S 6 R 352/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 352/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 236/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 365/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nunmehr noch über die Anerkennung von Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten für Zeiträume, in denen die Klägerin in den Niederlanden wohnte und ihre Kinder dort erzog und niederländische Rentenzeiten aufgrund des dortigen Wohnsitzes erwarb.

Die Klägerin mit spanischer Staatsangehörigkeit ist seit 19.02.1983 mit C. A. verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder (D., geboren 1983; E., geboren 1985; F., geboren 1987 und G., geboren 1989) hervor. Die ersten beiden Kinder sind in D-Stadt geboren, das dritte und das vierte Kind in F-Stadt. Die Klägerin hat mit ihrer Familie zunächst in Deutschland gewohnt. Vom 1.06.1985 bis 1.07.1994 (Bl. 49 ff. VA) hatte die Familie ihren Wohnsitz in den Niederlanden mit Ausnahme der Zeit von 16.05.1989 bis 25.05.1990, wo die Familie wegen der Pflege einer Familienangehörigen in Deutschland gemeldet war (103 GA). Der Ehemann der Klägerin arbeitete während der Zeit, wo der Wohnsitz der Familie grenznah in den Niederlanden war, am Klinikum in F-Stadt. Die Kinder der Klägerin gingen in F-Stadt zur Schule.

Der Versicherungsverlauf der Klägerin weist vor der ersten Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung ab April 1983 keine Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung auf. Vor der Geburt ihrer Kinder war die Klägerin nach eigenen Angaben vom 1.09.1981 bis 31.12.1981 bei H. D-Stadt als Sprachlehrerin selbständig tätig und vom 1.01.1982 bis 31.12.1982 beim Bildungszentrum D-Stadt im Umfang einer Teilzeittätigkeit (8 Stunden/Woche), was mit 500 DM monatlich entlohnt worden sei (6 R VA). In der Zeit, in der die Klägerin in den Niederlanden wohnte, übte sie weder dort noch in Deutschland eine Beschäftigung aus. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland übte die Klägerin ab 1.04.1999 eine geringfügige versicherungspflichtige Tätigkeit aus. Jedenfalls von Mai 2004 bis Dezember 2006 sind in ihrem Versicherungskonto Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung gespeichert.

Im Rahmen eines Antrags auf Kontenklärung vom 15.09.2006 beantragte die Klägerin auch Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für ihre vier Kinder. Sie habe die Kinder gemeinsam mit ihrem Ehemann erzogen, der eine entsprechende, dies bestätigende Erklärung abgab.

Mit Bescheid der Beklagten vom 4.09.2007 (4 GA, 94 VA) nach § 149 Abs. 5 SGB VI wurden die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als 6 Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31.12.2000, verbindlich festgestellt. Für das Kind D., geboren 1983, wurde die Zeit vom 1.04.1983 bis 31.03.1984 als Kindererziehungszeit vorgemerkt und die Zeit vom 6.03.1983 bis 30.06.1985 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt. Nicht anerkannt werden könne die Zeit vom 1.07.1985 bis 5.03.1993 als Berücksichtigungszeit, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Für das Kind E., geboren 1985, wurde die Zeit vom 1.03.1985 bis 30.06.1985 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 16.02.1985 bis 30.06.1985 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt. Die Zeit vom 1.07.1985 bis 15.02.1995 könne weder als Kindererziehungs- noch als Kinderberücksichtigungszeit anerkannt werden, da das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Für das Kind F., geboren 1987, wurde die Zeit vom 1.07.1994 bis 14.09.1997 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt. Die Zeit vom 15.09.1987 bis 30.06.1994 wurde nicht als Kindererziehungs- oder Kinderberücksichtigungszeit anerkannt, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Für das Kind G., geboren 1989 wurde die Zeit vom 1.07.1994 bis 7.11.1999 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt. Die Zeit vom 8.11.1989 bis 30.06.1994 wurde nicht als Kindererziehungs- oder Kinderberücksichtigungszeit anerkannt, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Während der abgelehnten Zeiten habe die Familie ihren Wohnsitz in den Niederlanden gehabt, der Kindesvater habe jedoch als Grenzgänger im Klinikum F-Stadt gearbeitet und sei beitragspflichtig gewesen. Es bestehe eine Gleichstellung im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VI.

Mit Schreiben vom 2.01.2008 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, nach der Rechtsprechung des EuGH vom 23.11.2000 im Urteil Elsen (C-135/99) müssten Kindererziehungszeiten im einem Staat auch bei einem Wohnort in einem anderen Staat während der Kindererziehung anerkannt werden, wenn die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes als Grenzgängerin in dem ersten Staat beschäftigt war. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei Erziehung in einem anderen Mitgliedstaat komme damit in Betracht, wenn der Erziehende unmittelbar vor Geburt eines Kindes aufgrund einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nach deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtig gewesen sei oder wenn der Erziehende bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat eine versicherungspflichtige Beschäftigung beziehungsweise versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit in Deutschland ausübe. Da die Klägerin weder unmittelbar vor der Geburt eines Kindes aufgrund einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nach deutschen Rechtsvorschriften rentenversicherungspflichtig war noch bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat eine versicherungspflichtige Beschäftigung bzw. versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit in Deutschland ausgeübt habe, könne eine Anerkennung der Erziehungszeiten auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Elsen nicht erfolgen. Es werde daher um eingehende Begründung gebeten, mit welcher Begründung der Widerspruch aufrechterhalten werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9.06.2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da mangels Begründung des Widerspruchs nach dem aufklärenden Schreiben vom 2.01.2008 neue Tatsachen nicht vorgetragen worden seien und eine Überprüfung daher nur nach Aktenlage möglich sei. Hiernach sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Am 9.07.2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Die Klägerin wies erneut unter Vorlage von Nachweisen darauf hin, die ganze Familie habe vom 16.05.1989 bis 25.05.1990 in Deutschland gewohnt. Die Kindererziehungszeiten seien uneingeschränkt anzuerkennen. § 56 SGB VI sei im Lichte des Rechts auf Unionsbürgerfreizügigkeit europarechtskonform auszulegen.

Aufgrund des erstmals belegten Wohnsitzes in Deutschland vom 16.05.1989 bis 25.05.1990 erkannte die Beklagte in der Folge durch Schreiben vom 2.03.2009 Berücksichtigungszeiten für die ersten drei Kinder vom 1.05.1989 bis 31.05.1990 an. Für das zuletzt geborene Kind wurde die Zeit vom 1.12.1989 bis 31.05.1990 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 8.11.1989 bis 31.05.1990 als Berücksichtigungszeit anerkannt bzw. vorgemerkt (52 GA). Die Klägerin nahm dieses Teilanerkenntnis an (56 GA).

Die Klägerin teilte mit, es werde geprüft, ob die streitgegenständlichen Zeiten beim Ehemann der Klägerin anerkannt werden könnten, der durchweg in Deutschland gearbeitet habe. Der Ehemann der Klägerin stellte einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten.

Das Gericht hat den Ehemann der Klägerin durch Beschluss vom 23.02.2012 nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG beigeladen. Die Klage des Beigeladenen gegen den zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheid vom 30.05.2012, mit dem die Anerkennung der hier streitigen Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten auch gegenüber dem Beigeladenen abgelehnt wurde, ist beim SG Darmstadt unter dem Aktenzeichen S 6 R 346/12 anhängig und im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruhend gestellt worden.

Das Gericht ermittelte in der Folge, ob die Klägerin vor der Geburt der Kinder abhängig, selbständig oder versicherungsfrei beschäftigt war. Nach einem Schreiben des Bildungswerks der Erzdiözese D-Stadt vom 22.03.2012 war die Klägerin dort von März 1982 bis Januar 1985 (bzw. 21.12.1984) als freie Mitarbeiterin im Fachbereich Spanisch tätig.

Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.4.2011, B 5 R 22/10 R ermittelte die Beklagte beim niederländischen Sozialversicherungsträger, dass dort Versicherungszeiten für die Klägerin vom 22.08.1985 bis 30.06.1994 vorgemerkt sind. In Bezugnahme auf die zitierte Entscheidung des BSG erkannte die Beklagte mit Schreiben vom 8.01.2013 wegen der bis zum Januar 1985 ausgeübten nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit der Klägerin nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 für das Kind D., geboren 1983, noch die Zeiten vom 1.07.1985 bis 30.04.1989 und 1.06.1990 bis 5.03.1993 als Zeiten nach § 57 SGB VI an sowie für das Kind E. die Zeiten vom 1.07.1985 bis 28.02.1986 als Zeiten nach § 56 SGB VI und die Zeiten vom 1.07.1985 bis 30.04.1989 und 1.06.1990 bis 15.02.1995 als Berücksichtigungszeiten nach 57 SGB VI an. Hinsichtlich dieser beiden Kinder sei die Klägerin nunmehr klaglos gestellt. Für die anderen Kinder komme keine Anerkennung zusätzlicher Zeiten in Betracht, weil durch den seit Juni 1985 bestehenden Auslandsaufenthalt und das Ende der selbständigen Tätigkeit in Deutschland im Jahr 1985 zum Zeitpunkt der Geburt der letzten beiden Kinder kein Bezug mehr zur deutschen Erwerbswelt gegeben gewesen sei, sondern durch die im niederländischen System der Sozialversicherung anerkannten rentenrechtlichen Zeiten vom 22.08.1985 bis 30.06.1994 eine "Vorversicherung" gegeben sei, die eine Anerkennung im Sinne von Art. 44 Abs. 2 VO(EG) 987/2009 ausschließe.

Die Klägerin nahm hinsichtlich der ersten beiden Kinder das Teilanerkenntnis der Beklagten an (113 GA).

Nach einem weiteren von der Klägerin vorgelegten Schreiben der J-bank vom 3.06.2013 werden im niederländischen Recht keine Erziehungszeiten berücksichtigt. Die Klägerin sei im Zeitraum vom 22.08.1985 bis 30.06.1994 als Einwohnerin der Niederlande pflichtversichert gewesen. Wenn sie das AOW-Eintrittsalter erreiche, werde die Klägerin aufgrund dieser Versicherung eine AOW-Leistung aus den Niederlanden beziehen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 4.09.07 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.06.08, abgeändert durch Teilanerkenntnisse der Beklagten vom 2.03.2009 und 8.01.2013 abzuändern und für das Kind F. A., geb. 1987, zusätzlich die Zeit vom 1.10.1987 bis 30.09.1988 als Kindererziehungszeit sowie vom 15.09.1987 bis 30.04.1989 sowie vom 1.06.1990 bis 30.06.1994 als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anzuerkennen sowie für das Kind G., geb. 1989, zusätzlich die Zeit vom 1.06.1990 bis 30.11.1990 als Kindererziehungszeit sowie vom 1.06.1990 bis 30.06.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Fall Reichel-Albert wäre vom EuGH anders entschieden worden, wenn die Klägerin während der Zeit der Kindererziehung im Ausland dort rentenrechtliche Zeiten erworben hätte, wodurch ihr keine Lücken in der Erwerbsbiografie entstanden wären.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 SGG.

Die zulässige Klage war abzuweisen. Es waren über die von der Beklagten zwischenzeitlich anerkannten Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten hinaus keine weiteren Erziehungszeiten vorzumerken.

1. Nach Auffassung des Gerichts ist auf den vorliegenden Fall für die streitgegenständlichen Zeiten, wo die Klägerin mit ihrer Familie in den Niederlanden wohnte und ihre Kinder dort erzog, deutsches Recht anwendbar. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich aus den Kollisionsregeln der VO 1408/71 (vgl. EuGH, Urteil v. 19.07.2012, Rs. C-522/10, "Reichel-Albert", Rz. 27 f.; 31 ff.).

Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige (in der Fassung der Änderung durch die VO (EG) Nr. 1386/2001) lautet: "Vorbehaltlich der Art. 14 c und 14 f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel". Art. 13 Abs. 2 bestimmt: "Soweit nicht die Art. 14-17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:

a) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats hat;

b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.

( ...)

f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Art. 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.

Sowohl nach Art. 13 Abs. 2 a) als auch nach Art. 13 Abs. 2 b) VO (EWG) Nr. 1408/71 unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig oder selbständig beschäftigt ist, dem Recht der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt (vgl. EuGH, Urteil v. 23.11.2000, C 135/99, "Elsen", Rz. 25). Die Klägerin hat ausschließlich in Deutschland Versicherungszeiten wegen Beschäftigung erworben. Dass sie Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung in Deutschland zeitlich erst deutlich nach der Rückkehr aus den Niederlanden erwarb und in Deutschland vor dem Wegzug in die Niederlande nicht versicherungspflichtig und zeitlich nur in geringem Umfang beschäftigt war (vgl. EuGH, Urteil v. 12.06.1986, C-302/84, "Ten Holder", Rz. 15), ändert an der hinreichenden Verbindung der Klägerin zum deutschen Recht durch ihre Erwerbstätigkeit allein in Deutschland (vgl. EuGH, Urteil v. 19.07.2012, Rs. C-522/10, "Reichel-Albert", Rz 35 f.; EuGH, Urteil v. 7.02.2002, C-28/00, "Kauer", Rz. 32; EuGH, Urteil v. 23.11.2000, C 135/99, "Elsen", Rz. 26; vgl. Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 13 Rz. 12) nichts. Die Kollisionsnormen der Art. 13 Abs. 2 a) als auch nach Art. 13 Abs. 2 b) VO 1408/71 werden vom EuGH weit ausgelegt (vgl. EuGH, Urteil v. 23.11.2000, C-135/99, "Elsen", Rz. 26), denn diese Kollisionsnormen sollen unter anderem verhindern, dass Personen, die in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, der Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, da keine nationalen Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind (vgl. EuGH, Urteil v. 12.06.1986, C-302/84, "Ten Holder", Rz. 12).

Art. 13 Abs. 2 f) VO 1408/71, der mit Wirkung ab 29.07.1991 eingefügt wurde, ist auf den Fall der Klägerin nicht anwendbar, da die Kinder der Klägerin vor diesem Zeitpunkt geboren wurden (bisher soweit ersichtlich vom EuGH offengelassen; vgl. EuGH, Urteil v. 19.07.2012, Rs. C-522/10, "Reichel-Albert", Rz. 34). Im Übrigen ist diese Norm tatbestandlich nicht anwendbar, da sie subsidiär ist (vgl. Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 13 Rz. 32) und nach Auffassung des Gerichts die Anwendbarkeit deutschen Rechts bereits aus Art. 13 Abs. 2 a, b) VO 1408/71 folgt.

2. Die Klägerin hat mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 56, 57 SGB VI und § 249 SGB VI keinen Anspruch auf Vormerkung der noch streitigen Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten für die Kinder F. und G. nach § 149 Abs. 5 SGB VI.

Der Träger der Rentenversicherung führt für jeden Versicherten ein Versicherungskonto, das nach der Versicherungsnummer geordnet ist. In dem Versicherungskonto sind die Daten, die für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind, zu speichern (§ 149 Abs. 1 SGB VI in der Fassung vom 30.6.1995). Hat der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt oder hat der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen, stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (§ 149 Abs. 5 SGB VI in der Fassung vom 30.6.1995).

Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VI in der Fassung vom 15.12.2004 angerechnet, wenn
1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
Eine Erziehung ist nach § 56 Abs. 3 SGB VI im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

Nach § 249 SGB VI endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1.01.1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Nach § 57 S. 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendeten zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, sofern die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen.

a) Die nunmehr noch streitigen Zeiten der Kindererziehung in den Niederlanden sind bei am Wortlaut orientierter Auslegung der §§ 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 57 SGB VI nicht als Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten anzuerkennen, da die Erziehung der Kinder nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist und einer solchen auch nicht gleichsteht.

Nach § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 S. 1 SGB VI ist eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Nach § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin im Sinne von § 56 Abs. 3 S. 1 SGB VI war in der streitgegenständlichen Zeit in den Niederlanden, denn die Klägerin war in den Niederlanden wohnhaft und hat sich dort mit dem Ziel eines auf Dauer angelegten Aufenthalts befunden (Schlegel in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 30 SGB I, Rz. 31 ff.).

Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin mit ihren Kindern in den Niederlanden steht einer Inlandserziehung auch nicht nach § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI gleich. Nach dieser Norm steht eine im Ausland erfolgte Erziehung einer solchen im Gebiet der BRD gleich, wenn die Mutter oder der Vater wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach deutschen Rechtsvorschriften haben. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die Verhältnisse des Versicherten eine hinreichend enge Beziehung zum deutschen Arbeits- und Sozialleben gehabt haben ("Inlandsanknüpfung").

Die Klägerin hat während der Zeit der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt ihrer in F-Stadt geborenen Kinder keine Pflichtbeitragszeiten wegen einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit.

Auch der Ehemann der Klägerin hat während der Zeit, wo die Familie in den Niederlanden wohnte, nicht in den Niederlanden gearbeitet, so dass eine Gleichstellung einer im Ausland erfolgten Erziehung mit einer im Inland erfolgten nach § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI ausscheidet. Eine über den wörtlichen Anwendungsbereich hinausgehende erweiternde Auslegung von § 56 Abs. 3 SGB VI mit dem Ziel der Gleichstellung einer Auslandserziehung mit einer Inlandserziehung in den Fällen, in denen der nicht erziehende Ehegatte in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt ist, während der Erziehende und das Kind im Ausland leben, kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht in Betracht. Denn die Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Ausland in diesen Fällen ist keine planwidrige Regelungslücke (BSG, Urteil vom 25. Januar 1994, 4 RA 3/93). Grundsätzlich kommt es bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten auf die in der Person des Erziehenden verwirklichten Tatbestände an. Nur ausnahmsweise kann nach § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI eine Auslandstätigkeit von Ehegatten von Erziehenden, die ihren Ehegatten ins Ausland begleiten, zu Kindererziehungszeiten führen, nämlich dann, wenn in der Person des Ehegatten des Erziehenden auch während des Auslandaufenthalts ein hinreichender Inlandsbezug zur deutschen Rentenversicherung bestehen bleibt. Der Gesetzgeber honoriert ausschließlich die Erziehungsleistung in der Bundesrepublik Deutschland, weil sonst das hier bestehende Alterssicherungssystem zu einer Benachteiligung der Personen führt, die sich innerhalb der Familie der Kindererziehung widmen (vgl. BVerfGE 87, 1 ff.). Infolgedessen knüpft der Gesetzgeber für den Erwerb von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung an die Person des Erziehenden und an den Erziehungsort Bundesrepublik Deutschland an, weil grundsätzlich nur hier für die Zeit der Kindererziehung der Nachteil in der Altersversorgung eintreten könnte. Lediglich dann wird der inländische Erziehungsort einem ausländischen - ausnahmsweise - gleichgestellt, wenn der Erziehende vor der Geburt oder während der Kindererziehung in enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben steht (§ 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Denn auch in diesen Fällen greift die - typisierende und pauschalierende - Grundwertung des Gesetzes ein, nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im wesentlichen wegen der Kindererziehung seien dem Erziehenden deutsche Rentenanwartschaften entgangen (so BSGE 71, 227 ff.). Das Prinzip eines engen Bezugs des Erziehenden zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben bei der Gleichstellung des inländischen mit dem ausländischen Erziehungsort wird in § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI lediglich aus verfassungsrechtlichen Gründen - ausnahmsweise - durchbrochen und der Inlandsbezug des Erziehenden mittelbar über den Ehegatten hergestellt. Denn im Hinblick auf die Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) soll es dem Erziehenden und nicht erwerbstätigen Elternteil nicht zum Nachteil gereichen, wenn er das Inland verlässt, um mit dem vorübergehend im Ausland erwerbstätigen Ehegatten, der - weiterhin - in einem inländischen Arbeitsverhältnis eingebunden ist, und mit dem Kind zusammenzuleben (vgl. BSGE 71, aaO). Beiden Gleichstellungssachverhalten liegt der Gedanke zugrunde, daß - wie ausgeführt - alle, die im Inland erwerbstätig sein dürfen, auch freien Zugang zu einer regelmäßig versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit haben, und allein wegen der Kindererziehung hieran gehindert sind. Wer im Ausland Kinder erzieht und nicht erwerbstätig ist, hat jedoch keinen derartigen Bezug zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben. Bei ihm kann - typisierend und pauschalierend - nicht davon ausgegangen werden, dass ihm wegen der Kindererziehung Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung entgangen sind. Das Regelungskonzept des § 56 SGB VI ist abschließend und gebietet in diesen Fällen nicht eine mittelbare Anknüpfung an den Status des Ehemannes. Denn die insoweit in § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI zugelassene Ausnahme ist allein unter dem Gesichtspunkt des Art 6 Abs. 1 GG begründet und verlangt, dass der erziehende Elternteil dem - weiterhin in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben integrierten - Ehegatten zur Aufrechterhaltung von Ehe und Familie ins Ausland folgt. Entfällt dieser Zweck - wie hier -, ist für eine Gleichstellung des ausländischen mit dem inländischen Erziehungsort und damit für eine erweiternde Auslegung kein Raum (BSG, Urteil vom 25. Januar 1994, 4 RA 3/93).

b) Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin in den Niederlanden steht auch nicht unter Beachtung europarechtlicher Vorschriften einem solchen im Inland gleich.

Maßstab für die Prüfung der Vereinbarkeit mit Sekundärrecht ist nicht Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009, denn diese Verordnung ist nur anwendbar für Fälle, wo die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen nach dem 1.05.2010 ergangen sind (vgl. EuGH, Urteil v. 19.07.2012, Rs. C-522/10, "Reichel-Albert", Rz. 27). Im vorliegenden Fall erging der Widerspruchsbescheid jedoch am 9.06.2008.

Die Vorgängervorschrift VO 1408/71 enthält keine Bestimmung über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten (vgl. EuGH, Urteil v. 19.07.2012, Rs. C-522/10, "Reichel-Albert", Rz. 27).

Auch europäisches Primärrecht gebietet für die jetzt noch streitigen Zeiten, für die die Klägerin in den Niederlanden einen Rentenanspruch erworben hat, nicht die Gleichstellung des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin in den Niederlanden mit einem inländischen Aufenthalt.

Die Nichtanerkennung der noch streitigen Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten verstößt insbesondere nicht gegen die Unionsbürgerfreizügigkeit (Art 21 AEUV) (anders wohl Klauk/Klein, jurisPR-ArbR 45/2012 Anm. 6). Nach Art. 21 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich primär- und sekundärrechtlicher Beschränkungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Art. 21 AEUV gewährleistet damit den Unionsbürgern ein allgemeines Recht auf Freizügigkeit in der Europäischen Union unabhängig von einer wirtschaftlichen Betätigung (vgl. Magiera-Streinz, 2. Aufl., EUV/AEUV, Art. 21 Rz. 9).

Die Klägerin wird vorliegend nicht wegen ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert (vgl. Magiera-Streinz, 2. Aufl., EUV/AEUV, Art. 21 Rz. 15 zur Ausprägung der Unionsbürgerfreizügigkeit als Diskriminierungsverbot), denn sie wird hinsichtlich der Anerkennung von Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten in Sinne der Inländergleichbehandlung Deutschen gleichgestellt behandelt, die Kinder in der Niederlanden erziehen, ohne wegen einer Erwerbstätigkeit Pflichtbeiträge in Deutschland zu erwerben. Die Klägerin wird auch in den Niederlanden nicht wegen ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert, denn sie erwirbt dort wegen ihrer Wohnzeiten Rentenansprüche wie Inländer.

Die Nichtanerkennung der Wohnsitzzeiten der Klägerin in den Niederlanden als Zeiten nach §§ 56,57 SGB VI im jetzt noch streitigen Umfang stellt jedoch eine Beschränkung der Unionsbürgerfreizügigkeit dar. Eine Beschränkung der Unionsbürgerfreizügigkeit liegt nach der Rechtsprechung des EuGH bereits vor, wenn nationale Bestimmungen die Inanspruchnahme der Freizügigkeit unwahrscheinlicher machen (vgl. Oppermann, Europarecht, 4. Aufl., S. 302 Rz. 17; vgl. Magiera-Streinz, 2. Aufl., EUV/AEUV, Art. 21 Rz. 15 zur Ausprägung der Unionsbürgerfreizügigkeit als Beschränkungsverbot). Die Klägerin erleidet infolge der Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts den Nachteil, dass sie die niederländischen Zeiten der Kindererziehung nach deutschem Recht nicht als Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten anerkannt erhält. Derartige Nachteile sind geeignet, die Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts unwahrscheinlicher zu machen.

In den Urteilen Elsen und Reichel-Albert (a.a.O) hat der EuGH bereits deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht §§ 56, 57 SGB VI wegen der Nichtanerkennung ausländischer Wohnsitzzeiten als Kindererziehungszeiten gegen europäische Grundfreiheiten verstoßen. Denn eine nationale Regelung, die bestimmte Inländer allein deshalb benachteiligt, weil sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, sich in einem anderen Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, führe zu einer Ungleichbehandlung, die den Grundsätzen widerspricht, auf denen der Status eines Unionsbürgers beruht, nämlich der Garantie der gleichen rechtlichen Behandlung bei der Ausübung seiner Freizügigkeit (vgl. EuGH, Urteil v. 19.07.2012, C- 522/19, "Reichel-Albert", Rz. 42; EuGH, Urteil v. 23.11.2000, C-135/99, "Elsen", Rz. 33 ff.).

Zwar haben die §§ 56, 57 SGB VI vorliegend wie im vom EuGH entschiedenen Fall Reichel-Albert zur Folge, dass eine Person, die Kinder erzieht und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt ihrer Kinder keine Pflichtbeitragszeiten wegen einer ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erworben hat, bei der Festsetzung der Höhe ihrer deutschen Altersrente allein deshalb, weil sie ihren Wohnsitz vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat, keinen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten besitzt. Im Unterschied zum Fall Reichel-Albert hat die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch während der noch streitigen Kindererziehungs- und berücksichtigungszeiten in den Niederlanden Rentenansprüche aufgrund ihres dortigen Wohnsitzes erworben (vgl. hierzu mit alternativem Lösungsansatz Bokeloh, Anmerkung zum Urteil Reichel-Albert, ZESAR 2012, 483 f (490)), während die Klägerin im Fall Reichel-Albert für die im Ausland zurückgelegten Erziehungszeiten keine Rentenansprüche erwarb.

Aus Sicht des Gerichts trifft die Klägerin aufgrund der Verlegung ihres Wohnsitzes in die Niederlande damit vorwiegend ein systemimmanenter Nachteil, der seine Wurzel darin hat, dass die Systeme der sozialen Sicherheit bisher lediglich koordiniert und nicht harmonisiert sind. Im Bereich der sozialen Sicherheit können die Versicherten bisher nicht verlangen, dass ihr Umzug in einen anderen Mitgliedstaat keine Auswirkungen auf die Art oder das Niveau der Leistungen haben, die sie in ihrem Herkunftsstaat beanspruchen konnten. Die Tatsache, dass die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die soziale Sicherheit möglicherweise nicht neutral ist, d.h. je nach Einzelfall Vorteile oder gar Nachteile haben kann, ist die unmittelbare Folge dessen, dass der zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehende Unterschied beibehalten wurde (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 1.03.2012, Rechtssache C-522/10, "Reichel-Albert", Rz. 45). Zwar hat die Klägerin wie im Fall Reichel-Albert die noch streitgegenständlichen Zeiten der Kindererziehung als solche weder in Deutschland noch in den Niederlanden anerkannt bekommen. Die Lücke in ihrer Erwerbsbiographie, die aufgrund der Erziehung ihrer Kinder entstanden ist, wird jedoch dem Grunde nach vorliegend durch einen auf andere rentenrechtliche Anknüpfungspunkte fußenden Rentenanspruch in den Niederlanden geschlossen, so dass das Gericht anders als im Fall Reichel-Albert keinen Anlass zu einer rechtsfortbildenden Entscheidung sah.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Zulässigkeit der Berufung auf §§ 143, 144 SGG.
Rechtskraft
Aus
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