des Kostenbeamten im Kostenfestsetzungsverfahren gerecht, denn ob das Verfahren durch einen Vergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG oder durch die Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs im Beschlusswege nach § 278 Abs. 6 ZPO beendet worden ist, lässt sich der jeweiligen Gerichtsakte unschwer entnehmen. Hingegen wäre es für die nach der Gegenauffassung festzustellende konstitutive Mitwirkung des Gerichts für die vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. November 2016 - L 15 SF 97/16 E, Juris) für den jeweiligen Kostenbeamten nur schwer möglich, dies zu überprüfen.
Der Auffassung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern in seinem Beschluss vom 14. März 2018 (L 13 SB 1/17 B, Juris), wonach die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 1 2. Alt VV RVG auch bei einem schriftlichen außergerichtlichen Vergleich anfällt, ist nicht zu folgen. Diese ist bereits mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar, welche verlangt, dass in einem Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen worden ist. Wie bereits dargelegt hat ein solcher Vergleich eine Doppelnatur, in dem er zum einen prozessual den Rechtsstreit beendet und zum anderen den materiell-rechtlichen Streit zwischen den Beteiligten beilegt. Für einen außergerichtlichen Vergleich kann daher eine fiktive Terminsgebühr nur unter den Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG entstehen.
Dieses Ergebnis entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. Dieser besteht nach übereinstimmender Auffassung nicht darin, einen Anreiz für ein Hinarbeiten des Rechtsanwaltes auf eine vergleichsweise Regelung zu setzen. Diesen Zweck verfolgen bereits die Nrn. 1000 ff. VV RVG mit der Gewährung einer Einigungsgebühr. Mit der fiktiven Terminsgebühr soll dem Rechtsanwalt das gebührenrechtliche Interesse an der Durchführung eines Termins in den Fällen genommen werden, in denen das Gericht von im Prozessrecht vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch macht, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu beenden (BT-Drs. 17/11471 S. 275). Die Gewährung der fiktiven Terminsgebühr soll dem Anwalt in diesen Fällen das Interesse daran nehmen, auf einer mündlichen Verhandlung zu bestehen, in welcher nur ein zu protokollierender Prozessvergleich geschlossen wird. Haben sich die Be-teiligten ohne Mitwirkung des Gerichts durch außergerichtlichen Vergleich geeinigt, bedarf es keines gebührenrechtlichen Anreizes zur Vermeidung einer mündlichen Verhandlung, weil diese bereits aus Sicht der Beteiligten überflüssig ist. In diesen Fällen werden die beteiligten Rechtsanwälte durch die Gewährung einer Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000 ff. VV RVG und die Gewährung einer fiktiven Terminsgebühr wegen einer außergerichtlichen Besprechung unter den Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG hinreichend honoriert. Die Steuerungswirkung der fiktiven Terminsgebühr ist daher nur in den Fällen erforderlich, in denen die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich wünschen, z.B. um einen vollstreckbaren Titel zu erhalten (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Mai 2017 - L 8 R 682/15 BKO, Juris). Auch bei einem Vorgehen nach § 278 Abs. 6 ZPO wird dem Rechtsanwalt der Anreiz genommen, allein wegen einer Terminsgebühr die Protokollierung eines Vergleichs in einer mündlichen Verhandlung anzustreben."
Vorliegend ist ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Nr. 3016 Nr. 1 VV RVG nicht gegeben. Es erfolgte die lediglich schriftsätzliche Annahme eines Vergleichs, was nach dem Vorgenannten für die Entstehung der Gebühr jedoch nicht ausreichend ist.
4. Damit errechnet sich die Vergütung der Beschwerdeführerin wie folgt:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 375,00 EUR hälftiger Geschäftsgebühr - 60,00 EUR Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG 375,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 710,00 EUR 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 134,90 EUR Gesamt 844,90 EUR.
Die zu gewährende Vergütung ist im Tenor ohne Berücksichtigung des Vorschusses festzustellen. Die Anrechnung des geleisteten Vorschusses hat vor der Auszahlung zu erfolgen (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2018 - L 1 SF 1302/17 B, Rn. 27 nach juris); gleiches gilt für eine bereits erfolgte Vergütungszahlung aufgrund des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses. Zahlungen der Beratungshilfe sind bei der Auszahlung anzurechnen (§ 58 RVG).
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
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