L 9 AS 1259/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 21 AS 2246/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 1259/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Mai 2017 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere EUR 46,49 zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 80%, der Beklagte 20%. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf EUR 243,95 festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Die vom Kläger vertretene Hilfeempfängerin zu 1) ist die Mutter und allein sorgeberechtigter Elternteil der minderjährigen Hilfeempfängerin zu 2). Der Kläger erhob als deren Bevollmächtigter Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. November 2013 (Ablehnung der Zusicherung zum Umzug). Dem Widerspruch vom 05. Dezember 2013 (Bl. 1169 d. VwA.) beigefügt war eine von der Hilfeempfängerin zu 1) unterzeichnete Vollmacht vom 28. November 2013, die folgenden Zusatz enthielt: "Mit dieser Vollmacht werden zugleich alle entstehenden Kostenerstattungsansprüche nach § 63 SGB X und §§ 193, 197 SGG an den mandatierten Anwalt abgetreten.". Mit Widerspruchsbescheid vom 03. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag zur Hälfte zu erstatten. Der Kläger machte daraufhin im eigenen Namen einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von EUR 243,95 geltend (Geschäftsgebühr von EUR 300,00, Erhöhungsgebühr für einen weiteren Auftraggeber, Auslagenpauschale von EUR 20,00 zzgl. Umsatzsteuer, wobei die Kostennote einen Rechenfehler und lediglich einen Betrag von EUR 190,40 aufweist). Der Beklagte erkannte die geltend gemachten Kosten in Höhe von EUR 243,95 als erstattungsfähig an und rechnete gegenüber der Hilfeempfängerin zu 1) mit einer Forderung aus dem bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. August 2013 (Bl. 1139 d. VwA., Erstattungsforderung gegenüber der Hilfeempfängerin zu 1): EUR 746,71, gegenüber der Hilfeempfängerin zu 2): EUR 75,49) auf (Schreiben vom 11. März 2014, Bl. 24 d. A.). Die Hilfeempfängerin legte gegen das Schreiben Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 2014 als unzulässig verworfen wurde. Im anschließenden Klageverfahren hat die Hilfeempfängerin die Klage nach einem Hinweis des Gerichts zurückgenommen (S 19 AS 883/14, Sozialgericht Meiningen). Mit seiner am 09. November 2015 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Aufrechnungserklärung beinhalte einen Verwaltungsakt. Die erforderliche Ermessensausübung sei nicht ansatzweise erkennbar. Die Aufrechnung gehe ins Leere, weil die Hilfeempfängerin zu 1) nicht mehr Inhaber der Forderung sei.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 29. Mai 2017 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Aufrechnungserklärung stelle keinen Verwaltungsakt dar, die Forderung sei nach § 387 BGB erloschen.

Gegen das am 06. Oktober 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die am 16. Oktober 2017 beim Landessozialgericht eingegangen ist und mit der er unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Mai 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 243,95 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten des Verfahrens S 19 AS 883/14 (Sozialgericht Meiningen) sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der geheimen Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist ohne Rücksicht auf die Beschwer zulässig, nachdem sie vom Sozialgericht zugelassen wurde. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines Betrages von EUR 46,49, im Übrigen, d. h. in Höhe von EUR 197,46, ist der geltend gemachte Anspruch durch Aufrechnung erloschen.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Er ist durch die Abtretung der Gebührenforderung in der Vollmacht vom 28. November 2013 Inhaber der Forderung gegenüber dem Beklagten geworden, und zwar auch, soweit der Kostenerstattungsanspruch der Hilfeempfängerin zu 2) betroffen ist. Insoweit ist die Abtretungserklärung dahin auszulegen, dass die Hilfeempfängerin zu 1) die Erklärung auch namens der minderjährigen Hilfeempfängerin zu 2) abgegeben hat.

Der Kostenerstattungsanspruch ergibt sich aus § 63 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X): Soweit ein Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist. Der Beklagte hat insofern entschieden, dass die Kosten des Vorverfahrens in vollem Umfang dem Grunde nach zu erstatten sind (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zählen gemäß § 63 Abs. 2 SGB X regelmäßig die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, was der Beklagte ebenso anerkannt hat wie die Angemessenheit der Höhe der Gebührenforderung.

Nach § 398 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Bei Kostenerstattungsansprüchen handelt es sich um abtretbare Forderungen. Insbesondere war die Abtretung nicht nach § 399 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Zwar stellt der Kostenerstattungsanspruch der Widerspruchsführer gegen den Beklagten einen Freistellungsanspruch dar (siehe unten). Dieser ändert insoweit durch die Abtretung seinen Inhalt dergestalt, dass er sich in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, hindert eine solche Veränderung des Anspruchsinhalts die Abtretung aber dann nicht, wenn der Freistellungsanspruch gerade an den Gläubiger der zu tilgenden Schuld abgetreten wird (vgl. Bundesgerichtshof - BGH, Urteil vom 22. März 2011, Az.: II ZR 271/08, m. w. N.). Auch die Abtretung auch künftiger Ansprüche, hier zukünftiger Kostenerstattungsansprüche, ist rechtlich möglich.

Dabei sind die Grundsätze über die Abtretung zukünftiger Forderungen zu beachten. Erforderlich ist insoweit, dass die Entstehung der Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung möglich erscheint und die abgetretene Forderung bestimmt oder jedenfalls bestimmbar bezeichnet ist (BSG, Urteil vom 29. Juni 1995, Az.: 11 RAr 109/94). Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Rechtsnatur der Abtretung, die ein dingliches Rechtsgeschäft ist. Die Abtretung bewirkt, dass das Gläubigerrecht an einer Forderung von dem bisherigen Gläubiger auf eine andere Person als neuen Gläubiger übergeht (§ 398 BGB). Wie ein Gläubigerrecht nur an einer bestimmten oder mindestens bestimmbaren Forderung bestehen kann, so kann auch nur das Gläubigerrecht an einer bestimmten oder bestimmbaren Forderung Gegenstand der Abtretung sein. Dies erfordert, dass die Forderung nach Charakter und Art sowie des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses so genau bezeichnet ist, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Abtretung ist (BSG, Urteil vom 19. März 1992, 7 RAr 26/91; BSG, Urteil vom 27. November 1991, Az.: 4 RA 80/90). Zur Ermittlung der abgetretenen Forderung kann auch auf Umstände außerhalb der (auslegungsbedürftigen) Abtretungsvereinbarung zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 20. September 2012, Az.: IX ZR 208/11).

In Anwendung dieser Grundsätze liegt eine grundsätzlich wirksame so genannte Vorausabtretung vor. Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die in der Vollmacht enthaltene Abtretungserklärung zusammen mit dem Widerspruchsschreiben vom 5. Dezember 2013 an den Beklagten übermittelt wurde. In der Zusammenschau der Umstände war damit ersichtlich, dass sich die vorgelegte Vollmacht inkl. der Abtretungserklärung auf dieses Verfahren und die sich daraus ergebenden Ansprüche bezog. Angesichts der seinerzeit möglichen bzw. absehbaren Abhilfe durch den Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bzw. der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung im Rahmen eines möglichen anschließenden Klageverfahrens und den sich daraus ergebenden Kostenerstattungsansprüchen erschien zum Zeitpunkt der Abtretung das Entstehen eines Kostenerstattungsanspruches nach § 63 SGB X bzw. § 193 SGG möglich. Die abgetretene Forderung, nämlich die Kostenerstattungsansprüche nach § 63 SGB X bzw. § 193 SGG gegen die Beklagte, ist nach Charakter und Art und des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses so hinreichend konkretisiert, dass sie eindeutig für alle Beteiligten bestimmbar und erkennbar ist.

Die Vorausabtretung umfasst im vorliegenden Fall auch beide vom Kläger vertretenen Hilfeempfänger. Die vorgelegte Vollmacht mit der Abtretung trägt zwar nur die Unterschrift der Hilfeempfängerin zu 1), diese ist aber als allein sorgeberechtigter Elternteil der Hilfeempfängerin zu 2) und gesetzliche Vertreterin tätig geworden, sodass die Abtretung für beide Mandantinnen Wirkung entfaltet.

Die Voraussetzungen der Abtretungserklärung greifen mithin vorliegend ein. Nach dem Text der Abtretung haben die Mandanten alle entstehenden Kostenerstattungsansprüche nach § 63 SGB X und den §§ 193, 197 SGG an den mandatierten Anwalt abgetreten. Der Beklagte hat nach dieser Erklärung ein Kostenanerkenntnis abgegeben, woraufhin der Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens beim Beklagten geltend gemacht hat. Zum Zeitpunkt der Kostengrundentscheidung durch das Anerkenntnis des Beklagten waren nicht mehr die Mandanten, sondern der Kläger - ihr Prozessbevollmächtigter - Gläubiger des Erstattungsanspruchs. Streitgegenstand ist damit der Anspruch des Klägers auf Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von insgesamt EUR 243,95, die der Beklagte als der Höhe nach angemessen anerkannt hat und bezüglich derer die Zuziehung eines Bevollmächtigten konkludent für notwendig erklärt wurde (vgl. § 63 Abs. 2 SGB X).

Die Klage war als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, gerichtet auf Auszahlung des genannten Betrages zulässig. Die allgemeine Leistungsklage setzt voraus, dass ein Rechtsanspruch auf eine Leistung geltend gemacht wird und ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen braucht. Die Klage geht nur auf Leistung und ist nicht mit einer Anfechtungsklage verbunden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., Rn. 41 zu § 54).

Der Kostenerstattungsanspruch ist jedoch in Höhe von EUR 197,46 durch Aufrechnung erloschen. Weder § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), noch sonstige sozial- oder öffentlich-rechtliche Vorschriften regeln die Voraussetzungen und Wirkungen einer Aufrechnung im Bereich des Sozialrechts umfassend. Vielmehr setzen sie die entsprechende Anwendbarkeit der Regelungen in den §§ 387 ff. BGB voraus (vgl. nur BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, Az.: 12 RK 69/93; Gutzler, in: Rolfs u. a., Beck scher Online-Kommentar zum Sozialrecht, Rn. 4 zu § 51 SGB).

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der streitigen Aufrechnungserklärung nicht um einen Verwaltungsakt.

Die Aufrechnung entscheidet nicht über die Begründung einer Forderung, sondern soll den Adressaten lediglich davon in Kenntnis setzen, dass der Beklagte ein ihm obliegendes Gestaltungsrecht ausübt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts, dass auch Behörden - wie jedem anderen Teilnehmer am Rechtsverkehr - ein Gestaltungsrecht des allgemeinen Schuldrechts - hier einer Aufrechnungserklärung nach § 387 BGB - zusteht (vgl. u.a. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG, Urteil vom 20. November 2008, Az.: 3 C 13/08 und BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994,12, Az.: RK 69/93, zur Rechtsprechung insgesamt siehe Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2012, Az.: L 9 AS 601/10, jeweils m. w. N.).

Der Beklagte hat vorliegend die Aufrechnung durch schlicht-öffentliche Erklärung gewählt. Dies konnte auch vom objektiven Empfängerhorizont so verstanden werden. Weder die Form noch die Formulierung der Aufrechnung weisen auf eine Regelung durch Verwaltungsakt hin. So wurde in dem Schreiben die Bezeichnung als Bescheid gerade nicht gewählt, auch fehlt eine Rechtsbehelfsbelehrung, sodass in Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls nicht von einem Verwaltungsakt auszugehen ist. Hätte der Beklagte durch Verwaltungsakt über die Aufrechnung entscheiden wollen, so hätte er dies eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Der Beklagte hätte insoweit unmissverständlich deutlich machen müssen, dass er nicht nur eine Willenserklärung abgeben, sondern eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen will, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl. zum Ganzen nur BSG, Urteil vom 31. Mai 2016, Az.: B 1 KR 38/15 R). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die vom Beklagten mit Schreiben vom 11. März 2014 erklärte Aufrechnung führte in Bezug auf den die Hilfeempfängerin zu 1) betreffende Forderung zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs. Bezüglich der auf die Hilfeempfängerin zu 2) führte die Aufrechnung lediglich teilweise zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs.

Neben einer wirksamen Aufrechnungserklärung erfordert die Aufrechnung eine Aufrechnungslage, die gemäß § 387 BGB vorliegt, wenn der Schuldner die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende gleichartige Leistung bewirken kann. Die Forderung des aufrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung) muss entstanden und fällig sein, während die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll (Hauptforderung), zwar nicht fällig, aber bereits entstanden und erfüllbar sein muss.

Dem Beklagten stand gegen die Hilfeempfängerin zu 1) eine Erstattungsforderung in Höhe von EUR 746,71 und gegen die Hilfeempfängerin zu 2) eine solche in Höhe von EUR 75,49 zu. Gegen diese Forderungen konnte der Beklagte aufrechnen, insbesondere mangelt es nicht an der Gleichartigkeit der Forderung entsprechend § 387 BGB, auch kann die fehlende Gegenseitigkeit der Forderung nicht eingewandt werden.

Zunächst ist zu differenzieren zwischen dem grundsätzlich dem Widerspruchsführer zustehenden Anspruch auf Erstattung der notwendigen Kosten nach § 63 SGB X gegen die Behörde und dem Anspruch eines Bevollmächtigten auf Vergütung gegen seinen Mandanten entsprechend den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).

Der Honoraranspruch des Rechtsanwalts entsteht mit Entfaltung der anwaltlichen Tätigkeit und wird nach § 8 Abs. 1 RVG fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Dies betrifft allein das Verhältnis des Bevollmächtigten zum Mandanten. Entstehen einem Widerspruchsführer zur Wahrung seiner Rechte im Widerspruchsverfahren Kosten, vermittelt § 63 SGB X ihm einen Erstattungsanspruch gegen die Behörde, wenn und soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen den Mandaten und der Kostenerstattungsanspruch des Widerspruchsführers aus § 63 SGB X bestehen zunächst unabhängig voneinander. Gleichwohl sind nach § 63 Abs. 1 SGB X nur die notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Hierzu zählen im Grundsatz auch Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Vergütung aber nur einfordern, wenn er seinem Auftraggeber eine den Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG entsprechende Berechnung mitgeteilt hat. Ohne eine solche Berechnung ist der Auftraggeber nicht zur Zahlung verpflichtet und er gerät auch nicht in Verzug (vgl. Madert in Gerold/Schmidt, RVG, Rn. 12 zu § 10). Solange der Bevollmächtigte dem Widerspruchsführer keine den Anforderungen des § 10 RVG entsprechende Berechnung mitgeteilt hat, sind diesem noch keine diesbezüglichen Aufwendungen entstanden. Dieser Umstand muss der Behörde dergestalt zu Gute kommen, dass der Widerspruchsführer von ihm lediglich Freistellung von der Anwaltsvergütung, nicht jedoch unmittelbar Zahlung verlangen kann (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016, Az.: L 31 AS 1774/16, LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06. Mai 2015, Az.: L 6 AS 288/13).

Grundsätzlich ist es der Behörde überlassen, wie sie die Befreiung des Widerspruchsführers von der eingegangenen Verbindlichkeit gegenüber dem Rechtsanwalt bewirken will. So kann sie beispielsweise schuldbefreiend an den Rechtsanwalt leisten.

Sofern im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Befreiungsanspruch besteht, so ist dieser mangels Gleichartigkeit nicht mit dem Erstattungsanspruch aufrechenbar (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1983, VI ZR 285/81; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009, IX ZR 135/08; m.w.N.).

Vorliegend hat sich der Freistellungsanspruch jedoch durch die Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Der Grundsatz, wonach der Befreiungsanspruch nicht abtretbar ist, da er mit der Abtretung seinen Inhalt ändern würde (vgl. § 399 BGB), greift vorliegend nicht, da der Befreiungsanspruch auf den Gläubiger des Ersatzberechtigten abgetreten wird. Die Forderung verwandelt sich dabei in eine dem Gläubiger geschuldete Leistung, hier damit auf die Zahlung der Vergütung. Mit der wirksamen Abtretung hat sich daher, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt, mit der Folge, dass dieser und die Erstattungsforderung des Beklagten gleichartig waren.

Entsprechend § 406 BGB konnte der Beklagte auch gegenüber dem Kläger die Aufrechnung mit den bestandskräftigen Erstattungsforderungen erklären. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. § 406 BGB durchbricht insoweit das Erfordernis der Gegenseitigkeit gegenüber dem neuen Gläubiger (Roth/Kieninger in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl., Rn. 1 zu § 406). Da die gegen die Hilfeempfängerinnen gerichteten Erstattungsforderungen bereits vor der Abtretung bestandskräftig waren, ist der Anwendungsbereich des § 406 BGB eröffnet. Gleichartigkeit des Gegenstandes liegt insbesondere bei Geldschulden vor (Stürner, in Jauernig, BGB, 16. Aufl., Rn. 6 zu § 387). Sowohl die Erstattungsforderung des Beklagten als auch der Kostenerstattungsanspruch des Klägers sind auf die Zahlung von Geld gerichtet. Insbesondere verlangt § 406 BGB nicht, dass die Forderungen schon zur Zeit der Abtretung gleichartig gewesen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1954, Az.: I ZR 34/53). Mithin ist die von den Mandanten an den Kläger abgetretene Forderung durch die Aufrechnungserklärung erloschen, jedoch entgegen der Auffassung des Beklagten im Hinblick auf die Hilfeempfängerin zu 2) lediglich in Höhe der Erstattungsforderung (EUR 75,49).

Zu Unrecht hat der Beklagte den vollen Vergütungsanspruch (mit Ausnahme der Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG) bei der Aufrechnung in Bezug auf die Hilfeempfängerin zu 1) angesetzt und der Hilfeempfängerin zu 2) lediglich die Erhöhungsgebühr zuerkannt. Der Kostenerstattungsanspruch des Rechtsanwalts bestimmt sich bei Vertretung mehrerer Mandanten in einer Angelegenheit nach § 7 RVG. Danach erhält der Rechtsanwalt, der mehrere Auftraggeber als Streitgenossen in einem Rechtsstreit vertritt, die Gebühren in jeder Instanz nur einmal (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 Satz 2 RVG); jedoch schuldet jeder Auftraggeber diejenigen Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 Satz 1 RVG). Es ist nicht zulässig, zugunsten eines Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft unabhängig vom Innenverhältnis der Streitgenossen den Betrag festzusetzen, für den er dem Anwalt gesamtschuldnerisch bzw. entsprechend der Regelung des § 7 Abs. 2 RVG haftet.

Die Zuordnung der zu erstattenden Kosten zu den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft hat nach Auffassung des Senats danach zu erfolgen, zu welchen Kopfteilen sie jeweils am Rechtsstreit beteiligt waren.

Bei der Vertretung mehrerer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft in derselben Angelegenheit bemisst sich der Erstattungsanspruch des Einzelnen nach seinem Anteil an den Gesamtkosten, die für den gemeinsamen Bevollmächtigten aufzuwenden sind. In diesem Umfang kann er den entsprechenden Bruchteil der Anwaltskosten vom Beklagten erstattet verlangen. Im vorliegenden Fall entspricht dies der Hälfte der Gesamtkosten, einschließlich des Mehrvertretungszuschlags nach Nr. 1008 VV RVG für jeden der beiden Hilfeempfängerinnen.

So entspricht es der Üblichkeit, dass, wenn mehrere Personen in derselben Angelegenheit einen Anwalt beauftragen, sie sich im Innenverhältnis entsprechend dem jeweiligen Bruchteil an den Kosten beteiligen. Diese im Zivilrecht übliche Verteilung der Kosten zwischen Streitgenossen (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 30. April 2003, Az.: VIII ZB 100/02) ist auch im Sozialrecht, sofern die Kostenfestsetzung betroffen ist und nicht die Vergütungsfestsetzung bei der Prozesskostenhilfe, anzuwenden.

Die jeweiligen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind in Bezug auf den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten insoweit obsiegende Streitgenossen bezüglich der an sie zu erstattenden Kosten, keine Gesamt-, sondern Teilgläubiger entsprechend der Auslegungsregel des § 420 BGB. Dies hat zur Folge, dass jedes obsiegende Mitglied der Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich nur einen anteilmäßigen Erstattungsanspruch hat (so auch ohne weitere Begründung BSG, Urteil vom 02. April 2014, Az.: B 4 AS 27/13 R).

Da jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nur einen anteiligen Erstattungsanspruch hat, d. h. vorliegend jeweils zu ½, konnte der Beklagte gegenüber dem auf die Hilfeempfängerin zu 2) entfallenden Kostenerstattungsanspruch (1/2 von EUR 243,95, d. h. EUR 121,98) lediglich in Höhe des auf diese entfallenden Erstattungsanspruch aufrechnen. Gegenüber der Hilfeempfängerin zu 2) bestand ein Erstattungsanspruch in einer Höhe von lediglich EUR 75,49, nur in dieser Höhe ist der Anspruch durch Aufrechnung erloschen. Es verbleibt mithin ein Anspruch in Höhe von EUR 46,49.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenquotelung entspricht dem Ausmaß des Obsiegens in Anbetracht der ursprünglich von dem Kläger geltend gemachten Forderung.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 3, 47 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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