L 10 AL 81/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 649/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 81/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung bzw Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) bzw Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie die Erstattung überzahlter Leistungen und überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Der 1938 geborene Kläger war von 16.10.1989 bis 31.03.1995 36 Stunden wöchentlich (tarifliche Arbeitszeit) bei der Firma D. AG beschäftigt. Daneben übte er vom 01.01.1992 bis 30.06.1996 eine geringfügige Beschäftigung als Filmvorführer bei der Firma Filmbetriebe A. (zumindest 12 Stunden pro Woche) und zusätzlich seit 01.01.1996 bei der Firma C. (mehr als 6 Stunden wöchentlich aus).

In seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 03.04.1995 gab er an, keinen Nebentätigkeiten nachzugehen. Die Beklagte bewilligte Alg ab 01.04.1995 für 832 Tage (Bescheid vom 24.04.1995).

Am 02.05.1997 erfuhr die Beklagte von der geringfügigen Beschäftigung des Klägers bei den Firmen C. und A. und forderte Bescheinigungen über den Nebenverdienst an.

Im Antrag auf Alhi vom 14.10.1997 gab der Kläger erneut an, keine Nebentätigkeit auszuüben. Mit Bescheid vom 01.12.1997 bewilligte die Beklagte nach Erschöpfung des Anspruchs auf Alg Alhi ab 27.11.1997. Zum 15.12.1997 meldete sich der Kläger wegen Arbeitsaufnahme aus dem Leistungsbezug ab.

Nach Anhörung zur Anrechnung von Nebeneinkommen des Klägers hob die Beklagte mit Bescheiden vom 25.03.1998 1. die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.04.1995 bis 31.12.1995 insoweit auf, als der vom Kläger bei der Firma A. erzielte Nebenverdienst anzurechnen ist (2.583,83 DM) - die Anspruchsdauer auf Alg verlängere sich damit um 17 Tage -, 2. die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.01.1996 bis 30.06.1996 und vom 01.07.1996 bis 15.07.1996 vollständig wegen Nichtbestehens von Arbeitslosigkeit bzw wegen fehlender erneuter persönlicher Arbeitslosmeldung (12.089,90 DM) auf, 3. die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.07.1996 bis 30.11.1997 insoweit auf, als der vom Kläger bei der Firma C. erzielte Nebenverdienst anzurechnen ist (3.598,21 DM) - die Anspruchsdauer auf Alg verlängere sich damit um 44 Tage -, 4. forderte die für die Zeit vom 01.07.1996 bis 15.07.1996 geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zurück (217,16 DM) und 5. bewilligte von 27.11.1997 bis 13.12.1997 anstelle von Alhi Alg unter Anrechnung der erzielten Nebenverdienste gemäß §§ 115, 110 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - (zu erstattender Betrag: 49,25 DM). Die überzahlten Leistungen seien zu erstatten.

Mit weiterem Bescheid vom 18.06.1998 forderte die Beklagte die überzahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.01.1996 bis 30.06.1996 in Höhe von 2.460,52 DM zurück.

Die hiergegen eingelegten Widersprüche begründete der Kläger damit, er bzw die jeweiligen Arbeitgeber hätten die Nebeneinkünfte mitgeteilt. Eine Meldung der genauen Höhe des erzielten Netto-Einkommens durch den Steuerberater der Firma A. sei aber wohl nicht erfolgt, es werde daher um Ratenzahlung gebeten.

Mit den Widerspruchsbescheiden vom 17.07.2000 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Die Anrechnung von Nebeneinkünften sei zu Recht erfolgt. Dabei beziehe sich die Rücknahme für die Zeit vom 01.07.1996 bis 30.11.1997 zutreffenderweise lediglich auf die Zeit vom 16.07.1996 bis 26.11.1997. Der Kläger habe seine Mitteilungspflicht bzgl des Nebeneinkommens grobfahrlässig verletzt. Die vollständige Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.01.1996 bis 15.07.1996 sei ebenfalls zu Recht erfolgt. Der Kläger habe grobfahrlässig die beiden in dieser Zeit ausgeübten Nebenbeschäftigungen nicht angegeben. In dieser Zeit sei er wegen Überschreitens der Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden wöchentlich nicht arbeitslos gewesen bzw nach erneutem Eintritt der Arbeitslosigkeit habe er sich erst am 16.07.1996 erneut persönlich arbeitslos gemeldet.

Die zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen und vom SG verbundenen Klagen hat der Kläger damit begründet, eine Rückforderung verletze das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht (Art 14 Grundgesetz - GG). Der Rechtsstreit möge dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden. Die Gewährung von Alg beruhe auf einer Eigenleistung des Klägers. Das Alg diene der Existenzsicherung und als Lohnersatz. Das bereits im Bemessungszeitraum erzielte Nebeneinkommen sei ebenso ausschlaggebend für das Lebenshaltungsniveau wie das dem Alg zugrundeliegende beitragspflichtige Arbeitsentgelt. Eine Anrechnung erfolge im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt nach dem Gesetz dann nicht, wenn die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit insgesamt nicht überschritten werde. Gründe für diese unterschiedliche Behandlung gebe es nicht. Nebenerwerbstätigkeiten sollten aber arbeitsmarktpolitisch gefördert werden. Dem widerspreche eine Anrechnung auf das Alg. Der Kläger habe zudem nicht gewusst, dass er auch eine geringfügige Beschäftigung anzugeben habe.

Das SG hat mit Urteil vom 16.01.2002 die Klage abgewiesen. Die Nebeneinkünfte des Klägers seien im Rahmen des § 115 AFG anzurechnen. In der Zeit vom 01.01.1996 bis 15.07.1996 sei er nicht arbeitslos iS des Gesetzes gewesen bzw habe sich erst am 16.07.1996 erneut persönlich arbeitslos gemeldet. Die Bewilligungsbescheide habe die Beklagte zu Recht wegen der Erzielung von Nebeneinkünften zurückgenommen bzw wegen Überschreitens der Kurzzeitigkeitsgrenze aufgehoben. Ein Verstoß gegen Art 14 GG liege nicht vor, vielmehr sei lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsrechts durch die gesetzliche Regelung erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und diese im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen gestützt. Die §§ 102 und 115 AFG seien im Hinblick auf Art 3 und 14 GG verfassungswidrig und es sei nicht hinnehmbar, dass der Entzug des Alg z.T.damit begründet werde, der Kläger habe keinen neuen Antrag auf Alg gestellt. Auch sei der Kläger der Meinung gewesen, eine bereits seit längerem in der Freizeit ausgeübte Nebentätigkeit nicht angeben zu müssen. Er habe also weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 16.01.2002 sowie die Bescheide vom 25.03.1998 und den Bescheid vom 18.06.1998 idG der Widerspruchsbescheide vom 17.07.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Bescheide vom 25.03.1998 und 18.06.1998 idG der Widerspruchsbescheide vom 17.07.2000 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen Art 3 und 14 GG nicht vor. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG scheidet somit aus.

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.04.1995 bis 31.12.1995 stellt § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Hiernach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) und der rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Der Bescheid über die Bewilligung von Alg vom 24.04.1995 war von Anfang an rechtswidrig gewesen, soweit der Kläger die durch seine Nebentätigkeit bei der Firma A. erzielten Einkünfte, die teilweise auf das Alg anzurechnen waren, grobfahrlässig nicht angegeben hat.

Gemäß § 115 AFG in der vom 01.08.1994 bis 31.03.1997 geltenden Fassung verminderte sich das Alg um die Hälfte des um die Steuern, die Sozialversicherungsbeiträge und die Werbungskosten verminderten Arbeitsentgeltes aus einer kurzzeitigen Beschäftigung, die der Arbeitslose während einer Zeit, in der ihm Alg zustand, ausübte, soweit dieses Netto-Arbeitsentgelt 30,- DM übersteigt (§ 115 Abs 1 Satz 1 AFG). Hatte der Arbeitslose während des Bemessungszeitraumes eine kurzzeitige Beschäftigung ständig ausgeübt, so blieben abweichend von § 115 Abs 1 AFG Arbeitsentgelte außer Betracht, soweit sie auf Arbeitszeiten entfielen, die (1) die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der kurzzeitigen Beschäftigung im Bemessungszeitraum und (2) zusammen mit der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit der beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum die für diese Beschäftigungsverhältnisse nach § 112 Abs 3 und 4 Nr 1 und 2 AFG maßgebende tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht überstiegen.

Diese Bestimmung hinsichtlich der Anrechnung von erzielten Nebeneinkünften auf das Alg verstößt nicht gegen Art 14 GG. Sinn und Zweck des § 115 AFG war es, den Arbeitslosen durch den teilweisen Verlust des aus einer kurzzeitigen Beschäftigung erzielten Verdienstes weiterhin zur Übernahme einer Vollzeitbeschäftigung und damit zur Beendigung der Arbeitslosigkeit zu motivieren (vgl BSGE 82, 198). Die Vorschrift wollte durch die Anrechnung nur eines Teils des erzielten Einkommens den Arbeitslosen einerseits ermutigen, während der Arbeitslosigkeit seine Arbeitskraft einzusetzen und Einkommen zu erzielen, andererseits sollten erzielte Verdienste ihm nicht in voller Höhe verbleiben, so dass er an der Übernahme einer Vollzeitbeschäftigung und damit Beendigung seiner Arbeitslosigkeit auch weiter interessiert blieb (vgl Brand in Niesel, AFG, 2.Aufl, § 115 RdNr 2). Diese Regelung verfolgte einen arbeitsmarktpolitischen Zweck und war nicht Ausprägung des Bedürftigkeitsprinzips (so zur Nachfolgeregelung des § 141 SGB III: Hünecke in Gagel, SGB III, Stand 10/2002, § 141 RdNr 19). An der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestehen keinen Zweifel. Durch die differenzierte Regelung des § 115 Abs 1 und 2 AFG wurden die Betroffenen nicht übermäßig belastet. Hinsichtlich einer bereits im Bemessungszeitraum ausgeübten Nebentätigkeit wurde der erarbeitete Lebensstandard ebenso ausreichend berücksichtigt wie die Absicht des Gesetzgebers, den Teilzeitarbeitsmarkt zu fördern. Aber auch die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Sozialversicherungssystems als überragendes Gemeinschaftsgut (vgl hierzu: v.Mangoldt, GG, 4.Aufl, Art 14 RdNr 392) ist zu schützen. Die Existenz des Betroffenen blieb durch die vorgenommene Anrechnung unter Beachtung der anderweitigen Zwecke der Regelung ausreichend gesichert. Dabei sind die Befugnisse des Gesetzgebers im Rahmen des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG umso weiter je mehr das Eigentumsobjekt - wie z.B. das Alg - in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht (vgl Maunz-Dürig, GG, Art 14 RdNr 311). Zwar ist die Rechtsposition des Versicherten durch die Eigentumsgarantie geschützt; die konkrete Reichweite ergibt sich jedoch erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG, vgl BSG, Urteil vom 05.02.04 - B 11 AL 39/03 R - veröffentl. in juris). Es ist hier eine zulässige Inhaltsbestimmung der eigentumsrechtlich geschützten Position der Betroffenen durch den Gesetzgeber vorgenommen worden, wobei die Anrechnung des Nebeneinkommens durch die Verlängerung der Dauer des Alg-Bezuges (gemäß § 110 S 1 Nr 1 HS 2 AFG, vgl BSG aaO) ausgeglichen wurde. Die Anrechnung von Nebeneinkommen für die Zeit vom 01.04.1995 bis 31.12.1995 führte zu einer Verlängerung der Anspruchsdauer um 17 Tage. Dies wurde von der Beklagten durch Verlängerung der Alg-Gewährung bis 13.12.1997 (Samstag) berücksichtigt. Eine Verlängerung um weitere 44 Tage wegen der Anrechnung von Nebeneinkommen für die Zeit vom 16.07.1996 bis 30.11.1997 scheiterte daran, dass der Kläger sich zum 15.12.1997 aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte.

Ein Verstoß gegen Art 3 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten, die zusammen mit der Nebentätigkeit die maßgebliche tarifliche regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreitet, konnte aufgrund der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse und der damit verbundenen Existenzsicherung durch die ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung und die Nebentätigkeit, die zusammen die zeitliche Grenze nicht überschreitet, gegenüber der Gruppe, der der Kläger angehört, unterschiedlich behandelt werden. Wurde die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit durch beide Tätigkeiten überschritten, so war davon auszugehen, dass durch die versicherungspflichtige "Haupttätigkeit" bereits der Lebensstandard bestimmt und gesichert und eine Regelung für den Härtefall, wie sie § 115 Abs 2 AFG darstellt (Brand in Niesel aaO RdNr 9), daher nicht erforderlich war.

Eine Nichtanrechnung des bei der Firma A. erzielten Nebeneinkommens gemäß § 115 S 1 Abs 2 Nr 2 AFG scheidet vorliegend aus, denn der Kläger überschreitet zusammen mit seiner vorherigen beitragspflichtigen Beschäftigung bei der Firma D. die maßgebende tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 36 Stunden. Im Übrigen wird auf die Ausführung des SG zu § 114 AFG Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).

Der Kläger hat das Nebeneinkommen in seinem Antrag vom 03.04.1995 nicht angegeben. Er hat die ausdrückliche Frage nach einer Nebentätigkeit und Nebentätigkeitseinkommen mit "nein" beantwortet. Seine persönliche Meinung zur Notwendigkeit der Angabe einer Nebenbeschäftigung erlangt keine Bedeutung, wenn im Antrag ausdrücklich hiernach gefragt wird. Dies hat er grobfahrlässig getan. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 Halbs 2 SGB X). Bei einer ausdrücklich gestellten Frage ist es dem Kläger, der bereits seit langem in der Bundesrepublik Deutschland lebt und der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, klar, dass er den betreffenden Umstand mitteilen muss (vgl Wiessner in v.Wulffen, SGB X, 4.Aufl, § 45 RdNr 22). Zudem ist er durch das ihm ausgehändigte und von ihm zur Kenntnis genommene Merkblatt "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" (Stand April 1995) ausdrücklich hierauf hingewiesen worden. In diesem Merkblatt wird ausgeführt auf S 19: "Nebenverdienst: Wenn Sie während des Bezuges von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit von weniger als 18 Stunden wöchentlich ausüben, bleibt der aus dieser Tätigkeit erzielte Verdienst grundsätzlich bis zur Höhe von 30,- DM wöchentlich anrechnungsfrei. Der nach Abzug der Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten ... darüber hinausgehende Betrag zur Hälfte auf Ihr Arbeitslosengeld oder Ihre Arbeitslosenhilfe angerechnet ... Wichtig: Nebenbeschäftigungen müssen dem Arbeitsamt ohne Aufforderung gemeldet werden." Auf S 29 des Merkblattes wird ausgeführt, es sei insbesondere wichtig, das Arbeitsamt sofort zu benachrichtigen, wenn eine Nebenbeschäftigung ausgeübt oder aufgenommen wird, auch wenn diese nicht steuer- oder sozialversicherungspflichtig ist, und auf S 43 wird der Kläger noch einmal darauf hingewiesen, dass er sofort alle Änderungen, die den Leistungsanspruch beeinflussen können, dem Arbeitsamt melden müsse.

Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand wird im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit begründen, wenn dieses - wie hier der Fall - so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt erkannt hat oder ohne Weiteres erkennen konnte (vgl Wiessner in v.Wulffen, SGG X, 4.Aufl, § 45 RdNr 24 mwN). Anhaltspunkte dafür, dass er persönlich dies nicht erkennen konnte (subjektiver Sorgfaltspflichtmaßstab), fehlen. Der Kläger hat damit zumindest grobfahrlässig die Nebentätigkeit und das erzielte Nebentätigkeitseinkommen nicht angegeben.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.01.1996 bis 15.07.1996 stellt § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X dar. Gemäß dieser Regelung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie bei der Gewährung von Alg der Fall - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt und der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Eine wesentliche Änderung ist eingetreten, denn der Kläger war von 01.01.1996 bis 30.06.1996 nicht mehr arbeitslos.

Gemäß § 101 Abs 1 Satz 1 AFG ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Kurzzeitig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 102 Abs 1 AFG in der vom 01.01.1989 bis 31.03.1997 geltenden Fassung).

Diese Kurzzeitigkeitsgrenze hat der Kläger in der Zeit vom 01.01.1996 bis 30.06.1996 überschritten. Er hat die zusätzliche Tätigkeit bei der Firma C. , die letztendlich zur Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze geführt hat, nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 24.04.1995 aufgenommen. Die Aufnahme dieser Tätigkeit hat der Kläger der Beklagten nicht mitgeteilt, obwohl er hierzu gemäß § 60 Abs 1 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet gewesen wäre. Diese Pflicht hat er grobfahrlässig verletzt, denn er wusste aufgrund des ihm ausgehändigten Merkblattes (vgl oben), dass er hierzu verpflichtet war. Die Nichtbeachtung des Merkblattes begründet grobe Fahrlässigkeit (vgl oben).

Für die Zeit vom 01.07.1996 bis zum Tag der neuen persönlichen Arbeitslosmeldung am 16.07.1996 besteht kein Anspruch auf Alg, denn die Wirkung der vorangegangenen Arbeitslosmeldung ist durch die mehr als geringfügige kurzfristige Tätigkeit entfallen (vgl hierzu Brand aaO § 105 RdNr 4 a mwN; Brand in Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 122 RdNr 10; BSGE 77, 175).

Als Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg ab 16.07.1996 stellt § 48 SGB X dar. Nach Erlass des Bescheides 24.04.1995 und Aufgabe der Tätigkeit bei der Firma A. hat der Kläger lediglich noch Einkommen bei der Firma C. erzielt. Dies ist gemäß § 115 Abs 1 SGB III anzurechnen, denn er hat nach Antragstellung Einkommen erzielt, das zur Minderung des Anspruches führt (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). Auf ein Verschulden kommt es bei dieser Regelung nicht an.

Die Anrechnung der Nebeneinkünfte bei der Firma C. ist auch für die Zeit vom 27.11.1997 bis 13.12.1997 vorzunehmen. Für diese Zeit war die geleistete Alhi gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen und dem Kläger anstelle von Alhi Alg zu gewähren. Dabei ist gemäß § 115 Abs 1 AFG das erzielte Nebeneinkommen bei der Firma C. anzurechnen.

Die weiteren Voraussetzungen zur Aufhebung bzw Rücknahme der Leistungsbewilligung sind gegeben. Die zunächt nicht ausreichende Anhörung - sie war allein auf eine Anrechnung von Nebeneinkommen, nicht aber auf ein Fehlen von Arbeitslosigkeit gerichtet - ist im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 Abs 2 SGB X).

Eine Ermessensentscheidung hat die Beklagte nicht zu treffen (§ 330 Abs 2 und 3 SGB III).

Die Rückforderung der überzahlten Leistungen beruht auf § 50 SGB X. Die Höhe der Erstattungsforderung ist von der Beklagten zutreffend berechnet worden. Einwände hiergegen werden vom Kläger nicht erhoben.

Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung bzgl der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.01.1996 bis 30.06.1996 (Bescheid vom 18.06.1998) und vom 01.07.1996 bis 15.07.1996 (Bescheid vom 25.03.1998) stellt § 335 Abs 1 und 5 SGB III in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung dar.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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