Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 983/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2105/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.05.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ((BKV), Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische, im Weiteren: BK 1317).
Der 1961 geborene Kläger erlernte ab September 1979 den Beruf des Zerspaners und ist seither im erlernten Beruf beschäftigt, aktuell (seit Januar 1991) als Zerspanungsmechaniker-Meister in der Automatendreherei der Firma B. Präzisionsdrehteile GmbH & Co. KG.
Mit Schreiben vom 05.04.2012 zeigte der Hausarzt des Klägers Dr. K. gegenüber der Berufsgenossenschaft Holz und Metall den Verdacht einer Berufskrankheit an. Er berichtete von einer Polyneuropathie unklarer Genese mit Sensibilitätsstörungen in beiden Beinen und äußerte den Verdacht, dass das Lösungsmittel Bekanol H ursächlich für seine Beschwerden sein könne, da dieses in der Nähe seines Arbeitsplatzes ungeschützt ausdünste. Beigefügt war ein stationärer Entlassungsbericht des V.-Hospitals vom 19.03.2012, in welchem von strumpfförmigen Sensibilitätsstörungen an beiden Beinen berichtet und u.a. die Diagnose einer Polyneuropathie unklarer Genese genannt wurde. Der Kläger selbst erklärte mit Schreiben vom 16.04.2012, bei ihm habe sich aufgrund jahrzehntelanger Kontamination mit einem Lösungsmittel (Bekanol H) eine Polyneuropathie entwickelt. Sein Arbeitgeber habe sofort reagiert und für ihn ein biologisches Reinigungsmittel besorgt. Nach einer weiteren Arbeitswoche habe er dann endlich mit dem neuen Mittel arbeiten können. Nach weiteren zwei Wochen habe der Hausarzt die Wiedereingliederung abgebrochen, da sich seine Beschwerden erneut verschlimmert hätten.
Nach Abgabe des Verfahrens von der erstangegangenen Berufsgenossenschaft Holz und Metall an die Beklagte berichtete der Kläger mit Erklärung vom 08.05.2012 von seit über 30 Jahren bestehendem täglichem Lösungsmittelkontakt (Haut und Atemwege). Über 50 bis 60 Mal täglich müssten Fertigungsteile zur Kontrolle entfettet werden. Das restliche Lösungsmittel werde mit Druckluft weggeblasen. Der Behälter mit dem Lösungsmittel habe vom Messplatz 50 cm entfernt gestanden. Der Kläger berichtete außerdem, dass in seinem früheren Ausbildungsbetrieb Ende der 1970er Jahre noch ein Lösungsmittel namens "Tri" (Trichlorethen) verwendet worden sei.
Der Arbeitgeber des Klägers teilte mit Erklärung vom 13.06.2012 mit, dieser sei dort seit Januar 1991 als Zerspanungsmechanikermeister in der Automatendreherei beschäftigt und habe pro Schicht ca. zwei Stunden Kontakt mit dem Lösungsmittel Bekanol H durch Hautberührung und Einatmen der Dämpfe gehabt. Seit Januar 2012 werde ein anderes Reinigungsmittel eingesetzt. Gemäß dem beigefügten Sicherheitsdatenblatt (Stand 01.02.2011) handelt es sich bei dem Produkt Bekanol H um ein isoparaffinisches Kohlenwasserstoffgemisch, das flüssig und farblos ist. Im Sicherheitsdatenblatt wird die Substanz weder als toxisch, noch als hautätzend oder hautreizend noch als augenschädigend eingestuft.
Aus einem von Dr. K. zur Akte gereichten Befundbericht des Universitätsklinikums T. (neurologische Klinik) vom 18.06.2012 ergibt sich die Diagnose einer achsonalen sensibel betonten distalen symmetrischen Polyneuropathie unklarer Genese. Erwogen wurde vom Assistenzarzt Dr. F. eine toxische Genese in Zusammenhang mit der Exposition mit Bekanol H und/oder einem möglichen vor Herbst 2011 nach Aussage von Dr. K. stattgefundenem Alkoholkonsum.
Mit Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 24.07.2012 kam der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Chem. H. zu dem Ergebnis, dass über eine Einwirkung durch das Lösungsmittel Tri von 1979 bis etwa 1982 hinaus keine Exposition durch Lösungsmittel im Sinne der BK 1317 zu ermitteln gewesen sei. Das Reinigungsmittel Bekanol H sei kein Listenstoff entsprechend dem Merkblatt zur BK 1317. Neurotoxische Wirkungen würden in der Literatur nicht beschrieben.
Mit Gewerbeärztlicher Feststellung vom 28.08.2012 schlug der Staatliche Gewerbearzt Dr. Seeger eine BK 1317 nicht zur Anerkennung vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Mit Bescheid vom 17.10.2012 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger keine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Berufskrankheitenliste bestehe. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Der Kläger sei nach den Ermittlungen der Beklagten während seiner Berufstätigkeit keinen Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die geeignet gewesen seien, eine Berufskrankheit zu verursachen. Hierbei stützte sie sich im Wesentlichen auf die Stellungnahme ihrer Präventionsabteilung zur Arbeitsplatzexposition.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und beantragte, ein arbeitsmedizinisches Gutachten in Auftrag zu geben.
Mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 08.12.2012 erklärte der Facharzt für Arbeitsmedizin, Allergologie und Umweltmedizin Dr. W., Bekanol H sei ein Gemisch aus größeren Kohlenwasserstoffverbindungen, die gegenüber den bekannten neurotoxischen organischen Lösungsmitteln wie n-Hexan oder n-Heptan zum einen größer seien und zum anderen etwas verzweigt. Diese Art von Lösemittelgemischen sei bisher nicht als Verursacher einer peripheren Polyneuropathie bekannt geworden. Ihm seien keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bekannt, die Isoalkane der Größen C 11 bis C 14 als Verursacher einer peripheren Polyneuropathie gefunden hätten. Diese könne sich auch ohne erkennbare Ursache entwickeln.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2013 wies die Beklagte hierauf den Widerspruch des Klägers zurück.
Zur Begründung der am 08.04.2013 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, das jahrelange Einatmen des Lösungsmittels Bekanol H und dessen Inkorporation über die Haut habe schädigend auf das periphere Nervensystem gewirkt und hierdurch eine Polyneuropathie ausgelöst. Die CAS-Nummer für Bekanol H laute 90622-58-5, sie werde aber von der Herstellerfirma im Sicherheitsdatenblatt nicht angegeben. Aus dieser Nummer ergebe sich, dass ein unter dem Namen "Verdünnung AF 631" von einem anderen Hersteller vertriebenes Produkt mit Bekanol H identisch sei. Dort gebe der Hersteller im Sicherheitsdatenblatt an, dass das Einatmen oberhalb der AGW- oder MAK-Grenzwerte zu Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems führen könne.
Die Beklagte hat auf den BK-Report zur Berufskrankheit Nr. 1317 verwiesen, wonach nur einige wenige Listenstoffe wie n-Hexan und 2-Hexanon in der Lage seien, eine Polyneuropathie zu verursachen. Bekanol H beinhalte diese Stoffe nicht.
Das SG hat nach Anhörung der behandelnden Ärzte, des Neurologen und Psychiaters Sch., des Orthopäden Dr. D. und des Hausarztes Dr. K., Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft bei PD Dr. M., Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums T., der unter dem 22.11.2013 erklärt hat, dass es nach seiner Recherche in Literatur- und Datenbanken und Sicherheitsblättern für einen ursächlichen Zusammenhang einer 1-Dekanol-Exposition und einer daraus möglicherweise resultierenden Polyneuropathie keinerlei Anhaltspunkte gebe. Langkettige Fettalkohole ab einer Kettenlänge von 10-C-Atomen hätten laut Literatur weder auf neuronale Rezeptoren in Zellkulturen noch auf das Nervensystem im Tierversuch schädigende Wirkungen. Auch einen Hinweis auf eine mögliche Ausbildung einer Polyneuropathie beim Menschen habe er nicht finden können.
In einem auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 SGG erstatteten neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 29.08.2014 hat Prof. Dr. H. kognitive Defizite im Sinne von Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen beschrieben, ebenfalls deutliche Anzeichen einer psychisch hoch belasteten und sehr introvertierten Persönlichkeit und Anhaltspunkte für eine depressive Symptomatik. Die festgestellten Symptome entsprächen nicht nur dem Krankheitsbild einer Polyneuropathie, sondern deuteten zudem auch auf eine toxische Enzephalopathie hin. In Frage komme aus neuropsychologischer Sicht nur der Typ IIB (leichte chronisch-toxische Enzephalopathie).
Prof. Dr. F.-B. ist in seinem ebenfalls nach § 109 Abs. 1 SGG erstatteten Gutachten vom 10.09.2014 zu dem Ergebnis gekommen, das Vorliegen einer BK Nr. 1317 bei Fehlen anderer Ursachen, die für das Nicht-Vorliegen sprächen, sei aufgrund multipler Evidenz begründet. Beim Kläger lägen sowohl eine toxische Polyneuropathie als auch eine toxische Enzephalopathie vor, deren irreversibler Verlauf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Exposition gegenüber neurotoxischen Substanzen am Arbeitsplatz, insbesondere Bekanol H, zurückzuführen sei. Dessen Zusammensetzung ergebe einen Anteil von Aromaten in Höhe von mehreren Prozent mit eindeutisch neurotoxischen Wirkungen bezüglich chronischer Neuropathien einschließlich Enzephalopathien. Spröde und rissige Haut habe zur verstärkten Aufnahme von Bekanol H in den Blutkreislauf führen können.
Die Beklagte ist diesem Gutachten unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 14.11.2014 entgegengetreten. Der Anteil von Aromaten in Bekanol H betrage nicht mehrere Prozent, sondern nach den Sicherheitsdatenblättern jedenfalls unter 2%. Auch über rissige Haut seien größere Isoalkane C 11 bis C 13 nur gering resorbierbar. Konzentrationsstörungen könnten ihre Ursache im Schlafmangel haben, denn der Kläger habe angegeben, vor der Untersuchung nur vier Stunden geschlafen zu haben.
Mit ergänzender Stellungnahme vom 12.12.2014 hat Prof. Dr. F.-B. an der von ihm vertretenen Auffassung festgehalten und diese argumentativ weiter unterlegt.
Die Beklagte hat hierauf ein Schreiben des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung an der Ruhr-Universität B. vom 26.10.2015 (Prof. Dr. M./PD Dr. Z.) vorgelegt, wonach es sich bei den in Bekanol H enthaltenen Kohlenwasserstoffen angesichts der Diktion in den Sicherheitsdatenblättern ausschließlich um Isoalkane im Bereich von 11 bis 14 Kohlenstoffatomen sowie Cycloalkane gehandelt habe. Für diese lasse sich eine neurotoxische Wirkung nicht begründen. Den Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen in Bekanol H bezeichneten die Autoren des Schreibens als offensichtlich vernachlässigbar.
Prof. Dr. M.-S., ehem. Ärztlicher Direktor des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene, hat in seinem Gutachten vom 01.03.2016 die Diagnose einer axonalen sensibel betonten distalen symmetrischen Polyneuropathie gestellt. Er ist zu dem Ergebnis eines fehlenden ursächlichen Zusammenhangs zwischen der beruflichen Exposition gegenüber Bekanol H und den Beschwerden des Klägers gekommen. Als Grund hat er das Fehlen eindeutiger wissenschaftlicher Hinweise für einen solchen Zusammenhang genannt. Eindeutige gesundheitliche Wirkungen einer Exposition gegenüber C 9 bis C 14-Kohlenwasserstoffgemischen im Sinne einer Neurotoxizität hätten sich aus Studien nicht ableiten lassen.
Auf eine entsprechende Anfrage des SG haben sich die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 29.03.2016 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Nach Entbindung seines vormaligen und Bestellung eines neuen Bevollmächtigten hat der Kläger mit Fax vom 06.04.2016 erklären lassen, dass mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung kein Einverständnis bestehe. Er hat Einwendungen gegen das Gutachten von Prof. Dr. M.-S. erhoben und dessen Ladung in die mündliche Verhandlung zur Aufklärung der Divergenzen zum Gutachten von Prof. Dr. F.-B. beantragt. Er hat zudem anstelle des ursprünglichen Klageantrages, die Beklagte zu verpflichten, die als Polyneuropathie diagnostizierte Krankheit als Berufskrankheit anzuerkennen, nunmehr die Verpflichtung der Beklagten beantragt, die beim Kläger diagnostizierte Krankheit als Berufskrankheit Nr. 1317 der Berufskrankheitenliste (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) anzuerkennen. Auch eine toxische Enzephalopathie sei Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 10.05.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Klage als unzulässig angesehen, soweit der Kläger die Anerkennung einer Enzephalopathie als BK Nr. 1317 begehrt hat. Von der Beklagten sei nur eine Polyneuropathie geprüft worden, während die Diagnose Enzephalopathie erst im Klageverfahren aufgekommen sei. Es fehle deshalb insoweit an einer ablehnenden Entscheidung der Beklagten.
Soweit der Kläger die Anerkennung einer Polyneuropathie als BK 1317 begehrt hat, hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 07.06.2016 Berufung eingelegt. Er hält das Urteil des SG für formell und materiell fehlerhaft. Das SG hätte nach seiner Auffassung seinem Antrag auf Terminsverlegung folgen und eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Außerdem wäre Prof. Dr. M.-S. zur Erläuterung seines Gutachtens in die mündliche Verhandlung zu laden gewesen. Das Urteil sei zudem aus materiellen Gründen nicht haltbar, da es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. M.-S. stütze. Dieser unterschlage den Nachweis einer toxischen Enzephalopathie, übergehe alle für eine Kausalität sprechenden gewichtigen Argumente und unterschlage die Tatsache, dass alle epidemiologischen Untersuchungen mit VOC-Gemischen (Volatile Organic Compounds – flüchtige organische Verbindungen) ein erhöhtes Risiko für eine toxische Enzephalopathie und auch eine toxische Polyneuropathie ergeben hätten. Schließlich sei mangels Mitteilung der CAS-Nummern für Bekanol H nicht festgestellt, welche Stoffe in Bekanol H enthalten seien.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.05.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beim Kläger diagnostizierte Krankheit als Berufskrankheit gemäß Nr. 1317 der Berufskrankheitenliste (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) anzuerkennen, hilfsweise, die Verhandlung zu vertagen und
a) die Gutachten von Prof. Dr. M.-S. vom 01.03.2016 und vom 09.07.2017 und das Gutachten des Prof. Dr. M. vom 24.04.2018 zu verwerfen und hilfsweise b) die Gutachter Prof. Dr. M.-S. und Prof. Dr. F.-B. und Prof. Dr. M. zur Erläuterung ihrer Gutachten und Aufklärung der Divergenzen in die mündliche Verhandlung zu laden.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Stellungnahmen ihrer Präventionsabteilung, des beratenden Arztes Dr. W., des IPA B. und das Gutachten von Prof. Dr. M.-S ... Sie sieht Bekanol H als nicht geeignet an, eine BK Nr. 1317 zu verursachen.
Mit Stellungnahme vom 02.12.2016 hat der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten, der Diplom-Chemiker H., ausgeführt, der Kläger habe im Laufe seiner Beschäftigung Kontakt zu Kühlschmierstoffen (KSS) und Reinigungsmitteln gehabt. Bis auf eine Einwirkung durch das Lösungsmittel Tri von 1979 bis etwa 1982 habe keine Exposition durch Lösungsmittel im Sinne einer BK 1317 ermittelt werden können. Weder wassermischbare KSS noch nichtwassermischbare KSS, wozu das bei der Firma B. bis Mitte 2016 verwendete Produkt Beku Spezialöl 615 GTL ebenso wie das danach verwendete Produkt Bekanol S 716 H gehöre, seien Lösungsmittel im Sinne einer BK 1317. Dasselbe gelte für den Reiniger Bekanol H. Der im Sicherheitsdatenblatt angegebene Aromaten-Anteil sei herstellungsbedingt und liege bei maximal 2%, in der Praxis bei weniger als 0,5%. Die Kohlenwasserstoffe würden durch Destillation in der Regel aus Erdöl (Naphta) gewonnen. Es werde eine Fraktion von Verbindungen in einem bestimmten Siedebereich abgetrennt. Dadurch könnten auch aromatische KWS (Kohlenwasserstoffe), die einen vergleichbaren Siedepunkt hätten, mitgeschleppt werden. In jedem Fall seien es Verbindungen, die nicht als leicht flüchtige Lösungsmittel im Sinne einer BK 1317 gelten. Bekanol H beispielsweise siede im Bereich 182 bis 205 °C. Benzol als einfachste aromatische Verbindung siede bei 80 °C, Toluol bei 111 °C, d.h. diese Verbindungen könnten nicht enthalten sein. Die Produkte wie nichtwassermischbare KSS oder Bekanol H seien keine chemisch 100% gleich zusammengesetzte Stoffgemische, sondern unterlägen fertigungstechnisch gewissen Toleranzen.
Mit Auskunft vom 10.11.2016 hat die Firma B.-K. zum Produkt Bekanol H mitgeteilt, dieses bestehe aus 100% Kohlenwasserstoffen, C 11 bis C 12 Iso-Alkanen und ( 2% Aromaten. Eine CAS-Nummer sei nicht angegeben, sondern die EG-Nummer 918-167-1. Diese sei ebenso eindeutig wie eine CAS-Nummer. Die Rezeptur habe sich zwischen 1990 und Dezember 2011 nicht geändert. Der tatsächliche Gesamtaromatengehalt werde mit einer UV-Methode bestimmt und liege bei Bekanol H typischerweise immer ( 0,01%. Aufgrund der Siedelage und der vollständigen Hydrierung enthalte Bekanol H polycyclische Aromaten nicht oder höchstens in einer nicht relevanten Größenordnung.
Prof. Dr. M.-S. hat mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 09.07.2017 ausgeführt, er halte eine Ableitung des Krankheitsbildes einer toxischen Enzephalopathie mit Schweregrad IIB (leichte chronisch-toxische Enzephalopathie) auf Basis der von Prof. Dr. F.-B. und Prof. Dr. H. angeführten psychometrischen Verfahren nicht für gerechtfertigt. Ausweislich des BK-Reports 2/2007 zur BK 1317 handele es sich bei den Listenstoffen nach BK 1317 um niedermolekulare Kohlenwasserstoffe mit niedrigem Siedepunkt, die eine maßgebliche inhalative und dermale Aufnahme erwarten lassen und deren neurotoxisches Potential durch wissenschaftliche Studien belegt ist. Demgegenüber sei eine pauschale Aussage, dass auch längerkettige und schwer flüchtigere Kohlenwasserstoffe (wie in Bekanol H) ein neurotoxisches Potential besitzen, obwohl es hierzu eher gegenteilige Erkenntnisse gebe, aus wissenschaftlicher Sicht nicht zu rechtfertigen. Zwar sei ein tumorauslösender und nervenschädigender Effekt von BTX-Aromaten wie Benzol, Toluol und Xylol vollkommen unstrittig, aliphatische oder verzweigte längerkettige Kohlenwasserstoffe seien toxikologisch jedoch gänzlich anders zu bewerten als diese und andere Listenstoffe nach BK 1317.
Mit seiner Stellungnahme dazu hat der Kläger einen Analysenbericht des Bremer Umweltinstituts über eine Baumaterialprobe (technisches Entfettungsmittel) mit einer Einwaage von 7,3 mg vorgelegt, der im Februar 2017 erstattet worden ist. Er hat dazu vorgetragen, es handele sich um eine Analyse von Bekanol H, aus der sich u.a. ergebe, dass dieses 5.100 mg/kg 2-Butanon, welches neurotoxisch wirke, enthalte.
Am 24.04.2018 hat der Leiter der Gutachtenstelle der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H., Prof. Dr. M., ein weiteres Gutachten erstattet. Dem zugrunde lag ein klinisch-neurophysiologischer Befundbericht, den PD Dr. W. am 19.02.2018 erstattet hat. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, die klinisch-neurophysiologische Befundkonstellation spreche für das Vorliegen einer fortgeschrittenen, distal-symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie mit axonal demyelinisierendem Läsionsmuster. Die Befunde erlaubten keine Aussage über die zugrundeliegende Ätiologie der sensomotorischen Polyneuropathie, seien aber prinzipiell mit einer toxischen Genese vereinbar.
Außerdem hat die klinische Neuropsychologin Dr. M.-W. am 23.04.2018 ein neuropsychologisches Zusatzgutachten erstattet. Sie hat darin eine deutliche Beeinträchtigung im Belastungstest für Konzentrationsleistung und Arbeitsgedächtnis, eine leichte Reduktion der Leistungen der visuo-motorischen Geschwindigkeit, der auditiven und räumlichen Merkspanne und des figuralen Erinnerns sowie einen erhöhten Depressions- und Angstwert in subjektiven Fragebögen zum psychischen Befinden beschrieben. In einem subjektiven Fragebogen zur Erfassung von Müdigkeit und Erschöpfung habe man eine körperliche und kognitive Fatigue (Müdigkeit) feststellen können.
In seinem Hauptgutachten hat Prof. Dr. M. die festgestellte Gedächtnisstörung (Arbeitsgedächtnis, Merkspanne, Erinnern) diagnostisch als leichte kognitive Beeinträchtigung bezeichnet und das Vorliegen des Vollbildes einer Enzephalopathie beim Kläger definitiv ausgeschlossen. Neurologisch hat er die Diagnose einer sensomotorisch-autonomen distal-symmetrischen Polyneuropathie mit axonal demyelinisierendem Läsionsmuster gestellt, deren toxische Genese zwar möglich sei, von ihm aber als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt worden ist. Das Syndrom einer leichten kognitiven Beeinträchtigung sei ätiologisch völlig unspezifisch; zahlreiche konkurrierende Ursachen kämen hierfür in Frage.
Prof. Dr. F.-B. hat sich in seiner auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Abs. 1 SGG erstatteten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.06.2018 sowohl mit dem Urteil des SG als auch der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. M.-S. und dem Gutachten von Prof. Dr. M. samt den dazugehörigen Zusatzgutachten inhaltlich auseinandergesetzt. Er hat im Ergebnis eine Anerkennung des Begehrens des Klägers auf Anerkennung einer Berufskrankheit empfohlen, weil mehr für als gegen die hinreichend nachgewiesene Wahrscheinlichkeit spreche, dass bei ihm eine berufsbedingte Schädigung des gesamten Nervensystems durch chronische neurotoxische Einwirkungen vorliege, die nur an seinem Arbeitsplatz vorgelegen hätten. Eine Aufnahme sei sowohl inhalativ erfolgt als auch durch Hautrisse an den Händen, die Hautschädigungen aufgewiesen hätten.
Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2019 hat für den Kläger neben dessen Prozessbevollmächtigtem auch Dr. T. M. als "toxikologischer Berater" des Klägers Ausführungen gemacht. Unmittelbar nach der Verkündung des Urteilstenors, noch vor der Mitteilung der Entscheidungsgründe, hat der Kläger alle Mitglieder des Senats einschließlich der ehrenamtlichen Richter als befangen abgelehnt.
Entscheidungsgründe:
A. Soweit der Kläger nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung unmittelbar nach Verkündung des Urteilstenors und noch vor Mitteilung der Entscheidungsgründe alle Mitglieder des Senats einschließlich der ehrenamtlichen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, ist dieser Antrag aus mehreren Gründen offensichtlich unzulässig und kann abweichend von § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO vom Senat in der vom Geschäftsverteilungsplan bestimmten Besetzung unter Mitwirkung der Richter, die der Kläger für befangen hält, zurückgewiesen werden.
1. Über ein offensichtlich unzulässiges Befangenheitsgesuch kann das Gericht ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter entscheiden, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert. Um ein solches offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch handelt es sich bei der pauschalen Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (BSG, Beschluss vom 07.09.2016 – B 10 SF 2/16 C –, juris). Das Ablehnungsgesuch des Klägers wurde zudem ausgehend vom Zeitpunkt der Beantragung unmittelbar nach Verkündung des - die Berufung des Klägers zurückweisenden - Urteilstenors ersichtlich zu verfahrensfremden Zwecken gestellt. Der Kläger hat, indem er mit seinem Antrag bis nach Verkündung der Entscheidung zugewartet hat, eine Ablehnung der gesamten Richterbank wegen der Besorgnis der Befangenheit davon abhängig gemacht, ob die Hauptsacheentscheidung für ihn günstig ausfällt oder nicht.
2. Der Antrag wurde verspätet gestellt. Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Jedenfalls dann, wenn der Beteiligte - wie hier - es versäumt, das Ablehnungsgesuch spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend zu machen (BSG, Beschluss vom 05.02.2008 - VIII ZB 56/07, NJW-RR 2008, 800-801 -, juris; restriktiver K. in: Meyer-Ladewig/K./Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 60 Rn. 11a), hat dies den Verlust des Ablehnungsrechts zur Folge.
B. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, nachdem Berufungsausschließungsgründe (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht eingreifen.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet.
I. Die Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Anerkennung einer BK Nr. 1317 der Anlage 1 zu BKV zu verpflichten, ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils Rn. 11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274; BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 17.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2013, mit dem die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt hat. Dabei gehen die Beteiligten zutreffend übereinstimmend davon aus, dass die Entscheidung der Beklagten sich nicht auf die Ablehnung der zunächst allein geltend gemachten Polyneuropathie als BK Nr. 1317 beschränkt hat, sondern umfassend war und das in Verfügungssatz 1 des Bescheides vom 17.10.2012 ausdrücklich genannte Krankheitsbild der Enzephalopathie ebenfalls umfasst hat. Das SG hat hiernach die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen, soweit diese zuletzt ausdrücklich auch auf die Anerkennung einer Enzephalopathie als BK gerichtet war.
II. Gleichwohl hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Weder eine Enzephalopathie noch eine Polyneuropathie sind als BK anzuerkennen, da ihre Verursachung durch beruflich bedingte Einwirkungen nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Die Anerkennung der erstmals im Jahre 2012 geltend gemachten BK richtet sich nach den Vorschriften des SGB VII. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der hier streitigen BK ist § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 1317 der Anl. 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623). Nach § 9 Abs. 1 S 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 13/17 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 9 m.w.N., juris) ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie, dass eine Krankheit vorliegt. Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht worden sein (haftungsbegründende Kausalität). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen. Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK.
Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit. Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG Urteil vom 27.06.2017 - B 2 U 17/15 R - SGb 2018, 500 ff. -, Rn. 13, juris).
Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 1317 wie folgt: "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische".
1. Der Kläger gehört zum versicherten Personenkreis. Er übt seit September 1978 versicherungspflichtige Beschäftigungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) als Zerspanungsmechaniker bzw. Zerspanungsmechanikermeister aus. Er arbeitete und arbeitet noch an Drehmaschinen. Bei der Firma B. bearbeitet der Kläger Buntmetalle, Stahl, Aluminium und Messing an Längsdrehautomaten. Er hat dabei Kontakt zu Kühlschmierstoffen (im Folgenden: KSS) und Reinigungsmitteln zur Entfettung der bearbeiteten Teile.
2. Der Kläger war durch die versicherte Tätigkeit auch Einwirkungen durch organische Lösungsmittel und ihre Gemische i.S.d. BK 1317 ausgesetzt. Der Kläger hatte an seinen Arbeitsplätzen bei der Fa. H. (September 1979 bis März 1990), der A. AG (April 1990 bis Dezember 1990) und der Firma B. Präzisionsdrehteile GmbH & Co. KG (seit Januar 1991) Kontakt zu Kühlschmierstoffen (im Folgenden: KSS) und Reinigungsmitteln, die zum Abspülen/Entfetten der bearbeiteten Metalle dienen.
Von September 1979 bis ca. 1982 bestand eine tägliche Exposition gegenüber Trichlorethen (Tri), einem in der Wissenschaftlichen Begründung zur BK 1317 als neurotoxisch bezeichneten organischen Lösungsmittel (vgl. BK-Report 1/2018 zur BK 1317, herausgegeben vom Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.); der Umgang bestand täglich. Ausgehend von den Angaben des Klägers erfolgte eine dermale und inhalative Exposition, deren Höhe sich, wie der Diplom-Chemiker H. in seiner Stellungnahme Arbeitsexposition vom 02.12.2016 ausgeführt hat, retrospektiv nicht mehr exakt ermitteln lässt. Etwa 1982 wurde dieser Stoff dann durch Petroleum und andere wasserstoffbasierte Reiniger ersetzt.
Bis zum Jahr 2000 wurden ausweislich der Angaben des Klägers im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. M. am 12.02.2018 Reiniger auf Petroleumbasis eingesetzt. Von etwa 2000 bis Dezember 2011 bestand eine tägliche Exposition gegenüber dem Stoffgemisch Bekanol H, welches in einem geringen Anteil von unter 0,01% bis maximal 0,5 % auch aromatische Kohlenwasserstoffe enthält. Die fertigen Teile wurden mit dem Reinigungsmittel gesäubert (ca. 25 bis 100 Teile pro Schicht); hierbei bestand Hautkontakt. Seit 2012 wird als Reiniger das Produkt "Bio Circle L", welches keine Gefahrstoffe enthält eingesetzt. Bei der Ausübung seiner Tätigkeiten wurden Hand- oder Atemschutz nicht verwendet.
Es bestand darüber hinaus stets Kontakt zu KSS. Bei der Firma B. wurde bis Mitte 2016 das Produkt BEKU Spezialöl 615 GTL verwendet, seither BEKANOL S 716 H.
3. Der Senat ist davon überzeugt, dass beim Kläger eine sensomotorisch-autonome distal-symmetrische Polyneuropathie mit axonal demyelinisierendem Läsionsmuster besteht. Diese ist klinisch erstmals im September 2011 aufgetreten und besteht seit November 2011 dauerhaft (vgl. Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M.-S. vom 01.03.2016, Befundbericht der Neurologischen Klinik der UKT vom 18.06.2012). Ob, wie vorliegend von den Sachverständigen mit unterschiedlichen Ergebnissen diskutiert, die leichte kognitive Beeinträchtigung des Klägers tatsächlich eine leichte Enzephalopathie vom Typ IIB darstellt, lässt der Senat offen. Denn selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt, ist die versicherte Tätigkeit und die damit verbundenen Einwirkungen gegenüber KSS und Reinigern, hier insbesondere Trichlorethen von September 1979 bis ca. 1982 und Bekanol H von ca. 2000 bis Dezember 2011, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit "conditio sine qua non" für ihre Entstehung (Zurechnungszusammenhang der 1. Stufe).
4. Der Senat sieht es gestützt auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. M.-S. sowie die arbeitsmedizinischen Stellungnahmen des Beratungsarztes Dr. W., das Schreiben des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung an der Ruhr-Universität B. vom 26.10.2015 (Prof. Dr. M./PD Dr. Z.) an die Beklagte und die Stellungnahmen des Mitarbeiters des Präventionsdienstes der Beklagten, Dipl.-Chem. H., zur Arbeitsplatzexposition des Klägers, die der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), nicht als wahrscheinlich an, dass die beim Kläger nachgewiesene Polyneuropathie oder eine leichte Enzephalopathie durch eine beruflich bedingte Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische i.S. einer BK 1317 im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht worden sind. Das haben die Genannten auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R, Rn. 28), den aktuell insbesondere der dritte BK-Report der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. zur BK 1317 (BK-Report 1/2018) dokumentiert, widerspruchsfrei und überzeugend dargelegt.
a) Von den KSS und Reinigern, zu denen der Kläger beruflich bedingt Kontakt hatte, wirkt nur Trichlorethen gesichert neurotoxisch. Es handelt sich dabei um ein in der Wissenschaftlichen Begründung zur BK 1317 aufgeführtes neurotoxisches Lösungsmittel.
b) Die KSS, gegenüber denen der Kläger exponiert war, sind demgegenüber keine Lösungsmittel i.S. einer BK 1317, wie Dipl.-Chem. H. in der "Stellungnahme Arbeitsplatzexposition" vom 02.12.2016 überzeugend ausgeführt hat. Es handelt sich bei den Produkten BEKU Spezialöl S 716 H und Bekanol S 716 H um Gemische höherkettiger ()C11) verzweigter, zyklischer und linearer Kohlenwasserstoffe.
c) Eine neurotoxische Wirkung des unter dem Namen "Bekanol H" vertriebenen Stoffgemischs ist wissenschaftlich nicht gesichert. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten sowie die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. M.-S. sowie die sämtlich im Urkundsbeweis verwerteten Ausführungen des Arbeitsmediziners Dr. W., des Dipl.-Chemikers H. und von Prof. Dr. M./PD Dr. Z ...
Bekanol H ist ein langkettiges Kohlenwasserstoffgemisch mit Kettenlängen zwischen C11 und C14 (d.h. Isoalkane im Bereich von 11-14 Kohlenstoffatomen). Es enthält einen herstellungsbedingten Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen ("Aromaten"), der im Sicherheitsdatenblatt mit Druckdatum 17.03.2011 mit "unter 2%" angegeben ist. Tatsächlich beträgt der Anteil jedoch deutlich weniger. Dies geht sowohl aus der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition des Dipl.-Chem. H. vom 02.12.2016 ("in der Praxis eher bei weniger als 0,5%") hervor als auch aus der Auskunft der Lieferfirma vom 10.11.2016 ("typischerweise immer ( 0,01%"). Auch im vom Kläger selbst vorgelegten Sicherheitsdatenblatt (Stand 01.02.2011, Druckdatum 01.02.2012) ist nur ein Gesamtaromatengehalt von typischerweise weniger als 0,01 % angegeben. Hiervon ist auszugehen. Nach allem ist der Anteil mit weniger als 0,5 % anzunehmen. Aufgrund der Aussagen der Lieferfirma, des Dipl.-Chem. H. und des Sicherheitsdatenblattes vom 01.02.2012 ist der Wert in der Regel mit 0,01 % anzunehmen und kann aufgrund herstellungsbedingter Toleranzen schwankten, bleibt aber (0,5 %.
Eine neurotoxische Wirkung von Bekanol H ist nicht erwiesen. So haben Prof. Dr. M. und PD Dr. Z. (Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität B.) in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2015 dargelegt, dass ausgehend von der wissenschaftlichen Begründung der BK 1317 (BArbBl. 9/1996, S. 44 ff.) neurotoxische Wirkungen insbesondere von Lösemittelgemischen mit hohen Anteilen an aromatischen Kohlenwasserstoffen und niedermolekularen kettenförmigen (aliphatischen) Kohlenwasserstoffen erzeugt werden. Demgegenüber sind die in den Sicherheitsdatenblättern von Bekanol H ausgewiesenen Alkane langkettige und im Gegensatz zu n-Alkanen verzweigte Kohlenwasserstoffe; die Cycloalkane sind ringförmige Kohlenwasserstoffe, die im Gegensatz zu aromatischen Kohlenwasserstoffen mit Wasserstoffatomen an den Kohlenstoffatomen gesättigt sind und deshalb im Gegensatz zu Aromaten keine Doppelbindungen aufweisen. Ihnen waren keine Studien oder wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich einer neurotoxischen Wirkung dieser Stoffe bekannt. Entsprechendes ergibt sich aus der Stellungnahme vom 09.07.2017 von Prof. Dr. M.-S ... Auch er hat herausgestellt, dass es sich bei den in Bekanol H enthaltenen Inhaltsstoffen um längerkettige Kohlenwasserstoffe (Processing Solvents) mit höheren Siedepunkten und geringer Toxizität handelt, die weder als Listenstoffe einer BK 1317 aufgeführt sind, noch arbeitsmedizinisch bisher durch neurotoxisches Potential auffielen. Schließlich hat Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 08.12.2012 Hinweise für ein neurotoxisches Potential dieser Stoffe verneint, ebenfalls hat PD Dr. M. (Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum T., Schreiben an das SG vom 22.11.2013) keine Anhaltspunkte für schädigende Wirkungen langkettiger Fettalkohole ab einer Kettenlänge von 10 C-Atomen, die nicht als mutagen, karzinogen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind, mitteilen können.
Auch aus dem Merkblatt zur BK 1317 (BArbBl 2005 H. 3 S. 49) und dem aktuellen BK-Report 1/2018 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. zur BK 1317 ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Neurotoxizität des Gemisches Bekanol H. Da es sich um ein Gemisch handelt, das aus mehreren chemischen Stoffen besteht und jedem chemischen Stoff zum Zwecke der Identifizierung nur eine "CAS-Nummer" zugeordnet wird (DGUV, BK-Report 1/2018, BK 1317, S. 11), erfolgt die Registrierung des Gemisches Bekanol H gemäß der Verordnung (EG) 1907/2006 ((REACH), vgl. BK-Report 1/2018 a.a.O. S. 68 ff.). Für keine der von der Erhard B.-K. GmbH mitgeteilten oder aus den Sicherheitsdatenblättern zu Bekanol H ersichtlichen EG-Nummern (REACH) bestehen aktuell Hinweise für eine Verunreinigung mit n-Hexan, n-Heptan oder Xylol (a.a.O., Seite 71).
Eine mögliche Verunreinigung des durch Destillation gewonnenen Produktes durch einen geringen Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen ist nicht ausreichend, um daraus eine neurotoxische Wirkung abzuleiten. Prof. Dr. M. und PD Dr. Z. haben sich dahingehend eingelassen, dass der Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen im Bekanol H "offensichtlich vernachlässigbar" ist. Der Sachverständige Prof. Dr. M.-S. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass der geringe Lösungsmittelanteil in Bekanol H ohne wissenschaftlich gesicherten neurotoxischen Effekt ist. Diese Einschätzung sieht der Senat hier vor dem Hintergrund, dass der Siedepunkt von Bekanol H bei 182-205° Celsius liegt und nur aromatische Kohlenwasserstoffe "mitgeschleppt" werden können, die einen vergleichbaren Siedepunkt haben, wie Dipl.-Chem. H. in seiner Stellungnahme vom 02.12.2016 ausgeführt hat, als überzeugend an. Denn sämtliche Kohlenwasserstoffe, die ausweislich des Merkblattes zur BK 1317 (BArbBl 2005 H. 3 S. 49) gesichert neurotoxisch wirken (Benzol, Toluol, Xylol, Styrol) haben von Bekanol H deutlich abweichende Siedepunkte. Dieser liegt für das von Dipl.-Chem. H. ausdrücklich genannte Benzol und Toluol bei ca. 80° C (Benzol) bzw. 111° C (Toluol), für Styrol bei 145,1° C und Xylol bei 138,4 bis 144,4° C (DGUV, BK-Report 1/2018, BK 1317, S. 14 ff. [15/16]).
Da die Zusammensetzung von Bekanol H herstellungsbedingt variiert, lässt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Analysenbericht des Bremer Umweltinstituts vom Februar 2017 einer Baustoffprobe gerade nicht der Rückschluss ziehen, dass das dort als weiterer Inhaltsstoffen mit 5.100 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) aufgeführte Keton "2-Butanon" auch in dem vom Kläger während der Expositionszeit verwendeten Bekanol H in der genannten Konzentration enthalten war. Dasselbe gilt für die vom Kläger im Schriftsatz vom 05.10.2017 daneben angeführten Alkylcycloalkane, Isoalkane C6-C16 und Nonan (C9). d) Soweit Prof. Dr. M. seiner Kausalitätsbeurteilung die Annahme zugrunde gelegt hat, dass das von ihm festgestellte Fortschreiten der Erkrankung nach Expositionsende - hier also seit 2012 nach Umstellung auf "Biocircle L" als Reiniger - über Monate und Jahre hinweg gegen die Annahme einer beruflichen Verursachung der Polyneuropathie des Klägers spricht, folgt dem der Senat nicht. Der Kläger hat dagegen zu Recht eingewandt, dass diese Auffassung nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R, Rn. 28). Denn lösungsmittelbedingte Polyneuropathien verbessern sich laut dem Merkblatt zur BK 1317 (BArbBl 2005 H. 3 S. 49) nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit zwar häufig, nicht selten bleibt die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie jedoch klinisch nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit konstant oder verschlechtert sich. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus.
Gleichwohl sieht der erkennende Senat eine Verursachung der beim Kläger erstmals im Jahr 2011 dokumentierte Polyneuropathie, die sich ausweislich der von Prof. Dr. M. durchgeführten Untersuchungen seit 2012 verschlimmert hat, durch beruflich bedingte Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln i.S.d. BK 1317 nicht als wahrscheinlich an. Hinsichtlich der Exposition gegenüber dem neurotoxisch wirkenden Lösungsmittel Trichlorethen (Tri) von 1979 bis ca. 1982 fehlt es an dem laut dem Merkblatt zur BK 1317 erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen Exposition und der Entstehung der erstmals 2011 dokumentierten Krankheit. Wie Prof. Dr. M.-S. in seiner Stellungnahme vom 09.07.2017 dargelegt hat, kann die Exposition gegenüber Trichlorethen deshalb keine Relevanz für die erstmals 2011 aufgetretene Polyneuropathie haben. Da eine Neurotoxizität des unter dem Namen Bekanol H gehandelten Stoffgemischs nicht feststellbar ist, ist auch insoweit ein Zusammenhang zwischen der Exposition von 2000 bis 2011 und der Entstehung der Polyneuropathie nicht wahrscheinlich. Gleiches gilt für eine erstmals 2014 von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. F.-B. diskutierte Enzephalopathie.
4. Die abweichenden Schlussfolgerungen von Prof. Dr. F.-B., der angenommen hat, dass beim Kläger eine lösemittelinduzierte toxische Enzephalopathie des Schweregrades IIB und toxische Polyneuropathie vorliegen, die wahrscheinlich infolge beruflich verursachter Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln entstanden seien, sind nicht schlüssig begründet, so dass sie nicht Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein konnten.
C. I. Weitere Ermittlungen von Amts wegen durch Einholung weiterer Gutachten oder Stellungnahmen sind nicht erforderlich. Nur wenn ein Gutachten schwere Mängel aufweist, in sich widersprüchlich ist, von unzulässigen Voraussetzungen ausgeht oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachdienlichkeit des Sachverständigen erweckt, könnte die Verpflichtung bestehen, ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl. § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO, BSG, Beschluss vom 23.05.2006 – B 13 RJ 272/05 B –, Rn. 7, juris). Das ist nicht der Fall.
1. Es bestand keine Veranlassung, das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. M.-S. zu "verwerfen", wie vom Kläger beantragt. Die vom Kläger gegen das Gutachten von Prof. Dr. M.-S. und seine ergänzende Stellungnahme erhobenen Einwendungen sind gerade nicht geeignet, zu begründen, dass dessen Gutachten nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Soweit er dies unter Bezugnahme auf eine Studie von MOLHAVE aus dem Jahr 1986 auf die These stützt, "Bereits 1985 bestand wissenschaftlicher Konsens, dass alle VOC-Gemische neurotoxisch sind [ ]", widerspricht dem gerade die wissenschaftliche Begründung zur BK 1317 (BArbBl 9/1996, 44), wonach "für mehrere" (dort im Einzelnen aufgeführte) organische Lösungsmittel aufgrund von epidemiologischen Untersuchungen neurotoxische Wirkungen bekannt sind. Prof. Dr. M.-S. hat seinem Gutachten zutreffend die wissenschaftliche Begründung und das Merkblatt zur BK 1317 aus dem Jahr 2005 zugrunde gelegt. Zum Beleg seiner weiteren Annahmen zur Neurotoxizität von Bekanol H beruft sich der Kläger auf Publikationen von 1999 und 2002, die noch vor der Neufassung des Merkblattes zur BK 1317 aus dem Jahr 2005 veröffentlicht sind und somit dort berücksichtigt werden konnte.
2. Auf das Gutachten von Prof. Dr. M., stützt der Senat seine Überzeugung nicht, sondern unterstellt zugunsten des Klägers, dass die im Jahr 2014 durch Prof. Dr. H. festgestellten Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen dem Krankheitsbild einer leichten Enzephalopathie zuzuordnen sind. Weil es auf die Schlussfolgerungen im Gutachten von Prof. Dr. M. hier aus Rechtsgründen nicht ankommt, war es gleichwohl nicht von vornherein vollumfänglich "zu verwerfen". Denn das Gutachten ist, wenngleich es hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht (s.o.), hinsichtlich der erhobenen Befunde und daraus abgeleiteten Diagnosen durchaus überzeugend begründet.
II. Der Senat hat sich in Ausübung des ihm zustehenden richterlichen Ermessens nicht veranlasst gesehen, die Sachverständigen Prof. Dr. M.-S., Prof. Dr. M. und Prof. Dr. F.-B. zur Erläuterung ihrer Gutachten zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO)). Deren Gutachten sind, auch wenn ihnen in Teilen (Prof. Dr. M.) oder insgesamt (Prof. Dr. F.-B.) nicht gefolgt werden kann, weder unklar noch ergänzungsbedürftig.
III. Auch unter dem Aspekt des Fragerechts der Beteiligten § 118 Abs. 1 Satz 1 und § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402 ZPO) hat der Senat keine Veranlassung gesehen, die Sachverständigen wie vom Kläger beantragt "zur Erläuterung ihrer Gutachten und zur Aufklärung der Divergenzen" zum Termin zu laden. Zwar sind hiernach die Beteiligten berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten.
Jedoch ist Prof. Dr. M.-S. bereits schriftlich zu den vom Kläger erhobenen Einwendungen angehört worden, was zur Wahrung des Anhörungsrechts der Beteiligten auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausreichend ist (vgl. Beschluss des BVerfG vom 02.05.2018 - 1 BvR 2420/15, NZS 2018, 859 f.). Zum Gutachten von Prof. Dr. M. hat der Kläger weder Fragen noch erläuterungsbedürftige Punkte konkret bezeichnet, die in einem Gutachten klärungsbedürftig sind, sondern in schriftsätzlichen Stellungnahmen Kritik am Maßstab der Begutachtung und den Schlussfolgerungen geäußert, die der Senat seiner Entscheidung aus Rechtsgründen nicht zugrunde gelegt hat. Prof. Dr. F.-B. hat im Verfahren die abschließende gutachterliche Stellungnahme erstattet und konnte daher auf alle vorher geäußerten Einwendungen der von Amts wegen bestellten Sachverständigen gegen seine Schlussfolgerungen eingehen. Gegen sein Gutachten hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.
Der Umstand, dass die Sachverständigen in ihren Gutachten zu divergenten Ergebnissen kommen, vermag das Erfordernis einer Anhörung der Sachverständigen nicht zu begründen. Vielmehr gehört die Würdigung unterschiedlicher Gutachtensergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Das Gericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit den entgegenstehenden Ergebnissen inhaltlich auseinander zu setzen (K. in: Meyer-Ladewig/K./Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 128 Rn. 7, 7e), wie obenstehend erfolgt.
Hiernach war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ((BKV), Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische, im Weiteren: BK 1317).
Der 1961 geborene Kläger erlernte ab September 1979 den Beruf des Zerspaners und ist seither im erlernten Beruf beschäftigt, aktuell (seit Januar 1991) als Zerspanungsmechaniker-Meister in der Automatendreherei der Firma B. Präzisionsdrehteile GmbH & Co. KG.
Mit Schreiben vom 05.04.2012 zeigte der Hausarzt des Klägers Dr. K. gegenüber der Berufsgenossenschaft Holz und Metall den Verdacht einer Berufskrankheit an. Er berichtete von einer Polyneuropathie unklarer Genese mit Sensibilitätsstörungen in beiden Beinen und äußerte den Verdacht, dass das Lösungsmittel Bekanol H ursächlich für seine Beschwerden sein könne, da dieses in der Nähe seines Arbeitsplatzes ungeschützt ausdünste. Beigefügt war ein stationärer Entlassungsbericht des V.-Hospitals vom 19.03.2012, in welchem von strumpfförmigen Sensibilitätsstörungen an beiden Beinen berichtet und u.a. die Diagnose einer Polyneuropathie unklarer Genese genannt wurde. Der Kläger selbst erklärte mit Schreiben vom 16.04.2012, bei ihm habe sich aufgrund jahrzehntelanger Kontamination mit einem Lösungsmittel (Bekanol H) eine Polyneuropathie entwickelt. Sein Arbeitgeber habe sofort reagiert und für ihn ein biologisches Reinigungsmittel besorgt. Nach einer weiteren Arbeitswoche habe er dann endlich mit dem neuen Mittel arbeiten können. Nach weiteren zwei Wochen habe der Hausarzt die Wiedereingliederung abgebrochen, da sich seine Beschwerden erneut verschlimmert hätten.
Nach Abgabe des Verfahrens von der erstangegangenen Berufsgenossenschaft Holz und Metall an die Beklagte berichtete der Kläger mit Erklärung vom 08.05.2012 von seit über 30 Jahren bestehendem täglichem Lösungsmittelkontakt (Haut und Atemwege). Über 50 bis 60 Mal täglich müssten Fertigungsteile zur Kontrolle entfettet werden. Das restliche Lösungsmittel werde mit Druckluft weggeblasen. Der Behälter mit dem Lösungsmittel habe vom Messplatz 50 cm entfernt gestanden. Der Kläger berichtete außerdem, dass in seinem früheren Ausbildungsbetrieb Ende der 1970er Jahre noch ein Lösungsmittel namens "Tri" (Trichlorethen) verwendet worden sei.
Der Arbeitgeber des Klägers teilte mit Erklärung vom 13.06.2012 mit, dieser sei dort seit Januar 1991 als Zerspanungsmechanikermeister in der Automatendreherei beschäftigt und habe pro Schicht ca. zwei Stunden Kontakt mit dem Lösungsmittel Bekanol H durch Hautberührung und Einatmen der Dämpfe gehabt. Seit Januar 2012 werde ein anderes Reinigungsmittel eingesetzt. Gemäß dem beigefügten Sicherheitsdatenblatt (Stand 01.02.2011) handelt es sich bei dem Produkt Bekanol H um ein isoparaffinisches Kohlenwasserstoffgemisch, das flüssig und farblos ist. Im Sicherheitsdatenblatt wird die Substanz weder als toxisch, noch als hautätzend oder hautreizend noch als augenschädigend eingestuft.
Aus einem von Dr. K. zur Akte gereichten Befundbericht des Universitätsklinikums T. (neurologische Klinik) vom 18.06.2012 ergibt sich die Diagnose einer achsonalen sensibel betonten distalen symmetrischen Polyneuropathie unklarer Genese. Erwogen wurde vom Assistenzarzt Dr. F. eine toxische Genese in Zusammenhang mit der Exposition mit Bekanol H und/oder einem möglichen vor Herbst 2011 nach Aussage von Dr. K. stattgefundenem Alkoholkonsum.
Mit Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 24.07.2012 kam der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Chem. H. zu dem Ergebnis, dass über eine Einwirkung durch das Lösungsmittel Tri von 1979 bis etwa 1982 hinaus keine Exposition durch Lösungsmittel im Sinne der BK 1317 zu ermitteln gewesen sei. Das Reinigungsmittel Bekanol H sei kein Listenstoff entsprechend dem Merkblatt zur BK 1317. Neurotoxische Wirkungen würden in der Literatur nicht beschrieben.
Mit Gewerbeärztlicher Feststellung vom 28.08.2012 schlug der Staatliche Gewerbearzt Dr. Seeger eine BK 1317 nicht zur Anerkennung vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Mit Bescheid vom 17.10.2012 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger keine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Berufskrankheitenliste bestehe. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Der Kläger sei nach den Ermittlungen der Beklagten während seiner Berufstätigkeit keinen Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die geeignet gewesen seien, eine Berufskrankheit zu verursachen. Hierbei stützte sie sich im Wesentlichen auf die Stellungnahme ihrer Präventionsabteilung zur Arbeitsplatzexposition.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und beantragte, ein arbeitsmedizinisches Gutachten in Auftrag zu geben.
Mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 08.12.2012 erklärte der Facharzt für Arbeitsmedizin, Allergologie und Umweltmedizin Dr. W., Bekanol H sei ein Gemisch aus größeren Kohlenwasserstoffverbindungen, die gegenüber den bekannten neurotoxischen organischen Lösungsmitteln wie n-Hexan oder n-Heptan zum einen größer seien und zum anderen etwas verzweigt. Diese Art von Lösemittelgemischen sei bisher nicht als Verursacher einer peripheren Polyneuropathie bekannt geworden. Ihm seien keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bekannt, die Isoalkane der Größen C 11 bis C 14 als Verursacher einer peripheren Polyneuropathie gefunden hätten. Diese könne sich auch ohne erkennbare Ursache entwickeln.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2013 wies die Beklagte hierauf den Widerspruch des Klägers zurück.
Zur Begründung der am 08.04.2013 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, das jahrelange Einatmen des Lösungsmittels Bekanol H und dessen Inkorporation über die Haut habe schädigend auf das periphere Nervensystem gewirkt und hierdurch eine Polyneuropathie ausgelöst. Die CAS-Nummer für Bekanol H laute 90622-58-5, sie werde aber von der Herstellerfirma im Sicherheitsdatenblatt nicht angegeben. Aus dieser Nummer ergebe sich, dass ein unter dem Namen "Verdünnung AF 631" von einem anderen Hersteller vertriebenes Produkt mit Bekanol H identisch sei. Dort gebe der Hersteller im Sicherheitsdatenblatt an, dass das Einatmen oberhalb der AGW- oder MAK-Grenzwerte zu Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems führen könne.
Die Beklagte hat auf den BK-Report zur Berufskrankheit Nr. 1317 verwiesen, wonach nur einige wenige Listenstoffe wie n-Hexan und 2-Hexanon in der Lage seien, eine Polyneuropathie zu verursachen. Bekanol H beinhalte diese Stoffe nicht.
Das SG hat nach Anhörung der behandelnden Ärzte, des Neurologen und Psychiaters Sch., des Orthopäden Dr. D. und des Hausarztes Dr. K., Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft bei PD Dr. M., Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums T., der unter dem 22.11.2013 erklärt hat, dass es nach seiner Recherche in Literatur- und Datenbanken und Sicherheitsblättern für einen ursächlichen Zusammenhang einer 1-Dekanol-Exposition und einer daraus möglicherweise resultierenden Polyneuropathie keinerlei Anhaltspunkte gebe. Langkettige Fettalkohole ab einer Kettenlänge von 10-C-Atomen hätten laut Literatur weder auf neuronale Rezeptoren in Zellkulturen noch auf das Nervensystem im Tierversuch schädigende Wirkungen. Auch einen Hinweis auf eine mögliche Ausbildung einer Polyneuropathie beim Menschen habe er nicht finden können.
In einem auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 SGG erstatteten neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 29.08.2014 hat Prof. Dr. H. kognitive Defizite im Sinne von Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen beschrieben, ebenfalls deutliche Anzeichen einer psychisch hoch belasteten und sehr introvertierten Persönlichkeit und Anhaltspunkte für eine depressive Symptomatik. Die festgestellten Symptome entsprächen nicht nur dem Krankheitsbild einer Polyneuropathie, sondern deuteten zudem auch auf eine toxische Enzephalopathie hin. In Frage komme aus neuropsychologischer Sicht nur der Typ IIB (leichte chronisch-toxische Enzephalopathie).
Prof. Dr. F.-B. ist in seinem ebenfalls nach § 109 Abs. 1 SGG erstatteten Gutachten vom 10.09.2014 zu dem Ergebnis gekommen, das Vorliegen einer BK Nr. 1317 bei Fehlen anderer Ursachen, die für das Nicht-Vorliegen sprächen, sei aufgrund multipler Evidenz begründet. Beim Kläger lägen sowohl eine toxische Polyneuropathie als auch eine toxische Enzephalopathie vor, deren irreversibler Verlauf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Exposition gegenüber neurotoxischen Substanzen am Arbeitsplatz, insbesondere Bekanol H, zurückzuführen sei. Dessen Zusammensetzung ergebe einen Anteil von Aromaten in Höhe von mehreren Prozent mit eindeutisch neurotoxischen Wirkungen bezüglich chronischer Neuropathien einschließlich Enzephalopathien. Spröde und rissige Haut habe zur verstärkten Aufnahme von Bekanol H in den Blutkreislauf führen können.
Die Beklagte ist diesem Gutachten unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 14.11.2014 entgegengetreten. Der Anteil von Aromaten in Bekanol H betrage nicht mehrere Prozent, sondern nach den Sicherheitsdatenblättern jedenfalls unter 2%. Auch über rissige Haut seien größere Isoalkane C 11 bis C 13 nur gering resorbierbar. Konzentrationsstörungen könnten ihre Ursache im Schlafmangel haben, denn der Kläger habe angegeben, vor der Untersuchung nur vier Stunden geschlafen zu haben.
Mit ergänzender Stellungnahme vom 12.12.2014 hat Prof. Dr. F.-B. an der von ihm vertretenen Auffassung festgehalten und diese argumentativ weiter unterlegt.
Die Beklagte hat hierauf ein Schreiben des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung an der Ruhr-Universität B. vom 26.10.2015 (Prof. Dr. M./PD Dr. Z.) vorgelegt, wonach es sich bei den in Bekanol H enthaltenen Kohlenwasserstoffen angesichts der Diktion in den Sicherheitsdatenblättern ausschließlich um Isoalkane im Bereich von 11 bis 14 Kohlenstoffatomen sowie Cycloalkane gehandelt habe. Für diese lasse sich eine neurotoxische Wirkung nicht begründen. Den Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen in Bekanol H bezeichneten die Autoren des Schreibens als offensichtlich vernachlässigbar.
Prof. Dr. M.-S., ehem. Ärztlicher Direktor des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene, hat in seinem Gutachten vom 01.03.2016 die Diagnose einer axonalen sensibel betonten distalen symmetrischen Polyneuropathie gestellt. Er ist zu dem Ergebnis eines fehlenden ursächlichen Zusammenhangs zwischen der beruflichen Exposition gegenüber Bekanol H und den Beschwerden des Klägers gekommen. Als Grund hat er das Fehlen eindeutiger wissenschaftlicher Hinweise für einen solchen Zusammenhang genannt. Eindeutige gesundheitliche Wirkungen einer Exposition gegenüber C 9 bis C 14-Kohlenwasserstoffgemischen im Sinne einer Neurotoxizität hätten sich aus Studien nicht ableiten lassen.
Auf eine entsprechende Anfrage des SG haben sich die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 29.03.2016 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Nach Entbindung seines vormaligen und Bestellung eines neuen Bevollmächtigten hat der Kläger mit Fax vom 06.04.2016 erklären lassen, dass mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung kein Einverständnis bestehe. Er hat Einwendungen gegen das Gutachten von Prof. Dr. M.-S. erhoben und dessen Ladung in die mündliche Verhandlung zur Aufklärung der Divergenzen zum Gutachten von Prof. Dr. F.-B. beantragt. Er hat zudem anstelle des ursprünglichen Klageantrages, die Beklagte zu verpflichten, die als Polyneuropathie diagnostizierte Krankheit als Berufskrankheit anzuerkennen, nunmehr die Verpflichtung der Beklagten beantragt, die beim Kläger diagnostizierte Krankheit als Berufskrankheit Nr. 1317 der Berufskrankheitenliste (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) anzuerkennen. Auch eine toxische Enzephalopathie sei Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 10.05.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Klage als unzulässig angesehen, soweit der Kläger die Anerkennung einer Enzephalopathie als BK Nr. 1317 begehrt hat. Von der Beklagten sei nur eine Polyneuropathie geprüft worden, während die Diagnose Enzephalopathie erst im Klageverfahren aufgekommen sei. Es fehle deshalb insoweit an einer ablehnenden Entscheidung der Beklagten.
Soweit der Kläger die Anerkennung einer Polyneuropathie als BK 1317 begehrt hat, hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 07.06.2016 Berufung eingelegt. Er hält das Urteil des SG für formell und materiell fehlerhaft. Das SG hätte nach seiner Auffassung seinem Antrag auf Terminsverlegung folgen und eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Außerdem wäre Prof. Dr. M.-S. zur Erläuterung seines Gutachtens in die mündliche Verhandlung zu laden gewesen. Das Urteil sei zudem aus materiellen Gründen nicht haltbar, da es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. M.-S. stütze. Dieser unterschlage den Nachweis einer toxischen Enzephalopathie, übergehe alle für eine Kausalität sprechenden gewichtigen Argumente und unterschlage die Tatsache, dass alle epidemiologischen Untersuchungen mit VOC-Gemischen (Volatile Organic Compounds – flüchtige organische Verbindungen) ein erhöhtes Risiko für eine toxische Enzephalopathie und auch eine toxische Polyneuropathie ergeben hätten. Schließlich sei mangels Mitteilung der CAS-Nummern für Bekanol H nicht festgestellt, welche Stoffe in Bekanol H enthalten seien.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.05.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beim Kläger diagnostizierte Krankheit als Berufskrankheit gemäß Nr. 1317 der Berufskrankheitenliste (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) anzuerkennen, hilfsweise, die Verhandlung zu vertagen und
a) die Gutachten von Prof. Dr. M.-S. vom 01.03.2016 und vom 09.07.2017 und das Gutachten des Prof. Dr. M. vom 24.04.2018 zu verwerfen und hilfsweise b) die Gutachter Prof. Dr. M.-S. und Prof. Dr. F.-B. und Prof. Dr. M. zur Erläuterung ihrer Gutachten und Aufklärung der Divergenzen in die mündliche Verhandlung zu laden.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Stellungnahmen ihrer Präventionsabteilung, des beratenden Arztes Dr. W., des IPA B. und das Gutachten von Prof. Dr. M.-S ... Sie sieht Bekanol H als nicht geeignet an, eine BK Nr. 1317 zu verursachen.
Mit Stellungnahme vom 02.12.2016 hat der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten, der Diplom-Chemiker H., ausgeführt, der Kläger habe im Laufe seiner Beschäftigung Kontakt zu Kühlschmierstoffen (KSS) und Reinigungsmitteln gehabt. Bis auf eine Einwirkung durch das Lösungsmittel Tri von 1979 bis etwa 1982 habe keine Exposition durch Lösungsmittel im Sinne einer BK 1317 ermittelt werden können. Weder wassermischbare KSS noch nichtwassermischbare KSS, wozu das bei der Firma B. bis Mitte 2016 verwendete Produkt Beku Spezialöl 615 GTL ebenso wie das danach verwendete Produkt Bekanol S 716 H gehöre, seien Lösungsmittel im Sinne einer BK 1317. Dasselbe gelte für den Reiniger Bekanol H. Der im Sicherheitsdatenblatt angegebene Aromaten-Anteil sei herstellungsbedingt und liege bei maximal 2%, in der Praxis bei weniger als 0,5%. Die Kohlenwasserstoffe würden durch Destillation in der Regel aus Erdöl (Naphta) gewonnen. Es werde eine Fraktion von Verbindungen in einem bestimmten Siedebereich abgetrennt. Dadurch könnten auch aromatische KWS (Kohlenwasserstoffe), die einen vergleichbaren Siedepunkt hätten, mitgeschleppt werden. In jedem Fall seien es Verbindungen, die nicht als leicht flüchtige Lösungsmittel im Sinne einer BK 1317 gelten. Bekanol H beispielsweise siede im Bereich 182 bis 205 °C. Benzol als einfachste aromatische Verbindung siede bei 80 °C, Toluol bei 111 °C, d.h. diese Verbindungen könnten nicht enthalten sein. Die Produkte wie nichtwassermischbare KSS oder Bekanol H seien keine chemisch 100% gleich zusammengesetzte Stoffgemische, sondern unterlägen fertigungstechnisch gewissen Toleranzen.
Mit Auskunft vom 10.11.2016 hat die Firma B.-K. zum Produkt Bekanol H mitgeteilt, dieses bestehe aus 100% Kohlenwasserstoffen, C 11 bis C 12 Iso-Alkanen und ( 2% Aromaten. Eine CAS-Nummer sei nicht angegeben, sondern die EG-Nummer 918-167-1. Diese sei ebenso eindeutig wie eine CAS-Nummer. Die Rezeptur habe sich zwischen 1990 und Dezember 2011 nicht geändert. Der tatsächliche Gesamtaromatengehalt werde mit einer UV-Methode bestimmt und liege bei Bekanol H typischerweise immer ( 0,01%. Aufgrund der Siedelage und der vollständigen Hydrierung enthalte Bekanol H polycyclische Aromaten nicht oder höchstens in einer nicht relevanten Größenordnung.
Prof. Dr. M.-S. hat mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 09.07.2017 ausgeführt, er halte eine Ableitung des Krankheitsbildes einer toxischen Enzephalopathie mit Schweregrad IIB (leichte chronisch-toxische Enzephalopathie) auf Basis der von Prof. Dr. F.-B. und Prof. Dr. H. angeführten psychometrischen Verfahren nicht für gerechtfertigt. Ausweislich des BK-Reports 2/2007 zur BK 1317 handele es sich bei den Listenstoffen nach BK 1317 um niedermolekulare Kohlenwasserstoffe mit niedrigem Siedepunkt, die eine maßgebliche inhalative und dermale Aufnahme erwarten lassen und deren neurotoxisches Potential durch wissenschaftliche Studien belegt ist. Demgegenüber sei eine pauschale Aussage, dass auch längerkettige und schwer flüchtigere Kohlenwasserstoffe (wie in Bekanol H) ein neurotoxisches Potential besitzen, obwohl es hierzu eher gegenteilige Erkenntnisse gebe, aus wissenschaftlicher Sicht nicht zu rechtfertigen. Zwar sei ein tumorauslösender und nervenschädigender Effekt von BTX-Aromaten wie Benzol, Toluol und Xylol vollkommen unstrittig, aliphatische oder verzweigte längerkettige Kohlenwasserstoffe seien toxikologisch jedoch gänzlich anders zu bewerten als diese und andere Listenstoffe nach BK 1317.
Mit seiner Stellungnahme dazu hat der Kläger einen Analysenbericht des Bremer Umweltinstituts über eine Baumaterialprobe (technisches Entfettungsmittel) mit einer Einwaage von 7,3 mg vorgelegt, der im Februar 2017 erstattet worden ist. Er hat dazu vorgetragen, es handele sich um eine Analyse von Bekanol H, aus der sich u.a. ergebe, dass dieses 5.100 mg/kg 2-Butanon, welches neurotoxisch wirke, enthalte.
Am 24.04.2018 hat der Leiter der Gutachtenstelle der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H., Prof. Dr. M., ein weiteres Gutachten erstattet. Dem zugrunde lag ein klinisch-neurophysiologischer Befundbericht, den PD Dr. W. am 19.02.2018 erstattet hat. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, die klinisch-neurophysiologische Befundkonstellation spreche für das Vorliegen einer fortgeschrittenen, distal-symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie mit axonal demyelinisierendem Läsionsmuster. Die Befunde erlaubten keine Aussage über die zugrundeliegende Ätiologie der sensomotorischen Polyneuropathie, seien aber prinzipiell mit einer toxischen Genese vereinbar.
Außerdem hat die klinische Neuropsychologin Dr. M.-W. am 23.04.2018 ein neuropsychologisches Zusatzgutachten erstattet. Sie hat darin eine deutliche Beeinträchtigung im Belastungstest für Konzentrationsleistung und Arbeitsgedächtnis, eine leichte Reduktion der Leistungen der visuo-motorischen Geschwindigkeit, der auditiven und räumlichen Merkspanne und des figuralen Erinnerns sowie einen erhöhten Depressions- und Angstwert in subjektiven Fragebögen zum psychischen Befinden beschrieben. In einem subjektiven Fragebogen zur Erfassung von Müdigkeit und Erschöpfung habe man eine körperliche und kognitive Fatigue (Müdigkeit) feststellen können.
In seinem Hauptgutachten hat Prof. Dr. M. die festgestellte Gedächtnisstörung (Arbeitsgedächtnis, Merkspanne, Erinnern) diagnostisch als leichte kognitive Beeinträchtigung bezeichnet und das Vorliegen des Vollbildes einer Enzephalopathie beim Kläger definitiv ausgeschlossen. Neurologisch hat er die Diagnose einer sensomotorisch-autonomen distal-symmetrischen Polyneuropathie mit axonal demyelinisierendem Läsionsmuster gestellt, deren toxische Genese zwar möglich sei, von ihm aber als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt worden ist. Das Syndrom einer leichten kognitiven Beeinträchtigung sei ätiologisch völlig unspezifisch; zahlreiche konkurrierende Ursachen kämen hierfür in Frage.
Prof. Dr. F.-B. hat sich in seiner auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Abs. 1 SGG erstatteten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.06.2018 sowohl mit dem Urteil des SG als auch der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. M.-S. und dem Gutachten von Prof. Dr. M. samt den dazugehörigen Zusatzgutachten inhaltlich auseinandergesetzt. Er hat im Ergebnis eine Anerkennung des Begehrens des Klägers auf Anerkennung einer Berufskrankheit empfohlen, weil mehr für als gegen die hinreichend nachgewiesene Wahrscheinlichkeit spreche, dass bei ihm eine berufsbedingte Schädigung des gesamten Nervensystems durch chronische neurotoxische Einwirkungen vorliege, die nur an seinem Arbeitsplatz vorgelegen hätten. Eine Aufnahme sei sowohl inhalativ erfolgt als auch durch Hautrisse an den Händen, die Hautschädigungen aufgewiesen hätten.
Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2019 hat für den Kläger neben dessen Prozessbevollmächtigtem auch Dr. T. M. als "toxikologischer Berater" des Klägers Ausführungen gemacht. Unmittelbar nach der Verkündung des Urteilstenors, noch vor der Mitteilung der Entscheidungsgründe, hat der Kläger alle Mitglieder des Senats einschließlich der ehrenamtlichen Richter als befangen abgelehnt.
Entscheidungsgründe:
A. Soweit der Kläger nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung unmittelbar nach Verkündung des Urteilstenors und noch vor Mitteilung der Entscheidungsgründe alle Mitglieder des Senats einschließlich der ehrenamtlichen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, ist dieser Antrag aus mehreren Gründen offensichtlich unzulässig und kann abweichend von § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO vom Senat in der vom Geschäftsverteilungsplan bestimmten Besetzung unter Mitwirkung der Richter, die der Kläger für befangen hält, zurückgewiesen werden.
1. Über ein offensichtlich unzulässiges Befangenheitsgesuch kann das Gericht ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter entscheiden, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert. Um ein solches offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch handelt es sich bei der pauschalen Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (BSG, Beschluss vom 07.09.2016 – B 10 SF 2/16 C –, juris). Das Ablehnungsgesuch des Klägers wurde zudem ausgehend vom Zeitpunkt der Beantragung unmittelbar nach Verkündung des - die Berufung des Klägers zurückweisenden - Urteilstenors ersichtlich zu verfahrensfremden Zwecken gestellt. Der Kläger hat, indem er mit seinem Antrag bis nach Verkündung der Entscheidung zugewartet hat, eine Ablehnung der gesamten Richterbank wegen der Besorgnis der Befangenheit davon abhängig gemacht, ob die Hauptsacheentscheidung für ihn günstig ausfällt oder nicht.
2. Der Antrag wurde verspätet gestellt. Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Jedenfalls dann, wenn der Beteiligte - wie hier - es versäumt, das Ablehnungsgesuch spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend zu machen (BSG, Beschluss vom 05.02.2008 - VIII ZB 56/07, NJW-RR 2008, 800-801 -, juris; restriktiver K. in: Meyer-Ladewig/K./Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 60 Rn. 11a), hat dies den Verlust des Ablehnungsrechts zur Folge.
B. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, nachdem Berufungsausschließungsgründe (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht eingreifen.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet.
I. Die Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Anerkennung einer BK Nr. 1317 der Anlage 1 zu BKV zu verpflichten, ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils Rn. 11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274; BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 17.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2013, mit dem die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt hat. Dabei gehen die Beteiligten zutreffend übereinstimmend davon aus, dass die Entscheidung der Beklagten sich nicht auf die Ablehnung der zunächst allein geltend gemachten Polyneuropathie als BK Nr. 1317 beschränkt hat, sondern umfassend war und das in Verfügungssatz 1 des Bescheides vom 17.10.2012 ausdrücklich genannte Krankheitsbild der Enzephalopathie ebenfalls umfasst hat. Das SG hat hiernach die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen, soweit diese zuletzt ausdrücklich auch auf die Anerkennung einer Enzephalopathie als BK gerichtet war.
II. Gleichwohl hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Weder eine Enzephalopathie noch eine Polyneuropathie sind als BK anzuerkennen, da ihre Verursachung durch beruflich bedingte Einwirkungen nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Die Anerkennung der erstmals im Jahre 2012 geltend gemachten BK richtet sich nach den Vorschriften des SGB VII. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der hier streitigen BK ist § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 1317 der Anl. 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623). Nach § 9 Abs. 1 S 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 13/17 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 9 m.w.N., juris) ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie, dass eine Krankheit vorliegt. Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht worden sein (haftungsbegründende Kausalität). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen. Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK.
Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit. Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG Urteil vom 27.06.2017 - B 2 U 17/15 R - SGb 2018, 500 ff. -, Rn. 13, juris).
Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 1317 wie folgt: "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische".
1. Der Kläger gehört zum versicherten Personenkreis. Er übt seit September 1978 versicherungspflichtige Beschäftigungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) als Zerspanungsmechaniker bzw. Zerspanungsmechanikermeister aus. Er arbeitete und arbeitet noch an Drehmaschinen. Bei der Firma B. bearbeitet der Kläger Buntmetalle, Stahl, Aluminium und Messing an Längsdrehautomaten. Er hat dabei Kontakt zu Kühlschmierstoffen (im Folgenden: KSS) und Reinigungsmitteln zur Entfettung der bearbeiteten Teile.
2. Der Kläger war durch die versicherte Tätigkeit auch Einwirkungen durch organische Lösungsmittel und ihre Gemische i.S.d. BK 1317 ausgesetzt. Der Kläger hatte an seinen Arbeitsplätzen bei der Fa. H. (September 1979 bis März 1990), der A. AG (April 1990 bis Dezember 1990) und der Firma B. Präzisionsdrehteile GmbH & Co. KG (seit Januar 1991) Kontakt zu Kühlschmierstoffen (im Folgenden: KSS) und Reinigungsmitteln, die zum Abspülen/Entfetten der bearbeiteten Metalle dienen.
Von September 1979 bis ca. 1982 bestand eine tägliche Exposition gegenüber Trichlorethen (Tri), einem in der Wissenschaftlichen Begründung zur BK 1317 als neurotoxisch bezeichneten organischen Lösungsmittel (vgl. BK-Report 1/2018 zur BK 1317, herausgegeben vom Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.); der Umgang bestand täglich. Ausgehend von den Angaben des Klägers erfolgte eine dermale und inhalative Exposition, deren Höhe sich, wie der Diplom-Chemiker H. in seiner Stellungnahme Arbeitsexposition vom 02.12.2016 ausgeführt hat, retrospektiv nicht mehr exakt ermitteln lässt. Etwa 1982 wurde dieser Stoff dann durch Petroleum und andere wasserstoffbasierte Reiniger ersetzt.
Bis zum Jahr 2000 wurden ausweislich der Angaben des Klägers im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. M. am 12.02.2018 Reiniger auf Petroleumbasis eingesetzt. Von etwa 2000 bis Dezember 2011 bestand eine tägliche Exposition gegenüber dem Stoffgemisch Bekanol H, welches in einem geringen Anteil von unter 0,01% bis maximal 0,5 % auch aromatische Kohlenwasserstoffe enthält. Die fertigen Teile wurden mit dem Reinigungsmittel gesäubert (ca. 25 bis 100 Teile pro Schicht); hierbei bestand Hautkontakt. Seit 2012 wird als Reiniger das Produkt "Bio Circle L", welches keine Gefahrstoffe enthält eingesetzt. Bei der Ausübung seiner Tätigkeiten wurden Hand- oder Atemschutz nicht verwendet.
Es bestand darüber hinaus stets Kontakt zu KSS. Bei der Firma B. wurde bis Mitte 2016 das Produkt BEKU Spezialöl 615 GTL verwendet, seither BEKANOL S 716 H.
3. Der Senat ist davon überzeugt, dass beim Kläger eine sensomotorisch-autonome distal-symmetrische Polyneuropathie mit axonal demyelinisierendem Läsionsmuster besteht. Diese ist klinisch erstmals im September 2011 aufgetreten und besteht seit November 2011 dauerhaft (vgl. Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M.-S. vom 01.03.2016, Befundbericht der Neurologischen Klinik der UKT vom 18.06.2012). Ob, wie vorliegend von den Sachverständigen mit unterschiedlichen Ergebnissen diskutiert, die leichte kognitive Beeinträchtigung des Klägers tatsächlich eine leichte Enzephalopathie vom Typ IIB darstellt, lässt der Senat offen. Denn selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt, ist die versicherte Tätigkeit und die damit verbundenen Einwirkungen gegenüber KSS und Reinigern, hier insbesondere Trichlorethen von September 1979 bis ca. 1982 und Bekanol H von ca. 2000 bis Dezember 2011, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit "conditio sine qua non" für ihre Entstehung (Zurechnungszusammenhang der 1. Stufe).
4. Der Senat sieht es gestützt auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. M.-S. sowie die arbeitsmedizinischen Stellungnahmen des Beratungsarztes Dr. W., das Schreiben des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung an der Ruhr-Universität B. vom 26.10.2015 (Prof. Dr. M./PD Dr. Z.) an die Beklagte und die Stellungnahmen des Mitarbeiters des Präventionsdienstes der Beklagten, Dipl.-Chem. H., zur Arbeitsplatzexposition des Klägers, die der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), nicht als wahrscheinlich an, dass die beim Kläger nachgewiesene Polyneuropathie oder eine leichte Enzephalopathie durch eine beruflich bedingte Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische i.S. einer BK 1317 im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht worden sind. Das haben die Genannten auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R, Rn. 28), den aktuell insbesondere der dritte BK-Report der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. zur BK 1317 (BK-Report 1/2018) dokumentiert, widerspruchsfrei und überzeugend dargelegt.
a) Von den KSS und Reinigern, zu denen der Kläger beruflich bedingt Kontakt hatte, wirkt nur Trichlorethen gesichert neurotoxisch. Es handelt sich dabei um ein in der Wissenschaftlichen Begründung zur BK 1317 aufgeführtes neurotoxisches Lösungsmittel.
b) Die KSS, gegenüber denen der Kläger exponiert war, sind demgegenüber keine Lösungsmittel i.S. einer BK 1317, wie Dipl.-Chem. H. in der "Stellungnahme Arbeitsplatzexposition" vom 02.12.2016 überzeugend ausgeführt hat. Es handelt sich bei den Produkten BEKU Spezialöl S 716 H und Bekanol S 716 H um Gemische höherkettiger ()C11) verzweigter, zyklischer und linearer Kohlenwasserstoffe.
c) Eine neurotoxische Wirkung des unter dem Namen "Bekanol H" vertriebenen Stoffgemischs ist wissenschaftlich nicht gesichert. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten sowie die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. M.-S. sowie die sämtlich im Urkundsbeweis verwerteten Ausführungen des Arbeitsmediziners Dr. W., des Dipl.-Chemikers H. und von Prof. Dr. M./PD Dr. Z ...
Bekanol H ist ein langkettiges Kohlenwasserstoffgemisch mit Kettenlängen zwischen C11 und C14 (d.h. Isoalkane im Bereich von 11-14 Kohlenstoffatomen). Es enthält einen herstellungsbedingten Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen ("Aromaten"), der im Sicherheitsdatenblatt mit Druckdatum 17.03.2011 mit "unter 2%" angegeben ist. Tatsächlich beträgt der Anteil jedoch deutlich weniger. Dies geht sowohl aus der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition des Dipl.-Chem. H. vom 02.12.2016 ("in der Praxis eher bei weniger als 0,5%") hervor als auch aus der Auskunft der Lieferfirma vom 10.11.2016 ("typischerweise immer ( 0,01%"). Auch im vom Kläger selbst vorgelegten Sicherheitsdatenblatt (Stand 01.02.2011, Druckdatum 01.02.2012) ist nur ein Gesamtaromatengehalt von typischerweise weniger als 0,01 % angegeben. Hiervon ist auszugehen. Nach allem ist der Anteil mit weniger als 0,5 % anzunehmen. Aufgrund der Aussagen der Lieferfirma, des Dipl.-Chem. H. und des Sicherheitsdatenblattes vom 01.02.2012 ist der Wert in der Regel mit 0,01 % anzunehmen und kann aufgrund herstellungsbedingter Toleranzen schwankten, bleibt aber (0,5 %.
Eine neurotoxische Wirkung von Bekanol H ist nicht erwiesen. So haben Prof. Dr. M. und PD Dr. Z. (Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität B.) in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2015 dargelegt, dass ausgehend von der wissenschaftlichen Begründung der BK 1317 (BArbBl. 9/1996, S. 44 ff.) neurotoxische Wirkungen insbesondere von Lösemittelgemischen mit hohen Anteilen an aromatischen Kohlenwasserstoffen und niedermolekularen kettenförmigen (aliphatischen) Kohlenwasserstoffen erzeugt werden. Demgegenüber sind die in den Sicherheitsdatenblättern von Bekanol H ausgewiesenen Alkane langkettige und im Gegensatz zu n-Alkanen verzweigte Kohlenwasserstoffe; die Cycloalkane sind ringförmige Kohlenwasserstoffe, die im Gegensatz zu aromatischen Kohlenwasserstoffen mit Wasserstoffatomen an den Kohlenstoffatomen gesättigt sind und deshalb im Gegensatz zu Aromaten keine Doppelbindungen aufweisen. Ihnen waren keine Studien oder wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich einer neurotoxischen Wirkung dieser Stoffe bekannt. Entsprechendes ergibt sich aus der Stellungnahme vom 09.07.2017 von Prof. Dr. M.-S ... Auch er hat herausgestellt, dass es sich bei den in Bekanol H enthaltenen Inhaltsstoffen um längerkettige Kohlenwasserstoffe (Processing Solvents) mit höheren Siedepunkten und geringer Toxizität handelt, die weder als Listenstoffe einer BK 1317 aufgeführt sind, noch arbeitsmedizinisch bisher durch neurotoxisches Potential auffielen. Schließlich hat Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 08.12.2012 Hinweise für ein neurotoxisches Potential dieser Stoffe verneint, ebenfalls hat PD Dr. M. (Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum T., Schreiben an das SG vom 22.11.2013) keine Anhaltspunkte für schädigende Wirkungen langkettiger Fettalkohole ab einer Kettenlänge von 10 C-Atomen, die nicht als mutagen, karzinogen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind, mitteilen können.
Auch aus dem Merkblatt zur BK 1317 (BArbBl 2005 H. 3 S. 49) und dem aktuellen BK-Report 1/2018 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. zur BK 1317 ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Neurotoxizität des Gemisches Bekanol H. Da es sich um ein Gemisch handelt, das aus mehreren chemischen Stoffen besteht und jedem chemischen Stoff zum Zwecke der Identifizierung nur eine "CAS-Nummer" zugeordnet wird (DGUV, BK-Report 1/2018, BK 1317, S. 11), erfolgt die Registrierung des Gemisches Bekanol H gemäß der Verordnung (EG) 1907/2006 ((REACH), vgl. BK-Report 1/2018 a.a.O. S. 68 ff.). Für keine der von der Erhard B.-K. GmbH mitgeteilten oder aus den Sicherheitsdatenblättern zu Bekanol H ersichtlichen EG-Nummern (REACH) bestehen aktuell Hinweise für eine Verunreinigung mit n-Hexan, n-Heptan oder Xylol (a.a.O., Seite 71).
Eine mögliche Verunreinigung des durch Destillation gewonnenen Produktes durch einen geringen Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen ist nicht ausreichend, um daraus eine neurotoxische Wirkung abzuleiten. Prof. Dr. M. und PD Dr. Z. haben sich dahingehend eingelassen, dass der Anteil an aromatischen Kohlenwasserstoffen im Bekanol H "offensichtlich vernachlässigbar" ist. Der Sachverständige Prof. Dr. M.-S. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass der geringe Lösungsmittelanteil in Bekanol H ohne wissenschaftlich gesicherten neurotoxischen Effekt ist. Diese Einschätzung sieht der Senat hier vor dem Hintergrund, dass der Siedepunkt von Bekanol H bei 182-205° Celsius liegt und nur aromatische Kohlenwasserstoffe "mitgeschleppt" werden können, die einen vergleichbaren Siedepunkt haben, wie Dipl.-Chem. H. in seiner Stellungnahme vom 02.12.2016 ausgeführt hat, als überzeugend an. Denn sämtliche Kohlenwasserstoffe, die ausweislich des Merkblattes zur BK 1317 (BArbBl 2005 H. 3 S. 49) gesichert neurotoxisch wirken (Benzol, Toluol, Xylol, Styrol) haben von Bekanol H deutlich abweichende Siedepunkte. Dieser liegt für das von Dipl.-Chem. H. ausdrücklich genannte Benzol und Toluol bei ca. 80° C (Benzol) bzw. 111° C (Toluol), für Styrol bei 145,1° C und Xylol bei 138,4 bis 144,4° C (DGUV, BK-Report 1/2018, BK 1317, S. 14 ff. [15/16]).
Da die Zusammensetzung von Bekanol H herstellungsbedingt variiert, lässt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Analysenbericht des Bremer Umweltinstituts vom Februar 2017 einer Baustoffprobe gerade nicht der Rückschluss ziehen, dass das dort als weiterer Inhaltsstoffen mit 5.100 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) aufgeführte Keton "2-Butanon" auch in dem vom Kläger während der Expositionszeit verwendeten Bekanol H in der genannten Konzentration enthalten war. Dasselbe gilt für die vom Kläger im Schriftsatz vom 05.10.2017 daneben angeführten Alkylcycloalkane, Isoalkane C6-C16 und Nonan (C9). d) Soweit Prof. Dr. M. seiner Kausalitätsbeurteilung die Annahme zugrunde gelegt hat, dass das von ihm festgestellte Fortschreiten der Erkrankung nach Expositionsende - hier also seit 2012 nach Umstellung auf "Biocircle L" als Reiniger - über Monate und Jahre hinweg gegen die Annahme einer beruflichen Verursachung der Polyneuropathie des Klägers spricht, folgt dem der Senat nicht. Der Kläger hat dagegen zu Recht eingewandt, dass diese Auffassung nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R, Rn. 28). Denn lösungsmittelbedingte Polyneuropathien verbessern sich laut dem Merkblatt zur BK 1317 (BArbBl 2005 H. 3 S. 49) nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit zwar häufig, nicht selten bleibt die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie jedoch klinisch nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit konstant oder verschlechtert sich. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus.
Gleichwohl sieht der erkennende Senat eine Verursachung der beim Kläger erstmals im Jahr 2011 dokumentierte Polyneuropathie, die sich ausweislich der von Prof. Dr. M. durchgeführten Untersuchungen seit 2012 verschlimmert hat, durch beruflich bedingte Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln i.S.d. BK 1317 nicht als wahrscheinlich an. Hinsichtlich der Exposition gegenüber dem neurotoxisch wirkenden Lösungsmittel Trichlorethen (Tri) von 1979 bis ca. 1982 fehlt es an dem laut dem Merkblatt zur BK 1317 erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen Exposition und der Entstehung der erstmals 2011 dokumentierten Krankheit. Wie Prof. Dr. M.-S. in seiner Stellungnahme vom 09.07.2017 dargelegt hat, kann die Exposition gegenüber Trichlorethen deshalb keine Relevanz für die erstmals 2011 aufgetretene Polyneuropathie haben. Da eine Neurotoxizität des unter dem Namen Bekanol H gehandelten Stoffgemischs nicht feststellbar ist, ist auch insoweit ein Zusammenhang zwischen der Exposition von 2000 bis 2011 und der Entstehung der Polyneuropathie nicht wahrscheinlich. Gleiches gilt für eine erstmals 2014 von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. F.-B. diskutierte Enzephalopathie.
4. Die abweichenden Schlussfolgerungen von Prof. Dr. F.-B., der angenommen hat, dass beim Kläger eine lösemittelinduzierte toxische Enzephalopathie des Schweregrades IIB und toxische Polyneuropathie vorliegen, die wahrscheinlich infolge beruflich verursachter Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln entstanden seien, sind nicht schlüssig begründet, so dass sie nicht Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein konnten.
C. I. Weitere Ermittlungen von Amts wegen durch Einholung weiterer Gutachten oder Stellungnahmen sind nicht erforderlich. Nur wenn ein Gutachten schwere Mängel aufweist, in sich widersprüchlich ist, von unzulässigen Voraussetzungen ausgeht oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachdienlichkeit des Sachverständigen erweckt, könnte die Verpflichtung bestehen, ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl. § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO, BSG, Beschluss vom 23.05.2006 – B 13 RJ 272/05 B –, Rn. 7, juris). Das ist nicht der Fall.
1. Es bestand keine Veranlassung, das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. M.-S. zu "verwerfen", wie vom Kläger beantragt. Die vom Kläger gegen das Gutachten von Prof. Dr. M.-S. und seine ergänzende Stellungnahme erhobenen Einwendungen sind gerade nicht geeignet, zu begründen, dass dessen Gutachten nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Soweit er dies unter Bezugnahme auf eine Studie von MOLHAVE aus dem Jahr 1986 auf die These stützt, "Bereits 1985 bestand wissenschaftlicher Konsens, dass alle VOC-Gemische neurotoxisch sind [ ]", widerspricht dem gerade die wissenschaftliche Begründung zur BK 1317 (BArbBl 9/1996, 44), wonach "für mehrere" (dort im Einzelnen aufgeführte) organische Lösungsmittel aufgrund von epidemiologischen Untersuchungen neurotoxische Wirkungen bekannt sind. Prof. Dr. M.-S. hat seinem Gutachten zutreffend die wissenschaftliche Begründung und das Merkblatt zur BK 1317 aus dem Jahr 2005 zugrunde gelegt. Zum Beleg seiner weiteren Annahmen zur Neurotoxizität von Bekanol H beruft sich der Kläger auf Publikationen von 1999 und 2002, die noch vor der Neufassung des Merkblattes zur BK 1317 aus dem Jahr 2005 veröffentlicht sind und somit dort berücksichtigt werden konnte.
2. Auf das Gutachten von Prof. Dr. M., stützt der Senat seine Überzeugung nicht, sondern unterstellt zugunsten des Klägers, dass die im Jahr 2014 durch Prof. Dr. H. festgestellten Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen dem Krankheitsbild einer leichten Enzephalopathie zuzuordnen sind. Weil es auf die Schlussfolgerungen im Gutachten von Prof. Dr. M. hier aus Rechtsgründen nicht ankommt, war es gleichwohl nicht von vornherein vollumfänglich "zu verwerfen". Denn das Gutachten ist, wenngleich es hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht (s.o.), hinsichtlich der erhobenen Befunde und daraus abgeleiteten Diagnosen durchaus überzeugend begründet.
II. Der Senat hat sich in Ausübung des ihm zustehenden richterlichen Ermessens nicht veranlasst gesehen, die Sachverständigen Prof. Dr. M.-S., Prof. Dr. M. und Prof. Dr. F.-B. zur Erläuterung ihrer Gutachten zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO)). Deren Gutachten sind, auch wenn ihnen in Teilen (Prof. Dr. M.) oder insgesamt (Prof. Dr. F.-B.) nicht gefolgt werden kann, weder unklar noch ergänzungsbedürftig.
III. Auch unter dem Aspekt des Fragerechts der Beteiligten § 118 Abs. 1 Satz 1 und § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402 ZPO) hat der Senat keine Veranlassung gesehen, die Sachverständigen wie vom Kläger beantragt "zur Erläuterung ihrer Gutachten und zur Aufklärung der Divergenzen" zum Termin zu laden. Zwar sind hiernach die Beteiligten berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten.
Jedoch ist Prof. Dr. M.-S. bereits schriftlich zu den vom Kläger erhobenen Einwendungen angehört worden, was zur Wahrung des Anhörungsrechts der Beteiligten auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausreichend ist (vgl. Beschluss des BVerfG vom 02.05.2018 - 1 BvR 2420/15, NZS 2018, 859 f.). Zum Gutachten von Prof. Dr. M. hat der Kläger weder Fragen noch erläuterungsbedürftige Punkte konkret bezeichnet, die in einem Gutachten klärungsbedürftig sind, sondern in schriftsätzlichen Stellungnahmen Kritik am Maßstab der Begutachtung und den Schlussfolgerungen geäußert, die der Senat seiner Entscheidung aus Rechtsgründen nicht zugrunde gelegt hat. Prof. Dr. F.-B. hat im Verfahren die abschließende gutachterliche Stellungnahme erstattet und konnte daher auf alle vorher geäußerten Einwendungen der von Amts wegen bestellten Sachverständigen gegen seine Schlussfolgerungen eingehen. Gegen sein Gutachten hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.
Der Umstand, dass die Sachverständigen in ihren Gutachten zu divergenten Ergebnissen kommen, vermag das Erfordernis einer Anhörung der Sachverständigen nicht zu begründen. Vielmehr gehört die Würdigung unterschiedlicher Gutachtensergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Das Gericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit den entgegenstehenden Ergebnissen inhaltlich auseinander zu setzen (K. in: Meyer-Ladewig/K./Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 128 Rn. 7, 7e), wie obenstehend erfolgt.
Hiernach war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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